Antwort A
Wo käme der einfältige Leser der Schrift hin, wenn er auf alles hören wollte, was ihm die Fama, d. i. unkontrollierbare Nachrichten und Behauptungen, zuträgt? Er hätte keinen festen Boden mehr unter den Füßen. Dass in dieser Petrusstelle und in der angeführten Stelle der Apostelgeschichte Rom gemeint sei, ist in dem ersten Falle eine jeden Grundes entbehrende, im zweiten eine lächerliche Behauptung zugunsten der ebenso falschen Behauptung, Petrus habe die Gemeinde in Rom gegründet und sei ihr erster Bischof gewesen, so dass die Päpste seine Nachfolger seien.
Es ist nicht nur denkbar, dass Petrus unter den Juden in Babylonien gearbeitet habe, sondern es ist als Tatsache zu nehmen, weil es dasteht. Es ist eine aus der einschlägigen Literatur bekannte, aus Schriftstellern der damaligen Zeit von Jahrhundert zu Jahrhundert in späteren Schriftstellern weitergegebene Kunde, dass „das Land Babylon, d. h. das Ländergebiet, wo die Flüsse Euphrat und Tigris am nächsten zusammentreten und durch zahlreiche Kanäle verbunden waren, wodurch das Land äußerst fruchtbar ward, eine ganz außergewöhnlich große jüdische Bevölkerung beherbergte, gab es doch große und bedeutende Städte, wie Nahardea und Pampedita, welche ganz und gar nur jüdische Einwohner hatten. Die jüdische Bevölkerung des ganzen Landes war so groß, dass man das Land selbst geradezu „Land Israel” nannte. Die Juden daselbst waren besonders stolz auf ihre rein jüdische Abkunft ... Sie trieben Handel und Schiffahrt, Handwerk und Ackerbau, und viele besaßen großen Reichtum ...” Das war nach der Zerstörung Jerusalems. Es war vor diesem Ereignis nicht anders. Apg. 2,9.10 gibt uns Bescheid, macht es auch leicht begreiflich, dass Petrus die Anwesenheit des Silas und dessen Rückkehr nach Kleinasien benützte, um ihm einen Brief an die Christen daselbst mitzugeben, waren sie doch z. T. vor ihm gestanden, als er ihnen wie den anderen seinen Heroldsauftrag am Pfingsttage in Jerusalem ausrichtete. Das dort genannte Mesopotamien gehört der natürlichen, nicht der staatlichen Geographie an. „Zwischenstromien”, d. i. das Land zwischen Euphrat und Tigris, meinte bald nur den nördlichen Teil, wie wir es aus der Geschichte Abrahams wissen, wie es auch bei griechischen und römischen Schriftstellern gemeint ist, bei Strabo, Ptolemäus, Plinius; bald das ganze sich bis zum Persischen Meerbusen erstreckende Zwischenflußland; so Plinius 6,31. So brauchten die in Apg. 2,8-11 redend aufgeführten Diasporajuden nicht noch extra „Babylon” zu sagen, wenn sie „Mesopotamien” sagten. Die Stadt Babylon selbst sei zu Beginn der christlichen Ära nur zu einem kleinen Teil bewohnt gewesen, und das hauptsächlich, wenn nicht ganz von Juden
Bei dem unter a) genannten Schriftsteller Heman, selbst Christ gewordenem Juden, ist auch zu lesen, Seite 35: „... Bis jetzt (d. i. dem Anfang des zweiten Jahrhunderts) hatten Juden und Judenchristen noch harmlos und unbeanstandet miteinander verkehrt, ja, sich auch religiös auseinandergesetzt. Gamaliels II. Schwager, der eisern streng an der Tradition festhaltende R. Elieser ben Hyrkan, hatte mit Christen eingehende Gespräche über Worte Jesu. Als aber ...” - Welch ein Licht wirft das auf die Epistel des Jakobus! Vgl. dort z. B. 2,1ff.; 4,1ff.; 4,13; 5,1ff.
