Wenn wir dem Neuen Testament vertrauen und uns ausschliesslich auf seine Angaben verlassen, kommen wir nicht umhin: Jesus hatte leibliche Geschwister.
Nur Matthäus und Lukas beschreiben uns Empfängnis und Geburt Jesu. Aus ihren Berichten ist zweifelsfrei ersichtlich, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde. Das ist darum wichtig, weil Jesus wohl "Nachkomme der Frau" (1. Mose 3,15), also wahrer Mensch, dass er aber ohne die sündige Natur Adams, also sündlos sein musste. Darum konnte er nicht von einem menschlichen Vater gezeugt sein. Beide Evangelisten sagen von der Geburt Jesu, dass Maria damit ihren erstgeborenen Sohn zur Welt brachte.
Sicher: "Erstgeborener" wird auch als Ehrentitel Jesu gebraucht, ohne dass der Ausdruck dann wörtlich zu verstehen ist. So wie Jesus Christus "Erstgeborener aller Schöpfung" (Kolosser 1,15), "Erstgeborener aus den Toten" (Kolosser 1,18) oder "Erstgeborener unter vielen Brüdern" (Römer 8,29) ist.
"Erstgeborener" drückt aber auf alle Fälle eine Beziehung des entsprechenden Vorrangs aus: Der Erstgeborene aller Schöpfung steht über der Schöpfung; der Erstgeborene aus den Toten ist der Erste, der aus den Toten auferstand, der Erstgeborene unter vielen Brüdern ist Haupt und Erstling aller Erlösten, die sein Leben und seine Natur besitzen. "Erstgeborener Sohn" der Maria (Matthäus 1,25; Lukas 2,7) kann daher unmöglich etwas anderes heissen, als dass er unter anderen Söhnen, die Maria zur Welt brachte, den Vorrang hatte, zeitlich wie auch der persönlichen Würde nach.
Zudem sagt uns Matthäus ganz deutlich, um die göttliche Zeugung und jungfräuliche Geburt Jesu zu unterstreichen, dass Joseph keinen ehelichen Verkehr mit Maria hatte, bis sie ihren erstgeborenen Sohn zur Welt brachte. Dieses "bis" bedeutet doch nichts anderes, als dass Joseph und Maria nach der Geburt Jesu den vom Schöpfer gewollten ehelichen Verkehr miteinander pflegten.
ERSTGEBORENER Gottes und nicht in Jesus Christus der zur Das ist (griechisch: prototokos), «Einziggeborener» Marias genannt. steht bewusstem unübersehbarem Gegensatz Tatsache, dass
Einziggeborene (mono genäs) (Johannes 3,16) Verschiedene Bibelstellen sprechen denn auch von den leiblichen Geschwistern Jesu (Matthäus 12,46; 13,55+56 Markus 3,31; Lukas 8,19; Johannes
2,12; 7,3). So lesen wir in Matthäus 12,46: "Als er aber noch zu der Volksmenge redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draussen und suchten ihn zu sprechen." Dass
damit nicht etwa "geistliche Brüder", also Jünger, gemeint waren, zeigt der nachfolgende Vers 50, wo Jesus sagt, wer seine geistlichen Angehörigen sind.
Auch Johannes 2,12 macht einen Unterschied zwischen den leiblichen Brüdern und den Jüngern des Herrn. Matthäus 13,55+56 nennt sogar die Namen von Brüdern des Herrn und spricht auch von Schwestern: "Ist dieser nicht der Sohn des Zimmermanns? Heisst nicht seine Mutter Maria, und seine Brüder Jakobus und Joseph und Simon und Judas? Und seine Schwestern, sind sie nicht alle bei uns?" Jesus hatte also mindestens vier Brüder und zwei Schwestern. Dieser Vers widerlegt übrigens den anderen häufigen Versuch, leibliche Geschwister des Herrn aus der Welt zu diskutieren: Die "Brüder" Jesu seien nur Verwandte. Unter "Brüder" müssen hier aber Kinder der gleichen Mutter gemeint sein. Es stimmt zwar, dass im Hebräischen "Brüder" (achim) auch für Vettern stehen kann. Aber das macht im vorliegenden Zusammenhang keinen Sinn. Die Bewohner von Nazareth sagen ja: Wir kennen den Vater, Joseph den Zimmermann; wir kennen die Mutter, Maria, ja, wir kennen doch den ganzen Haushalt mitsamt Kinderschar, also die ganze Familie, aus der Jesus kommt. Was will er schon Besonderes sein?
Bedeutet es eine Schmälerung der Ehre des Herrn, dass er Geschwister gehabt hat? Keinesfalls: Er kam, um nicht allein in eine ganz gewöhnliche jüdische Familie geboren zu werden, sondern um sich am Ende seines Weges sogar mit Sündern, ja, mit der Sünde der Welt zu identifizieren. Weil er sich so vollkommen mit uns identifizierte, bewundern wir ihn nur um so mehr.
Quelle: Aus dem Buch 3 x 100 Fragen zur Bibel (Schwengeler Verlag, 2003)