Ist Scheol und Hades dasselbe?

Was ist die Bedeutung der Ausdrücke „Scheol“ (A. T.), „Hades“, „Abgrund“ (Abyssos), „Feuersee“ (Offenb. 20), „Hölle“ (Gehenna) und „Tartarus“ (2. Petri 2,4)? Sind es alles verschiedene Dinge, oder sind z. B. „Scheol“ (A. T.) und „Hades“ (N. T.) dasselbe?

Antwort A

Das Wort Hades kommt im N. T. wie folgt vor: Mt. 11,23; 16,18: Lk. 10,15;16,23; Apg. 2,27.31; Off. 1,18; 3,7 (versch. Lesart.); 6,8; 20,13.14. Es bedeutet Totenreich, Unterwelt und entspricht dem hebräischen Wort Scheol. Das Wort Scheol findet sich häufig schon im Buche Hiob, vergl. 7,9; 11,8; 14,13; 17,13.16; 21,13; 24,19.

Das Totenreich liegt tief unten, 5. Mose 32,22; Jes. 14,9; 57,9; Hes, 32,21; Am. 9,2; Ps. 86,13; 139,8; Spr. 15,24; Hiob 11,8. Es ist der Aufenthaltsort für alle Toten, Hos. 13,14; Ps. 16,10; 49,15; 89,48; Spr. 5,5; 23,14. Doch sind zwei Orte zu unterscheiden, das Paradies (Schoß Abrahams), d. i. der Ort für die Frommen (Lk. 16,22; 23,43), wo der sterbende Schächer mit Christus sein sollte. Von diesen sind die übrigen durch eine große Kluft getrennt (Lk. 16,26).

Bis zum Gericht vor dem großen weißen Thron werden die Gottlosen hier bleiben, um dann in den Feuersee geworfen zu werden (Off. 20,13ff.). Dagegen erscheint das „Paradies” seit der Auferstehung Christi in der Gegenwart Gottes, wohin Paulus entrückt wurde (2. Kor. 12,1-4), nicht mehr im Hades. Christus ist hinaufgestiegen in die Höhe und hat die Gefangenschaft gefangen geführt (Eph. 4,8), aber zuvor stieg Er hinab in die unteren Teile der Erde, d. i. in den Teil des Hades, der das Paradies genannt wird. Die jetzt sterbenden Gläubigen sind „daheim bei dem HERRN” (2. Kor. 5,8) und kommen nicht in den Hades.

Das „höllische Feuer” (Mt. 5,22) wörtlich „das Gehenna des Feuers”, war ursprünglich die Feuerstelle im Tale Hinnom, wo Menschenopfer dargebracht wurden (2. Chr. 33,6; Jer. 7,31). Dieses Wort kommt 12 mal im N. T. vor, Mt. 5,22.29.30; 10,28; 18,9; 23,15.23; Mk. 9,43.45,47; Lk. 12,5; Jakob. 3,6, also mit Ausnahme der letzten Stelle nur in den Aussprüchen des HERRN Selbst. Natürlich ist hier nicht die örtliche Stelle im Tale Hinnom gemeint, sondern der Ort des Gerichts und der Strafe der Gottlosen, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt, d. i. der Feuersee (Off. 19,20; 20,10) oder der zweite Tod (Joh. 8,24; Off. 21,8). Schon bei den Propheten erscheint dieser Platz als Vorbild des Gerichtsortes, Jes. 30,33; 66,24; Mal. 4,1.

Der Ausdruck Tartarus kommt als Hauptwort überhaupt nicht vor, wohl aber einmal, nämlich 2. Petr. 2,4, das entsprechende Zeitwort ταρταροΰν (tartaroun), d. i. in den Tartaros werfen. Da es nur hier gebracht wird, und zwar von den gefallenen Engeln, so muss nicht an den Hades gedacht werden, noch weniger an die Gehenna (Hölle), „den schlussgerichtlichen Strafort der Feuerhölle”, sondern an den vorläufigen Haftort, wo sie „aufbewahrt” werden für das Gericht. - Der Abyssos, d. i. die „Tiefe”, das Bodenlose, der Abgrund. Dieser Ausdruck ist in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments die Wiedergabe des hebräischen Wortes thehom, Tiefe, Meerestiefe (z. B. 1. Mose 1,2; 5. Mose 33,13; Ps. 107,26). Im N. T. ist Abyssos (Röm. 10,7) dasselbe wie Hades, d. i. der Aufenthaltsort der Verstorbenen; nach Lk. 8,31; Off. 9,1; 11,7; 17,8; 20,1.3 der vorläufige Strafort der bösen Geister, also dasselbe wie der Tartarus.
J. W.

