Haben Tiere eine Seele?

Haben Tiere auch eine Seele, können Tiere fühlen? In 1. Mose 1,30 steht ja: «Aber allen Tieren der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was sich regt auf der Erde, allem, in dem eine lebendige Seele ist, habe ich jedes grüne Kraut zur Nahrung gegeben!»

Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich festhalten, dass der Mensch – im Gegensatz zum Tier – nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde: "Gott sprach: Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich; die sollen herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde, auch über alles Gewürm, das auf der Erde kriecht!" (1.Mo 1,26).

Deshalb kann der Mensch denken, fühlen, wollen. Er kann sich an einem schönen Sonnenuntergang freuen, mittlerweile auf den Mond fliegen und sich über den Sinn des Lebens Gedanken machen. Das können Tiere nicht! Vielmehr sagt uns die Bibel im Zusammenhang mit dem babylonischen König Nebukadnezar, der hochmütig und deshalb geistig verwirrt wurde, Folgendes: "Man verstieß ihn aus der menschlichen Gemeinschaft, er verlor seinen Verstand und wurde wie ein Tier. Bei den wilden Eseln hauste er, fraß Gras wie ein Rind, und der Tau durchnässte ihn. Das dauerte so lange, bis er einsah: Der höchste Gott ist Herr über alle Reiche der Welt, er vertraut die Herrschaft an, wem er will" (Dan 5,21). Durch diesen spezifischen Fall wird erstens deutlich, dass der Verstand ein Attribut des Menschen ist, und zweitens, dass es nur dem Menschen möglich ist, Gott zu erkennen und Ihm die Ehre zu geben.

Damit möchte ich auf Ihre Frage zurückkommen. Luther übersetzt die von Ihnen zitierte Bibelstelle wie folgt: «Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt …» Menge übersetzt: «Aber allen Tieren der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, was Lebensodem in sich hat, weise ich alles grüne Kraut der Pflanzen zur Nahrung an.» Damit wird deutlich, dass Tiere sehr wohl einen Lebensodem, Atem oder Lebenshauch haben. Sie haben Leben, sind lebendig. Ein weiterer Aspekt, auf den der Römerbrief hinweist: «Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet» (Röm 8,22). Aus diesem Vers wird deutlich, dass auch Tiere sich ängstigen und entsprechende Reaktionen zeigen. Ja, Tiere haben sogar ein gewisses Erinnerungsvermögen, klagt doch Gott in einem anderen Zusammenhang: «Ein Ochse kennt seinen Besitzer, und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel hat keine Erkenntnis; mein Volk hat keine Einsicht» (Jes 1,3). Trotzdem erklärt der Psalmist bezüglich der Tiere: «Da war ich dumm wie ein Stück Vieh, denn ich verstand dich nicht» (Ps 73,22). Und Hiob sagt: «Warum werden wir dem Vieh gleich geachtet, sind dumm in euren Augen?» (Hiob 18,3). Das will uns sagen, dass Tiere im Gegensatz zum Menschen die Folgen ihres Handelns nicht überdenken, abwägen und sich entsprechend verhalten können. Tiere werden nicht von ihrem Verstand gesteuert, sondern vom Instinkt. Dieser Instinkt ist es, der ihr artenspezifisches Verhalten bestimmt. So freut sich ein Hund, wenn er seinen Besitzer erblickt, denn er verbindet damit Fressen, eine Belohnung oder Streicheleinheiten. Oder aber er zieht den Schwanz ein, wird sogar aggressiv, wenn eine Begegnung negative Erinnerungen hervorruft.

In der Bibel sehen wir, dass dem Menschen die Obhut über die Tiere anvertraut ist. Er soll über sie herrschen (vgl. 1.Mo 1,28). Herrschen bedeutet auch: bewahren, schützen und für Wohlergehen sorgen. Tiere sind lebendige Wesen – Lebewesen. Dementsprechend sollen wir sie behandeln: «Der Gerechte erbarmt sich über sein Vieh, das Herz des Gottlosen aber ist grausam» (Spr 12,10).

Durch diese Ausführungen wird auch die nicht gestellte Frage geklärt, ob Tiere in den Himmel kommen. Da die Tiere nicht in der Ebenbildlichkeit Gottes geschaffen sind, sie somit Gott auch nicht erkennen können, ist ihre Aufgabe auf das Diesseits begrenzt. Hier sollen sie den Menschen erfreuen und ihm zu Nutzen sein. Gleichzeitig soll die Tierwelt durch ihre Vielfalt, ihren Artenreichtum und ihre herrliche Schönheit auch Gottes Lob mehren.


Beantwortet von: Samuel Rindlisbacher
Quelle: Zeitschrift Mitternachtsruf, Juni 2009, Seite 29