Jesus Anfänger und Vollender des Glaubens

Inwiefern ist der Herr Jesus „der Anfänger und Vollender des Glaubens“? (Hebr. 12,2.)

Antwort A

In dieser Stelle hat der Ausdruck „Anfänger” die Bedeutung von „Beginner” oder auch „Urheber”, wie wir in Hebr. 2,10 nach der Miniaturbibel lesen: „Denn es ziemte Dem, um deswillen alles und durch den alles ist, als Er viele Söhne zur Herrlichkeit führte, den Urheber ihres Heils (Luther: „Herzog der Seligkeit”) durch Leiden zu vollenden.” Hier ist der Herr Jesus der Urheber unseres Heils genannt; durch Sühnung unserer Sünde hat Er auf Golgatha alle Hindernisse aus dem Wege geräumt, die uns von Gott trennten. Der Vorhang zum Allerheiligen ist zerrissen (Mt. 27,51) und die Gemeinschaft mit dem Vater ermöglicht.
Inwiefern ist nun der Herr Jesus der Urheber des Glaubens?

1. Der natürliche Mensch wird von seiner Gedankenwelt beherrscht und ist unfähig, das Gute zu tun. Gott ist dieser unserer Unfähigkeit zu Hilfe gekommen und hat uns einen neuen Punkt gegeben, Jesum, wo wir uns sammeln und zurechtfinden können. Indem wir nun Jesum anschauen, d. h. indem wir uns mit Ihm in Verbindung setzen, stellen wir uns unter Seinen Einfluß (Joh. 3,14-17.36).

Als Anfänger des Glaubens hat nun der HERR uns zuerst gezeigt, wie wir Glaubensleben zu verwirklichen haben.
Die wunderbare Stelle, die uns hierüber Aufschluß gibt, ist Joh. 6,57 und lautet: „Gleichwie der lebendige Vater Mich gesandt hat und Ich durch den Vater lebe, so auch, wer Mich isset, wird durch Mich leben.” Der Herr Jesus lebte durch den Vater; um dieses tun zu können, hob er beständig Seinen eigenen Willen auf und ließdann den himmlischen Vater denken, wollen und tun (Joh. 5,19). In ähnlicher Weise sollen auch wir als Jesu Nachfolger Jesu gegenüber unsere eigenen Gedanken, Wünsche und Pläne entwerten (annullieren), damit Seine Kraft sich in uns entfalten kann. So werden wir dann durch Jesum leben; während der Glaube des Herrn Jesus auf den Vater ging, geht der unsrige auf Jesum, well Er sagte (Joh. 14,6): „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch Mich.” (Elberf. Übers.) Möge der HERR uns Gnade geben, dass auch wir des HERRN Glauben in uns verwirklichen lernen!

2. Der Herr Jesus ist der Urheber der Predigt der Heilsbotschaft (Mk. 16,15), aus welcher der Glaube kommt (Röm. 10,17).
Glückselig werden wir sein, wenn der Herr Jesus am Ende unseres Lebens unserem Glaubensleben als Vollender die Krone aufsetzen kann.
Als Richter wird Er uns den Lohn des Glaubens einst darreichen. Welche Aussichten gibt uns der Apostel Paulus in 2. Tim. 4,7.8: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt; hinfort liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der HERR an jenem Tage, der gerechte Richter, verleihen wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die Seine Erscheinung liebgewonnen haben.” Dazu helfe uns der HERR!
C. L.

