Antwort A
Gott ist in Seinem Willen unbeschränkt. Der Mensch ist in seinem Willen beschränkt, auch in bezug auf die Annahme des Heils. Vor dem Sündenfall hatte der Mensch ein größeres Gebiet seines freien Willens; dies hat er zum Teil verloren (vergl. 1. Mose 1,26). Er kann über die Naturkräfte und Elemente nicht unbeschränkt herrschen, nicht einmal über sich selbst (Verhältnisse, Unfälle, Tod), am allerwenigsten über göttliche und geistliche Dinge (Pred. 8,8).
Auch in bezug auf die Annahme des Heils ist er nicht unbeschränkt frei. Gott hat uns das Jetzt, das Heute gegeben (2. Kor. 6,2; Hebr. 4,7); die kommende Zeit steht uns nur nach Gottes Ermessen zu (Apg. 17,26.27). Kein Mensch kann sich im Stande des Unbewußtseins bekehren (Röm. 10,14-17), es fängt für ihn erst da an, wo er mit dem Heil in Christo bekannt wird (Lk. 12, 47.48; Röm. 2,12ff.). Da kann er sich dann für Annahme oder Abweisung entscheiden (Röm. 9,22; 1. Tim. 1,16). Zudem gibt es Verhältnisse, wie bei der Verstockung, wo Gott Sein Gnadenangebot zurückzieht, nachdem es mutwillig mit Füßen getreten worden ist. Dahin gehören die Stellen 2. Mose 9,12-15; Röm. 9,15-18; Jes. 55,6. - Hebr. 12,16.17 bezieht sich nicht auf das Heil in Christo, sondern auf die Sinnesänderung Isaaks zur Erlangung von Esaus selbstsüchtigem Begehren (vergl. Röm. 9,22ff.).
Es gibt gewisse Verhältnisse, in denen ein einzelner nicht für sich allein handeln kann, z. B. Bündnisse, Fortpflanzung, Fähigkeit u. a., dies gilt auch vom Neuen Bund und vom neuen Leben. Darum wird der Mensch zum Glauben aufgefordert, und andererseits heißt es: „Es kann ein Mensch nichts nehmen, es werde ihm denn von oben gegeben.” Gott verlangt Bekehrung, und doch steht auch geschrieben: Bekehre Du mich, so werde ich bekehrt Jer. 31,18). Die Wiedergeburt wird vom Menschen verlangt (Joh. 3,3.5); sie wird aber Gott und Seinem Wort zugeschrieben (Joh. 1,13; 1. Joh. 5,1.5; Jak. 1,18; 1. Petr. 1,23). Dies weist auf gegenseitige Übereinstimmung mit Gott hin. Jeder Mensch kann sich in bezug auf sein ewiges Heil in Übereinstimmung mit Gottes Willen setzen, oder auch widerstreben (vergl. Lk. 13,34). Gott könnte auch den Menschen gewaltsam unter Seinen Willen beugen, aber Er tut es nicht, weil Er ihm die Freiheit der Entscheidung hierüber gegeben hat. Eine gewisse Freiheit hat also der Mensch, aber nicht eine unbeschränkte. Der geoffenbarte Wille Gottes in Gottes Wort zeigt uns die Grenzen der menschlichen Freiheit (vergl. Jak. 4,13-16; Lk. 12,20; Pred. 3,1.11; 8,6).
