Nein, dieser Gedanke ist vollständig abwegig. In das himmlische Licht können nur vollkommen reine Wesen eintraten. Alle Unvollkommenheit, alle Spuren von Sünde, müssen vorher beseitigt werden. Dies wird schon Tatsache sein, wenn wir entrückt werden, denn es ist offenbar, wenn wir ewig bei Ihm sein wollen, so müssen wir sein wie Er ist (vgl. 1. Joh 3,2). Gott sei gepriesen! Durch das Werk von Jesus Christus sind wir jetzt schon vollkommen gemacht, heilig und rein wie Er, und es erheischt nur noch, dass unser Leib der Niedrigkeit umgewandelt werden wird in einen Leib, gleichförmig Seinem Leib der Herrlichkeit.
Trotz dieser wunderbaren Stellung, die wir in Christus Jesus besitzen, wird aber doch wohl kein wahrer Gläubiger von sich sagen, dass er praktisch, also nicht nur der Stellung, sondern auch dem Zustand nach, Gottes Heiligkeit entspreche. Welch eine Vermessenheit würde das sein! Wohl müssen wir alle vor dem Richterstuhl des Christus erscheinen, aber nicht um gerichtet zu werden, sondern um offenbar zu werden, in welcher Treue wir unserm Herrn nachgefolgt sind. Je nach der Hingabe, dem Eifer und der Treue in Seinem Kampf und Dienst werden wir Lohn empfangen. Dass aber nach dem Tode noch ein Reinigungsprozess stattfinden müsse, dafür bietet die Heilige Schrift keine Grundlage und keinerlei Anhaltspunkte.
In Matthäus 5-7, also in der so genannten Bergpredigt, redet der Herr von den sittlichen Grundsätzen, welche das Reich, das Israel erwartet, kennzeichnen. Er redet also zu Juden und zwar nach den Richtlinien des Gesetzes vom Sinai. Christus, der Messias, erläutert das Gesetz, wie Gott es versteht, und wie Er es erfüllte. Wohl redet Er in den vorhergehenden Versen vom Verhalten gegen die Brüder, aber mit dem Altar (Vers 24) wird Gott eingeführt, vor dem Israel steht. Er, der Heilige Israels, ist die "Gegenpartei", mit dem sich Sein Volk verständigen soll, "damit der Richter es nicht dem Diener überliefere, und es ins Gefängnis geworfen werde".
Von Vers 25 an handelt es sich also um eine Rechtsfrage, um die Bezahlung einer Schuld. Das Gesetz stellt hier Israel als Schuldigen vor Gott; es hat Gott nicht gegeben, was es Ihm hätte geben sollen. Oft war es durch die Propheten gewarnt worden, aber das Volk hörte nicht. Jetzt, da Gott durch Seinen Sohn zu ihm redete, war Israel die letzte Gelegenheit gegeben, Buße zu tun. Es tat aber nicht Buße, häufte vielmehr seine Sünden und heftete den König und Messias ans Kreuz. So musste Gott Seine Drohung: "Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch den letzten Cent bezahlt hast" ausführen. Israel ist in der Tat seitdem unter den Nationen wie in einem Gefängnis und muss das volle Maß - bis auf den letzten Heller - der vorausgesagten Drangsal durchmachen und durchkosten, bis es zur Einsicht seiner Blutschuld kommt und Buße tut (vgl. 3. Mose 26).