Freier Wille?

Mich interessiert, wie ihr zu der Lehre vom freien/unfreien Willen steht. Mir sind dabei immer zwei Bibelstellen sehr wichtig: Philipper 2,13: Hier wird für das Wort «Wollen» im Griechischen «thelo» verwendet, was bedeutet, dass der Mensch nicht nur ein Wollen, sondern auch das Drängen auf die Verwirklichung des Gewollten hat. Das «Vollbringen/Wirken» ist die zweite Sache, die Gott an uns wirkt. Der griechische Begriff «Energeo» zeigt an, dass es wirksam wird bzw. sich auswirkt auf Dinge, die dann zustande kommen. Gott zwingt dabei niemals, sondern Er überzeugt und überwindet den Menschen innerlich mittels Seines Heiligen Geistes. In Epheser 2,8 steht, dass der Glaube eine Gabe Gottes ist und niemals aus Werken hervorgebracht wird, damit sich niemand rühmen könne. Wir sind nach Vers 10 Sein Gebilde und alle guten Werke hat Gott vorher geschaffen, damit wir in diesen wandeln sollen. Der Glaube kommt allein von Gott sowie der Wille, an Ihn zu glauben. Selbst in einem Wiedergeborenen wirkt Gott das, was Ihm wohlgefällig ist (Hebr 13,21). Wie viel mehr ist es nötig, im völlig verdorbenen Menschen den Willen zu «schaffen», dass er glaubt und selig wird.

Wir sind der Meinung, dass der Mensch sich nicht bekehren kann, wann er will. Er muss von Gott dazu erweckt werden. Jesus sagte: «Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, dass ihn der Vater zieht, der mich gesandt hat» (Joh 6,44). Darum ist ein Verschieben des Heils immer tragisch.

Doch wenn ein Mensch durch den Heiligen Geist erweckt wird, ist sein persönlicher Wille gefragt und mit entscheidend. So heisst es zum Beispiel in Matthäus 23,37: «Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter die Flügel sammelt, aber ihr habt nicht gewollt!» Gottes Wille zur Errettung der Menschen ist eindeutig: «So ist es auch nicht der Wille eures Vaters im Himmel, dass eines dieser Kleinen verloren geht» (Mt 18,14). «Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen da dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst!» (Offb 22,17). «Der Herr verzögert nicht die Verheissung, wie es einige für eine Verzögerung halten, sondern er ist langmütig euch gegenüber, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Busse kommen» (2.Petr 3,9).

Wer nicht glaubt, tut dies nicht, weil er nicht das Wollen von Gott bekommen hätte, sondern weil er selbst nicht glauben will: «… und aller Verführung der Ungerechtigkeit bei denen, die verloren gehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können … damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Wohlgefallen hatten an der Ungerechtigkeit» (2.Thess 2,10.12).

Paulus schreibt: «… wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, damit wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe. Er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens … in ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens» (Eph 1,4- 5.11). Bei dieser Vorherbestimmung geht es nicht um die Errettung, sondern um das, was man in Christus bekommt. Das heisst, alle, die sich zu Jesus bekehren, sind vorherbestimmt … zur Sohnschaft, zum Erbteil usw.

«Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht» (Röm 8,28-30). Die, die zuvor in Christus ersehen sind, sind die, die Gott zuvor in Christus gesehen hat …

So sehen wir zum Beispiel, dass die Juden ihre Erwählung nicht annahmen und nicht glauben wollten: «Da sagten Paulus und Barnabas freimütig: Euch musste das Wort Gottes zuerst verkündigt werden; da ihr es aber von euch stosst und euch selbst des ewigen Lebens nicht würdig achtet, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden» (Apg 13,46). «… die Pharisäer aber und die Gesetzesgelehrten machten in Bezug auf sich selbst den Ratschluss Gottes wirkungslos, indem sie nicht von ihm getauft worden waren» (Lk 7,30). «In Bezug auf Israel aber spricht er: ‹Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach einem ungehorsamen und widerspenstigen Volk!›» (Röm 10,21).

Römer 5,18-19 besagt: «Also: wie nun durch die Übertretung des Einen die Verurteilung für alle Menschen kam, so kommt auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung, die Leben gibt. Denn gleichwie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern gemacht worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten gemacht.»

So wahr, dass alle Menschen durch Adam unter die Sünde gekommen sind, so wahr ist es, dass alle Menschen durch den letzten Adam (Jesus) zur Rechtfertigung des Lebens gelangen können, wenn sie es (von sich aus) glauben (vgl. Röm 11,32: «Denn Gott hat alle miteinander in den Unglauben verschlossen, damit er sich über alle erbarme»).

Gott handelt aufgrund Seines Vorherwissens, nicht aufgrund von Vorherbestimmung: «Aber ich weiss, dass euch der König von Ägypten nicht ziehen lassen wird, auch nicht durch eine starke Hand. Aber ich werde meine Hand ausstrecken und Ägypten schlagen mit allen meinen Wundertaten, die ich in seiner Mitte tun will; danach wird er euch ziehen lassen. Und ich will diesem Volk Gunst verschaffen bei den Ägyptern, sodass ihr nicht leer ausziehen müsst, wenn ihr auszieht» (2.Mo 3,19-21).


Beantwortet von: Norbert Lieth
Quelle: Zeitschrift Mitternachtsruf, August 2010, Seite 28