F. Th. H.
Antwort B
„Gott will, dass alle Menschen errettet werden” (1. Tim. 2,3.4). Wenn viele Menschen nun verloren gehen, so gilt von ihnen Ev. Joh. 5,40: „Ihr wollt nicht zu Mir kommen.” Die Stellen aus Röm. 9 muss man im Zusammenhange lesen. Die Kapitel 9,10 und 11 gehören zusammen. Sie behandeln die Stellung Israels zum Evangelium. Wenn Gott zuerst Israel erwählte als Träger Seiner Verheißungen, so war es Gnade von Gott, nicht Israels Verdienst (Röm. 9,6-9). Wenn Gott in der Gegenwart (der Zeit seit dem Apostel Paulus bis heute) auch an der Segensverheißung, die Gott dem Abraham gegeben hatte (vergl. Gal. 3!), die anderen nichtjüdischen Nationen teilnehmen läßt, so ist das ebenfalls Gnade. Beachten wir, dass es Vers 9 in Röm. 9 heißt: „Denn dieses Wort ist ein Verheißungs wort: ... Sarah wird einen Sohn haben.” Diese Verheißung des Sohnes, durch den alle Nationen gesegnet werden sollten, hatten weder Abraham noch Sarah, noch Israel verdient, sondern Gott hatte sie in Seiner Gnade gegeben. Wenn Gott also diese Verheißung gegeben hatte, so lag es weder an der Kraftanstrengung des Menschen (dem Laufenden), noch an dem Willen des Menschen (dem Wollenden), sondern an Gottes Gnade (dem begnadigenden Gott) (Röm. 9,16). Abraham hatte nur einen Sohn, Isaak, den Träger der Segensverheißung. Isaak aber hatte zwei Söhne. Welcher von beiden sollte nun Träger der Verheißung sein? Damit derselbe sich nicht auf sein Verdienst, seine Werke berufen konnte, dass sie ihm diese bevorzugte Stellung gegeben hätten, wurde vor der Geburt beider Söhne der Segensträger (also Jakob) bestimmt (Röm. 9,10-12). Esau suchte den Segen vergeblich. Für Buße fand er keinen Raum! Es handelt sich in diesen Stellen also nicht um die persönliche Errettung - sondern um Gottes Verheißung und Segen. Röm. 9,17 (bezüglich Pharaos) bezieht sich auf 2. Mose 9,16. Aus 2. Mose 9,15 geht hervor, dass Pharao mit seinem Volke das Gericht schon verdient hatte; Gott ließ ihn aber bestehen, Er erhielt Pharao noch, um an ihm Seine Macht zu erzeigen. Gottes Name sollte dadurch auf der ganzen Erde verkündigt werden, zum Nutzen aller Völker. Denn Gott hat alle Menschen in den Unglauben (den sie selbst erwählt hatten) eingeschlossen, nicht damit Juden und Heiden verloren gingen, sondern „auf dass Er alle begnadige” (Röm. 11,32). Juden und Heiden sollten also einsehen, dass nur Gottes Gnade sie erretten könne (vergl. Röm. 11,30.31). Die Menschen waren eingeschlossen (nicht: sind noch eingeschlossen) mit dem Endzwecke: auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte (Gal. 3,22-25). Gott hat jetzt die Tür des Glaubens aufgetan (Apg. 14,27). Das Werk der Errettung ist allerdings Gottes Werk (Eph. 2,8); der Mensch hat die Errettung nicht bewirkt („nicht aus Werken”), auch nicht verdient; aber der Mensch muss an diese Errettung glauben („mittelst des Glaubens”). So ist die persönliche Errettung des Menschen durch das Kreuz von seiten der Gnade Gottes („durch die Gnade seid ihr errettet”); von seiten des Menschen aber muss an dieses vom Worte Gottes bezeugte Werk geglaubt werden. Das ist Bekehrung. Und dazu gehört der Willensentschluß des Menschen (Lk. 15,13; Apg. 11,23).
W. T.
Antwort C
Gottes Wille ist es, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen,” zur Annahme des Heils in Christo (1. Tim. 2,4; Hes. 13,23-32), weshalb Gott Einladungen und Aufforderungen an alle Menschen ergehen läßt, wie geschrieben steht Jes. 55,1; Off. 22,17;Joh. 7,37 usw.
Gott schuf die Engel wie den Menschen mit einem freien Willen; liegt nicht hierin schon eine große Würde und Ehre für den Menschen? Gott der Schöpfer konnte von Seinem Geschöpf, dem Menschen, erwarten, dass derselbe seinen Willen nur zum Guten, d. h. zum Gehorsam gegen Gott betätigen werde. Engel fielen, und durch die List des Satans (1. Mose 3,1-5) lernte auch der Mensch die traurige Fähigkeit, seinen Willen zum Bösen, zum Ungehorsam zu betätigen; seitdem erweist der Mensch seinen Eigenwillen, der Gott stets entgegengesetzt ist, und Eigenwille ist Götzendienst (1. Sam. 15,23).
