Flamme des kreisenden Schwertes - Cherumbim

Besteht nach der Schrift zwischen den Cherubim und der „Flamme des kreisenden Schwertes“ irgendwelche Beziehung, und was ist unter letzterem Ausdruck zu verstehen? (1. Mose 3,24)

Antwort

Vorbemerkung: Wenn man jahre- und jahrzehntelang sich mit dem Wort beschäftigt hat, zuerst als „Lehrling”, der von „Gesellen” und „Meistern” in der Auslegung zu lernen bestrebt ist, und nach und nach als Fortgeschrittener weiter lernt, so kommt man dahin, dass man mit Verwunderung urteilt: Die Rätsel, die im Anfang zu Hunderten auftauchten, lösen sich auf in die Erkenntnis: Die Wahrheit ist einfach, so einfach, dass diese Einfachheit selber zum Rätsel wird. Sie mag für eine gewisse Sache eine Menge Einzelheiten zu ihrer Darstellung brauchen; der springende Punkt, der sich aus den Einzelheiten ergibt, ist einfache Wahrheit. Wenn man diese Tatsache festhält, lässt man sich durch eine Vielheit von Einzelpunkten der Darstellung nicht in Verwirrung bringen; man sucht vielmehr die Gesamtwirkung in einem Einzelbild festzuhalten. - So bei den Beschreibungen der lebenden Wesen oder Cherubim. Denn wir müssen uns kurz damit befassen, um zur gesuchten Antwort zu kommen. Beginnen wir dabei hinten in unserer Bibel, im Gegensatz zur Gepflogenheit, vorne zu beginnen. Wir wollen ja die allererste Stelle über die Cherubim uns verständlich zu machen suchen, da können wir nicht mit ihr beginnen.

Offenbarung 4 und 5 sind die Lebewesen zum Teil Cherubim, zum Teil Seraphim, also weder das eine noch das andere. Man vergleiche sorgfältig Hesekiel 1 und 10 (wo Vers 20 sagt, dass lebendige Wesen gleich Cherubim seien) mit Jesaja 6. Dass es keine wirklichen Wesen, sondern symbolische Darstellung ist, erhellt daraus, dass sie, die vier, gleichzeitig um den Thron her und inmitten desselben sind. Wieso das, da doch der Thron eine Sache für sich und der Daraufsitzende eine Person für sich ist? - Die vier Wesen bilden eben mit dem Thron und mit dem „um ... her” ein Ganzes; „inmitten” ist nicht „darunter”, wie jemand denken könnte, wenn er sich einen Stuhl mit vier Beinen vorstellt.

Hes. 41,18ff.: Wird in Off. 4 ausgesagt, jedes der vier Lebewesen habe je ein besonderes Gleichsein mit je einer Art Geschöpfe unserer Welt aufzuweisen, so heißt es hier, dass jeder zwischen je zwei Palmen abgebildete Cherub je zwei Angesichter von je einer Art Geschöpfe unserer Welt hatte: hier ein Menschen- und hier ein Löwengesicht.

