Geschichte von Mephiboseth

Enthält die Geschichte von Mephiboseth in 2. Sam. 19,24-30 prophetische Beziehungen und Bilder auf die neutestamentliche Gemeinde des HErrn? Und wenn ja, was für welche?

Antwort A

Darf man vielleicht diese anregende und nicht alltägliche Frage etwas anders formulieren, indem man fragt, ob die Geschichte von Mephiboseth in 2. Sam. 19,24-30 überhaupt etwas prophetisch Vorbildliches darstellt, und nicht nur in bezug auf die neutestamentliche Gemeinde?

Die einzig in ihrer Art allein stehende Gemeinde des HERRN, wie wir sie im Neuen Testament finden, war nicht ein Gegenstand der direkten Weissagungen der verschiedenen Propheten im Alten Testament, denn sie war in anderen Geschlechtern den Söhnen des Menschen nicht kundgetan worden, denn sie ist das wunderbare Geheimnis des Christus, welches jetzt der HERR Seinen heiligen Aposteln und Propheten geoffenbart hat im Geiste; und dies ist uns in den Episteln Pauli kundgetan, besonders in Eph. 2,11 bis 3,21. Trotzdem war die Gemeinde verborgen in den schönen Vorbildern des Alten Testamentes, aber niemand im Alten Bunde hatte eine Ahnung davon, denn niemand kann richtiges Verständnis für ein Vorbild haben, wenn er das Gegenbild nicht auf irgendeine Weise gesehen hat. Wohl sind im Alten Testament prophetische Verheißungen in reicher Fülle von den Segnungen der Nationen, wenn der richtige, längst verheißene Messias endlich auf dem Throne Davids sitzt; aber diese glückliche Stellung derer aus den Nationen würde man sich so etwa vorstellen wie die Helden nicht vom Volke Israel, die sich David in seiner Erniedrigung und Erhöhung anschlossen, wie zum Beispiel: Ittai, der Gathiter, mit seinen 600 Mann. (2. Sam. 15) Auch wir heutzutage würden gar kein Verständnis für die Gemeinde aus den Vorbildern derselben haben, wenn wir nicht deutlich das Gegenbild, nämlich die Gemeinde selbst, vor unseren Augen hätten, ja, vielmehr zu ihr - durch Gottes Gnade - gehören dürften, indem wir alle - Gläubige aus allen Völkern und Sprachen - in einem Geiste zu einem Leib getauft worden und alle mit einem Geiste getränkt worden sind. (1. Kor. 12,13) Also bleibt ein Vorbild verhüllt, solange das Gegenbild nicht offenbar geworden ist; das Vorbild hat nämlich die Aufgabe, den echten Gegenstand zu illustrieren, aber es ist bedeutungslos ohne sein Gegenbild. Zeigt man mir ein Bild von einer mir völlig unbekannten und gleichgültigen Person, so interessiere ich mich nicht im geringsten dafür, weiß ich aber etwas von der Betreffenden, wenn ich sie auch nicht persönlich kenne, so betrachte ich das Bild mit Interesse und fühle, dass ich nunmehr die Person ein wenig besser kenne. Noch ein Beispiel, um diesen Punkt zu beleuchten: Man zeige einem in der deutschen Geschichte völlig unwissenden Menschen drei Bilder, nämlich: eine befestigte Stadt des Mittelalters am Meere, vom Feinde belagert, und eine Kriegsflotte, die sich der bedrängten Stadt nähert; eine ansehnliche Stadt in Flammen an einem breiten Flusse, an dessen Ufer halb wahnsinnige Menschen stehen und den Schiffern ihr ganzes Vermögen anbieten, um über den Fluß gerudert zu werden; ein weißes Kriegsroß galoppiert reiter- und ziellos durch die Reihen der in einer großen Schlacht mutig kämpfenden Kriegsknechte; - kann jener Unwissende nun daraus eine nur nebelhafte Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs sich zurechtstellen? Er hat keine Ahnung, um was es sich handelt. Hat er aber ein volkstümliches Buch über diesen Krieg gelesen, so interessiert er sich für die drei Bilder, er betrachtet sie eingehend; o ja, sagt er, es handelt sich um die Aufhebung der Belagerung von Stralsund, die Erstürmung Magdeburgs durch Tilly und die entscheidende Schlacht bei Lützen mit König Gustav Adolfs Tod. - Ebenso waren die Vorbilder im Alten Testament auf die Gemeinde des HERRN vorher völlig verhüllt, nun aber ist die Gemeinde - das Gegenbild - schon da, und man freut sich sehr über die Rebekka, so lehrreich und erbaulich ist die Geschichte ihrer Berufung, ihrer Wüstenreise, bis sie in das von ihrem Isaak herrlich ausgestattete Zelt eingeführt wird, wo sie sich ihm entschleiert. Interessant sind ebenso dann, wenn auch im kleineren Maße, Asnath, Zippora usw., die die Weiber aus den Nationen des Joseph und des Mose während der Zeit ihrer Verwerfung von ihren Brüdern nach dem Fleisch geworden sind.