Antwort B

Wie der Herr Jesus das Endziel für uns ist und wie Er das Haupt des Leibes bleibt, so ist Er auch die Grundlage von allem. In Joh. 15,5 sagt Er den Seinen: „Außer Mir”, d. h. abgetrennt von Mir, „könnt ihr nichts tun.” So werden wir immer wieder in vielen Schriftstellen auf den Anfang verwiesen, so z.B. 1. Joh. 1,1: „Was von Anfang war”, 1. Joh. 2,7: „ein altes Gebot, welches ihr von Anfang hattet”, 1. Joh. 2,13: „Ich schreibe euch Vätern, weil ihr Den erkannt habt, der von Anfang ist” u. a. Immer wieder wird uns der HERR als Der gezeigt, der in allen Stücken der Bahnbrecher war. So war Er als das fleischgewordene Wort (Joh. 1,14) auf diese arme fluchbeladene Erde gekommen, wo alles unter dem Gesetz seufzte; hier stand das durch Mose gegebene Gesetz dem Menschen entgegen, mit dem Herrn Jesus erschien aber als etwas Gewordenes „Gnade und Wahrheit” (Joh. 1,17). Durch dieses Erscheinen Christi und durch Sein Ausharren auf dem Wege, das ist Seinen Gehorsam (Phil. 2,6-8), ward Er der Anfänger des Glaubens. Damit hat Er den Glaubensgehorsam aufgerichtet (Röm. 1,5 und 5,19) und ist nicht nur der Urheber des Heils geworden (Apg. 4,12), sondern auch der Urheber oder Anfänger des Glaubens. In Glaubensabhängigkeit von Seinem Gott und Vater ging Er Seinen Weg und ward für uns die Quelle des Glaubens (Joh. 20,31) und das beste Vorbild, und wenn wir in Hebr. 11 die große Galerie der Glaubenszeugen sehen, so finden wir bei diesem Anschauen immer wieder viel Menschliches, es ist bei jedem eine Vermischung von Göttlichem und Menschlichem, wenn wir aber dann in Hebr. 12 aufgefordert werden, auf Ihn zu schauen, den Anfänger und Vollender des Glaubens, dann sehen wir Ihn vor uns als Den, der die ganze Laufbahn des Glaubens in Vollkommenheit durchlaufen hat (Jes. 53). Ob es nun in der Wüste bei der Versuchung oder in Gethsemane angesichts der Leiden ist, immer steht der Vaterwille im Vordergrunde, ob auf Tabor oder auf Golgatha, immer steht Er fest im unerschütterlichen Glauben, und wenn auch vor Ihm im Alten Bunde viele im Glauben in Schwachheit wandelten, so sehen wir dennoch allein in Christus, was Glauben und Vertrauen ist, denn Er allein fing die Laufbahn an und vollendete darin, alle anderen sind mehr oder minder unterlegen. Möge auch unser Weg, mein Weg, dein Weg ein Pfad des Glaubens sein, denn des HERRN Augen schauen nach dem Glauben (Treue) (Jerem. 5,3), und „ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen” (Hebr. 11,6).
Ph. W.

