Haben wir einen Schutzengel?
Die durch die Bibel nicht begründbare Ansicht, dass jeder Mensch seinen Schutzengel habe, hat - wenn sie überhaupt auf falsch verstandene Aussagen der Bibel zurückgeht - als einzigen
möglichen Ausgangspunkt Matthäus 18,10, wo der Herr von den Kindern sagt, dass ihre Engel im Himmel allezeit das Angesicht seines Vaters schauen.
Dass freilich Gott sich auch zuweilen der Engel (= Boten) bedient und bedient hat, um seine Erlösten zu schützen und zu bewahren, ist unbestritten. So lesen wir in Psalm 91,11: "Denn
er (Gott) wird seinen Engeln über dir befehlen, dich zu bewahren auf allen deinen Wegen." Und der Hebräerbrief sagt von den Engeln: "Sind sie nicht alle dienstbare
Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen?" (2,14). Beide Aussagen sprechen aber von allgemeiner Hilfe durch Engel (Mehrzahl), nicht
durch einen besonderen Schutzengel.
Es verbietet auch die biblische Lehre von unserem Retter Jesus Christus die Annahme von "Schutzengeln". Der Sohn Gottes ist unsere Zuflucht, unser sicherer Schutz, unser Retter und Bewahrer. Sein Schutz genügt. Wenn er sich zuweilen eines oder mehrerer Engel bedient hat, bildete das jeweils eine Ausnahme. So etwas wie eine feste Einrichtung waren und sind Engelsdienste nie.
Es muss abschliessend noch eine Stelle genannt werden, die uns helfen kann, Matthäus 18,10 richtig zu verstehen. In Apg. 12,15 antworten die betenden, im Haus des Johannes Markus
versammelten Geschwister auf die Ankündigung der Magd Rhode, Petrus stehe vor der Tür, zuerst: "Du bist von Sinnen." Sie wollen damit sagen, Petrus könne unmöglich
vor der Tür stehen, da er ja im Gefängnis sitze (siehe V. 6). Auf ihr beharrliches Beteuern hin antworten sie dann: "Es ist sein Engel." Sie geben damit zu verstehen,
Petrus müsse offensichtlich hingerichtet worden sein und sei der Rhode als Geist erschienen (Matthäus 27,52 + 53). Dieser sehe zwar aus wie Petrus selbst, sei aber nicht der eigentliche
Petrus aus Fleisch und Blut.
Der Ausdruck "sein Engel" bedeutet also auch hier nicht, dass es sich um den persönlichen Schutzengel des Petrus handelt. Gemeint ist vielmehr der Geist des Petrus. So ist
auch Matthäus 18,10 zu verstehen. Die "Engel" der Kinder wären somit der Geist eines jeden Kindes, der das Angesicht des himmlischen Vaters sieht. Es ist nun äusserst wichtig,
dass wir zu dieser Stelle die vom Herrn selbst ausdrücklich vermerkte Tatsache beachten, dass die von ihm genannten Kinder an ihn glauben (V. 6), und dass er von ihnen sagt, er sei
gekommen, sie zu erretten (V. 11). So scheint es mir, dass Jesus hier, ausgehend von kleinen Kindern, zu Wahrheiten über die geistlichen Kinder Gottes überleitet. Solche, die glauben
und errettet sind, nennt das Neue Testament "Kinder Gottes" (Joh. 1,12; 1. Joh. 3,1). Der Engel (oder der Geist) solcher schaut das Angesicht Gottes.
Quelle: Aus dem Buch 3 x 100 Fragen zur Bibel (Schwengeler Verlag, 2003)