David nun ist ja ein großzügiges Vorbild unseres HERRN, sowohl in seiner eigenen Person als auch in seinen Eigenschaften und seiner Geschichte. Es ist jetzt nicht möglich, uns eingehend damit zu beschäftigen, und sowieso ist das fast jedem Gotteskind zur Genüge bekannt. Er ist der Gesalbte Gottes; er machte den zunichte, der die Macht des Todes hatte (Goliath, 1. Sam. 17), um die in Todesfurcht zitternden Israeliten daraus zu befreien; er wurde verworfen und für vogelfrei erklärt, und dann versammelte sich zu ihm eine gar wunderliche und sehr gemischte Gesellschaft, die allmählich anschwoll, denn später steht geschrieben: „Denn es kamen von Tag zu Tag zu David, um ihm zu helfen, bis es ein großes Heerlager wurde, wie ein Heerlager Gottes.” (1. Chr. 12,22) Diese alle wurden zusammengeschmolzen, verschiedenartig wie sie auch waren. Diese Schar nun ist bestimmt ein treffliches Bild auf die Gemeinde des HERRN, die anziehende Person Davids hielt sie alle zusammen, ebenso wie es in bezug auf unseren HERRN geschrieben steht: „Auf dass Er die zwei, Frieden stiftend, in Sich Selbst zu einem neuen Menschen schüfe.” (Eph. 2,15)

Sicher sind all die verschiedenen Menschen, die sich zu David versammelten und von denen die Schrift erzählt, vorbildliche Charaktere, da ist Jonathan, Abjathar, Abigail, der junge namenlose Ägypter (1. Sam. 30) usw., auch die Helden, von denen in 2.Sam. 23 die Rede ist. Doch wenn diese Schar, die sich um David während der Zeit seiner Verachtung versammelte, die Gemeinde darstellt, so muss man annehmen, daß, als David endlich König auf dem Throne geworden ist, die Vollzahl eingegangen ist und die Gemeinde vorbildlich fertig geworden ist; der schon längst gesalbte König, der Zermalmer des Kopfes der Schlange, tritt nun seine öffentliche Regierung an; Saul ist gefallen und Israel in Verwirrung. Doch er regiert zuerst 7 Jahre und 6 Monate zu Hebron („Gemeinschaft”), das kann prophetische Beziehung, wenn auch nur sinnbildlich, auf die Wiederkunft des HERRN mit Seiner Gemeinde haben, denn noch ist er nicht König über ganz Israel, er herrscht noch nicht in Jerusalem, obwohl er sonderbarerweise das abgehauene Haupt des Goliath gerade nach Jerusalem gebracht hatte! (1. Sam. 17,54) Während dieser Zeit kamen vier Menschen zu David, um Anerkennung und Belohnung zu finden und vielleicht in sein Gefolge aufgenommen zu werden: Der Sohn eines amalekitischen Fremdlings, Abner, Baana und Rekab, doch alle wurden getötet als Andeutung, dass die Zeit der Gnade vorbei sei für solche, die die gelegene Zeit versäumt hatten, zu David zu kommen, und dazu war für einen Amalekiter keine Gnade möglich! Dieses illustriert 2. Thess. 2,10-12. Viele andere versammelten sich zu ihm, als er in Hebron regierte, doch zu der besonderen Schar konnten sie nicht gerechnet werden. Nach den 7½ Jahren bemächtigte sich David Jerusalems mit Gewalt und herrschte als alleiniger Herrscher dort (2. Sam. 5,6-9); das stellt wohl die Erscheinung des HERRN in großer Macht und Herrlichkeit dar, wovon die Rede ist in so vielen Schriftstellen, hauptsächlich in Off. 19. Der Widerstand der Jebusiter wurde leicht gebrochen, aber noch leichter wird der Widerstand des Tieres, der Könige der Erde und ihrer Heere an dem großen Tage Gottes, des Allmächtigen, von dem Könige der Könige und HERRN der Herren in einem Nu gebrochen werden. Wir könnten wohl diesen herrlichen Vergleich noch weiter verfolgen, denn er ist so interessant und anregend, doch wenn wir das täten, kämen wir überhaupt nicht dazu, die Frage betreffs Mephiboseth zu beantworten, obwohl, was wir schon geschrieben haben, dazu führt. Wir möchten trotzdem nur noch bemerken, dass die 33 Jahre der Herrschaft Davids in Jerusalem über ganz Israel und Juda uns erscheinen, als ob sie eine bildliche Zahl darstellen, und zwar nicht nur des Tausendjährigen Friedensreichs, sondern des ewigen Reiches unseres Gottes (1. Kor. 15,24-28); denn es ist die Zahl des Auferstehungstages und des Neumachens aller Dinge, mit der Zahl unseres vollkommenen, dreieinigen Gottes vervielfältigt: (3 + 8) x 3 = 11 x 3 = 33.

