Antwort A
Um die verschiedenen Tagesangaben zu verstehen, muss man sich die damalige Tageseinteilung vergegenwärtigen. Da wurde der Tag von abends 6.00 Uhr bis nachmittags 5.59 gerechnet. 1. Mose 1,5.8.13.19.23.31 und 3. Mose 23,32. Der neue Tag begann mit dem Sichtbarwerden der Sterne. Im übrigen sagt Mt. 28,1 „spät am Sabbat, in der Dämmerung des ersten Wochentages”. Der Evangelist fährt hier mit den vorherigen Schriftzügen fort; er beschreibt ab Kap. 27,64, wie Pilatus befehlen soll, dass das Grab bewacht werden soll. Dies geschieht auch durch Versiegelung des Steines und gestellte Wachtposten. In Kap. 28 fährt nun Matthäus fort, auch von dem Wiedereröffnen des Grabes Jesu zu berichten. Darum braucht er die Worte „spät am Sabbat” und geht in die „Dämmerung” des neuen Tages über.
Nach Mk. 16,1 haben die Frauen, als der Sabbat vergangen war - wir würden heute sagen am Sonnabend abend nach 6 Uhr, als die Juden die Läden wieder öffneten -, wohlriechende Spezereien gekauft, um Jesum zu salben. Diese Stelle als auch Mt. 26,7; Mk. 14,4; Lk. 7,37 und Lk. 10,40.41 zeigen, dass es im Wesen des Weibes liegt, die innere Zuneigung und Dankbarkeit gegen eine Person durch tätige Liebeserweise nach außen hin kundzutun. Jesus kennt diese Züge und erkennt sie auch an. Angeführte Stellen zeigen ein Gutheißen der Tat aus Jesu Munde. Dieser Zug ist auch in Mk. 16,1 enthalten, auch dass sich die Frauen nach Mk. 16,9 „früh”, nach Mk. 16,2 „sehr früh”, nach Lk. 24,1 „ganz in der Frühe” und nach Joh. 20,1 „als es noch finster war” zur Grabstätte begaben. Dies lässt erblicken, dass sie viel Trost bedurften; sie wußten, was ihnen genommen war, und konnten sie Ihn nicht mehr Selbst haben, so wollten sie doch gerne in der Nähe Seines Leichnams sein. Angst vor Jesu Gegnern hatte sie im Finstern zum Grabe zu gehen veranlasst und Sehnsucht nach Seiner Nähe obendrein. Hätte ihnen ein Mann die Auferstehung berichtet, so hätten sie es nur als einen Trost aus einem mitempfindenden Männerherzen hingenommen. Darum musste es ihnen ein Engel sagen nach Mt. 28,5, Mk. 16,6 und Lk. 24,6, und Jesus belohnt das Zuerst-am-Grabe-sein in Joh. 20,15.16 mit Seiner ersten Ansprache nach der Auferstehung. Ein Zusammenhang mit 1. Mose 3,6 scheint mir nicht erklärlich.
F. G.
Anmerkung des Schriftleiters von Teil I
Auch ich sehe keine Verbindung zwischen der Tatsache, dass durch das Weib die Sünde eingeführt ist (1. Mose 3,6), und der, dass ein Weib zuerst den HERRN nach Seiner Auferstehung sah. Doch mag der Gegensatz, der zwischen beiden Tatsachen liegt, manchem des HERRN Wort liebenden Herzen köstlich sein, wenn auch keine besondere Belehrung daran geknüpft zu werden braucht. „Das Weib fiel in Übertretung” (1. Tim. 2,14) und brachte somit den Tod in diese Welt - und eine überaus verderbt gewesene Vertreterin des gleichen Geschlechts durfte die erste sein, die den auferstandenen Lebensfürsten, „der Leben und Unverweslichkeit ans Licht brachte” (2. Tim. 1,10), zuerst schauen durfte - wahrlich, das ist ein Gedanke göttlicher Weisheit, der uns wohl erquicken kann!
Auf die Tagesangaben der Ostergeschichte möchte ich nicht zu weit eingehen; obige Antwort gibt ja allerlei Licht darüber. Man kann übrigens Mt. 28,1 auch übersetzen „nach Beendigung des Sabbats”, wodurch einiges klarer wird. - In dieser Frage ist es, wie in der „G. H.” schon so oft betont ist, auch wichtig zu beachten, in welchem Evangelium so oder anders steht. Jedes Evangelium behandelt die gleiche Tatsache in seinem besonderen Licht. Wirkliche Widersprüche sind unter den einzelnen Stellen gewiß nicht, wenn uns kurzsichtigen Menschen auch manches verborgen bleibt. Was die eine Betrachtungsweise „Dämmerung” (Mt.!) nennt, mag eine andere schon „Helligkeit” ansprechen; es kommt stets auf den Standpunkt des Betrachters an (vgl. z. B. die Betrachtung einer großen Stadt von verschiedenen Standorten aus!). Einer, der gewohnt war, sehr früh aufzustehen, war der vollkommene Knecht Jehovas, der Herr Jesus nach dem Markus-Evangelium; daher hier das Wörtchen „sehr früh” in 16,2 (vgl. 1,35!) gewiß am Platze ist.
Joh. 20,1 scheint allerdings zu Mk. 16,2 in schroffem Gegensatz zu stehen. Aber ich glaube, ohne es etwa fest zu behaupten, diese Stelle behandelt gar nicht den gleichen Vorgang wie die anderen Evangelien, sondern was die anderen zusammenfassend behandeln, zeichnet Johannes, „der Apostel der Liebe” mit besonderer Liebe, indem er ahnen läßt, dass Maria Magdalena ganz allein vor allen anderen oder schneller als die anderen den Weg zum Grabe gemacht hat, einfach weil sie in ihrer besonderen Liebe es nicht mehr ohne ihren HERRN („meinen HERRN”, V. 13) aushalten konnte. Und demnach wäre sie schon beim Grabe gewesen, als die anderen Frauen - über die Johannes offenbar nicht die Aufgabe hat, etwas zu berichten - ihr zeitlich (etwas) später nachkamen. - Die Schrift hat uns alles dies nicht so aufgezeichnet, dass wir jede Einzelheit in die zeitliche Reihenfolge bringen können, aber kommt es etwa darauf an? Die Anschaulichkeit gewinnt doch am meisten dadurch, dass jeder Beobachter das herbeibringe - und zwar in der Schrift unter der wörtlichen Inspiration des Geistes -, was ihm wichtig scheint (in Wirklichkeit: was Gott wichtig ist!); das Gesamtbild dann nachher ist so überwältigend klar, wie (hier in unserem Falle) eben nur die kostbare, über alles herrliche Tatsache der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus sein kann. Gepriesen sei Sein Name immerdar!