Antwort A
„Hoherpriester” bedeutet: „Hauptpriester”, „Erster Priester”. Priestertum ist: Gott Nahen und Dienen. Der Hohepriester, wie wir ihn in Aaron sehen, tat dies in einer den wahren „Hohenpriester”, Christus, vorbildenden Weise.
Der Herr Jesus wird uns nur im Brief an die Hebräer als „Hoherpriester” vorgestellt. Auch nur dort wird das in Melchisedek gegebene Vorbild erwähnt und gemäß Ps. 110,4 auf den Herrn Jesus angewendet. Beide Vorbilder - Aaron und Melchisedek - waren nötig, um uns den Herrn Jesus als Hohenpriester vorzubilden: Melchisedek (zuerst), um uns das ewige Sein Seiner Person und den ewigen Bestand Seines Priestertums zu zeigen; Aaron, um uns die verschiedenartige Herrlichkeit Seiner Person und Sein Vor-Gott-Sein für uns und Seine Tätigkeit vor Gott für uns dazustellen. Wir sehen, welche großen Unterschiede bestehen in dem, was uns in genannten beiden Personen vorgebildet ist. Dazu kommt aber noch ein weiterer, in Hebr. 7 besonders hervorgehobener Unterschied, der in der Verschiedenheit der „Ordnung” besteht, die uns in den beiden Vorbildern vor Augen tritt: Während das Hohepriestertum Aarons übertragbar war - es ging nach dem Tode des Hohenpriesters auf dessen ältesten Sohn über (siehe 2. Mo. 29,29; 4. Mo. 20,26) -, ist in Melchisedek nach Hebr. 7 uns ein unübertragbares Priestertum vorgebildet, indem gesagt ist: „Denn dieser Melchisedek ... weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habend, aber dem Sohne Gottes verglichen, bleibt Priester auf immerdar.” (Hebr. 7,3.23.24) Darum heißt es im Briefe an die Hebräer immer wieder, dass der Herr Jesus Hoherpriester geworden ist „nach der Ordnung Melchisedeks”. (Hebr. 5,6.10; 6,20; 7,17.21)
Nach dem Obengesagten ist die Antwort auf unsere Frage nicht schwer, wenn wir unterscheiden zwischen der „Ordnung”, nach welcher Er als Hoherpriester bestellt worden ist, und dem „Vorbild”, nach welchem Er für uns droben vor dem Angesicht Gottes ist und für uns tätig ist:
Die Ordnung ist die „Ordnung Melchisedeks”,
das Vorbild ist das Vorbild Aarons.
Damit ist die Frage an sich beantwortet. Aber wir haben notwendigerweise hierzu noch etwas hinsichtlich dessen hinzuzufügen, was in Melchisedeks Herauskommen mit Brot und Wein und seinem zu Abraham gesprochenen Segen vorgebildet ist. Doch ehe wir das tun, möchten wir kurz einen Blick auf das „Vorbild Aarons” tun. Was wir in diesem Vorbild sehen, ist überaus kostbar:
I. Sein Dienst. Bei diesem haben wir zu unterscheiden zwischen seinem beständigen Dienst und dem am großen Versöhnungstage einmal im Jahre. Erstens sein beständiger Dienst: Im Heiligtum vor Gott als Vertreter Seines Volkes zu sein und durch bestimmte Verrichtungen dafür Sorge zu tragen, dass dort das aufrechterhalten blieb, was (sinnbildlich) den Bedürfnissen des Volkes Gottes auf seiner Wüstenreise entsprach. Diese Verrichtungen waren: das Zurichten der Schaubrote auf dem goldenen Tische (2. Mo. 25,30; 3. Mo. 24,5-9), das Zurichten der Lampen des goldenen Leuchters (2. Mo. 27,20.21; 3. Mo. 24,1-4) und das Räuchern des wohlriechenden Räucherwerkes auf dem goldenen Altar (2. Mo. 30,7.8). Was hierin vorgebildet ist, tut der Herr Jesus als unser Hoherpriester droben beständig für uns: Ununterbrochen sorgt Er für die Aufrechterhaltung unseres Vor-Gottes-Auge-Seins in unserer unverletzlichen Einheit nach dem Wohlgeruch Seiner eigenen herrlichen Person und für den Genuß dieser herrlichen Tatsache unsererseits, für die Aufrechterhaltung des Zeugnisses des Heiligen Geistes in uns und durch uns und
für die Wohlannehmlichkeit dessen, was aus unseren Herzen zu Gott emporsteigt.