Jetzt kommen wir zu Mephiboseth! Er war ja nur 5 Jahre alt, als die Katastrophe auf dem Berge Gilboa geschah, als Saul und Jonathan ihr Leben verloren. Also wenn wir uns streng nach unserem Vorbild richten wollen, so könnte er überhaupt nicht zur Gemeinde gehören! Er könnte auch nicht als einer betrachtet werden, der den Gnadentag versäumt hätte, denn er war unmündig. Was muss doch der arme kleine Knabe gelitten haben mit seinen gebrochenen Füßen, die niemand richtigzusetzen verstand! Betonen wir wieder, dass wir diese lehrreiche Geschichte jetzt nur von der vorbildlichen Seite aus betrachten, so hebt das doch die Möglichkeit nicht auf, sie als einen wunderbaren Gegenstand zur Verkündigung des Evangeliums in diesen Tagen mit reichem Segen zu verwenden. Mephiboseth ist vorbildlich ein armer Mensch, der wohl unter der herrlichen Regierung Davids lebte, doch blieb er soweit wie nur möglich von dem König entfernt, unbekannt, kauernd in seinem Versteck. Gibt nun die Handlungsweise Davids mit ihm uns nicht einen Fingerzeig von den wunderbaren Gnadentaten unseres HERRN in Seinem kommenden Friedensreich? Sollten nicht solche, die zitternd aus ihren Schlössern (Schlupfwinkeln) hervorgucken (2. Sam. 22,46), freundlich herausgeholt und zu der Stadt des großen Königs und zu dem König selbst gebracht werden? Bereitet nicht der wahre König selbst buchstäblich beim Antritt Seines Reiches allen Völkern ein Mahl von Fettspeisen, ein Mahl von Hefenweinen, von markigen Fettspeisen, geläuterten Hefenweinen auf dem Berge Zion? (Jes. 25,6) Mephiboseth wurde von Davids Knechten einige Jahre nach dem Regierungsantritt geholt und zu ihm gebracht, als er auf dem Throne seiner Herrlichkeit saß; die Früheren, die die Gemeinde darstellen, liefen zu ihm über und versammelten sich zu ihm, als er noch verworfen war, als er noch wie ein toter Hund oder ein Floh war (1. Sam. 24,15); der Unterschied zwischen diesen beiden Arten ist uns einleuchtend. Gleich nachdem Mephiboseth zu David gebracht wurde, berichtet die Schrift, wie der König wieder seine Knechte zu einem anderen Königssohne schickte, nämlich zu Hanun, um ihm Güte zu erweisen, doch der törichte junge Mann glaubte nicht, also kam ein schnelles Gericht auf ihn, denn er verlor seinen Thron und sein Leben. (2. Sam. 10) Dies kann man auch als Evangeliumsthema gut gebrauchen, doch vorbildlich stellt es Reichsverhältnisse dar.
Die eigentliche Frage aber, die wir zu beantworten versuchen, ist die, ob eine spätere Begebenheit im Leben Mephiboseths prophetische Beziehungen und Bilder auf die neutestamentliche Gemeinde des HERRN enthält. Nach unserem bisherigen Studium müssen wir mit „Nein” antworten, denn vorbildlich liegt seine geistliche Erfahrung nicht im Haushalt des Geheimnisses, sondern im Tausendjährigen Reich. Wenden wir uns zu dieser Begebenheit in 2. Sam. 19, 24-30 nun ein wenig: hier handelt es sich um die Empörung Absaloms; ob wir nun so weit gehen dürfen, den Gedanken zu äußern, dass vielleicht diese Rebellion des rachesüchtigen und eitlen Königssohnes prophetische Beziehung auf die letzte Empörung gegen den HERRN in Off. 20,7-10 enthält? Man konnte wohl