Falschen Brüder

Sind die „falschen Apostel, betrügerischen Arbeiter“ von 2. Kor. 11,13 wohl die gleichen Personen wie die „falschen Brüder“ von V. 26 und Gal. 2,4? Haben wir uns unter diesen Personen Gläubige, d. h. „aus Gott Geborene“ (1. Joh. 3,8.9; 5,18), vorzustellen, und gibt es solche “falschen Brüder“ auch heute noch in der Gemeinde Gottes, und wenn ja - woran sind sie zu erkennen?

Antwort A

Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus erzählt von der schrecklichen Belagerung Jerusalems durch die Römer unter Titus und berichtet, wie man zweierlei Arten von Angriffen hatte; oben waren Sturmböcke und Schleudern aufgestellt, und zu gleicher Zeit versuchte man die Mauer zu untergraben, die erste Art war sichtbar, doch vielleicht war der unterirdische Krieg gefährlicher.

Der große geistliche Feind wirkt hauptsächlich auch auf diese beiden Weisen wider die Gemeinde des HERRN, doch des Hades Pforte wird sie nicht überwältigen, weil sie auf den Felsen gegründet ist; doch leider gelingt es ihm nur zu oft, Schaden und Unheil anzurichten. Kommt er als ein brüllender Löwe, sichtbar und an der Oberfläche, um mit Verfolgungen zu verschlingen, so erkennt man ihn wohl; verwandelt er sich aber in einen Engel des Lichtes, so wird man oft betrogen. So schlau ist er aber, dass er manchmal zu gleicher Zeit in beiden Gestalten gegen die Gemeinde angestürmt hat; man hört das Brüllen des Löwen, und dabei überhört man vielleicht das feine Zischen der Schlange.

Es ist sowohl interessant als äußerst lehrreich zu bemerken, wie der Widersacher, wie das in der Apostelgeschichte und in den Briefen beschrieben wird, wirkte. Heutzutage ist seine Kampfweise eine ähnliche. Die Gemeinde zu Jerusalem war, trotz der Verfolgungen, groß geworden; dann kam eine Zeit der Ruhe nach der Bekehrung des Saulus (Apg. 9,31), in welcher viele noch hinzugetan wurden, und sicher schlossen sich so manche den Gläubigen an, ohne dass sie wirklich wiedergeboren waren; das hat wenigstens Judas uns zu wissen gegeben, denn er schrieb: „Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon vorlängst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren” usw. (Judas V. 4) Es ist uns ganz klar, dass niemand sich in die Gemeinde, d. h. in den Leib Christi nebeneinschleichen kann; aber in die Ortsgemeinden sich einzuschleichen, ist die Möglichkeit vorhanden. Hier setzt der Feind seine Unterminierungsarbeit ein. Ob solche am Anfang absichtlich Betrüger oder nur Betrogene waren, bleibt dahingestellt. Als der HERR Selbst auf Erden war, steht es geschrieben: „Als Er in Jerusalem war -, glaubten viele an Seinen Namen - Jesus Selbst aber vertraute Sich ihnen nicht an, weil Er alle kannte” usw. (Joh. 2,23-25) Wir wissen auch, als das Volk Israel durch Gottes Hand aus Ägypten befreit wurde, da zog auch viel Mischvolk mit ihnen hinauf (2. Mose 12,38), und dies Mischvolk wurde in einem kritischen Augenblick der Wüstenreise lüstern. (4. Mose 11,4)