Hes. 1 und 10: Hier sind es vier lebendige Wesen, deren jedes je in sich dem Angesicht nach die vier Züge, die in den vier Lebewesen von Off. 4als je einzelne gefunden werden, vereinigt. Zugleich ist die Darstellung eine solche, dass die Vierheit mit viermal jevier gleichen Zügen dem Angesicht nach eine Einheit ist nach 1,20.22 und 10,2.15: das lebendige Wesen; der Cherub. Fällt nicht auf die dreimalige Vervielfältigung?: Off. 4 je ein Gesicht, zusammen 4 Angesichter; Hes. 41 je zwei Gesichter, zusammen 4 Angesichter; Hes. 1 und 10 je vier Gesichter, zusammen 4 x 4 = 16 Angesichter. In Hes. 10,14 scheint der Prophet die Lebewesen von einer anderen Seite her zu sehen, denn die Reihenfolge ist eine andere, auch nennt er uns je ein Gesicht von jedem. Das Auffallendste ist: Statt zu sagen: „das Angesicht eines Stieres”, sagt er: „das Angesicht eines Cherubs”, als ob Stier und Cherub dasselbe wären! Und doch heißt das Ganze auch „der Cherub” (10,2).
1. Kön. 6,23-25; 7,29; 2. Chr. 3,10-14; 2. Mo. 25,18-21; 26,1.31: Was uns hier interessiert, ist, dass in diesen Stellen nichts über Form und Angesichter der Cherubim gesagt ist. Doch beachten wir: 2 Flügel nur hat jeder Cherub statt 6 in Offenbarung und 4 in Hesekiel. Die Stellung der Flügel ist im Tempel und über der Bundeslade eine des schützenden Ausgebreitetseins im Gegensatz zu Hesekiel, wo ausgesagt wird, dass die Flügel waagerecht waren, wie zum Tragen bestimmt, dass sie zum Bedecken der Leiber verwendet wurden wie auch zum sich Erheben und Gehen (1,11.19-25). In 1. Kön. 7,29 sind auf den Feldern der Gestelle „Löwen, Rinder und Cherubim”. Welche Form und welche Angesichter hatten diese Cherubim, da Löwen und Rinder extra da waren und wir eben in Hes. 10 sahen, dass Stier und Cherub identifiziert werden? Dürfen wir in Erinnerung an Hes. 41,19 nicht denken, dass sie Menschenform und -angesicht hatten? Das Adlerangesicht paßt nicht, weil der Tempel auf das Reich hinweist, wo keine Adlerschnelligkeit zum Gericht mehr nötig ist. Das liegt dann zurück, wohl aber kennzeichnen Intelligenz, Kraftfülle, fester Bestand (im Symbol Mensch, Löwe, Stier) die Herrschaftsausübung im Reiche. Hatten die Cherubim an den Wänden des Tempels, in den Teppichen der Stiftshütte und in dem Vorhang zwischen Heiligtum und Allerheiligstem Löwen- und Menschenangesicht wie in Hes. 41,19 oder nur Menschenangesicht? Die Frage bleibt offen. In 2. Chr. 3,13 kann das nach außen, dem Heiligen zu schauende Angesicht jedes der beiden Cherubim nur eine Form gehabt haben, nicht zwei oder drei oder vier; doch wohl auch die menschliche; nach rechts oder links oder hinten je noch ein Gesicht widerspräche dem Ausdruck: „Dem Hause zu (d. i. ‚geradeaus‘), nach vorn gewandt.
Noch wäre anzuführen Ps. 18,10; 2. Sam. 22,11: „Jehova fuhr auf einem Cherub und flog daher”, welchem Gedanken die Benennung der Cherubim im Tempel 1. Chr. 28,18 entspricht: „das Muster des Wagens der Cherubim”, obwohl sie im Tempel Bedeckende und nicht Tragende sind. Wie war das Muster? Die Ausführung nach 1. Kön. 6,23-25 und 7,29 und 2. Chr. 3,10-14 sagt es, oder vielmehr sagt es nur zum Teil. Und noch das bekannte Attribut Jehovas der Heerscharen: „der die Cherubim Bethronende” (Bewohnende, auf ihnen Sitzende); 1. Sam. 4,4; 2. Sam. 6,2; 2. Kön. 19,15; Ps. 80,1; 99,1. Löwe, Rind, Mensch, Adler lassen an Majestät und Kraft, an Beharrung, an Intelligenz, an Raschheit und Zielsicherheit in der Ausführung denken, wie die Schrift selber im allgemeinen es an die Hand gibt. Zugleich sind sie in ihrer Vierheit die universellen Vertreter der irdischen Geschöpfe. Daher wird ihnen in Off. 4 Herrlichkeits-, Ehr- und Dankbezeugung zugeschrieben und in Kap. 5 das Amensagen zu denselben Bezeugungen von seiten aller Geschöpfe (vgl. Ps. 148 und 150).