erwidern, dass das zu weit hergeholt wird, also wollen wir nichts dogmatisch behaupten; eine gewisse Vergleichsmöglichkeit dürfen wir aber doch beobachten. Absalom stahl das Herz der Männer von Israel (2. Sam. 15,6); also wird der Teufel, nachdem er für eine kurze Zeit aus dem Abgrund gelassen wird, wieder durch Betrug die Herzen der Männer dieser Welt stehlen, obwohl sie solange unter der sanften und gerechten Friedensherrschaft des HERRN gewesen sind. (Off. 20,8) Das endete mit dem schnellen Untergang Absaloms, und es wird enden mit endgültigem Gericht des Teufels in dem Feuer- und Schwefelsee. Also denken wir, dass diese Begebenheit in dem Leben Mephiboseths auch für uns lehrreiche Punkte enthält, wenn auch keine Bilder auf die neutestamentliche Gemeinde. Wir sehen einen armen, an beiden Fußen lahmen Menschen, der die reiche und köstliche Gnade des großen Königs in vollen Zügen ausgekostet hat. Sein Herz wird wohl am Anfang keine besondere Liebe für David empfunden haben, aber nach und nach, als er täglich wie ein Königssohn am Tische des Königs saß unter dem Panier der Liebe (Hohel. 2,4), da wuchsen beständig seine Bewunderung und Liebe für den König. Nach einigen Jahren geschieht die Empörung, er will nur dem König treu bleiben und mit ihm ziehen, aber da er daran durch seinen Knecht Ziba verhindert wurde, so will er trotzdem in Jerusalem leben, so wie wenn er draußen auf dem freien Felde mit den Knechten des Königs wäre, er reinigte seine Füße nicht, sein Bart wurde nicht geordnet und seine Kleidung nicht gewaschen bis zu dem Tage, da David in Frieden einzog. (2. Sam. 19,24) Sein Herz gehörte völlig David, und wenn nur sein geliebter König in Frieden in sein Haus gekommen ist, so kann er gern auf alles sonst, was ihm gehört, verzichten. (2. Sam. 19,30) Es war gar keine Neigung da, weder sich auf die Seite Absaloms zu schlagen noch den eitlen Gedanken zu hegen, dass das Haus Israel ihm wieder das Königtum seines Vaters geben würde. (2. Sam. 16,3) Die Gnade hat den völligen Sieg in seinem Herzen errungen, und so bleibt er bis auf den letzten Grund desselben seinem teuren König treu. Eine Begebenheit wie diese könnte unmöglich in Verbindung mit der Gemeinde des HERRN sein, denn schon hat Er Sich Selbst sie verherrlicht dargestellt ohne Flecken und Runzel, geschweige denn „lahme Füße”! (Eph. 5,27) Belehrend ist die Geschichte trotzdem, sie zeigt wieder, dass solche, die nur äußerlich sich dem HERRN gebeugt haben, in der Tat aber nicht wiedergeboren sind und niemals geschmeckt haben, dass der HERR gütig ist, leicht können von dem fleischlich-prächtigen Absalom betrogen werden; aber kann er ein Herz betören, welches, wie das Herz Mephiboseths, verquickt und mit Ketten der Liebe an das Herz des Herrn Jesus gebunden ist? Die Schmeicheleien der „Absaloms”, die Verleumdung der „Zibas” und innere Kränkung können wohl ein Herz bewegen und betrüben, aber von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem HERRN, uns zu scheiden, vermögen sie nicht; das ist wahr in bezug auf die Gläubigen dieses gegenwärtigen als auch auf die des zukünftigen Zeitalters.
Sein Name sei gelobt!
F. Btchr.

