Antwort A
Jakob war ein Träger der Verheißungen Gottes, die Gott dem Abraham gegeben und dem Isaak wiederholt hatte; und Gottes Verheißungen sind unbereubar, auch wenn Jakobs Verhalten diesen Verheißungen gegenüber auf Abwege kommt. Abraham war ein Mann des Glaubens, und dies wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Und dieser Glaube wirkte bei Abraham einen Wandel mit Gott und Absonderung von der Welt. Abraham war und blieb ein Fremdling in Kanaan; aber er hatte Gemeinschaft mit Gott, und Gott vertraute dem Abraham Seine Gedanken an. Wie ganz anders Jakob! Wohl hatte Jakob bis zu einem gewissen Grade Glauben, aber er hatte keine Gemeinschaft mit Gott. Sein eigenes Wirken und Schaffen bringt ihn in die Lage, aus dem Vaterhause fliehen zu müssen. Als Flüchtling kommt er nach Haran in das Haus der Familie Labans; und doch war Gott bei ihm. Gott versichert ihn zu Anfang seiner Reise Seines mächtigen Schutzes, aber Jakobs Herz hat nichts davon, im Gegenteil! er fürchtet sich. In Kanaan hat er seinen Vater und Bruder betrogen, und im Hause Laban begeht er unausgesetzt Betrügereien, List und Gewalt. Und doch wachte Gott über ihm, jedoch in Zucht, ob vielleicht Jakobs Herz gebrochen werde vor Gott und die Gemeinschaft Gottes suche zu seinem Segen. 21 Jahre gehen in dieser Zucht vorüber. Da spricht Gott wieder mit Jakob und befiehlt ihm, nach Kanaan heimzukehren. Jakob hatte Gott noch nicht persönlich kennen gelernt, jetzt soll er Ihn kennen lernen.
Jakob muss auch seinem Bruder Esau begegnen, und das Gewissen wacht bei Jakob auf. Aber noch ist's seine gewohnte und bisher betriebene Weise, Pläne zu machen. Er macht einen Plan; aber er ist auch damit noch nicht zufrieden, er muss allein sein und schickt alles fort, hinüber über den Fluß. Nun ist er allein, aber allein mit Gott (1. Mose 32,24-31). Es rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte aufging; es ist wichtig: nicht Jakob rang mit einem Mann, sondern ein Mann rang mit Jakob. „Und da er ihn nicht übermochte, da rührte er das Gelenk seiner Hüfte an, und das Gelenk der Hüfte Jakobs war verrenkt.”
Jetzt musste Jakob lernen, dass die Kraft des Menschen und der Wille des Menschen Feindschaft gegen Gott sind. Jakob musste gebrochen werden, ehe ihm geholfen werden konnte. Vers 26 spricht Gott: „Lass Mich los, denn die Morgenröte bricht an.” Und Jakob sprach: „Ich lasse Dich nicht, Du habest mich denn gesegnet.” Jetzt hatte Jakob Gott persönlich gefunden und gesehen. „Und Gott sprach: Was ist dein Name?” „Und er sprach: Jakob.” Sein Name bedeutet das, was er war: Überlister. „Und Er sprach: Nicht Jakob soll hinfort dein Name sein, sondern Israel (Gotteskämpfer); denn du hast mit Gott und Menschen gerungen.” Jakob wollte nun auch den geheimnisvollen Namen seines Gegners wissen. Gott verweigert es ihm, aber Er segnet ihn daselbst. Jakob aber kam jetzt in Verbindung mit Gott und bezeugt: „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden.” Ein glücklicher Jakob jetzt! Wer war es nun, der mit Jakob rang? Es war Gott-Jehova, Derselbe, der schon im Paradiese mit Adam Gemeinschaft hatte; Derselbe, der mit Abraham Gemeinschaft hatte, der mit Mose aus dem feurigen Dornbusch redete; Derselbe, der zu Philippus sagte: „Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen”; Derselbe, der in der Fülle der Zeit gekommen war, Sich Selbst entäußerte, Knechtsgestalt annahm, in einer Krippe geboren wurde und am Kreuze starb, um Menschenseelen zu erretten und in Seine Gemeinschaft zu bringen, und Sein Name heißt: Wunderbar.