Wie war es die einfachste Sache der Welt, dass Petrus auch in Babylon weilte, um auch dort nach den (jüdischen) Lämmern und Schafen Christi zu sehen! Wie empfiehlt sich auch ganz folgerichtig der Eindruck, den der Inhalt der beiden Petrusbriefe macht, dass sie speziell an Christen aus den Juden sich wendenDer Schriftl. F. K.>, wie die Epistel des Jakobus an die noch nicht dem gänzlichen Unbekanntsein anheimgefallenen zwölf Stamme sich wendet.
Dürfte der Vermutung Raum gegeben werden, dass der Fragesteller durch die neuerdings wieder (wie schon früher) in die Auslegung der Prophezeiung hineingetragene Meinung oder Behauptung beunruhigt sei, dass die Hauptstadt des wiedererstehenden vierten Weltreiches der Nationen ein wiedererwecktes Babylon am Euphrat sein werde und dass das Wiedererstehen der Stadt schon in nächster Zeit zu erwarten sei?
Wenn dieser Gedanke beim Fragesteller Fuß gefaßt hätte, so wäre zu sagen, dass doch leicht einzusehen ist, dass der Name „Babylon”, der des ersten der vier Weltreiche damals, doch nur übertragen ist auf die Hauptstadt von dem, was in der Endzeit die letzte Phase des Gesamtweltreichs, die Aufsummierung aller vier, ist. Eben der Aufsummierung und Einbeziehung aller Eigenschaften der vorangegangenen Reiche wegen, zuzüglich des ganz ihm speziell eignenden Charakters (Off. 13 und 17) trägt das Reich als System, das Herrschaft und Götzendienst des ursprünglichen Babylon in höchster Ausprägung in sich vereinigt, den Namen dieser Stadt.
Das Babylon der alten Welt war in einer Ebene erbaut, und so wäre das zu erbauende wieder in derselben Ebene; übrigens, nach den Zeitungsberichten, einige Dutzend Kilometer von der Stelle des einstigen entfernt, welchem ewige Verwüstung zudiktiert ist. (Jes. 13,20.22; Jer. 50,39; 51,26.62-64) Um der Beschreibung in Off. 17,9 zu entsprechen, müßten in der Euphratebene zuerst sieben Berge entstehen, auf denen dann die Stadt erbaut werden könnte. Während doch jedes in der Geographie und der alten Geschichte beschlagene Kind weiß, dass Rom auf sieben Hügeln erbaut wurde und steht. Siehe auch „Handr.” 1934, Frage 13, mit Bemerkung auf Seite 192, und die warnenden Worte des Schriftleiters Seite 163, nicht auf alles hereinzufallen, was Bücher und Zeitschriften an vorschneller Deutung gegenwärtiger politischer Geschehnisse ihren Lesern bieten.
Es ist etwas ganz anderes, sich auf Grund von Angaben der Schrift in Verbindung mit der Völkertafel von 1. Mo. 10 ein Bild von der zukünftigen Gestaltung der Völkerwelt und der kommenden Ereignisse zu machen, aber ohne sich darauf zu versteifen, festzustellen, das jetzt sei die Erfüllung von diesem, das von jenem usw.
Ein in der ganzen Welt bekannter, vielgerühmter und vielgeschmähter Diener des HERRN entwarf zu seinem eigenen Studium eine prophetische Karte und schrieb sich 3, 4 Seiten Erläuterungen dazu auf. Die Karte liegt vor mir mitsamt den Erläuterungen. Sie trägt den Vermerk: „Diese Karte wurde Anno 1828/29 entworfen.” Aus den Bemerkungen (manche harren noch der geschichtlichen Erfüllung) nur zwei oder drei: „Die Türkei in Europa wird wieder Griechenland werden soweit als Philipps (Vater Alexanders) Macht reichte.” „Österreich wird wahrscheinlich die ... und bosnischen Provinzen, die keinen Teil des griechischen Königreichs bildeten, annektieren” ... „Ich denke, Österreich wird zerstückelt werden und seine Stellung ändern.” Ist das nicht erstaunlich? neben anderem, das ich nicht anführe. Aber - der betreffende Schriftforscher hängte das nicht an die große Glocke, sondern verschloß es in seinem Schreibtisch mit anderen Studienentwürfen. Erst nach seinem anfangs der achtziger Jahre erfolgten Tode wurde es gefunden.
