Ist Gott unbegreiflich in Seinen Lebensführungen und Gedanken?

Ist Gott unbegreiflich in Seinen Lebensführungen und Gedanken? (vergl. Röm. 11,33 und Jes. 55,8.9)

Antwort A

Angefrömmelte Weltmenschen stellen Gott als den Unbegreiflichen dar, der verborgen, um nicht zu sagen unverstanden, bleiben will. Röm. 11,33 scheint für ihre Ansicht eine Stütze zu sein, und Jes. 55,8 wird in dem Sinne gebraucht, als ob unsere Gedanken nicht Seine Gedanken sein können. Wer aber diese Bibelstelle in ihrem Zusammenhang erfaßt: „Jeder Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine Gedanken”, der merkt, wie Gott mit Trauer feststellt, dass der Mensch andere Wege und Gedanken geht als Er und dass Er ihm gerne Seine höheren Gedanken mitteilen möchte. Er verheißt, Sein Wort solle nicht leer zurückkommen, womit ein Eingehen in Seine Gedanken verbunden ist.

Auch andere Bibelstellen, die den Abstand zwischen menschlicher Unvollkommenheit und Gottes Größe schildern, sollen ein Locken Gottes sein, Ihm zu nahen, damit wir höhere Gedanken bekommen. Wohl sieht der Mensch, was vor Augen ist, aber wir sollen auch da lernen zu verstehen und zu werten ohne Rücksicht auf blendendes Äußere (1. Sam. 16,7). Gottes Art zu denken und zu werten ist nicht geoffenbart nur zum Anstaunen, sondern stets auch zur Nachahmung.
Wenn ein Kind Gottes Führungen erlebt, die es nicht versteht, so soll es zu Ihm gehen, sich Seine Gedanken offenbaren zu lassen. Gott will verstanden werden. Er sehnt Sich danach, Seine Gedanken zu unseren Gedanken zu machen; und Röm. 11,33 fließt nur aus einem Herzen, das glücklich ist, etwas von Gottes Gedanken in sich aufgenommen zu haben, und das anbetend ausruft: Wie gar unergründlich weise sind Seine Gerichte und Wege; welche Gnade, dass Er uns Seine Gedanken mitteilt!
Sch.

Antwort B

Da danke ich dem HERRN von ganzem Herzen, dass ich hie und da etwas begreifen darf und vertraue auch, dass ich je länger desto mehr begreifen werde. Ich sage aber, es ist ein Unglück und geradezu verhängnisvoll, zu meinen, wir könnten Gott in all Seinen Führungen und Gedanken begreifen. Wie kann ich armer Mensch das zu behaupten wagen?! Alle Völker sind wie ein Tropfen am Eimer (Jes. 40,15), und nun kommt so ein unendlich kleiner Teil eines solch armen Tropfens und will mit seinem Verstand den großen Gott verstehen und mit seinen irdischen, kurzen Begriffen den unbegreiflichen Gott begreifen und Seine Gedanken klarmachen bis zum letzten i-Punkt und alles restlos erklären! Der Abstand von Ihm sollte uns bescheidener machen! Bei allem Erkennen bleibt es: Wie gar unbegreiflich sind Seine Gerichte und unerforschlich Seine Wege! Aber eins dürfen wir begreifen: Er ist treu und steht zu Seinen Verheißungen! Doch ich fühle eben, auch da komme ich in die Brüche. HERR, ich will Dir glauben!
K. E.

Anmerkung des Herausgebers

Zu diesem Gegenstand möchten wir nur noch hinweisen auf 1. Kor. 2,6-16. Ohne die Offenbarung Gottes in Christo verstünden wir nichts von Ihm und Seinen Wegen, aber die, „die Ihn lieben”, die, „die Christi Sinn haben”, die erkennen nach und nach auch etwas von Seinen Gedanken, und wenn nach 1. Kor. 13,12 unser Erkennen auch nur ein „stückweises” ist, so ist doch schon dieses stückweise Erkennen Herrlichkeit. Wie wird es sein, wenn die Zeit kommt, von der es heißt: „Dann aber von Angesicht zu Angesicht!” -


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)