Heiden nach der Entrückung

Gibt es für Menschen, die keine Juden sind, auch wenn sie schon das Evangelium gehört haben, nach der Entrückung der Gläubigen (1. Thess. 4,13ff.) noch eine Zeit der Errettung?

Antwort A

An der Entrückung werden vor allem die Toten in Christo teilnehmen. Sie werden, wenn der HERR vom Himmel herniederkommt, zuerst auferstehen. Es kann die Auferstehung zur Entrückung nicht die nach Off. 20,4-6 sein, an der die Seelen derer teilhaben, die enthauptet sind um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen, die nicht angebetet hatten das Tier noch sein Bild und nicht genommen haben sein Malzeichen an ihre Stirn und auf ihre Hand. Offensichtlich sind es Märtyrer aus der antichristlichen Drangsalszeit, die durch die erste Auferstehung zum Tausendjährigen Reich als mit Christo Regierende offenbar werden. An der Auferstehung zur Entrückung dagegen nehmen alle in Christo Entschlafenen teil, also nicht nur Märtyrer. In erster Linie handelt es sich in 1. Thess. 4,13-16 um Entschlafene in Christo, die eines natürlichen Todes durch Krankheit, Altersschwäche usw. starben, in zweiter Linie erst um Märtyrer, also um Gläubige, denen Christus Leben und Sterben Gewinn (Phil. 1,21) ist, die, wenn sie abscheiden, bei Christus sind (Phil. 1,23). Aller Wahrscheinlichkeit nach sind es die bis dahin gestorbenen Kinder Gottes, und zwar alle Kinder Gottes, ob sie als Väter, als Jünglinge oder als Kindlein in Christo gestorben sind. Es sind die Glieder Christi, die Glieder Seines Leibes, Seiner Gemeinde, berufen zu Seiner Herrlichkeit. Während nun die in Christo Entschlafenen alle auferstehen, werden die dann lebenden und überbleibenden Gläubigen alle verwandelt werden nach 1. Kor. 15,51.52 in einem Augenblick. Beide zugleich, die Auferweckten und die Verwandelten, werden dann in Wolken dem vom Himmel kommenden HERRN entgegengerückt in die Luft und werden bei dem HERRN sein allezeit. Aus 1. Kor. 15,51 ist das Wörtchen „alle” sowohl auf die Auferweckung als auch aus die Verwandlung zu beziehen. Mit dem „wir” sind alle Gläubigen, alle Glieder Christi, alle Kinder Gottes gemeint. Also der Leib Christi wird bei der Entrückung wie auch das Haupt (Apg. 1,9; Mk. 16,19; Lk. 24,51) in Wolken gen Himmel fahren. Der Leib Christi ist die Herauswahl aus den Nationen mit Einschluß Israels (Apg. 15,14; Eph. 2,14-18), die Erstlingsernte (Jak. 1,18) Seiner Schöpfung, die Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind (Hebr. 12,23). Ihrem Zeugnis werden viele glauben (Joh. 17,20.21) und auch zur Gemeinde hinzugetan (Apg. 4,4). Jedoch sind es im Verhältnis zur großen Masse der Welt nur wenige, sie bilden zusammen eine kleine Herde (Apg. 20,28; 1. Petr. 5,2; Lk. 12,32). Wie die Gläubigen aus Israel, die mit zum Leibe Christi gehören und mit teilhaben an der Entrückung der Gemeinde, das Angeld sind auf eine große Ernte in Israel (ganz Israel soll errettet werden, wenn die Vollzahl aus den Nationen eingegangen ist nach Röm. 11,25.26), so sind die Gläubigen aus den Nationen ebenfalls das Angeld auf eine noch größere Errettung in der Völkerwelt. Ein flüchtiger Blick in die Offenbarung kann uns dies näher zeigen. In Off. 7 werden uns zwei Kreise von Seligen geschildert, die augenscheinlich während der großen Drangsalszeit zur Errettung gelangen: 144000 Versiegelte aus Israel und eine große unzählbare Schar aus allen Nationen, Völkern und Sprachen. Dass die große unzählbare Schar nicht „der Leib Christi” ist, erhellt schon daraus, dass sie gekommen sind aus der großen Drangsalszeit und vor dem Thron und vor dem Lamm stehen in weißen Kleidern und mit Palmen in den Händen. Der Leib Christi wird seine Himmelfahrt nach 1. Thess. 1,9.10 erleben vor der großen Trübsalszeit, er wird mit Christo auf dem Thron sitzen (Off. 3,21; Kol. 3,4) und mit Kronen auf dem Haupt (Off. 4,4; 1. Kor. 9,25) zur Herrlichkeit erhoben (Röm. 8,17). Auch die 144000 Versiegelten sind nicht der Leib Christi, weil sie uns ganz klar als Juden beschrieben werden. Es können auch nicht die zum Leibe Christi gekommenen gläubigen Juden sein, da sonst die angegebenen Zahlen 12 x 12000 nicht unterzubringen sind.