Anmerkung des Schriftleiters

Dieser reichhaltigen und sehr tiefgehenden Antwort, die sich mit vielerlei Einzelheiten beschäftigt, können wir, denke ich, vollauf beipflichten. Jedenfalls stehe ich nicht an, dies zu tun. Ich weiß nicht, was den Fragenden bewogen hat, diese Frage einzusenden. Daher vermag ich auch nicht zu sagen, ob es sich vielleicht um eine diesbezügliche Diskussion in einer örtlichen Gemeinde handelt. Aber wohl möchte ich wissen, worauf ein etwaiger Gegner, also in diesem Falle einer, der die Behauptung aufgestellt haben könnte, welche unser Mitarbeiter ablehnt - worauf also er seine Behauptung gründen könnte. Denn allein darauf, dass der HERR jetzt abwesend ist und (bald) wiederkehrt und die Seinen Ihm entgegenkommen (indem sie Ihm entgegengerückt werden; 1. Thess. 4) - ich meine, darauf allein kann man doch diese Behauptung nicht gründen, wenngleich die Tatsache, dass Mephiboseth dem König entgegenkommt, die hier zweimal berichtet wird (V. 24 u. 25), ja sehr schön und eindrücklich ist und allein an sich wohl erinnern mag an unser Ihm sehnsüchtig Entgegensehen (und darum -gehen) jetzt, während Er noch abwesend ist. Aber unser Mitarbeiter zeigt an Eph. 5,27, dass der Vergleich nicht stimmt. Und wenn nun jemand sagen würde: ... aber diese Stelle zeigt doch mehr unsere Stellung in Christo, nicht so sehr unseren gegenwärtigen Zustand des Schwach- und Unvollkommenseins, so möchte ich fragen: Ist unser Zustand hienieden der wie bei Mephiboseth eines absichtlich Unvollkommenseins, einer absichtlichen Unschönheit, ja, geradezu eines betonten Unordentlichseins?? Ist nicht vielmehr unser Wunsch und Begehren das eines uns-reinigen-Wollens, gleichwie Er rein ist nach 1. Joh. 3,2.3? Ist es nicht vielmehr unser Schmerz, dass unser Zukurzkommen oft so wenig ausgeglichen, oft so arg sichtbar, oft so störend und den HERRN, gerade weil Er abwesend ist, verunehrend ist? Sehnen wir uns nicht gerade danach, so zu sein, wie Er ist? Streben wir nicht danach, durch Anschauen Seiner Herrlichkeit in Sein Bild verwandelt zu werden durch den HERRN, den Geist? (2. Kor. 3,18) Ist nicht gerade die praktische subjektive Heiligung (infolge der in Christo Jesu tatsächlich objektiv vorhandenen) ein Gegenstand unseres ernstesten Glaubenswandels? (Hebr. 12!) usw. usw.! Ja, so ist es, aber bei Mephiboseth war die Unordnung, war die zur Schau getragene Mangelhaftigkeit seiner äußeren Person Absicht, um seine Trauer zu zeigen, um seine Teilnahme an dem Geschick des Königs zu bezeugen! Er wäre so gern mitgegangen - in die zeitliche Verbannung (wo ist hier das Gegenbild in der jetzigen Abwesenheit unseres HERRN?!), aber er ward betrogen und kam nicht mit, weil er verleumdet ward durch seinen Knecht, diesen erbärmlichen Ziba. Und wenn man über dies alles hinwegsehen will - wie solche es so gern tun, die um einer Lieblingsmeinung willen klare Schriftstellen verwischen, indem sie schwierigere, dunklere Stellen jene klaren überschatten lassen -, dann frage ich nur noch, wie wollen sie erklären, dass David diesem Ziba die Hälfte des Besitzes Mephiboseths (d. h. Sauls Erbe) zuerkennt (V 29), wobei sich die Selbstlosigkeit des Mephiboseth wunderbar enthüllt (V 30). Was hat dies alles mit der Gemeinde zu tun, die keine irdischen Besitztitel hat, deren Erbteil „nur” himmlisch ist, und die sich ihren HERRN, d. i. ihr Haupt, nicht so vorstellen kann, dass es (Er) das, was ihr, der Gemeinde gehört, mit einem Ziba teilen läßt?! Wer ist überhaupt Ziba, wer oder was ist uns mit Ziba vorgestellt, wenn etwa Mephiboseth hier die Gemeinde des HERRN bei dessen Wiederkunft darstellen soll? Wir kämen, fürchte ich, in völlig geistloses Phantasieren hinein, wenn wir hier Vergleiche suchten, wofür die Schrift keine klaren Andeutungen gibt. Seien wir geistlich nüchtern, das Allegorisieren und überall Gleichnisse-Sehen usw., Vergleiche Aufstellen mit dem kostbaren neutestamentlichen Geheimnis der Gemeinde schließt Gefahren in sich, die Ausgangspunkte für Irrtümer mancher Art werden können. Und - ehe man solche Vergleiche sucht und hier und da in der Schrift Alten Testaments findet, ist es doch viel schöner, solche lieblichen Geschichten erst einmal nach allen Seiten hin natürlich aufzufassen und sich zu erklären zu suchen und sich zu fragen, was haben sie mir persönlich zu sagen bezüglich meines Verhältnisses zum HERRN? Zum Beispiel wäre die Frage für mein Herz ungleich wichtiger als die gestellte: Was habe ich aus dem Verhalten Mephiboseths zu lernen in bezug auf das meinige zu dem teuren Herrn Jesus, insofern auch Er hienieden verworfen ist? Oder inwiefern ist Mephiboseth ein nachahmenswertem Vorbild in Selbstlosigkeit und Herzenshingabe an den HERRN? Oder können wir in Mephiboseth nicht auch vorbildliche Züge auf den HERRN erblicken? usw.