Es blieb nicht unbekannt in Jerusalem, dass Gott wirksame Türen unter den Nationen aufgetan hatte und dass viele sich zu Gott bekehrt hätten, besonders in Antiochien. Nun sandte die Gemeinde Barnabas aus, um zu sehen, ob das Werk in der Tat von Gott sei; als er kam, fand er, dass die Erweckung echt war, und darüber hatte er große Freude; dann ging er nach Tarsus, um Saulus aufzusuchen und ihn nach Antiochien zu bringen. Doch brauchen wir das nicht alles zu erzählen, aber nach einiger Zeit machten sich andere von Jerusalem auch auf, um diese jungen gläubigen Seelen aus den Nationen zu besuchen; diese wurden nicht von der Gemeinde gesandt, sie gingen auf eigene Faust aus (Apg. 15,24), und das war ja ein bedenklicher Schritt! Das Wort sagt einfach, dass etliche von Judäa herab kamen (nämlich nach Antiochien), Apg. 15,1. Wir fragen nun, warum das Wort nicht „etliche Brüder” sagt? Paulus erzählte später in Jerusalem von ihnen: „Etliche aber derer von der Sekte der Pharisäer, welche glaubten” (V. 5); wenn er nun in Gal. 2,4 ihrer erwähnte, so schrieb er: „Es war aber der nebeneingefuhrten falschen Brüder wegen, die nebeneingekonimen waren, um unsere Freiheit auszukundschaften.” Höchstwahrscheinlich kamen sie auf einschmeichelnde Weise hinein, und so salbungsvoll redeten sie mit erkünstelten Worten (2. Petr. 2,3), dass die Gefahr sehr groß war, denn sie konnten auch behaupten, dass sie zur Gemeinde in Jerusalem gehörten, das musste einen Eindruck machen; doch sicher unterließen sie zu erwähnen, dass sie die Gemeinschaft der Ältesten nicht zuerst suchten! Später pflegte man von solchen Empfehlungsbriefe zu verlangen. (2. Kor. 3,1) Wie gut war es, dass Paulus einen klaren Blick hatte, deutlich sah er, wohin das führen würde, er schrieb später darüber: „Denen wir auch nicht eine Stunde durch Unterwürfigkeit nachgegeben haben, auf dass die Wahrheit des Evangeliums bei euch verbliebe.” (Gal. 2,5) Wenigstens entstand ein Zwiespalt und ein nicht geringer Wortwechsel in Antiochien. So wurde beschlossen, daß Paulus und Barnabas mit etlichen von den Brüdern nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage, wo dann auch schließlich die Apostel und Ältesten sich versammelten, um diese Angelegenheit zu besehen. In diesem sogenannten ersten „Kirchenrat” siegte die Wahrheit, und die eine Abweichung von dem geraden Wege der Wahrheit einführende Partei erlitt eine entschiedene Niederlage. Der Ausgang dieser Beratung in Jerusalem verursachte den Gläubigen aus den Nationen reichen Trost und tiefe Freude. (Apg. 15,31.)