Die Stellen Röm. 9,15-24, ebenso Hebr. 12,16 geben berechtigten Anlass zu sagen, dass der Mensch sich nicht allezeit bis zu seinem Tode frei entschließen kann für die Annahme des Heils in Christo! Esau verkaufte sein Erstgeburtsrecht um ein Linsengericht, verlor den Segen; er galt ihm angesichts der Lust zum Linsengericht sehr wenig, hernach suchte er den Segen mit Tränen, fand aber keinen Raum zur Buße (vergl. Phil. 3,18-20!).
Wie hart und verstockt das Menschenherz ist, geben uns 2. Mose Kapitel 8-10 klar zu verstehen. Wir lesen mehreremal nacheinander: „Pharao aber verhärtete sich;” infolgedessen lesen wir weiter: „Und Gott verhärtete dem Pharao sein Herz,” Pharao hatte einen Eigenwillen, der sich über Gott erhöhte (2. Mose 5,2), und dieser Eigenwille und freie Wille Pharaos endigte in den Fluten des Roten Meeres.
Hieran sehen wir, dass der freie Wille des Menschen nicht unbeschränkt ist. Die Schrift bezeugt dies auch klar. Ebenso bezeugt sie, dass sich der Mensch nicht allezeit entschließen kann für die Annahme des Heils in Christo; der Mensch kann nicht bestimmen: in der und der Zeit kann und will ich mich bekehren zu Gott und Sein Heil annehmen, während die Schrift sagt: Hebr. 3,7-13 „deshalb, wie der Heilige Geist spricht: Heute, wenn ihr Seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht.” „Jetzt (in diesem Augenblick) ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils;” und Jes. 55,6-9: „Suchet Jehova, während Er Sich finden läßt.” Sicher ist es: der HERR hat schon manchen errettet wie einen Brand aus dem Feuer (Sach. 3,2). Er kann erretten aufs äußerste und völlig erretten, d. h. wenn es mit einem Menschen aufs letzte und äußerste gekommen ist; aber immer nur auf dem von Gott gewiesenen, bereiteten Wege (Lk. 23,40-43).
Gott hat einen Weg bereitet, auf welchem jeder Mensch ohne Ausnahme errettet werden kann, es ist die Umkehr und Buße, Unterwerfung unter den Willen Gottes, der Gehorsam dem Worte der Wahrheit durch den Glauben an Jesum und Sein vollbrachtes Werk. Nirgends aber findet sich in der Schrift nur der geringste Anhaltspunkt oder Andeutung, dass es im Belieben und in dem freien Willen des Menschen steht, ob und wann der Mensch das angebotene Heil annehmen will oder nicht; und doch sind unzählige Menschen in diesem Betrug der Sünde und des Satans gefangen.
F. B.
Antwort D
Aus den drei ersten angeführten Stellen wie auch aus Lk. 4,18.19; 5,31.32; Joh. 9,39 u. a. geht deutlich hervor, dass die Gnadenbotschaft nur an die gerichtet ist, welche dürsten, arm, gefangen, blind, zerschlagen sind usw., also in dem Sinne dieser bildlichen Ausdrücke an die, welche von den Freuden dieser Welt, ihren Reichtümern und Ehren (als löchrigen Zisternen) nicht befriedigt sind, ihr Gefangensein in Satans Macht, ihre Unwissenheit, ihr Verlorensein erkannt haben und Buße tun. Solche sind die gute Erde von Mt. 13,8; Lk. 8,8, eine durch die Arbeit des Ackerbauers (des Heiligen Geistes, Joh. 16,8) bebaute, aufgelockerte Erde, wo das Untere, Verborgene zum Vorschein gebracht worden ist. Das Ergebnis dieser Arbeit ist das Verlangen nach Gnade, der Wille zur Annahme des Heils, der Glaube, welcher in Jesu Christo den Heiland ergreift. Lk. 18,35-43;Joh. 5,1-9 sind schöne Abbildungen dieser Wirkungsweise Gottes in der Person Jesu, Seines Sohnes. Dem Lahmen und dem Blinden, welche sich ihres elenden Zustandes bewußt waren, sagt der HERR: „willst du geheilt werden?” „was willst du ...?”, und veranlasst sie somit zum Bekenntnis ihrer Bedürfnisse und Ohnmacht, die Er heilen wollte. Nie ist ein unter der Last seines Elends seufzender Mensch im Stiche gelassen worden, sondern immer kam zu ihm der „gewisse Samariter”, welcher gekommen ist, das Verlorene zu retten, und sagen konnte: „Ich habe das Werk vollendet ... das Ich tun sollte” (Joh. 17,4).