Beständig verwendet Er Sich für uns „in den Sachen mit Gott” und in den uns begegnenden Versuchungen, damit wir ohne Schaden durch diese Welt hindurchgehen können. (Siehe Hebr. 2,17,18; 4,14-16; 7,25 - 8,2) - Zweitens sein Dienst einmal im Jahre: Am großen Tage der Versöhnung (richtiger: Sühnung) - einmal im Jahre - ging der Hohepriester nach Darbringung des Bockes des Sündopfers, der für das Volk war, mit dessen Blute in das Heiligtum innerhalb des Vorhanges (also in das „Allerheiligste”) und sprengte von dem Blute auf die Vorderseite des Deckels (der Bundeslade) „gegen Osten” und vor den Deckel, siebenmal, um Sühnung zu tun. (3. Mo. 16) So ist der Herr Jesus mit Seinem eigenen Blute „ein für allemal in des Heiligtum eingegangen, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte” - „in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen”. (Hebr. 9,12.24)
II. Seine Kleidung. Dem Dienste Aarons entsprach seine Kleidung. Erstens für seinen beständigen Dienst: Diese war die in 2. Mo. 28 beschriebene - „heilige Kleider”, „zur Herrlichkeit und zum Schmuck”. Wir können nur kurze Hinweise geben. Sie war gefertigt aus Gold, blauem und rotem Purpur, Karmesin und Byssus. Diese Dinge bilden uns das Wesens und die Eigenschaften unseres herrlichen Hohenpriesters vor. Das Gold: Seine göttliche Natur (Joh. 1,1-3.14; Röm. 9,5); der blaue Purpur: Seinen himmlischen Charakter (Joh. 3,13; 1. Kor. 15,47); der rote Purpur: Seine königliche Würde (Mt. 2,2; Joh. 18,37); das Karmesin (Farbe des Blutes): Hinweis auf Seinen Tod am Kreuze (Mt. 26,28; Hebr. 9,12); der Byssus: Bild Seiner göttlich reinen, fleckenlosen Menschheit (Lk. 1,35; 3,22; Joh. 1,14; 6,69; 8,29); „in Kunstweberarbeit”: Alle diese herrlichen Eigenschaften wunderbar ineinander verwoben. (Das Gold war zu dünnem Blech geplättet und in Fäden zerschnitten und unter die anderen Materialien der betreffenden Kleidungsstücke verarbeitet. 2. Mo. 39,3: Die Göttlichkeit Seiner Person leuchtete überall in Seinem Leben hindurch!) Dieses bezüglich der Materialien. Die einzelnen Kleidungsstücke kennzeichnen die mannigfaltigen Verrichtungen und Eigenschaften des hohenpriesterlichen Dienstes: Das Ephod und der Gürtel dazu, beides dargestellt aus allen vorgenannten verschiedenen Materialien, sprechen davon, dass Er Sich in Seiner ganzen herrlichen Person für uns verwendet. (Der Gürtel bringt zum Ausdruck, dass Er der Diener ist, der immer für uns da ist, und dass alle Seine Herrlichkeits- und Wesenszüge in Seinem Dienste für uns zur Geltung kommen.) Die beiden Schulterstücke mit den auf die zwei Onyxsteine eingegrabenen Namen der zwölf Stämme Israels und das „Brustschild des Gerichts” (oder „Rechts”), ebenfalls mit den Namen der zwölf Stämme Israels auf den zwölf kostbaren Edelsteinen, zeigen, dass unser herrlicher Hoherpriester uns, die Seinen, in der ganzen Kraft Seiner Person und ganzen Liebe Seines Herzens vor Gott vertritt. Die „Urim und Thummim” in dem „Brustschild des Gerichts” auf Seinem Herzen deuten an, dass Er - durch den Heiligen Geist - uns allezeit betreffs aller Umstände