Doch diese nebeneingeführten falschen Brüder hielten nicht die Schlacht für verloren, sie fügten sich dem in Jerusalem erzielten Resultat nicht; nur sind sie schlauer geworden. Jetzt gingen sie nicht dorthin, wo der Apostel Paulus gerade wirkte, sondern es scheint, als ob sie warteten, bis er weitergereist war, und dann erst kamen sie mit ihrer Scheinheiligkeit hin. Sehr wahrscheinlich sagten sie mit weich klingender Stimme, dass es ja so traurig sei, dass Paulus - obwohl er sonst ein lieber Mann wäre - nicht die ganze Wahrheit gebracht hätte, und dass sie selber gekommen seien, um die Gläubigen weiter zu führen! Wenn es nun in Antiochien nicht gelang, dauerndes Unheil zu stiften, ist es ihnen doch in den Gemeinden zu Galatien gelungen, dies zu tun, denn dort war augenscheinlich niemand, der ihnen die Stirn bieten konnte. Doch das muss Gottes Zulassung gewesen sein, damit wir die so notwendige und lehrreiche Epistel an die Galater hätten. Der Apostel zieht in dieser Epistel keine „Glacéhandschuhe” an, er spricht sogar einen Fluch aus über solche, die ein anderes Evangelium bringen, nämlich über „die Etlichen”, die die Gläubigen verwirrten und das Evangelium des Christus verkehrten. (Gal. 1,6-9) Nachdem nun der Apostel die Gläubigen in den Gemeinden von Galatien mit der Wahrheit überzeugt hatte und sie auf den wahrhaftigen Grund zurückzuführen getrachtet hatte, kommt er darauf zu schreiben, wie diese falschen Brüder behandelt werden sollten. Zunächst sagte er: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig”, das aber schrieb er auch den Korinthern in bezug auf den blutschänderischen Mann in ihrer Mitte; und Sauerteig darf nicht unter den Gläubigen geduldet werden, der muss hinausgetan werden, darum schrieb er weiter den Galatern: „Ich habe Vertrauen zu euch in dem HERRN, dass ihr nicht anders gesinnt sein werdet; wer euch aber verwirrt, wird das Urteil tragen, wer er auch sei.” (Gal. 5,9.10) Diese Aufwiegler wollten die Gläubigen in ihrem unreinen Eifer für sich gewinnen und sie von jeder Gemeinschaft mit dem Apostel ausschließen (5,17.18); nun aber werden die Brüder aufgefordert, ein Urteil über sie zu fällen und sie als Sauerteig zu behandeln. Wir hoffen, dass diese Epistel die gewünschte Wirkung in den einfachen Gemeinden von Galatien hatte und dass die Gläubigen nicht nur von dem verfälschten Evangelium befreit worden sind, sondern, dass sie die Lehrer dieses falschen Evangeliums hinausgetan haben. Aber wir müssen annehmen, dass die Herzen dieser falschen Brüder durch diese Sachen mit großem Haß besonders wider den Apostel Paulus erfüllt worden sind, und sie verharrten auf ihrer verkehrten Straße, denn nicht nur verbreiten sie ihre Irrlehren noch, sondern sie fangen an, die Person des Apostels anzugreifen und versuchen seinen Charakter zu verunglimpfen. So finden wir, dass Paulus in dem 2. Brief an die Korinther gezwungen ist, seine Apostelschaft zu verteidigen, obwohl er, wie er schrieb, ein Tor sei, das zu tun. (2. Kor. 12,11)
Wir denken, dass wir nicht fehlgehen, wenn wir behaupten, dass die in Apg. 15 auftauchenden ungesandten Arbeiter dieselben sind, die „falsche Brüder” in Gal. 2,4 genannt werden; und höchstwahrscheinlich kommen wir auf die Spur derselben oder Gleichgesinnter in 2. Kor. 11,13. Nur sind sie völliger entwickelt; als sie zuerst nach Antiochien gingen, waren sie bescheidener als in späteren Jahren; sie hatten aber hier und dort einen Anhang für sich gewonnen, und somit sind sie wichtiger in ihren eigenen Augen geworden, und schließlich hatten sie die Gestalt von „Aposteln Christi” angenommen. Solche taten ihr Möglichstes, Paulus zu verleumden, „er wandle nach dem Fleische”; „die Gegenwart des Leibes ist schwach und die Rede verächtlich”; die Korinther sollen verlangen, dass er sich vor ihnen verantworten solle! usw.
Es ist schwer zu glauben, dass diese „Etliche”, welche das unterminierende Werk des Feindes taten, wahrhaftige, wiedergeborene Seelen waren. Doch würde wohl der große Widersacher äußerst gern Gebrauch von wirklichen Gotteskindern machen, d. h. wenn er sie soweit betrügen und ihren geistlichen Sinn verblenden könnte, wie auch heutzutage man echte gläubige Seelen in verderblichen Sekten findet, wie zum Beispiel unter den Adventisten; und die heftigen Gegner Moses und Aarons in der Wüste waren doch Israeliten und sogar vom Stamme Levi! (4. Mose 16,1-3) Also sehr wahrscheinlich haben wir uns unter diesen Personen eine Mischung vorzustellen, und zwar aus betrogenen und simulierenden (angeblichen) Gläubigen.