So muss man mit dem prophetischen Wort umgehen. Wo es unmißverständlich ist, bleiben wir fest dabei. Wo es das nicht ist, bescheiden wir uns und lassen uns an dem, was unzweideutig ist, genügen. Der eine große Gegenstand für das Herz bleibt immer der HERR Selbst.
F. Kpp.
Antwort des Schriftleiters
Ich glaube, wir dürfen dankbar sein dafür, dass in obiger Antwort unseres altbewährten Mitarbeiters zum ersten die Meinung, dass unter „Babylon” in 1. Petr. 5,13 Rom gemeint sei, verworfen ist, zum zweiten die schon in der auch von ihm erwähnten Frage 13 in Jahrb. 19 behandelte Babylonangelegenheit dahingehend geklärt ist, dass nicht Babylon die Hauptstadt des wiedererstehenden vierten Weltreiches ist, sondern Rom, aber Rom mit babylonischem Charakter! Die erstere übrigens auch unter Gläubigen weitverbreitete Anschauung wird gern so begründet, als habe man zu jener Zeit Rom nicht nennen dürfen, ohne mit dem römischen Staate in Konflikt zu kommen, und so habe man einen unverfänglicheren Namen dafür eingesetzt. Aber abgesehen von dieser Menschengefälligkeit und Menschengebundenheit wäre es doch höchst irreführend, wenn ein Apostel in einem einfachen Grußwort, also nicht in einem prophetischen Zusammenhang (wo Symbolik möglich wäre!), etwas anderes meint, als er schreibt. (Sind vielleicht die Ortsangaben des Paulus, z. B. am Schluß des 2. Timotheusbriefes, also [sogar] eines stark prophetischen Briefes, auch so geheimnisvoll zu werten??!) Vor allem aber wäre diese phantasievolle Bezeichnung Roms doch nur dann einigermaßen erklärlich, wenn nachgewiesen wäre, dass Petrus den Brief von Rom aus geschrieben hätte! Woher weiß man denn, dass er überhaupt dort war? Vielleicht aus unserer Stelle 1. Petr. 5,13, indem man sie der Tradition zuliebe, die nicht nur dies, sondern noch viel mehr auf den Kopf stellt, auf Rom umdeutet?! Merkwürdigerweise schreibt sogar „Onesimus” in seinen im allgemeinen sehr guten „Zeittafeln zur Bibel”, Petrus sei in Rom gekreuzigt. Weiß er das aus der Schrift oder aus der Tradition? Er gibt eine Schriftstelle an, und zwar - 1. Petr. 5,13!! Also wir sehen, diese so einfache Stelle hat statt Klarheiten lauter Unklarheiten mit sich gebracht, aber diese Unklarheiten stecken in uns Menschen, nicht in der Schrift, Gott sei Preis dafür!