unseres Lebens den Willen und die Gedanken Gottes mitteilt (wenn wir bereit und geübt sind, sie uns mitteilen zu lassen!). Das Oberkleid des Ephods, ganz aus blauem Purpur, spricht von dem ganz und gar himmlischen Charakter unseres Hohenpriesters. (Hebr. 7,26!) Die Schellen von Gold und Granatäpfel von blauem und rotem Purpur, welche sich abwechselnd an dem Oberkleid befanden: Erstere deuten hin auf das göttliche Zeugnis in Seinem Dienst, letztere auf die Fruchtbarkeit Seines Dienstes. Das Goldblech an Seiner Stirn mit der Inschrift „Heilig dem Jehova” (das „heilige Diadem”) bezeugt, dass Er uns vor Gott nach Seiner Heiligkeit vertritt und hiermit Seine Heiligkeit vor Gott die unsere ist. (Hebr. 7,26) Der Leibrock von zellenförmigem Gewebe von Byssus, der Kopfbund von Byssus und der Gürtel in Buntwirkerarbeit und die Beinkleiber von Linnen: Bild von Seiner göttlich vollkommenen Gerechtigkeit, in der Er als Mensch hienieden gewesen ist und gewandelt hat, ohne die Er nie hätte unser Hoherpriester werden können. (Vgl. Hebr. 5,8) Darum werden hier auch die „Söhne Aarons” erwähnt mit fast gleicher Kleidung wie die ebengenannten Stücke: Leibrock, Gürtel, hohe Mützen, Beinkleider von Linnen, und im Blick auf das Weihen und den Priesterdienst mit Aaron verbunden. D. h.: In der Kraft Seiner Gerechtigkeit als Mensch sind auch wir passend, als Priester Gott zu nahen und zu dienen. - Zweitens für seinen (Aarons) Dienst am großen Tage der Versöhnung, einmal im Jahre: Die Kleidung für diesen Dienst war eine ganz andere. 3 Mo. 16,4 lesen wir: „Er soll einen heiligen Leibrock von Linnen anziehen, und Beinkleider von Linnen sollen auf seinem Fleische sein, und mit einem Gürtel von Linnen soll er sich umgürten, und einen Kopfbund von Linnen sich umbinden: das sind heilige Kleider; und er soll sein Fleisch im Wasser baden und sie anziehen.” Alles war von Linnen („feiner Leinwand”). Diese „heiligen Kleider” von Linnen und das „Baden seines Fleisches im Wasser” vor dem Anziehen derselben sind hier ein Bild von der göttlich vollkommenen Reinheit und Fleckenlosigkeit des HERRN in Seinem ganzen Leben hienieden. Das waren Wesenszüge Seiner Natur. So war Sein Leben, Sein Wandel, Sein Dienst, Sein Sinn und Wille. Er war in vollkommener Weise „der Heilige Gottes”. (Joh. 6,69) Er brauchte nicht erst für Sich Selbst zu opfern (wie menschliche Priester), sondern war vollkommen passend, in das himmlische Heiligtum einzugehen, nachdem Er „durch den ewigen Geist” Sich Selbst geopfert hatte. Nun dürfen wir mit einem vollkommen zur Ruhe gebrachten Gewissen und glücklichem Herzen Ihn droben wissen als unseren Hohenpriester, der zum Beweise der vollbrachten Erlösung jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns ist. (Hebr. 9,11-26) -