Können wir also die Frage so beantworten, dass es ganz gewiß noch eine Zeit der Errettung gibt für Menschen, die keine Juden sind, nach der Entrückung der Gläubigen, so ist die Frage etwas schwieriger, wenn es sich um Menschen handelt, die schon das Evangelium gehört haben. Es kommt dann ganz darauf an, wie man das Hören des Evangeliums auffaßt. Soviel steht fest, dass vieles als Evangelium gilt, was gar kein Evangelium ist, dass viele Menschen hören und doch nicht hören (Mt. 13,13-15). Nach Röm. 10,9-17 ist der göttliche Weg zur Errettung eines Sünders der: Gott sendet Seine Kinder als Prediger des Evangeliums, des Wortes vom Glauben. Durch das Hören der Predigt entsteht der Glaube. Der Glaubende ruft den Namen des HERRN an und wird errettet. Von Herzen an Jesus, den Auferstandenen, glauben macht gerecht, und mit dem Munde Ihn als HERRN bekennen errettet. Ob jede Predigt solche glaubenwirkende, errettende Gottestat ist, bleibt dahingestellt. Ebenso bleibt dahingestellt, ob alle unter der Predigt Sitzenden solche Hörer sind, die das Evangelium auch glauben. Ganz gewiß gibt es solche, die dem Evangelium nicht gehorsam sind (Röm. 10,16), die da hören und das Evangelium ablehnen aus irgend einem Grunde (Lk. 7,29.30), denen das Wort vom Kreuz eine Torheit ist und die verloren werden nach 1. Kor. 1,18. Nach 2. Kor. 4,3 ist denen das Evangelium verdeckt, die verloren werden; das kann doch nur heißen: Verlorene (Lk. 19,10) bleiben im verlorenen Zustande, für sie gibt es keine Errettung mehr. Also das Hören des Evangeliums allein ist nicht ein Grund, dass Menschen nach der Entrückung der Gemeinde keine Zeit der Errettung mehr haben. Anders ist es, wenn es sich um bewußtes Hören des Evangeliums handelt, das zur bewußten Ablehnung aus irgend einem Grunde führt. Solche Menschen gehen verloren.
A. C.

Anmerkung des Schriftleiters

Diese höchst beachtenswerte Antwort verdient eingehendes Forschen, sie enthält sehr klare Belehrungen.
Zu den mannigfachen in ihr berührten Punkten, wie überhaupt zu unserer Frage, verweise ich auf folgende Fragen früherer Jahrbücher: Jahrb. I/41; II/42; IV/7; V/17, 27 und 28; Vl/1.