Der Zusammenhang mit dem, was auf die Beschreibung folgt, sowohl in der Offenbarung als in Hesekiel, macht es klar, dass die Mitteilung richterlicher Maßnahmen der Zweck der Vorführung der Symbole ist. Die eigentlichen Werkzeuge der Ausführung der Gerichte können Engel, Menschen, Tiere oder Naturgewalten sein. Die Ausführung selbst trägt je nach dem Willen Gottes in den einzelnen Fällen den Stempel der oben genannten Eigenschaften. Vergleiche für Menschen z. B. Jer. 1,13-16 mit Hes. 1,4; Hab. 1,6-11 und Jes. 5,26-30; für Tiere z. B. Off. 6,8 und Hes. 14,21; für Naturgewalten Ps. 148,8; 107,25-29; Jona 1,4; 2. Mo. 10,13.19; 14,21. Der richterliche Dienst der Engel (wie ihr wohltuender) ist zu bekannt, als dass er durch Stellenanführung belegt zu werden brauchte. Kurz zusammengefaßt heißt es von der symbolischen Darstellung der Cherubim in Hesekiel: „... alle Kraft und alles Vermögen des Lebens in höchster Potenz und Konzentration dient der inweltlichen und besonders der richterlichen Selbstbezeugung Gottes.” (Gesenius, hebr. Handwörterbuch.)

Um noch weiter den Beweis für die Symbolik in der Darstellung zu erbringen, sei unter dem vielen, das als Unterschied aufzuzählen wäre, nur noch auf folgendes hingewiesen: In Off. 4 gehen die richtenden Elemente (Blitze und Donner) vom Throne aus; die Lebewesen sind aber sowohl im Throne als drum her; Feuer (= Fackeln) brennen vor dem Throne. In Hes. 1,4ff. ist die Gesamterscheinung ein zusammengeballtes Feuer, aus dessen Mitte hervor die „Ähnlichkeit” von vier Lebewesen sich abhebt. „Funkelndes Erz”, Vers 7, ist der Anblick. Vers 13: Feuerkohlen, Fackeln, Blitze zwischen ihnen. Vers 15ff.: nicht zu trennen von ihnen sind die Räder, die nur hier vorkommen.

In Kön. und 2. Mose sind es keine Gesichte, sondern Kunstarbeiten aus Gold, Sinnbild der göttlichen Herrlichkeit, der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit (Erz: Sinnbild von Festigkeit im Gericht).
Das bisher Gesagte genügt, um uns der Lösung der gestellten Frage näherzubringen. Nun müssen wir noch bedenken, dass die Israeliten sich etwas Vorstellbares denken mußten unter den Worten „Cherubim”, die Mose ihnen da in 1. Mo. 3,24 aufschrieb. Übrigens waren sie ja selber die Verfertiger der Cherubim auf der Bundeslade, in den Teppichen und auf dem Vorhang. Und Mose hatte das Muster dazu wie zu allem auf dem Berge gesehen. Ferner müssen wir daran denken, dass die Gesichte Hesekiels und der Offenbarung als damals der Zukunft angehörend nicht in Frage kommen, auch die unter Salomo hergestellten Cherubim nicht. Für uns geben letztere überhaupt nicht Anlass zu einer anderen Vorstellung über die Gestalt der Cherubim als zu der, wie sie unter Mose dargestellt wurden.
Bleibt zu erwägen: was war den Nachkommen Abrahams im vierten Geschlecht ihres Weilens in fremdem Lande (1. Mo. 15,16), zirka 2500 Jahre nach dem Fall Adams, bekannt von den Wegen Gottes in bezug auf das, was unsere Frage berührt? - Dieses, dass in die Lebensumstände Abrahams und Jakobs, aber nur dieser zwei Männer, Engel, das sind Boten Gottes, zu wiederholten Malen eintraten und eingriffen; auch Jehova Selber in Gestalt eines Seiner Boten, d. i. in menschlicher.
Konnten sie sich also etwas anderes denken, als dass Jehova Gott von Seinen Boten als in Seinem Auftrag Handelnde an den Zugang des Paradieses beordert habe? Menschen, die es außer den beiden Ausgewiesenen nicht gab, und Tiere können nicht in Frage kommen. Der Auftrag war einer von richterlicher Befugnis. Er liegt genau auf der Linie, die sich bis Off. 4 verfolgen läßt; wie wir gesehen haben, daß, welches die Werkzeuge auch sein mögen, ihre symbolische Darstellung „Lebewesen” oder „Cherubim” heißt.