Ob es euch heute solche „falschen Brüder” in der Gemeinde Gottes gibt? Wohl wäre das möglich in einzelnen Ortsgemeinden. Doch solche Gläubigen, die sich auf einfachem, biblischem Boden versammeln, sind im allgemeinen sehr vorsichtig in diesen Sachen, da sie die ganze Heilige Schrift haben, worin die vom Heiligen Geist inspirierten Beschreibungen der verschiedenen Angriffsweisen des Teufels enthalten sind; sie haben die Ermahnung, nicht jedem Geiste zu glauben und solche weder in ihre Häuser aufzunehmen noch zu begrüßen, die die Lehre Christi nicht mitbringen. (1. Joh. 4,1-6; 2. Joh. V. 7-11) Wenn aber trotzdem gewisse Menschen sich „nebeneinschleichen”, so haben solche Gemeinden, die zweifelhafte Lehren aufnehmen, größere Verantwortung, denn sie haben die gesammelten Erfahrungen der ersten apostolischen Gemeinden in der Schrift. Der HERR lobte die Gemeinde zu Ephesus, weil sie die geprüft hatte, welche sich Apostel nannten, und hatte sie als Lügner erfunden. (Off. 2,2) Wir möchten noch einige Erkennungszeichen von solchen geben. Oben haben wir schon gesehen, dass die, welche nach Antiochien kamen, um den Gläubigen aus den Nationen das Joch des Gesetzes auf den Hals zu legen, ausgingen ohne Befehle der Apostel und Ältesten der Gemeinde. (Apg. 15,24) Wahrhaftige Arbeiter hingegen suchen zuerst die Gemeinschaft der Ältesten der Gemeinde, in deren Mitte sie sind, sonst können sie leicht dahin kommen, betrügerischen Arbeitern ähnlich zu werden. Ein anderes Zeichen für jene ist, dass sie Zwiespalt unter Gläubigen verursachen, wie die sogenannte Pfingstbewegung das überall getan hat. Dazu sind sie sehr geneigt, sich selbst zu empfehlen. (2. Kor. 10,18) Noch eine Beschreibung ziehen wir aus den folgenden Worten: „Denn ihr ertraget es, wenn jemand euch knechtet, wenn jemand euch aufzehrt, wenn jemand sich überhebt, wenn jemand euch ins Gesicht schlägt” (2. Kor. 11,20); man bemerkt also bei diesen Personen trotz der Scheinheiligkeitt einen völligen Mangel an der Gelindigkeit und Sanftmut Christi. Also ermahnt der Apostel: „Ich ermahne euch aber, Brüder, dass ihr achthabet auf die, welche Zwiespalt und Ärgernis anrichten entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und wendet euch von ihnen ab! Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christo” usw. (Röm. 16,17.18)
F. Btch.

Zusatzbemerkungen des Schriftleiters

In dieser gründlichen Antwort unseres bewährten Mitarbeiters, für die wir dem HERRN recht dankbar sein dürfen, ist als der „springende Punkt” die Lehre, nicht in erster Linie das Leben, der sittliche Wandel, angesehen worden. Ich meine, der Verfasser sieht in den „falschen Aposteln”, „betrügerischen Arbeitern” und „falschen Brüdern” im wesentlichen die gleichen Personen oder Personen gleicher Richtung und Einstellung: Menschen, die in puncto „Lehre” nicht schriftgemäß, d. h. also nicht auf apostolischem Grunde standen und deren Verhalten darum, wie alle falsche Lehre, trennend, spaltend wirken mußte, und in jedem Falle gegnerisch gegen den Apostel und seine Lehre.

Sicher hat der Verfasser in dieser Beurteilung der Sachlage recht. Wir können nach dem Schriftzusammenhang zu keinem anderem Ergebnis kommen und dürfen nicht etwa in den Fehler verfallen, untreu wandelnde Gläubige, deren es leider in jeder größeren Ortsgemeinde gibt, als „falsche Brüder” anzusehen. Untreue Kinder Gottes wandeln, statt im Geist, im Fleisch (nach Gal. 5), untreue Gläubige verunehren den HERRN, verlästern Seinen Namen durch ihren bösen Wandel (Röm. 2,24) und machen es den übrigen Gliedern der Gemeinde schwer, sie mit „Bruder” und „Schwester” anzureden, da diese kostbaren Anreden gleichsam durch ihr Verhalten Lügen gestraft werden. Da außerdem wir die Menschen nur „an ihren Früchten erkennen” können (vgl. Mt. 7,[15!] 16-20 und 12,33-37), so haben wir vorsichtig zu sein mit den Familienanreden, sobald der allgemeine Wandel vor der Welt nicht dem Charakter der Familie Gottes entspricht. Ich habe diese kleine Betrachtung nur eingefügt, weil ich des Fragenden Schwierigkeit kenne.