Nun noch etwas über Melchisedek. Melchisedek kommt für das Hohepriestertum des Herrn Jesus nur hinsichtlich der „Ordnung” in Betracht. Anders ist im Brief an die Hebräer auf Melchisedek nicht Bezug genommen. Aber wir wissen, dass in Melchisedek nicht nur diese „Ordnung” vorgebildet ist, sondern mehr. Melchisedek war nicht Hoherpriester - das konnte er gar nicht sein -, sondern „Priester Gottes, des Höchsten”. Und als solcher kam er mit Brot und Wein heraus, als Abraham von der siegreichen Schlacht gegen Kedorlaomer und die mit diesem verbündet gewesenen Könige zurückkehrte, und segnete Abraham mit jenem wunderbaren und für das hier Vorgebildete charakteristischen Segen: „Gesegnet sei Abraham von Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde besitzt! Und gepriesen sei Gott, der Höchste, der deine Feinde in deine Hand geliefert hat!” (1. Mo. 14,17-20a) Hierin erblicken wir ebenfalls ein herrliches Vorbild auf den Herrn Jesus hin. Wir wissen, dass in demselben der Herr Jesus als der „Priester-König” vorgebildet ist, als welcher Er einst gleichsam aus dem Himmel hervortreten wird für Sein irdisches Volk, um sie nach dem Sieg über ihre Feinde mit „Brot und Wein” zu stärken und sie zu segnen. Das ist uns klar und gewiß. Aber wir wissen auch, dass alle dem irdischen Volke Gottes gegebenen Verheißungen - soweit sie irdischer Natur sind, jetzt geistlich - ihre Vorauserfüllung finden an denen, die durch den Glauben an den Herrn Jesus das himmlische Volk Gottes sind, weil bei ihnen die Voraussetzungen für diese Verheißungen durch das Werk des Herrn Jesus und ihren Glauben an Ihn erfüllt sind. So war es mit der Verheißung der Ausgießung des Heiligen Geistes nach Joel 2 in Apg. 2, und so ist es nach unserer Überzeugung auch mit dem, was wir in Melchisedek vorgebildet sehen. Die Erfüllung an dem irdischen Volke Gottes wird geschehen, wenn 2. Mo. 19,5.6 an ihnen wahr sein wird: dass sie Gottes „Eigentum” sind „aus allen Völkern” und sie Ihm „ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation” sind. Das waren sie noch nie im Vollsinne des Wortes, aber sie werden es einst sein. Dann ist Gott gekannt als „Gott, der Höchste, der Himmel und Erde besitzt”, wie Melchisedek in seinem Segen Ihn nennt und wie Er 2. Mo. 19,5b auch sagt: „Denn Mein ist die ganze Erde”, und der Herr Jesus ist dann ihr Priester-König nach dem Vorbilde Melchisedeks. Und die Vorauserfüllung? 1. Petr. 2,9 schreibt der Apostel an die Gläubigen: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum ...” Er sagt nicht: „Ihr werdet sein”, sondern „ihr seid.” Und was er den Empfängern seines Briefes schreibt, gilt für alle Gläubigen seit Apg. 2, auch für uns! Demnach ist für uns die Voraussetzung für das, was wir in Melchisedek als dem „Priester-König” vorgebildet sehen, erfüllt, und somit ist für uns der Herr Jesus auch bereits der „Priester-König”, der uns immer zur rechten Zeit mit „Brot und Wein” entgegenkommt - die geistliche Stärkung uns darreicht - und uns segnet, um uns dadurch fähig zu machen, den listigen Anschlägen des in Gestalt eines Freundes, eines „Engels des Lichts”, sich uns nahenden Feindes (des „Gottes dieser Welt”) zu begegnen und „Seine Tugenden” in dieser Welt zu verkündigen. -
Also ist der Herr Jesus für uns droben als der Hohepriester, welcher in den Himmel gegangen und dort für uns vor Gott ist und Sich allezeit für uns verwendet, und als der Priester-König, welcher aus dem Himmel uns stärkt und segnet. - Welch eine Gnade, dass wir Ihn so kennen! lasst uns viel hiervon Gebrauch machen! -