Ich weiß nicht, welches die Beweggründe zu dieser Frage gewesen sein mögen, doch liegt die Vermutung nahe, dass dem Fragenden die einfachen, unbeugsamen Schriftaussagen über das Verlorensein der ungläubig gebliebenen Menschheit Schwierigkeiten gemacht haben, zumal wenn es sich vielleicht für ihn um teure Anverwandte handelt. Kenne ich doch ein liebes Gotteskind, das ehemals in solchen Dingen ganz klar stand, das nun aber im Blick auf die eigene Mutter, die das oft gehörte Evangelium der Gnade wissentlich abweist, der unseligen Lehre im Herzen Raum gegeben hat, dass es - wenigstens für ihre Mutter! - in der Ewigkeit noch eine Entscheidungszeit geben müsse! Möchte sie - auch Leserin der „Handr.” - beim Lesen dieser Zeilen ihren schriftwidrigen Standpunkt aufgeben - nein, vielmehr „nach dem (einmaligen) Tode das Gericht!” (Hebr. 9,27.) Wir können unseren unbekehrten Verwandten auch nur dann wirklich nützen, wenn wir die unwiderruflichen Schriftaussagen klar ins Auge fassen und uns unter dieselben rückhaltlos beugen, denn dann, aber auch nur dann wird unser Zeugnis an die Unseren unerschütterlich ernst, unsere liebende Fürbitte gleichbleibend anhaltend und das scheinbar Unmögliche dennoch von Gott fest erwartend (vergl. Mk. 11,24 und Fr. 5 ds. Js.) und unser dem HERRN-Anhangen vonganzem, ungeteiltem Herzen sein, worauf Er antwortet (vergl. 2. Chr. 16,9!). Dürfen, können Gläubige das Wort beugen aus falscher Liebe zu Menschen? Ist uns der HERR und Sein Wort nicht mehr?!

Alle solche und ähnlichen Versuche, Gottes Wort zu korrigieren, barmherziger zu sein als Gott, Seine Liebe und heilige Gerechtigkeit auf den Standpunkt menschlicher Gedanken und Hypothesen (das sind Vermutungen ohne klaren Schriftgrund) herabzudrücken, sind von vornherein durch das Wort selbst gerichtet! Mag es sich nun um solch schüchterne Ausflüchte wie die oben genannten handeln oder etwa um die verderbliche satanische sogen. „Wiederbringungslehre”, eine Irrlehre, der so manche Kinder Gottes zum Opfer gefallen sind, oder auch um die „Bibelforscher”-Irrlehre von dem schließlichen Vernichtetwerden aller Ungläubigen - einerlei, diese Lehren, die auf Hypothesen (Annahmen, „Wenns” und „Abers”) aufgebaut sind, werden zu seiner Zeit alle ihr unfehlbares Gericht finden, und ihre Anhänger werden erzittern, wenn sie sehen - was sie jetzt von uns nicht annehmen wollen-, wie sie sich und andere getäuscht haben, vielmehr sich selbst betrügen ließen von dem, der der „Lügner ist von Anfang”.