Aber „falsche Brüder” usw. sind doch noch etwas anderes als untreu wandelnde Gläubige oder angebliche Gläubige, deren fortgesetzter Wandel nicht dem Glauben gemäß erscheint. „Falsche” Brüder sind nicht untreue Brüder, sondern solche, deren (angebliches) Brüdertum auf Falschheit ausgeht, die unter dem Deckmantel des Brüdertums auf Verfälschung der Wahrheit aus sind. Ich glaube nicht, dass es geistlicherweise echte Brüder sein können, zumal der griechische Ausdruck sie „Falschbrüder” (d. h. in einem Wort) nennt, und zwar in beiden Stellen: 2.

Kor. 11,26 und Gal. 2,4; ebenso 2. Kor. 11,13Falschapostel”! und auch Mt. 7,15: „Falschpropheten” u. a.! Es sind Mißbraucher des Brüdertums, Mißbraucher der Familienbeziehungen, ebenso wie die „Falschapostel” Mißbrauch treiben mit der Apostelschaft oder die „Falschpropheten” mit der Prophetie! Daraus geht doch wohl ziemlich unzweideutig hervor, dass es sich um Entsteller der Lehre handeln muß, nicht um solche nur, die aus persönlicher Untreue das geistliche Leben verfälschen. Ich denke, dass dies klar zu sehen ist.

Aber darüber hinaus möchte ich betonen, dass eben bei solchen „Falschbrüdern”, „betrügerischen Arbeitern” usw. das praktische Leben nicht geistlich normal und schriftgemaß sein kann, wenn sie auch vielfach sittlich einen „guten Eindruck zu machen” sich bemühen. Letzteres kann man immer beobachten, z. B. bei den Männern der sogenannten liberalen Theologie und bei manchen bekannten Irrlehrern. Aber dennoch - auf die Dauer und bei besonderen Anlässen zeigt es sich gar zu leicht, dass es mit dem angeblich reinen, geistlichen Wandel solcher Menschen, welche die reine, biblische Lehre verfälschen, nicht weit her ist. Wie könnte es auch! Sagt doch die Schrift auch gerade bezüglich der „Falschpropheten” in Mt. 7,15ff., dass die wahren Jünger auch sie „an den Früchten erkennen” sollen, und wie können die Früchte gut sein, wenn der Baum schlecht ist?! Nachgemachte Früchte, die nach außen schön aussehen, können doch nur kurze Zeit täuschen! Kenner lassen sich auf die Dauer aber nicht betrügen. (1. Joh. 4,1ff.) Die Schrift sagt auch unzweideutig, z. B. im Judasbrief, wo es sich um den Kampf „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben” (d. h. die christliche Glaubenslehre mit dem daraus erwachsenden praktischen Glaubensleben!) handelt, dass sich „gewisse Menschen miteingeschlichen haben, welche die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren” usw. (V. 4, diese Stelle ist in Antwort A auch schon genannt!), und „diese”, von denen oft im Judasbrief die Rede ist, werden in einer Weise gekennzeichnet, die auf ihren moralischen Wandel die allertiefsten Schatten wirft. (Vgl. z. B. V. 8.10.12.16!) Ebenso ist es in 2. Petr. 2,1ff. bei den „Falschpropheten” und „Falschlehrern” (auch beide Ausdrücke in je einem Wort) der Fall! Siehe V. 2.3.10ff. (beachte: „besonders” in V. 10!), oder gleich V. 10-19! Aus diesem Kapitel kann man wahrlich nicht entnehmen, dass die, welche mit falschen Lehren umgehen, in ihrem praktischen Leben tugendhaft und heilig genannt werden. Und die Schrift ist doch auch hierin maßgeblicher als die menschliche Meinung, dass das Leben nicht unbedingt und allemal abhängig sei von der Lehre! Im Gegenteil: manche Stelle der Schrift beweist uns, dass ein richtiges Leben nach Gottes Willen eine richtige Erkenntnis Seines Willens zur Grundlage haben muß, d. h. also eine richtige Lehre! (Vgl. z. B. Kol. 1,9.10!)