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Ehe wir schließen, möchten wir noch auf einige oft zu beobachtenden Unklarheiten aufmerksam machen, die Bezeichnungen des Herrn Jesus betreffend. Es wird von manchen vom Herrn Jesus als „Sachwalter” (oder „Fürsprecher”) und als „Mittler” gesprochen, wenn sie Seine Tätigkeit für uns als „Hohenpriester” meinen, und überhaupt mit diesen Bezeichnungen so umgegangen, als ob sie alle dasselbe bedeuteten. Letzteres ist aber durchaus nicht der Fall, sondern jede Bezeichnung bringt eine besondere Seite des Dienstes des Herrn Jesus zum Ausdruck:
Als „Hoherpriester” verwendet Er Sich für uns vor Gott so, wie wir es in vorstehender Betrachtung gesehen haben, so dass wir auf unserem Gaubenspfade in Seiner Kraft vorangehen können, wenn wir von Seinem Dienste als Hohenpriester Gebrauch machen. Wir haben dann Sieg und bleiben vor Sünde bewahrt.
Als „Sachwalter” (oder „Fürsprecher”) verwendet Er Sich für uns „beim Vater”, wenn wir gesündigt haben. (1. Joh. 2,1) Das ist also nicht Sein Dienst als Hoherpriester, sondern als Sachwalter.
Als „Mittler” ist Er überhaupt nicht für uns Gott gegenüber oder dem Vater gegenüber tätig, wie viele sich eine dahingehende unklare Vorstellung von Ihm als „Mittler” machen (als ob Er zwischen uns und Gott vermittelte - für uns vor Gott einträte. Letzteres tut Er, wie wir eben gesehen haben, als „Hoherpriester” und als „Sachwalter”, mit dem hervorgehobenen Unterschiede). Sondern als „Mittler” nimmt Er den Platz zwischen Gott und den Menschen ein, um den Menschen das zu übermitteln, was Gott ihnen mitteilen will. Das zeigt uns klar das alttestamentliche Vorbild in Mose, wie wir es in 5. Mo. 5,5 und 27 sehen: Mose stand zwischen Gott und dem Volke und empfing von Gott dessen Worte an das Volk und übermittelte diese Worte dann dem Volke. (2. Mo. 32,11-14 und 30-32 war Mose nicht als „Mittler” tätig, sondern als „Fürsprecher” für das Volk.) Und so, wie Mose der Mittler des Alten Bundes war, so wird der Herr Jesus der „Mittler” des verheißenen „Neuen Bundes” genannt. (Hebr. 8,6; 9,15; 12,24) Gegenwärtig aber ist Er „Mittler zwischen Gott und Menschen” - nicht „zwischen Menschen und Gott” - nach 1. Tim. 2,5, indem Er den Menschen das übermittelt, was im Herzen Gottes ist: dass Gott der „Heiland-Gott” ist, „welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen”. (1. Tim. 2,3.4) Was V. 6 gesagt ist: „der Sich Selbst gab zum Lösegeld für alle”, bezieht sich auf den Herrn Jesus nicht als „Mittler”, sondern als „Mensch Christus Jesus”. - Darum wird auch vom Herrn Jesus nie als „unserem Mittler” oder „Mittler für uns” gesprochen, sondern immer nur als von dem „Mittler”. Er wird genannt: „Mittler zwischen Gott und Menschen”; „Mittler eines besseren Bundes”; „Mittler eines neuen Bundes”, letzteres zweimal.
Wir sollten lernen, die Dinge der Schrift gemäß zu unterscheiden und uns der Schrift gemäß auszudrücken.