Bleiben wir nicht dabei, dass Babylon in unserer Stelle Babylon ist, so können wir es ja gern vergeistigen und umdenken, aber dann wäre es doch m. E. viel richtiger, es geistlicherweise so zu deuten, wie unser lieber Mitarbeiter F. Btch. tut in „Handr.” Jahrb. 14, Frage 19, S. 238: „... Vielleicht schrieb Petrus seine Episteln in Jerusalem, wo die jüdischen Gottesdienste in Verbindung mit den hinweggenommenen Schattenbildern noch gehalten wurden; wenigstens die erste Epistel schrieb er durch Silas, und er bestellte Grüße von der Auserwählten in Babylon, als ob der ganze jüdische Gottesdienst jetzt eine Verwirrung (Babel) geworden sei: Und ebenso wie Jesaja 700 Jahre früher Jerusalem ‚Sodom und Gomorra‘nannte, Jes. 1,10, so nannte Petrus Jerusalem Babylon, denn dort verleugnete man die gegenwärtige Wahrheit [hierüber handelt die dortige Frage! Der Schriftl.] oder lehnte sie ab. (Vgl. 5,12.13)” Ich muss sagen, diese Symbolik hat mehr für sich, als Petrus nach Rom zu verpflanzen, wie die Tradition (die Phantasie!) es tut. Aber warum denn Symbolik? Bleiben wir bei dem einfachen Textwort, so ist alles klar. Wir haben doch keinerlei religiöse Bedenken, das ganze Wort gelten zu lassen! Darum lassen wir stehen, was dasteht: Babylon in 1. Petr. 5,13 ist jene alte Stadt am Euphrat.
In jener Frage 13, 19. Jahrb. haben der gleiche Mitarbeiter und ich die sonderlich in einem die Irrlehre der Allversöhnung vertretenden Blatt fortgesetzt betonte Meinung abgewiesen, als sei der Mittelpunkt, die Herrschaftsmetropole des zukünftigen römischen Weltreiches Babylon, d. h. das wiedererstandene! Die heute von unserem Mitarbeiter beiläufig angeführten Beweise dagegen sind sehr belangreich, da unbedingt auf der Schrift fußend. Er spricht u. a. auch von der Tatsache der Aufsummierung der Eigenschaften der vier vorangegangenen Weltreiche unter dem Charakter von Babel. Ich möchte hierzu daran erinnern, dass nach Dan. 2 das Bild der vier Weltreiche, die dort prophetisch bis zum Ende reichen, d. h. bis zur Zerstörung durch den Stein (Christus), durchaus einheitlich ist - nicht wie später vier Tiere nacheinander (eine andere Linie!), aber siehe auch 7,12! -, indem in der angegebenen Verkörperung alle diese Reiche enthalten sind, die dann durch den Stein zusammen zerstört werden. (V 44f.) Man könnte denken, dass doch durch das vierte Reich schon alle vorherigen zermalmt sind.
(V. 40) Aber das war nur die geschichtliche Tatsache, die prophetische ist die, dass am Ende der Tage das Königreich Christi alle Charakterzüge der Herrschaft der Nationen vernichten wird, da die „Zeit der Nationen” eine (durch das verkörperte Bild in Dan. 2) einheitliche ist. Die Charaktere aller dieser Weltreiche werden am Ende sich wiederfinden, und das wird ein religiös-politisch-technisch-wirtschaftliches Babel sein, dessen staatlicher Mittelpunkt die Hauptstadt des wiedererstandenen vierten Weltreiches ist, nicht aber Babylon, das nach den Gedanken Gottes nicht wiederhergestellt werden sollte, somit für die göttliche Prophetie keine Sonderbedeutung hat, ein wie wichtiges Kulturzentrum es für die Menschen auch werden mag!
Da die obige 13. Frage aus Band 19 und die vorliegende von dem gleichen Einsender herrühren, wolle nicht nur er, sondern alle, die Band 19 haben, möglichst beide zusammen studieren! Hienieden sind zur Zeit alle Dinge derart im Fluß, dass die Herauskristallisierung des Endzustandes noch nicht zu erkennen ist, darum sei man doppelt vorsichtig mit der Feststellung angeblich sicherer Ergebnisse der neueren Forschungen! Das viele „weise” Beobachten, Reden und Behaupten tut's nicht, nur „das Wort ist unseres Fußes Leuchte” (Ps. 119,105), und stets gilt für uns: „und nun - auf was harre ich, HERR? Meine Hoffnung ist auf Dich!” Das ist „die glückselige Hoffnung”. (Ps. 39,7; Tit. 2,13)
F. K.