Grundsätzlich anders handelt Gott mit den Menschen, welche „sich selbst vertrauen und sich für gerecht halten” (Lk. 18,9) und meinen, sie „sähen” (Joh. 9,39-41). Für sie hat Er eine Gerichtsbotschaft ohne Rücksicht (Mt. 23,13-35; Lk. 3,7-9; 11,39-54). Er bietet ihnen gar nichts an, sondern erklärt ihnen, was sie sind und was sie verdienen, denn Er weiß, dass der Wille zur Annahme des Heils bei ihnen nicht vorhanden sein kann, ehe sie Seine Aussprüche über sie anerkannt und Buße getan haben (Lk. 9,57.58; 18,18-23; Mk. 10,17-22).
Es kommt nicht zunächst darauf an, ob der Mensch das Heil will oder niht, sondern ob er das gerechte Urteil Gottes über ihn rechtfertigt, denn das Weitere bewirkt Gott in ihm, wenn er nur diese Stellung einnimmt.
Dabei ist, glaube ich, mehr als des Menschen Wille sein Hochmut maßgebend. Der Mensch hat ein Gewissen, die Kenntnis des Bösen und des Guten; er ist imstande, das Urteil Gottes auf sich anzuwenden. Verhärtet er sein Herz und verwirft das Wort Gottes, so bringt er über sich das furchtbare Gericht der weiteren Verstockung, welches ihm die Möglichkeit der Errettung immer schwerer macht.
Die Hartnäckigkeit des Pharao und seine Verachtung des Wortes Jehovas sind es (2. Mose 5,2.4.6-9.17.18), welche Gott veranlaßten, sein Herz zu verstocken; Esau verachtete sein Erstgeburtsrecht und sagte dazu, Jakob habe es ihm weggenommen, statt: „ich habe es verachtet und verkauft” (1. Mose 25,30.34; 27,36), darum fand er später keinen Raum für die Buße. Es ist höchst gefährlich, die Mahnungen Gottes zu verwerfen und zu verachten, denn Er „widersteht den Hoffärtigen”; nicht ungestraft kann man Seine Geduld mißbrauchen und Ihn zum Lügner machen (1. Joh. 5,10). Uns ist aber nicht gegeben, zu wissen, wo und wann Er verstockt hat; einem jeden ohne Unterschied haben wir das Wort des Lebens darzustellen, wissend, dass keine Ungerechtigkeit bei Ihm ist. „Langmütig ist Er ..., da Er nicht will, dass irgend einer verloren gehe, sondern alle zur Buße kommen” (2. Petr. 3,9).
Zum letzten Teil der Frage glaube ich aus Röm. 3,11; Eph. 4,17.18; 2. Kor. 4,4 u. a., dass der Wille des Menschen nicht frei sei, sondern abhängig von seinem Herzenszustand. Der natürliche Mensch liegt in der Finsternis und will, was sein Meister, der Teufel, will. Der neue Mensch in Christo will nur das, was sein HERR und Heiland will zur Ehre Gottes. Dazu noch ein kurzes Beispiel: Solange ein Sklave im Dienste seines Herrn gewisse Vorrechte hat, solange es ihm wohl ergeht, denkt er gar nicht an die Flucht; er will auch nicht frei werden, wenn man es ihm auch anbietet; aber seufzt er unter der Last eines schweren Dienstes, so ergreift er die nächste Befreiungsgelegenheit; er will sofort, wenn jemand ihn fragt: Willst du frei werden? und macht sich dann willig zum Sklaven dessen, der ihm die Freiheit geschenkt hat (Hebr.2,18; 2. Kor. 8,9).
R. W. D.
Antwort E
Dass der Mensch einen unbeschränkt freien Willen bezüglich der Annahme des Heils in Christo überhaupt hat, ist nach meiner Überzeugung ganz gewiß. Ebenso gewiß ist mir andererseits, dass er sich nicht allezeit frei entschließen kann und die Freiheit des Willens in dieser Beziehung nicht unter allen Umständen bis zu seinem Tode bestehen bleibt.