Antwort B

Die Lutherbibel enthält oft den Ausdruck „Hölle”, wo in neueren Übersetzungen „Totenreich” steht.
Die Juden nannten das Totenreich „Scheol”, und das griechische Neue Testament gibt „Scheol” durch „Hades
wieder. Der Scheol, auch „Grube” (Lutherbibel 1. Mose 37,35), war im Alten Bunde zunächst der Ort der abgeschiedenen Seelen, sowohl der Frommen als auch der Gottlosen; er war das Gefängnis (1. Petr. 3,19). Die Stellen im Alten Testamente schildern den Zustand der Seelen im Scheol als trostlos. Hiob 7,9; 3,11-19; 8,18; 10,21; Ps. 6,5; 30,9; 115,17.

Den wichtigsten Aufschluß über den „Hades” erhalten wir im Neuen Testament in der Geschichte vom reichen Mann und vom armen Lazarus, Lk. 16,19-31; dort erfahren wir von einem Ort der Seligkeit, „Abrahams Schoß”, auch „Paradies” (Lk. 23,43), und von einem „Ort der Qual”. Dieser Ort der Qual ist wohl zu unterscheiden von der eigentlichen Feuerhölle oder Gehenna, dem Ort der endgültig Verdammten. Der griechische Ausdruck „Tartaros” bedeutet Ort der Verdammnis und die Miniaturbibel gibt ihn in 2. Petr. 2,4 mit „Hölle” wieder. Der Abgrund (Abyssos), in Off. 9,1; 11,7; 17,8, da der Rauch aufsteigt, (Off. 9,2), ist ohne Zweifel die Behausung des Teufels und seiner Engel (Mt. 25,41). Man merke wohl, nicht eigentlich die der Menschen, denn Gott will, dass allen Menschen geholfen werde (1. Tim. 2,4).

Das Wort „Hölle” ist abgeleitet von dem altdeutschen „Hela”, dem Namen der Göttin der Unterwelt bei den alten Germanen.
Als Vorbild dieses Ortes der Qual galt den Juden das Tal Hinnom, südlich von Jerusalem, wo immer Feuer unterhalten wurde, um Aase und Dünger zu verbrennen; auch die Leichen von Verbrechern wurden dort hingebracht; der Ort hieß Gé-Hinnom (vergl. Jer. 19,6ff.), und daraus entstand Gehenna; auf diese beziehen sich folgende Stellen: Jes. 66,24; Off. 21,8; Mk. 9,43; Jud. 7.23; Off. 14,10; 21,8. Das Schicksal derer in Off. 21,8 ist noch zukünftig und findet nach dem Tausendjährigen Reiche statt.

Für uns ist es sehr wichtig zu wissen, dass uns nach unserem Tode ein seliger Ort „bei Christo” bereitet ist (Phil. 1,23). Eine solche Verheißung bestand für Israel unter dem Gesetz nicht. Im A. T. kann der Zustand der Verstorbenen kein seliger genannt werden, da Christus dem Tode noch nicht die Macht genommen hatte. Der Zustand der Entschlafenen wird ein seliger für den, der in Christo ist, obgleich auch diese Seligkeit erst mit der ersten Auferstehung zur Vollendung kommt nach Off. 20,6.
C. L.

Anmerkung des Herausgebers

Die Frage ist durch diese beiden umfassenden Antworten genügend beleuchtet. Wir weisen nur noch hin auf das auch für „Totenreich” und „Abgrund” gebrauchte hebräische Wort „Abaddon”, in Ps. 88,11.12; Hiob 26,6 u. a. gebraucht, wozu wir zu vergleichen bitten Off. 9,11.

Wir möchten die teuren Leser, denen dieser ganze Gegenstand zu „trocken” erscheinen will, um sich gründlich mit demselben zu beschäftigen, noch bitten, die angegebenen Schriftstellen treulich zu durchforschen, sie werden gewiß Gewinn davon haben. Denn wenn Gott diese Dinge nicht für wichtig genug erachtet hätte, so hätten sie gewiß nicht in Seinem Worte Aufnahme gefunden! Auch hier gilt 2. Tim. 3,16.17.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)