Th. K.
Zusätze des Schriftleiters
Diese letzteren Bemerkungen sind sehr wichtig, kranken doch wir Gläubigen leicht mehr oder weniger an dem Gebrauch falscher Begriffe, indem viele Dinge der Schrift entweder unrichtig aufgefaßt oder unrichtig angewandt werden. Was insbesondere den Begriff des „Mittlers” anbelangt, ein Wort, das im N. T. nur sechsmal vorkommt (Gal. 3,19.20; 1. Tim. 2,5; Hebr. 8,6; 9,15; 12,24), so sehen wir allein schon in dem christlichen Liederschatz eine Fülle falscher Anwendungen (man vgl. z. B. „Ruh - Ruh - im Schoße des Mittlers, ich eile dir zu” oder „Großer Mittler, der zur Rechten Seines großen Vaters sitzt” - das ganze Lied ist sehr schön, aber es handelt doch vom Hohenpriester!). Man kann übrigens sicher sein, dass viele unrichtige Vorstellungen der Gläubigen von unrichtigen Darstellungen in Liedern herrühren, diese natürlich zuerst von unrichtigen Anschauungen. - Nein, der Mittler ist nicht Hoherpriester, aber auch nicht Fürsprecher, noch auch Sachwalter, d. i. Rechtsanwalt, er ist wirklich „nur” Übermittler, Vermittler göttlicher Gedanken. (In der Welt gibt's auch Vermittler - die sog. „Treuhänder” gehören dazu -, und sie haben nicht selbständig von sich aus zu handeln, sondern sie sind gleichsam Vertreter des Rechts und haben beiden Seiten zu dienen.) Der HERR schenke uns klare Begriffsunterscheidung Ihm zum Ruhme, uns zur Auferbauung!
Die vorliegende Frage, deren köstliche Beantwortung durch unseren altbewährten Mitarbeiter uns einen Bibelkursus in kleinem Maßstab geschenkt hat, ist entstanden aus einem Satz in einer Fußnote zu einem Aufsatz „Christus - unser Hoherpriester” in einer sehr bekannten ernstchristlichen Zeitschrift. Dieser Satz lautete: „Der HERR ist heute nicht Priester nach dem Vorbild Melchisedeks, sondern nach dem Vorbild Aarons.” - Unser w. Mitarbeiter hat gezeigt, dass „Vorbild” und „Ordnung” zu unterscheiden sind - indem unser HERR Priester „nach der Ordnung Melchisedeks” ist, ist Er damit noch nicht Priester nach dem Vorbild Melchisedeks. Das wird Er erst an einem späteren Tage sein. - Das ist zunächst durchaus einleuchtend, denn die Schrift (Hebr. 7) zeigt uns ja, dass Er Priester „nach der Ordnung Aarons” nicht einmal genannt werden kann (V. 11)! „Unser HERR ist aus Juda entsprossen” (sehr wichtig und ernst!), und zu diesem Stamme hat Moses nichts über Priestertum geredet. (V. 14!) Wenn also das Priestertum nicht geändert worden wäre, d. h. die Ordnung desselben, dann hätte Er nie Hoherpriester werden können. (V. 11.12 usw.) Das „fleischliche Gebot” (V. 16) konnte Ihn nicht dazu machen, wohl aber der Eidschwur Gottes. (V. 20!) Das Gesetz wurde seiner Unvollkommenheit wegen abgeschafft (V. 18); es konnte auch gut abgeschafft werden, die Ordnung Aarons konnte durch eine andere bessere ersetzt werden, da der, der kam, den Willen Gottes zu erfüllen (10,6ff.), und dem die Verheißung von Ps. 110,4 galt, Sich von Anfang an als Priester offenbart hat, wie ein Vergleich der Evangelien (besonders Lukasl) mit Hebr. 2,17.18 und 4,14ff. und Kap. 5 zur Genüge zeigt. Der Gedanke und die Tatsache des Hohepriestertums Christi „nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens” (V. 