F. B.
Antwort B
Jakob erlebte damals am Jabbok die denkwürdigste Nacht seines Lebens. Ein Mann rang mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. Auf dessen Bitte: „Lass Mich gehen, denn die Morgenröte bricht an”, sagt er: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn.” Darauf erhält er von Ihm einen neuen Namen. Jakob war der bisherige gewesen. Jetzt sollte er „Israel” heißen, das ist „Gottesstreiter”. Diese Erfahrungen veranlassen nun den Jakob, die Stätte des Kampfes mit „Pniel” zu benennen; „denn,” sagt er, „ich habe Gott von Angesicht gesehen und meine Seele ist genesen.” Für Jakob war also diese Nacht der Anfang eines neuen Lebens. Seine Seele, die bisher krank, war jetzt genesen. Sein Leben, bisher ein großer Betrug, war jetzt ein gottgeweihtes. Er war jetzt eben ein Gotteskämpfer. Alle diese Segnungen führt nun Jakob zurück auf die eine Tatsache: Ich habe Gott von Angesicht gesehen. - Hat Gott Sich nun dort wirklich sehen lassen von Jakob? Die Schrift sagt uns an verschiedenen Stellen, dass niemand Gott sehen kann. So lesen wir es 2. Mose 33,20; Joh. 1,18; 1. Tim. 6,16; 1. Joh. 4,12. Jakob kann demnach hier Gott nicht von Angesicht gesehen haben. Jetzt wird man einwenden: Ja, aber Jakob sagt doch: Ich habe Gott von Angesicht gesehen! Der Prophet Jesaias schreibt auch davon, dass er den HERRN gesehen habe (Jes. 6,1-5). Haben sich nun diese Männer Gottes geirrt, dass beide davon sprechen, Gott gesehen zu haben, den doch kein Mensch sehen kann? Der Herr Jesus sagt Joh. 6,46, dass „niemand den Vater gesehen hat außer Dem, der vom Vater ausgegangen ist”. Demnach beziehen sich all die Stellen, in denen wir lesen, dass kein Mensch Gott gesehen hat noch sehen kann, auf Gott den Vater. Den Vater hat niemand gesehen, und den Vater kann auch kein Mensch sehen. Eine Stelle aus Joh. 12 zeigt dies noch klarer und gibt auch Licht in der vorliegenden Frage. Vers 38 bis 40 greift der Apostel zurück auf Jes. 6. In diesem Kapitel berichtet der Prophet sein Schauen Jehovas. Joh. 12,41 bemerkt dann der Apostel dazu: „Solches sagte Jesaias, da er Seine Herrlichkeit sah und redete von Ihm.” Wessen Herrlichkeit sah nun Jesaias, und von wem redete er? Nun, die Antwort kann dem Zusammenhang nach nicht schwer sein: von dem Herrn Jesu. Jesaias sah Jehova-Zebaoth, den HERRN der Heerscharen in Seiner Herrlichkeit. Der Jehova Alten Testamentes ist der Christus Jesus des Neuen Bundes. Er ist der Offenbarungsgott. In 1. Kor. 10,4 sagt Paulus, dass Christus als der geistliche Fels mit Israel durch die Wüste zog. Christus war unter Israel gegenwärtig als Jehova. Jesaias sah also nicht Gott, den Vater der Herrlichkeit, sondern Jehova-Jesus. So sah auch hier in 1. Mose 32 Jakob wie sein Vater Abraham in 1. Mose 18,1.2 Jehova-Jesus, der bei Gott schon im Anfang war (Joh. 1,1-3), und Gott ist über alles hochgelobt in Ewigkeit (Röm. 9,5). Jakob hat demnach also ein Recht, zu sagen: Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen. - Hast du schon dein Pniel erlebt?
A. C.
Antwort C
Dieser scheinbare Gegensatz lässt sich wohl folgendermaßen auf einfache Weise lösen: Als Grundsatz gilt, dass wir sterblichen Menschen in unserem sündigen Fleische den unsterblichen und heiligen Gott nicht sehen können und leben (2. Mose 33,20; 1. Tim. 6,16; vgl. auch „Handr.” 1913, Frg. 28!). Doch liegt es in der Macht Gottes, sich uns in der Gleichheit unseres Fleisches oder in anderer natürlicher Weise zu offenbaren, wie Er es da und dort, z. B. dem Jakob (1. Mose 32,30), Mose (2. Mose 33,11) und Abraham (1. Mose 18,1ff.) gegenüber, und besonders später in Christo (Joh. 1,14; 1. Tim. 3,16) tat, und zugleich statt Verderben Leben und Segen zu bringen.