Das Wort Gottes redet vielfach zu dem Menschen und von dem Menschen als jemandem, der sich frei entschließen kann, z. B. in Spr. 1,10.15 lesen wir: „Mein Sohn, wenn Sünder dich locken, so willige nicht ein,” oder Kapitel 23,26: „Gib Mir, Mein Sohn, dein Herz, und lass deine Augen Gefallen haben an Meinen Wegen.” Wenden sich diese Worte nicht an die freie Entschließung des Menschen? Oder Jes. 30,15: „Durch Umkehr und durch Ruhe würdet ihr gerettet werden; in Stillsein und in Vertrauen würde eure Stärke sein. Aber ihr habt nicht gewollt; und ihr sprachet: Nein ...” Ganz ebenso in Mt. 23,37 und Joh. 5,40!
Gott ist ein gerechter Gott. Er macht den Menschen verantwortlich für sein ewiges Los (Mk. 16,16; Joh. 3,17.18.36), wie aber könnte Er das, wenn Er nicht ihm auch Gelegenheit gäbe zur völlig freien Entschließung? Dies tut Er denn auch, wenn auch nicht das ganze Leben des Menschen hindurch. Wie lange oder wie oft, mag sehr verschieden sein bei den verschiedenen Menschen. In Hiob 33,14-30 finden wir etwas darüber: „Doch in einer Weise redet Gott und in zweien, ohne dass man es beachtet. Im Traume, im Nachtgesicht ... dann öffnet Er das Ohr der Menschen ...; dass Er seine Seele von der Grube zurückhalte und sein Leben vom Rennen ins Geschoß” (V. 14-18). Das ist die eine Weise. „Auch wird er gezüchtigt mit Schmerzen auf seinem Lager” usw. „und seine Seele nähert sich der Grube, und sein Leben den Würgern” (V. 19-22). Das ist die andere Weise. Dann heißt es weiter: „Siehe, das alles tut Gott zwei-, dreimal mit dem Manne, um seine Seele abzuwenden von der Grube, dass sie erleuchtet werde von dem Lichte der Lebendigen” (V. 29.30). Gott gibt dem Menschen besondere Gelegenheiten, und nur Er weiß, wie Er mit einem jeden einzelnen Menschen handeln muß; sicher ist, dass Gott jedem Menschen ohne eine einzige Ausnahme - soweit er verantwortlich ist - einmal Gelegenheit gibt, sich völlig frei zu entscheiden; Er ist der „Heiland-Gott, welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen” (1. Tim. 2,3.4), und Er ladet einen jeden ein, der nur irgend mag: „Und wen da dürstet, der komme; und wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst” (Off. 22,17c). Wie einerseits jeder Erlöste nur Seine Gnade preisen kann (Eph. 1,6.7; 2,8!), wird andererseits jeder, der verloren geht, einst erkennen und anerkennen müssen, dass er allein die Schuld trägt, weil er nicht gewollt hat (siehe auch Röm. 1,18-21; 2,4.5).
Wenn die Möglichkeit der freien Entschließung erst durch das Eingreifen Gottes - als ein Werk Seiner Gnade - in dem Leben eines Menschen geschaffen wird und diese Möglichkeit dem Menschen „zwei-, dreimal” gegeben wird, wie es in der erwähnten Hiobstelle heißt (wiewohl Gott in Seiner Gnade nicht auf diese Grenze beschränkt bleibt), so ist es klar, dass im übrigen der Mensch nicht einen unbeschränkt freien Willen bezüglich der Annahme des Heils hat. Das zeigt uns Gottes Wort aufs deutlichste. Der große Widersacher Gottes, der „ein Menschenmörder von Anfang” ist (Joh. 8,44), hat den Menschen unter seinen verderblichen Einfluß gebracht und bietet alles auf, ihn dort zu behalten und so zu verhindern, dass er das Heil in Christo annehme. Darauf sind im letzten Grunde alle die vielen, vielen Hindernisse zurückzuführen, die den Menschen von der Annahme des Heils abhalten. Darum heißt es in 2. Kor. 4,3.4: „Wenn aber auch unser Evangelium verdeckt ist, so ist es in denen verdeckt, die verloren gehen, in welchen der Gott dieser Welt den Sinn der Ungläubigen verblendet hat, damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus ...” Diesen schrecklichen Einfluß sehen wir am ausgeprägtesten bei Judas Iskariot in Joh. 13, Vers 2 und 27: „der Teufel hatte es ihm ins Herz gegeben, den Herrn Jesus zu überliefern, und nach dem Bissen fuhr alsdann der Satan in ihn”. Da gab es keine freie Entschließung mehr, er musste tun, was der Satan wollte!