Antwort C

Aus dem Zusammenhang zu schließen (denn der Schluß von Kap. 10, Kap. 11 und 12 gehören zusammen, da es sich hier um Ermahnungen für Gläubige handelt), wird uns Christus vorerst als das Vorbild des Glaubens dargestellt. Im Alten Testamente konnten die im 11. Kap. genannten Personen als Vorbilder dienen, und auch heute können, ja, sollten sie uns auf dem Pfade des Glaubens noch ermuntern. (Vergl. Röm. 15,4.) Doch wenn es sich um Vollkommenheit handelt, kann der Heilige Geist unseren Blick nur auf eine Person lenken, und diese ist der Herr Jesus. Er überstrahlt an Tiefe und Höhe, Ebenmaß und Vollkommenheit die alttestamentlichen Vorbilder. Wie Seine Vortrefflichkeit und Sein Vorrang in allen Stücken in diesem Briefe gezeigt wird, so auch in dem des Glaubens. Vor Seiner Menschwerdung war Er nicht das Vorbild des Glaubens, obwohl Er die Sehnsucht und das Verlangen derer war, die auf Sein Kommen warteten, noch konnte Er es sein, da Er nur als Mensch hienieden glauben konnte und Gehorsam lernte (Vergl. Hebr. 5,8). Vor Seiner Menschwerdung war das eine wie das andere unmöglich. Wir müssen, nach dem Worte Gottes, die Menschheit und Gottheit, oder besser gesagt die Gottheit und Menschheit unterscheiden lernen, obwohl niemals trennen, da sie in einer Person vereinigt sind. Darum werden wir aufgefordert vom Geiste Gottes, wegzublicken von der Wolke der Zeugen, die wohl Strahlen und Züge des Hauptes, der Krone und des Ecksteins des Glaubens, aber niemals ohne menschliche Schatten, das helle, reine und vollkommene Licht des Glaubens wie beim Herrn widerspiegeln, da es bei Ihm keine Veränderung noch Schatten von Wechsel geben kann. Vorerst war Christus für die Gläubigen das Vorbild, doch müssen wir uns vergegenwärtigen, dass es unter den Hebräern auch viele jüdische Mitläufer gab, die noch fest an dem von den Vätern überlieferten Wandel hingen und Christus nur als „Lückenbüßer” (verzeiht diesen unehrwürdigen Ausdruck!) ansahen, der ihre Mängel und Lücken ausfüllte. Wie es auch heute Christen gibt, denen Christus nicht ein und alles ist. Die da meinen, sie brauchten Ihn nur zu gewissen Zeiten. Diese Seelen von den Schatten und Vorbildern abzulenken auf den Herrn Jesus hin war einer der Hauptgründe dieses Briefes. Der Herr Jesus war nicht nur der Urheber des Lebens (Apg. 3,15) noch auch nur der Urheber des ewigen Heils (Hebr. 5,9), sondern auch der Anführer oder, besser gesagt, der Urheber des Glaubens. Ohne Ihn kein Leben, kein ewiges Heil, aber lerne verstehen, liebe Seele, auch keinen Glauben! Wer da meint, wirklichen Glauben zu haben, muss den Herrn Jesus haben, und wer Ihn hat und kennt, hat ewiges Heil und Leben. Der Glaube ist in Seiner Person gleichsam erschienen. (Vergl. Gal. 3,22-26.) So ist Er auch der Vollender des Glaubens. Welche Gnade, dass Er alles ist!
K. O. St. (geschrieben im Felde).

Anmerkung des Schriftleiters F. K.

Diese schönen und, weil einander ergänzenden, völlig ausreichenden Antworten mit ihren Ermunterungen werden, gerade zu Beginn des Jahres 1919 in die Hände der Leser kommen. Da drängt es mich, noch einiges, was mir für die nächste Zukunft wichtig scheint, anzufügen.

Hinter uns liegt eine schwere, dunkle Zeit, dunkler als je zuvor liegt aber das unbekannte neue Jahr vor uns Deutschen. Umlernen haben wir vielleicht in manchen Punkten müssen, wenigstens was den Weg Gottes mit unserem teuren Vaterlande angeht, ja, in manchen diesbezüglichen Einzelheiten der Weltregierung Gottes, die hienieden völlig zu verstehen, selbst das Denken und Begreifen der wahren Christen nicht genügt. Aber wir wissen, dass Sein Walten durchaus heilig und gerecht und doch wieder voll Liebe ist - gehört doch mitten in die göttliche Weltregierung hinein die Sendung des Sohnes (Joh. 3,16), und muss darum in dieser Gnadenzeit alles dem Zweck dienen, dass Menschen, arme, verlorene Sünder dahin kommen, zu glauben an Ihn, der „das Licht der Welt” ist und der Welt das Leben gibt, und zwar mit Sich Selbst. Und dass wir dies wissen, das gibt uns Halt in diesem Weltwogen, in diesem Zerbrechen alles dessen, was wir bisher geliebt oder zum mindesten anerkannt haben, in diesem Aufrichten ganz ungeahnter, neuartiger Verhältnisse, ja, in diesem Gedemütigtsein nach und von außen und innen. Gott ist am Werke, Gott macht keine Fehler, Seine Gedanken und Wege sind höher als unsere! Denen, die Ihn lieben, müssen auch alle diese Dinge, ja selbst der Triumph Satans, zum Guten mitwirken. Noch ist kostbare Gnadenzeit, noch wirkt der Vater, indem Er Seelen zum Sohn zieht (Joh. 6,37.44), noch baut der HERR an Seinem heiligen Tempel, an Seiner Gemeinde, und fügt Stein an Stein ein (1. Petr. 2,4ff.). Und wir Gläubigen dürfen durch Gnade mitten drin in der Mitarbeit Gottes stehen, mitten im heiligen Kampf! Da heißt es für uns: lasst niemanden euch um den Kampfpreis bringen! (Kol. 2,18), d. h. nicht etwa „um das ewige Leben” - das haben wir im Sohn für ewig (1. Joh. 5,11) -, sondern um den Lohn, um den Kampfpreis unseres Lebens hienieden, das oft genug in der Schrift als ein Wettlauf geschildert wird (vergl. z. B. 1. Kor. 9,24-27; 2. Tim. 2,4.5). Auch die Stelle, aus der das Wort vorliegender Frage genommen ist, sieht unser Glaubensleben so an.

