Ich aber lebte einst ohne Gesetz

Wie ist Paulus' Aussage in Römer 7,9 zu verstehen: "Ich aber lebte einst ohne Gesetz"?

Paulus stand selbstverständlich als geborener Jude unter dem Gesetz, bis er durch seine Bekehrung und Wiedergeburt davon befreit wurde (vgl. Gal 1,13.14). Allerdings ist nach jüdischer Sitte bis zum dreizehnten Lebensjahr nicht das Kind, sondern der Vater für die Sünden verantwortlich, und erst mit diesem Alter muss der Knabe die Verantwortung selber übernehmen. Es mag wohl sein, dass Paulus diesen Umstand zur Erklärung seiner Belehrung über das Verhältnis zwischen Gesetz und Sünde benutzt. Er tut dies, um die Belehrung plastischer und klarer zu gestalten. Kapitel 7 bringt den Nachweis, dass wir Menschen von Natur nicht nur sündigen können, sondern auch die von Adam ererbte sündige Natur in uns haben, die unter dem Urteil des Todes steht. Im Tode des Herrn Jesus am Kreuz hat sie aber ihr Gericht gefunden und in der Kraft des Geistes Gottes können wir sie nun im praktischen Leben überwinden.

In Vers 9 nun führt der Apostel aus, dass die Sünde schon von Natur aus in uns vorhanden ist und uns sündigen macht. Jedoch sind wir dessen nicht bewusst, solange nicht das Gesetz, d.h. Gebote und Verbote, uns die Sünde als solche vor Augen stellt. Sobald wir durch das Gesetz das, was Sünde ist, erkennen, kommt uns die Schuld zum Bewusstsein. Dies bedeutet aber durchaus nicht, dass die Sünde etwa durch das Gesetz hervorgerufen wird, denn sie war ja längst vor der Gesetzgebung da. Aber die sündige Natur in uns findet durch das Gesetz erst recht Anreiz, dasselbe zu übertreten, ihm ungehorsam zu sein. Das Gesetz ist als Leitfaden und Spiegel dessen gegeben, was Gott entspricht und zur Gemeinschaft mit Ihm erforderlich ist. Es zeigt dem Menschen, dass seine Natur durchaus von der Sünde infiziert ist, und er die Forderungen des Gesetzes niemals erfüllen kann; damit ist der Mensch unweigerlich schon von Natur aus dem Urteil über die Sünde, nämlich dem Tod, verfallen (Röm 6,23). Darum kann das Gesetz vom Sinai niemanden zum Leben führen, weil weder die menschliche Natur die Kraft hat, dasselbe zu erfüllen, noch auch das Gesetz solche Kraft verleiht. Somit gereicht das Gesetz dem natürlichen, sündigen Menschen nur zum Tode. Das erkennt niemand besser als der, welcher im Glauben an das Werk des Christus errettet ist. Wie kostbar zu wissen, dass das Werk am Kreuz eine volle Befreiung und einen vollen Sieg gebracht hat!


Beantwortet von: Adolf Küpfer
Quelle: A. Küpfer - 700 Fragen und Antworten, Frage Nr. 361