16) ist unsagbar köstlich und reich wie Gott Selber! Dieses Priestertum zu verstehen zu suchen ist eine immer neu sprudelnde Quelle reichster Erquickung für Herz und Gemüt. Und insofern ist der Hebräerbrief, der allein uns in diese Dinge einführt, sozusagen gleich einem geöffneten Himmel, aus dem immer herrlichere unerschöpfliche Segnungen auf uns herniederströmen. Unser Mitarbeiter hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß, wenn auch Melchisedek im Hebräerbrief nur hinsichtlich der „Ordnung” des Priestertums in Betracht komme, dennoch in seiner Person für uns noch mehr Vorbilder auf Christus liegen, nämlich im Anschluß an 1. Mo. 14,17-20a, jener Stelle, wo der Priester-König Melchisedek zuerst genannt ist. Und er zeigte ebenfalls, dass in uns Gläubigen von heute eine Vorauserfüllung gegeben sei bezüglich der Israel gewordenen Verheißung, dass es ein Königtum von Priestern sein solle. (2. Mo. 19,5.6) Diese Vorauserfüllung, die Antwort A sehr richtig und fein mit 1. Petr. 2,9 in Verbindung bringt, findet sich ja oft im Neuen Testament, so z. B. in Hebr. 10,19-25 und 13,15.16 oder in Kol. 4,2-6 (2-4 Priesterdienst = opfern, V. 5.6 königlicher Dienst = geben, schenken, segnen, darreichen!) oder in Röm. 12,1-8, wo es sehr leicht zu sehen ist, u. a.
Aber, unter vollster Wahrung der erwähnten Tatsache, dass wir im Hebräerbrief Melchisedek nur der „Ordnung” des Priesterdienstes wegen angeführt finden, womit jener angefochtene Satz, der die Frage veranlaßte, gewissermaßen gerechtfertigt erscheint, denke ich doch, dass wir auch im Hebräerbrief ein gewisses Hinausgehen über das Thema der „Ordnung” finden, also dass Christus uns auch in Verbindung mit dem Hebräerbrief, nicht nur, wie unser Mitarbeiter so wahrhaft köstlich ausführt, in Verbindung mit 1. Mo. 14, nach dem Vorbild Melchisedeks begegnet. Ich erlaube mir darüber nur wenige Andeutungen, ich meine aber, dass wir weiter darüber forschen sollten.
Ist es nicht an sich schon etwas unendlich Kostbares, Ihn eben durch die Tatsache „nach der Ordnung Melchisedeks” zu kennen als den „Priester auf immerdar” (7,3), weil „Er lebt” (V. 8), weil Er es ist „nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens” (V. 16), weil „Er in Ewigkeit bleibt”, weil Er „ein unveränderliches Priestertum hat” (V. 24), weil „Er immerdar lebt” (V. 25)?! Ist es nicht lieblich, zu wissen, dass Er Sich diese in Ps. 110,4 Ihm verheißene Würde Selber erworben hat durch Sein Verhalten als Priester, nicht dass Er sie erblich empfangen hätte? Ist die Tatsache des uns geschenkten Wissens um diese Herrlichkeiten nicht schon ein Dienst des königlichen Priesters - hat Er uns damit nicht wahrhaft königlich beschenkt? Deutet darauf nicht auch hin 3,1: „betrachtet den Hohenpriester ... Jesum!” und 8,1.2? Wir betrachten voll staunender Bewunderung - nicht zuerst weil wir sie um unserer Schwachheit willen nötig hätten, sondern aus Liebe - „die Dinge, die uns von Gott geschenkt sind”. (1. Kor. 2,12) Sind wir nicht wirklich königlich beschenkt? - Aber dies ist, ich gebe es zu, eine mehr nur gefühlsmäßige Erwägung. Doch weiter: Sehen wir nicht in unserem Hohenpriester, also gerade im Hebräerbrief, den