Was folgt hieraus? Unter anderem auch das, was für unsere vorliegende Frage von Bedeutung sein dürfte: dass man, wenn angebliche oder wirkliche Bekehrte oder Wiedergeborene, d. h. vielmehr „aus Gott Geborene” (Joh. 1,12.13; vgl. Frage 1 in Jahrbuch 13!), fortgesetzt in einem unlauteren, oberflächlichen oder bösen Wandel erfunden werden, ohne Buße darüber zu tun, daß man, sagte ich, sie auch einmal auf ihre Lehrmeinung prüfen soll! Vielleicht sind sie in bezug auf diese sehr leichtfertig, halten von vornherein die richtige Lehre für wichtiger als das entsprechend richtige Leben, womit sie schon eine unbiblische, ungeistliche Überschätzung ihrer angeblich richtigen Lehre offenbaren würden, abgesehen von gröberen Irrtümern. Wie manche von solchen wissen z. B. ganz gut über Röm. 6 Bescheid, wissen, dass wir mit Christo der Sünde gestorben, in der Taufe begraben (Kol. 2) und mit Ihm auferstanden sind, wissen aber anscheinend nicht, verwirklichen es wenigstens durchaus nicht, dass diese Tatsachen nur solche des Glaubens sind, d. h. dass wir uns im Glauben als mit Christo gestorben erachten dürfen, können und sollen, um im praktischen Leben wirklich „tot für der Sünde verlockenden Reiz” zu sein und „lebend für Christus, nicht lebend für sich” usw., wie es in dem schönen Liede: „Nahe bei Jesu, o Leben so schön!” heißt. Wer die Tatsache des mit Christo Gekreuzigt- und Gestorbenseins nicht nur als im Glauben möglich betont, sondern sich mit der Lehre des mit Ihm Gestorbenseins usw. begnügt, der hat nicht die ganze Lehre sich zu eigen gemacht, und darum kann sein Leben nicht dem entsprechen, was die Schrift uns als Gottes Willen vor Augen stellt. Das ist nur ein Beispiel, und zwar eins für eine unvollkommen erfaßte Lehre, die in der Praxis sich geradezu zu einer Falschheit aufwachsen kann, indem eines solchen Christen Leben zu einem den HERRN verunehrenden wird. Es ließen sich noch manch andere Beispiele nennen! Aber dies eine genüge, um zu zeigen, wie eng Lehre und Leben verbunden sind und wie von einem fortgesetzt bösen Wandel sich sehr leicht Rückschlüsse auf falsche oder unvollkommene Lehren ziehen lassen. Gott erwartet aber von uns mehr als nur ein Pochen auf reine Lehre - so unumgänglich wichtig und unentbehrlich diese auch ist! Er verlangt ein dementsprechend Leben, wie u. a. der ganze 1. Korintherbrief zeigt oder auch der 1. Johannesbrief. Wie ernst ist doch solch ein Wort wie 1. Joh. 1,6: „Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit Ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.” O, möge der HERR uns in Gnaden vor solchem „Wandel” bewahren, ja möchten wir uns nach 1. Joh. 5,18selbst bewahren”, damit uns „der Böse nicht antastet”! (Vgl. auch 2. Kor. 7,1!)

Ich bin am Schluß meiner die Antwort A nur ergänzenden Bemerkungen, die mit jener zusammen dem treuen Leser den Ernst der falschen Lehre und des Erkennens ihrer Verbreiter, der „falschen Brüder” usw., vor Augen führen möchten, auf dass man sich nicht von solchen „nebeneingeschlichenen” Leuten betrügen lasse. Den durch sie entstehenden Gefahren gegenüber müssen wir begegnen durch einen „Wandel in der Wahrheit” (nach 2. u. 3. Joh. V. 4!). Derselbe ist dem Glaubenden möglich, denn nach des Herrn Jesu Wort in Joh. 17,17 ist Sein Wort Wahrheit, und die Wahrheit sollen wir erkennen, und sie wird uns frei machen! (Joh. 8,32) Sein Name sei gelobt!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 15 (1930)