Und die Flamme des kreisenden Schwertes”, d. i. die wie eine Flamme züngelnde, funkelnde, glitzernde Schneide des hin- und herfahrenden Schwertes. Das Hin- und Herfahren des Schwertes musste sich über einen ausgedehnten Bezirk erstrecken, wenn ein Zurück unmöglich gemacht werden sollte, weil wir uns den Garten nicht eingehegt denken dürfen, so dass die ganze Ostgegend vor dem Garten als von den Blitzen des Schwertes in steter Aufeinanderfolge durchfurcht zu denken ist. (Das Schwert als Symbol der Abwehr sowohl wie des Angriffs: 4. Mo. 22,23; Jos. 5,13; 1. Chr. 21,16.17.) Schwertgleiche Flammenblitze können wir uns vorstellen, mögen sie welch irgend denkbaren Ursprung gehabt haben; macht der allmächtige Schöpfer doch Selbst Seine Diener zu einer Feuerflamme, Hebr. 1,7 und Ps. 104,4 (die heutige Atmosphäre mit Gewittern und Regenbogen datiert erst seit der Sintflut). In der bildlichen Redeweise kommt das Schwert oft vor in den Schriften des Alten Testamentes. Für unsere Stelle „Flamme des kreisenden Schwertes” vergleiche (außer Stellen wie Ps. 7,11.12; Jes. 27,1; 34,5.6; 66,16; Hes. 21,9.14.19) 5. Mo. 32,41 und Hes. 21,15.20.21!

Mit Vorstehendem wäre der zweite Punkt der Frage, was unter dem Ausdruck „Flamme des kreisenden Schwertes” zu verstehen sei, beantwortet. Den ersten Punkt der Frage, ob irgendwelche Beziehung zwischen den Cherubim und der Flamme des kreisenden Schwertes besteht, können wir in Anlehnung an das in der Vorbemerkung Gesagte und an die danach folgenden Ausführungen über das Wesen und die Bedeutung der Cherubim in Kürze so beantworten: „Ja, es besteht eine Verbindung zwischen den Engeln, welche wir uns unter der symbolischen Benennung ‚Cherubim‘ denken, und dem kreisenden Schwerte, nämlich ähnlich der, die besteht zwischen einer selbsttätigen Maschine und dem Maschinisten, der die Aufsicht darüber hat und ihren Gang kontrolliert.

Der Text, wie ihn alle Übersetzungen haben, sagt nämlich nicht, dass das kreisende Schwert von den Cherubim in Bewegung gesetzt werde. Er sagt: die Cherubim und die Flamme des kreisenden Schwertes. In Off. 6,1.3.5.7 sehen wir die Cherubim als Kontrolleure der symbolischen Pferde (ihr Ruf „komm!” gilt diesen, nicht dem Seher. Die besten Handschriften und Übersetzungen verwerfen das „und siehe” als Zusatz). In Off. 7,1; 14,18; 9,13.14 sehen wir Engel als Kontrolleure der Winde, des Feuers sowie auch anderer Engel. Was liegt näher als die Engel-Cherubim auch so zu denken?! Selbst wenn die Flamme des kreisenden Schwertes nach Ps. 104,4 Engel wären, widerspräche es der Schrift nicht; spricht sie doch von Thronen, Herrschaften, Fürstentümern, Gewalten, d. h. einer Hierarchie in der Engelwelt, von dem Erzengel Michael und seinen (ihm unterstellten) Engeln. So wären auch die Engelcherubim Kontrolleure der zu Schwertflammen gemachten anderen Engel. Doch soll das nicht als ausgemacht gelten. Jedenfalls aber liegt es nahe, an Elias und Elisas feurige Wagen und Rosse (2. Kön. 2,11 und 6,17) zu denken als an Engel, die sich dem menschlichen Auge unter dieser Form zeigten, wie auch die Gesetzgebung mit ihren Begleiterscheinungen Feuer, Sturm, Posaunenschall ausdrücklich Engeln zugeschrieben wird. (Vgl. 2. Mo. 19,18; 5. Mo. 4,11; 33,2; Ps. 68,17; Hebr. 12,18 mit Apg. 7,53; Gal. 3,19; Hebr. 2,2.)
F. Kpp.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 14 (1929)