So konnte Jakob sagen: „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden” (1. Mose 32,30). Doch dereinst werden wir Christum zur Rechten des Vaters (vergl. Mt. 26,64!) „sehen, wie Er ist, indem wir Ihm gleich (ähnlich) sein werden” (1. Joh. 3,2). während wir jetzt „beim Anschauen Seiner Herrlichkeit” in Seinem Worte „verwandelt werden nach Seinem Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit” (2. Kor. 3,18).
K. Hch.
Antwort D
In 1. Mose 32 war es der HERR in Menschen gestalt, der mit Jakob rang, wie wir aus V. 24 in Verbindung mit den folgenden Versen sehen. In solcher Gestalt konnte Jakob Ihn „von Angesicht zu Angesicht sehen und leben”. Das wissen wir, nachdem Er als Mensch in Gnade hienieden war. Dasselbe ist es in 2. Mose 33,11, wie 4. Mose 12,8 ergibt, denn dort heißt es: „und das Bild Jehovas schaut er.” Das „Bild Jehovas” ist der Herr Jesus, der Sohn Gottes als Mensch, nach 2. Kor. 4,4 verbunden mit 1. Mose 1,26.27. - Anders ist es aber mit 2. Mose 33,20, wo gesagt ist: „Du vermagst nicht Mein Angesicht zu sehen; denn nicht kann ein Mensch Mich sehen und leben.” Da handelt es sich um Seine göttliche Herrlichkeit (s. V. 18 und 22), und für solche ist das Auge unseres sterblichen Leibes nicht geschaffen.
Ersteres redet zu uns von Gottes Gnade, letzteres von Gottes Herrlichkeit. Beides ist uns kostbar und erfüllt unsere Herzen mit Freude und Glück, weil beides Ihn vor den „Augen unseres Herzens” (Eph. 1,18) verherrlicht, der uns geliebt und Sich Selbst für uns hingegeben hat - durch den die Gnade „geworden” ist (Joh. 1,17b), indem Er Mensch wurde, und dem die Herrlichkeit „gegeben” ist (Joh. 17,5.24) - als Mensch -, weil Er Selbst Gott ist; durch den wir diese Gnade kennen, und durch den wir fähig gemacht sind, diese Herrlichkeit zu schauen, jetzt durch Glauben und einst - verherrlicht - in Wirklichkeit. - Gleicherweise werden unsere Herzen mit Dank und Anbetung gegen den Vater erfüllt, der den eingeborenen Sohn gab und durch Ihn Sich Selbst uns so völlig geoffenbart hat in Seiner wunderbaren Gnade und uns berufen hat „zu Seinem eigenen Reiche und Seiner eigenen Herrlichkeit” (1. Thess. 2,12).
Th. K.
Anmerkung des Herausgebers
Diesen vier kostbaren Antworten, von denen Antwort B aus dem Felde kam, fügten wir nur noch wenig hinzu. Zunächst noch einmal den Hinweis auf Bd. I 1913, Frage 28! - Es gibt in der Schrift vielfach verschiedene Arten von „Sehen”, verschieden durch die Gegenstände und Personen, die gesehen werden, durch die Personen, die sehen, durch das Licht, in dem gesehen wird. Einige Beispiele! In Frg. 11 neulich ist uns in Antwort C etwas davon gezeigt worden: Was die drei Jünger oben auf dem Berge sahen, konnten die unten nicht sehen (Mt. 17,1ff.), aber das Sehen von V. 8 ist wieder ein ganz anderes. In 2. Kor. 4,18 ist von zwei völlig verschiedenen Arten von Sehen die Rede. Das Sehen von 2. Mose 33,11 ist von dem in V. 20 ganz verschieden. Das Sehen von Off. 1,12ff. ist wieder ganz etwas anderes, und von diesem unterscheidet sich das von Off. 4,1ff. noch wieder. Zu diesem letzteren war ein „Komm hier herauf!” nötig. Möchten wir im Geiste recht oft „hier herauf kommen”, um zu sehen, was Sein Wille mit uns ist! - Für Jakob ward jene Erfahrung am Jabbok zu der köstlichen Stunde, da er zum erstenmal Gott wirklich schaute, wenn er äußerlich auch nur einen „Mann” sah. Möchten wir alle solche Pnielstunden kennen! Wie aber wird es sein, wenn wir erst Ihn sehen, wie Er ist. 1. Joh. 3,2.