Gefilde der Amalekiter

Wie kommt es, dass die Gefilde der Amalekiter“ schon in 1. Mose 14,7 genannt werden, obwohl die Amalekiter doch nach vielfacher Annahme Nachkommen Esaus sein sollen? 1. Mose 36,12.

Antwort

Es kommt daher, dass die Amalekiter, die gemeint sind, eben schon da waren zur Zeit Abrahams, folglich nicht Nachkommen Esaus waren. Der Schein trügt auch hier! Wenn die anderen im gleichen Kapitel genannten Völkerschaften: Rephaim, Susim, Emim, Horiter (in Kap. 36 wieder genannt), Amoriter, damals existierten, so muss das für die Amalekiter, die zwischen Horitern und Amoritern genannt werden, auch zugegeben werden. Ebenso ist es mit den aufgezählten Landstrichen. Existierten das Tal Sittim, Asteroth-Karnaim, Ham, die Ebene von Kirjathaim, das Gebirge Seir, El Paran usw., so muss das „Gefilde der Amalekiter” als ebenso gekannt angenommen werden. Übrigens steht nirgends, dass das Volk der Amalekiter von dem Enkel Esaus gleichen Namens abstamme. Es ist in Kapitel 36,15-19 nur die Rede von den 14 Fürsten oder Stammeshäuptern der Söhne Esaus, und unter ihnen wird der Fürst Amalek genannt. Es ist keine Spur davon vorhanden, dass die Nachkommen dieser 14 Fürsten nach ihren Erzeugern 14 Völkerschaften gebildet hätten, jede nach dem Namen ihres Stammvaters benannt wie die 12 Stämme der Söhne Jakobs. Sie heißen alle nachher einfach Edomiter. Von V. 31-43 ist zu lesen, dass (Wahl-) Könige in Edom herrschten. Dann sind wieder die Fürsten aufgezählt, aber es sind nur noch 11; der Fürst Amalek ist nicht darunter; von den anderen 13 Namen kommen nur 2 vor. Man kommt zu der Schlußfolgerung, dass das die späteren Fürsten waren, etwa die zur Zeit, da Moses dieses schrieb.

Dann: Kommen nicht gleiche Namen bei verschiedenen Menschen vor? Wievielmal ist dies nicht in der Schrift der Fall? Kommt nicht in Vers 10 und 17 der Name des Schwiegervaters Moses Reghuel vor? War es darum Moses Schwiegervater?

Ein anderes: Nach arabischen Überlieferungen wären die Amalekiter ein uralter hamitischer Stamm echter Araber, der früher als die Ismaeliter in Arabien gewohnt hätte und mit den Kanaanitern verwandt gewesen wäre. Diese Überlieferung scheint in der Schrift ihre Bestätigung zu finden. In eben der in Frage kommenden Stelle 1. Mo. 14, aber auch in Richt. 10,11.12, werden sie zusammen mit den kanaanitischen Völkerschaften genannt, und ihre Wohnsitze finden sich zwischen Mittel-Palästina und Ägypten, also unter und bis zu anderen Hamiten. Schlage nach und siehe außer 1. Mo. 14: 2. Mo. 17,8ff. und 1. Sam. 15,7; 4. Mo. 13,29 und 14,45: „im Lande des Südens” = Südpalästina: Richt. 5,14; 12,15; 1. Sam. 27,8 und 30,1. Eine so weit ausgebreitete Nation soll von dem nur einmal genannten Fürsten Amalek herkommen, und nur die Nachkommen der 13 oder 10 anderen Fürsten sollen „Edom” oder „die Edomiter” sein?

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass wir sie noch in Verbindung mit Ammonitern finden, Richt. 3,13; mit Midianitern Richt. 6,3 und 7,12; mit Kenitern (siehe unten) 1. Sam. 15,6. Saul schlug sie, 1. Sam. 15; David unterjochte sie, 2. Sam. 8,12; die Simeoniter, zur Zeit Hiskias, „schlugen den Überrest, die Entronnenen von Amalek”, 1. Chr. 4,42.43. Ein Letztes: Dem Spruch Bileams, 4. Mo. 24,18-22, ist zu entnehmen, dass in frühester Zeit Amalek eine Vormachtstellung unter den Nationen einnahm, denn es wird „die erste der Nationen” genannt.
( Hebräisch: „der Anfang der Nationen”, d. i. die führende, vornehmste. Ganz dasselbe Wort steht Hiob 40,14: Erstling; 5. Mo. 33,21: der Erste; Jer. 49,35: vornehmste; Amos 6,1: die erste; u. a. O. Gegensatz Jer. 50,12: die letzte der Nationen; hebräisch: „die hinterste”. Die Nation Amalek war das, was Bileam von ihr sagt, schon zur Zeit Abrahams.)
 Ebenda sehen wir Edom oder Seir gänzlich unterschieden von Amalek, ganz für sich gesehen und genannt in Vers 18. Anschließend an Amalek sieht das geöffnete Auge des Sehers die „Keniter”, einen Völkerstamm, der 1. Mo. 15,19 unter den schon in Kap. 14 genannten kanaanitischen Stämmen aufgezählt wird und nach 1. Sam. 15,6; 27,10; 30,29 an der südöstlichen Grenze Kanaans unter den Amalekitern wohnte. (Beiläufig: So scheint der Schwiegervater Moses, Jethro, von diesem hamitischen Stamm gewesen zu sein, was die merkwürdige Benennung des Weibes Moses in 4. Mo. 12,1: „ein kuschitisches Weib” erklären würde.) Und noch einmal, in Psalm 83, Vers 6 und 7, finden wir Edom und Amalek so hingestellt, als ob gar kein verwandtschaftlicher Zusammenhang zwischen ihnen bestünde.

Für mich unterliegt es keinem Zweifel, dass nur die Nichtbeachtung dieser in der Schrift zerstreut umherliegenden Tatsachen im Verein mit dem zufällig unter den Nachkommen Esaus genannten Fürsten Amalek Anlass zu der Verwechslung gegeben hat. Dass die Edomiter durchweg als die Erzhasser Israels auf dem Plane sind, verschaffte dem Mißverständnis noch leichteren Eingang.
Dem unbefangen prüfenden Leser muss aber die Unhaltbarkeit der gewöhnlichen Annahme einleuchten.
F. Kaupp.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 22 (1937)