Gott sagt dem Menschen die Wahrheit, der Satan die Lüge. Es kommt also darauf an, was der Mensch von beidem annimmt, was er vorzieht, liebt. In bezug auf die Menschen, die verloren gehen, heißt es in Joh. 3,19: „...und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht ...,” und 2. Thess. 2,10-12:
... denen, die verloren gehen, darum, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. ... die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit.” Ja, „Er bewahrt klugen Rat auf für die Aufrichtigen” (Spr. 2,7). Ein Mensch, der dann, wenn er vor die Entscheidung gestellt ist, zögert und aufschiebt, ist nicht aufrichtig, liebt die Wahrheit nicht. Wenn er dies wieder und wieder tut, wird sein Herz schließlich unempfindlich gegen die Wahrheit, taub gegen die Stimme Gottes, und er wird vielleicht später einmal „den Segen” vergeblich suchen - sei es auch unter den bittersten Tränen -, weil sein Herz unfähig geworden sein wird, „Raum für die Buße” zu finden! (siehe Hebr. 12,17). Darum: „Heute, wenn ihr Seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht” (Hebr. 3,7), denn: „Ein Mann, der oft zurechtgewiesen, den Nacken verhärtet, wird plötzlich zerschmettert werden ohne Heilung” (Spr. 29,1).
Th. K.
Anmerkung des Herausgebers
Wir weisen hin auf die in dieser Sache wichtigen Fragen 1 in Band II (1914), sowie 12 und 37 in Band III (1915)!
Vorstehend haben wir etliche schöne in den Hauptpunkten und Hauptgrundsätzen übereinstimmende Antworten (andersartige gingen nicht ein!) auf obige oft umstrittene Frage. Sie verdienen gründliche Beachtung!
Der letzte Satz der Frage ist ein als besonders schwierig angesehener Punkt, und an diesen sind im Laufe der Jahrhunderte von Theologen und Philosophen ungezählte Worte - verschwendet. Es ist für den Schriftgläubigen nicht nötig, eine Formel dafür zu finden, ob unbeschränkter oder nur beschränkter oder gar kein „freier Wille”. Es ist für uns auch nicht erforderlich, in das Geheimnis göttlichen Vorherwissens und Vorherbestimmens einzudringen; worüber Gott uns nichts geoffenbart hat, das brauchen wir nicht zu erraten suchen. Aber was Er geoffenbart hat, auch über diesen Gegenstand, das nehmen wir im Glaubensgehorsam an und richten unser Leben danach ein sowie auch unsere Evangeliums-Verkündigung an die unbekehrte Welt, der das „Komme zu dem Heiland!” „Glaube an den Herrn Jesus Christus!” usw. zuzurufen wir nicht müde werden wollen, solange es „Tag”, Gnadenzeit ist (Lk. 14,21-23; 2. Kor. 5,18-20).