Die Geschichte Davids ist, wie das unser teurer Mitarbeiter auch so fein ausführt, ungemein reich an Vorbildern aller Art für uns, aber die tieferen Seiten dieser Vorbilder sind mehr in Verbindung mit Israel und dem Tausendjärigen Reich zu sehen als mit der Gemeinde des Herrn. Jedenfalls ist jenes das Näherliegende. In dieser Verbindung sehen wir doch auch die neutestamentlichen Anführungen (Zitate) Davids aus dem Munde des HERRN in den Evangelien, z. B. Matth 22,41-46 u. a. Aber auf diese Dinge will ich nicht mehr eingehen, sonst müßte noch viel gesagt werden.

lasst uns nur treu weiterforschen in der Schrift und stets den HERRN um Licht bitten, und lasst uns, indem wir das tun, nie außer acht lassen, dass wir das Wort der Wahrheit richtig zu teilen haben (2 Tim. 2,15), was der HERR uns, seinen Arbeitern, anbefehlen lässt - also ist es möglich! -, sonst kommen wir in „ungöttliche, eitle Geschwätze” hinein. (V. 16-19!) Diese Verantwortung ist ernst. Und die Irrtümer unter den Gläubigen stammen doch eben fast nur aus ungöttlicher, eitler, geschwätziger Auslegung der Schriften! - Der HERR bewahre uns davor!
Meine Seele hat Deine Zeugnisse bewahrt, und ich liebe sie sehr!” (Ps 119,167)
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 19 (1934)