Die genannte Wiederbringungslehre, derzufolge alle Verlorengehenden doch einmal errettet werden sollen - trotzdem es im Feuersee keinen Heiligen Geist gibt, der von Sünde überführt, trotzdem das Wort ohne „Wenns und Abers” sagt: „Draußen sind die Hunde usw.” (Off. 22,15), also die beständige Gegenwartszeitform gebraucht für die ewig Verlorenen, trotzdem ebenso in beständiger Gegenwart der Zorn Gottes als bleibend über dem nicht dem Sohne Glaubenden verheißen wird (Joh. 3,36) usw. usw. - diese Lehre beschäftigt ohne wahren stichhaltigen Grund, aber eben durch Satans List, gegenwärtig so viele Gemüter von Gläubigen, dass es denkbar ist, dass der Frager auch von solchen Gedanken angesteckt sein könnte. Aber auch, wenn dem - was ich um seinetwillen hoffe - nicht so sein sollte, so füge ich hier doch noch in Weiterführung obiger Antwort ein paar Gedanken aus der Schrift an, die ihm eine Hilfe sein möchten. (Der ausnahmsweise große Umfang dieses Artikels ist durch seine Wichtigkeit wohl gerechtfertigt!) Obige Antwort sagt, dass nicht alles „Hören” heute wahrhaftes Hören sei. Auch ich glaube, dass denen, die nicht so hören konnten, dass es ihnen zum Heil ausschlagen konnte, noch seitens des bekehrten Israel das Evangelium vom Reich, seitens des Engels in Off. 14,6.7 (vergl. Fr. 42 in Jahrb. II) das „ewige Evangelium” verkündigt werden dürfte. Wenn diese letzteren „frohen Botschaften” auch kein Anrecht auf Zugehörigkeit zum Leibe Christi geben, so doch, wie oben gesagt, Zugehörigkeit zur großen Schar von Off. 7, überhaupt Zugehörigkeit zu Gott (statt zum Teufel und seinen Engeln). Aber solche, die gehört haben, ja, schon allein hören konnten, die in Gottes Augen das Heil hätten annehmen können (vergl. Bd. 5, S. 241/42) - Er allein ist Herzenskündiger und sieht das Herz an! Wie ernst! -, aber nicht wollten, die werden nach der Hinwegnahme der Gemeinde (durch die Entrückung) sich nicht mehr bekehren können. Das geht unzweideutig aus 2. Thess. 2,10-12 hervor. Vielleicht lässt sich hier auch auf die ernste Verheißung Off. 3,15-17 hinweisen, obwohl hier nicht eigentlich von dem einzelnen, sondern von der Gesamtheit der lauen Namenchristenheit die Rede ist. Jedoch wendet sich V. 20 an den einzelnen! - Wir dürfen doch nicht aus dem Auge verlieren, dass mit der Hinwegnahme der Gemeinde die Zeugen Christi die Erde, den Wohnplatz aller von Natur Verlorenen, verlassen: die einzelnen Gläubigen und vor allem der in uns und in Seinem Tempel, der Gemeinde, wohnende Heilige Geist (vergl. z. B. Joh. 14,17 und Off. 22,17a). Israel tritt aber noch lange nicht sofort nach der Entrückung der Gemeinde auf den Plan, sondern erst infolge der großen (antichristlichen) Drangsal, wenn es zum HERRN umgekehrt ist; „die zwei Zeugen” von Off. 11, die Vertreter des gläubigen Überrestes aus Israel, kommen hier auch nicht in Betracht - also können wir uns eine Bekehrung von solchen, an die der Fragesteller denkt, nicht so leicht vorstellen. Wenn die Gemeinde fort ist und der Satan ungehemmt seine Macht wirksam werden lassen kann als „Fürst der Welt”, dann ist die Bekehrung nicht mehr so einfach wie heute, wo treue Liebe dem durch den Heiligen Geist überführten Sünder nachgeht und heilige Fürbitte für ihn eintritt! Möchten wir doch dies klar und unzweideutig bezeugen und im Blick auf andere weder uns selbst auf die Zukunft vertrösten noch den Sündern diese Hintertür offen lassen, von der wir nicht wissen, ob sie wirklich für jeden oder auch nur für viele offen sein wird!

Und zum Schluß noch dies: An Gottes Liebe und Gerechtigkeit brauchen wir nicht zu zweifeln, aber wenn wir rückwärts blicken werden aus der Ewigkeit in die vergangene Zeit, dann werden wir sehen, wie Er an allen Menschen mit allen Mitteln gearbeitet hat, um ihre Seele herumzuholen vom Verderben, was uns schon Hiob 33 bezeugt wird. Wer ewig (d. h. für immer) verloren geht, der wird nie eine Entschuldigung haben. Gott wollte - der Mensch wollte nicht: daher ist sein Los zum Verzweifeln für ewig. - Ich verweise nochmals auf Fr. 7 in Jahrb. 4. - Der HERR aber gebe uns allen, Seinem Worte zu glauben und zu gehorchen und es gelten zu lassen, auch wenn das natürliche (seelische) Gefühl, das so leicht von unten bestimmt ist, sich dagegen sträubt. Möchten wir Gnade haben, „jeden Gedanken gefangen zu nehmen unter den Gehorsam Christi”! (2. Kor. 10,5.)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 8 (1921/22)