Abgesehen davon, was oben genugsam betont ist, dass der einzelne Mensch die ihm gebotene Gnadenzeit beizeiten benutzen soll und dass er diese nicht für immer hat (vergl. Hebr. 3,1; Lk. 13,6-9; 18,37 u.a.), abgesehen davon hat Gott dem Menschen freigestellt, sich für Christus oder gegen Ihn zu entscheiden. Klagend muss der HERR ausrufen: „Ich habe gewollt - ihr habt nicht gewollt!” (Mt. 23,37.) Mit dieser Entscheidung „Für oder Gegen” entscheidet der Mensch über sein ewiges Geschick, entweder errettet zu sein oder verloren. Da nun aber der Mensch sich vor der Entscheidung von Natur nicht etwa auf einem dritten (indifferenten, d. i. gleichgültigen, bedeutungslosen) Boden befindet, von dem aus er sich frei entscheidet für oder gegen das Heil, sondern von Natur nach Gottes Urteil schon verloren ist (Röm. 1-3!), so hat er in Wahrheit keine andere Wahl, als die für das Evangelium; lehnt er dieses, d. h. die Rettung in Christo, den Retter Selbst ab, so bleibt er das, was er sowieso war, nämlich verloren. Aus dieser Betrachtung folgt, dass er nicht unbeschränkt frei ist in seinem Willen. Und das bezeugt uns auch die Schrift. Sie sagt uns z. B., dass der Mensch „unter die Sünde verkauft ist”, „den Willen des Fleisches tut”, sich „unter der Obrigkeit der Finsternis befindet” usw. (Eph. 2,1ff. u. a.), und dass erst „der Sohn wahrhaft frei macht” (Joh. 8,36). Gott hat alles getan, um jeden zu retten, wie Er so gerne will; „Er hat die Welt geliebt” - „Jesus Christus ist die Sühnung für die Welt” usw. (Joh. 3,16; Joh. 1,9 u. a.; 1. Joh. 2,2; vergl. Band II [1914], Frage 10!). Er hat gewissermaßen jeden Menschen für das Heil bestimmt - der Mensch aber, der das bleiben will, was er sowieso ist: ein verlorener Sünder - er bestimmt sich selbst für das ewige Verlorengehen! Jeder Sünder könnte es besser haben, als er es hat! Er soll und darf nicht einmal etwas in eigener Kraft dazu tun, er braucht nur zu nehmen, was Gott ihm bietet! Die Fähigkeit zum Nehmen hat er (durch Gnade, wie alles Gute, Jak. 1,17!), was z. B.
2. Thess. 2,10 zeigt! Er soll sich nur beschenken lassen von Gott, der mit Seinen gefüllten Händen vor dem Menschen steht und ihm Gnade und Heil in Christo anbietet. Tut er es nicht dann, wenn Gott es ihm anbietet, tut er es wieder und wieder nicht, so bestimmt er sich selbst durch sein Nichtannehmen der Gnade, was gleichbedeutend ist mit Widerstreben, dazu, dass sein bisheriger verlorener Zustand ein ewiger, bleibender wird. Das lehrt die Schrift in vielen Stellen und Geschichten, mag es sich in ihnen nun darum handeln, Christus als Erretter anzunehmen (z. B. Joh. 1,12), oder zu Ihm zu kommen und sich von Ihm annehmen zu lassen (z. B. Mt. 11,28), es ist stets dasselbe: „wenn du willst!” (Off. 22,17 u. a.). Das sich-nicht-Entscheiden-für bedeutet auf immer „gegen” (Hebr. 2,3a; Joh. 3,36b u. a.).
Wer aber „wahrhaft frei” geworden ist durch den Sohn, der ist von neuem ein Sklave geworden, aber ein freiwilliger und ein glücklicher (Ps. 68,6b), und seine Freiheit besteht in Glaubensgehorsam aus Liebe gegen Den, der „gehorsam ward bis zum Tode”. Der Wille des Menschen vor seiner Bekehrung zu Christus gehörte ja restlos der Sünde, der vom Satan beherrschten Welt und dem „Ich” (Eph.2,1ff.; Römerbrief u.a.) - jetzt ist das Höchste für uns, „Seinen Willen zu tun” (Hebr. 13,21), in den Werken zu wandeln, die Er für uns zuvor bereitet hat (Eph. 2,10), durch den Geist zu wandeln, durch den wir leben (Gal. 5,25) usw. (vergl. Band lll [1915], Frage 1!). Gott ist der Unabhängige - wir die von Ihm Abhängigen (Röm. 8,23ff.); das ist unsere Freiheit, den nach vermeintlicher Freiheit dürstenden Menschen unverständlich - unsere Freiheit in Christo für uns, als durch Gnade Errettete, die wahre Nachfolge Christi, „der nicht kam Seinen Willen zu tun, sondern dessen, der Ihn gesandt hatte” (Joh. 4,34). Diese Gesinnung sei auch in uns! (Phil. 2,5.)
Ph. W.