Da ist es nun sehr ernst für jeden von uns, daßwir in der rechten Gesinnung und mit voller Glaubensenergie diesen Wetllauf vollbringen und uns durch nichts abbewegen lassen, sondern das Ziel fest im Auge behalten, vorwärts - aufwärts eilen im Glaubensgehorsam gegen Sein Wort und den Gedanken Gottes folgend, Sein Werk an der Welt treiben in Treue und Liebe, bis - ja, bis „die Nacht kommt, da niemand wirken kann” oder bis „der HERR kommt”. Wohl sind wir noch „in der Welt” und haben auch in ihr Aufgaben, aber wir haben nichts zu tun mit dem Wesen der Welt - wir sind nicht „von der Welt” (Joh. 17,11.16) - und dürfen uns ihr nicht gleichförmig stellen (Röm. 12,2!). Die Welt ist vielmehr das Gebiet, wo wir unseren Glaubenswettlauf auszukämpfen haben, und da bedürfen wir, um siegreich zu sein, des Hinwegblickens von allem uns Hinderlichen sowie des Glaubensblickes auf „Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens”. Sein ganzer Weg als der „des Sohnes des Menschen” war ein beständiges Leben des Glaubens, der Abhängigkeit vom Vater, des Gehorsams gegen Seine Stimme -wie vollkommen, zeigt z. B. der zweite Teil des Verses -, und Er hat als „Mensch” das Ziel des Wettlaufs erreicht; Er hat den Ihm für den siegreichen Wettlauf zukommenden Platz zur Rechten des Thrones inne! „Dort sehen wir Ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt” (Hebr. 2,9). Auch der dritte Vers des 11. Kap. zeigt etwas von Seinem sittlich-vollkommenen Kampf hienieden; welchen „Widerspruch von den Sündern” erduldete Er! - wahrlich, Er ist des Betrachtens unsererseits wert und unseres Glaubensblickes!
Und hat es wohl je eine Zeit gegeben, wo dies so wichtig war wie jetzt?!

Brüder, Schwestern! Was das Jahr 1919 uns auch bringen mag - vielleicht bringt es Ihn, den „Morgenstern”! (Off. 22,16) -, lasst uns alles wegtun, was uns hindert, den noch vor uns liegenden Wettlauf des Glaubens „mit Ausharren” zu laufen, und was nicht wert ist, dass unsere Augen darauf ruhen - ja lasst uns von allem „hinweg sehen auf Jesum hin, den Anführer und Vollender des Glaubens”! Er ist unserer völligen Abhängigkeit von Ihm würdig, und unser ist nach allen Kämpfen hienieden ein herrlicher Siegespreis bei und mit Ihm! Gepriesen sei Sein Name ewiglich!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 6 (1918/19)