König, der „Sich gesetzt hat”, und zwar eben als Hoherpriester, „zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln”? In keinem Briefe kommt dieser und ähnliche Ausdrücke so oft vor wie im Hebräerbrief, und so vor allem in 8,1.2, wo wir Ihn sehen in Verbindung mit dem Thron und dem Heiligtum, vgl. auch Kap. 1 (V. 8.13 u. a.). Was bedeutet doch dies alles für uns! Wahrlich, Aaron musste immer aufs neue hineingehen, um den Dienst im Heiligtum zu verrichten, und ebenso seine vielen Nachfolger, aber setzen konnten sie sich nicht im Heiligtum! Christus aber, unser Hohepriester, der droben eintrat ein für allemal ..., als Priesterkönig „begrüßt von Gott als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks” (5,10), Er tritt wieder und wieder (wie einst einmal Seine wunderbare Vorschattung, Melchisedek) im Rahmen des Hebräerbriefs heraus aus dem Innern der Herrlichkeit, um uns immer herrlicherer Segnungen teilhaftig zu machen, die uns stärken und segnen. Vor allem macht Er uns des Lebens teilhaftig, das in Ihm ist und das Er ans Licht gebracht hat durch Seinen Tod (2,14.15), Er bringt uns mit dem lebendigen Gott in Beziehung (9,14; 12,22; vgl. 3,12 negativ) und macht uns so, weit über das Vorbild Aarons hinausgehend, zu Gegenständen Seiner Tätigkeit gleichsam nach dem Vorbild Melchisedeks. Gewiß ist Sein hohepriesterliches Tun nach dem Vorbild Aarons viel umfassender und auch leichter für uns zu begreifen, da es unmittelbar in unser Leben der Schwachheit hienieden eingreift (einen Gipfelpunkt in diesem Tun sehen wir in 7,25), aber zu entdecken, scheint mir, ist im Hebräerbrief Sein Wirken nach dem Vorbild Melchisedeks doch auch, und vielleicht noch viel mehr, als ich in Schwachheit anzudeuten mich unterfing.
Der Thron und das Heiligtum sind jetzt die Stätte unseres Hohenpriesters, und „wir sehen Jesum, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt” (2,9), und dass wir Ihn so sehen - während Er hienieden verworfen ist -, ist königliche Gabe an uns Arme! Ja, Er ist unser Hohepriester, d. h. auch unser, die wir nicht aus dem Samen Israels sind und dennoch nichts nötiger brauchen als einen Hohenpriester, der Mitleiden hat mit uns. (4,15) Ja, das ist und hat Er nach dem Vorbild Aarons. Aber, wenn wir hier dennoch auch schon ein wenig schmecken dürfen von Seinem Vorbild als „Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks” - bald, ja bald werden wir Ihn in Wirklichkeit sehen als den herrlichen Priesterkönig, dem „der zukünftige Erdkreis” unterworfen ist (2,5ff.), und dann werden wir in Vollkommenheit „ein Königtum von Priestern” sein unter und mit Ihm. Bis dahin warten wir gemäß 10,35-38a in Geduld und sehnlichem Verlangen nach Seinem Kommen. „Komm, Herr Jesus!” Aber bis Du kommst, freuen wir uns Deiner als unseres wahren „Hohenpriesters”, der Du es allein sein kannst und bist „nach der Ordnung Melchisedeks”, in die ja ein Hohepriestertum sowohl nach dem Vorbild Aarons wie nach dem Vorbild Melchisedeks eingeschlossen ist - wir freuen uns und rühmen uns „eines solchen Hohenpriesters”, über den Hebr. 7,24-28 geschrieben steht! Wie reich sind wir in Dir! Gepriesen seiest Du, Herr Jesus, in Ewigkeit! Amen.
F. K.