Ewige Gottheit von Jesus Christus?

Haben gewisse Irrlehren einen Schein von Recht, wenn sie in Sprüche 8,22-31 und Kol. 1,15 Gegenbeweise sehen gegen die ewige Göttlichkeit des Sohnes Gottes, unseres Herrn Jesus Christus? Wie begegnet man ihnen am besten?

Antwort A

Die gewaltigen Irrtümer unserer Zeit greifen das Allerheiligste an. Was Jahrtausende der tragende Grund des göttlichen und geistlichen Lebens gewesen ist, wird mit der getrübten Brille menschlicher Vernunft beschaut, mit unreinen Händen betastet und in das Gewöhnliche hinabgezogen. Geradezu verhängnisvoll werden diese Irrtümer, wenn sie sich in den Deckmantel der Schrift hüllen. Das geschieht leider auch in den Kreisen, die den Herrn Jesum nicht als von Ewigkeit her bei Gott, sondern als im Beginn der Schöpfung geschaffen betrachten. Also als eine Schöpfung und nicht als eine ungeschaffene, von Ewigkeit in Gott her und von Gott aus wirkende göttliche Person. Um diesen Irrtum zu stützen, greift man nach verschiedenen Bibelstellen, von denen hauptsächlich drei zu erwähnen sind:
Zuerst Sprüche 8.

Es ist hauptsächlich die Stelle von Vers 24-26, die man als Beweis für die zeitliche Schöpfung Christi anführen zu können glaubt. Sie lautet: „Ich war geboren, als die Tiefen noch nicht waren, als noch keine Quellen waren, reich an Wasser. Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln war Ich geboren; als Er die Erde und die Fluren noch nicht gemacht hatte, und den Beginn der Schollen des Erdkreises.” Wer das Wort richtig teilen will und vor Gott die Pflicht und Verantwortung übernimmt, andere zu lehren, darf keine Stelle der Heiligen Schrift aus ihrem Zusammenhange herausnehmen. Er muss achten auf das, was vorher ist und was nachher folgt, und überhaupt, ob die Schriftstelle, die er anführt oder auf die er seine Lehre begründet, nicht auch andere, gleichlautende in der Bibel hat, welche sie vertiefen, erweitern und erklären. Wer nun diese oben angeführte Schriftstelle im Zusammenhange betrachtet, der muss sagen, dass es sich vorwiegend darum handelt, den Wert, die Bedeutung und Erhabenheit der göttlichen Weisheit für das menschliche Leben richtig einzuschätzen. Der Redner in den Sprüchen ist ein alter, reich an Gnaden- und Lebenserfahrungen in Gott betagter Lehrer. Als seine Zuhörer hat er zunächst die Jugend im Auge und redet jeden Jüngling als Sohn an. (Vgl. 1,8; 2,1; 3,1; 4,1; 5,1; 6,1; 7,1 usw. und besonders 7,24-27.) Die letzten Verse von Kap. 7 schließen mit den Worten: der Jüngling möge sich hüten, den Weg zu betreten, auf dem seine Seele und sein Leib befleckt werden konnten. Um den Schlingen und der List der verführerischen fleischlichen Lust zu entgehen, ist es nötig, dass er sich bemühe, Erkenntnis und Einsicht für das zeitliche und ewige Leben zu erwerben. Diese erlangt er aber nur durch die göttliche Weisheit. So ist es nun einfach die göttliche Weisheit als geistige und geistliche Macht, welche in diesem Abschnitte geschildert wird. Wie hoch erhaben und göttlich groß diese Weisheit ist, wird dadurch gezeigt, dass sie vor aller Schöpfung gewesen ist und gleichsam die göttliche Vernunft war, durch welche der Plan für die Weltschöpfung entworfen worden ist. Es ist also hier nicht von einer Person, die geboren werden soll, die Rede, sondern von einer rein geistigen Macht: der Weisheit, die verkörpert dargestellt wird, die Rede. Fein und mit tiefer Einsicht wird das Wort „geschaffen” vermieden, denn die in Gott lebende Kraft kann nicht geschaffen, sondern nur erzeugt werden, daher finden wir zweimal das Wort „geboren”. Diese Personifizierung der Weisheit hat mit der Person Christi und ihrem ewigen vorweltlichen Dasein bei Gott nur insofern etwas Gemeinsames, als 1. beide, die Weisheit und Christus, von Ewigkeit her bei Gott sind, und 2. wie Christus, als Er in die Welt eintrat, gezeugt wurde, so wird die Weisheit gezeugt durch die Verwirklichung der göttlichen Gedanken in der Geschichte und im Leben des Menschen. Es wäre auch gedankenlos, von einer rein geistigen Macht, die ungreifbar und unfaßbar ist, zu sagen, sie sei geschaffen. Schaffen kann man nur etwas aus Stoff, aus Materie. So ist es ganz klar, dass diese Stelle zwar als Vorbild auf Christum, aber nur als Vorbild betrachtet werden kann: 1. durch das Vorhandensein der Weisheit von Ewigkeit her, und 2. dadurch, dass sie in die Geschichte eintretend „gezeugt” wird. Wäre hier die Rede von einem Geschaffensein der Weisheit, so müßte das in dem Text ausgedrückt sein. Das ist aber nicht vorhanden, und dann, wie schon gesagt, handelt es sich nicht um die Person Christi in diesem Abschnitt, sondern um die göttliche Weisheit für das menschliche Leben.

Die zweite Stelle, die man in mißbräuchlicher Weise als Beweis für die zeitliche Schöpfung Christi anführen zu können glaubt, ist die im Briefe an die Kolosser Kap. 1,15. Sie lautet: „Welcher das Bild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene aller Schöpfung”. Auch hier ist wohlzumerken nicht die Rede von der Schöpfung des Erstgeborenen, sondern von dem Erstgeborenen, der der Träger und der Grund aller Schöpfung ist. Diese Wahrheit wird wiederum durch die von seiten der Irrlehrer arg verstümmelte und mißverstandene Stelle in Offenbarung 3,14 bestätigt, da heißt es: „Dieses sagt Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes”. Das ist nicht gleich mit der Meinung „die erste der Kreaturen Gottes”, sondern der Grund und der geistliche Lebensträger aller Kreatur. Das Wort „arche” bedeutet im Griechischen „Grundlage, Ursache und Träger eines Werkes” oder der Schöpfung.
Es sind also auf Grund der Schrift alle Bezeichnungen des Herrn Jesus als einer kreatürlichen Schöpfung unbiblisch und als widergöttlich abzuweisen.
N. R.

Antwort B

Es gibt im Alten Testament eigentlich nur zwei Stellen, die uns zurückführen zur vorweltlichen Tätigkeit des Herzens Gottes und die uns zugleich eine Andeutung geben, als die Zeit noch nicht gekommen war zur vollen Entfaltung, was Gott in Seinen ewigen Ratschlüssen beschlossen hatte.

Wir finden dies in Psalm 40,6-8 und in Sprüche 8,22-31. Letztere Stelle enthüllt uns das Geheimnis der personifizierten Weisheit Gottes. Wir setzen es als selbstverständlich voraus, dass diese Stelle nur im vollen Lichte des Neuen Testamentes richtig gewürdigt und verstanden werden kann. Wir dürfen Gott dafür anbeten, dass Er uns diese herrlichste und einzigartige Person Seines Sohnes gesandt hat und dies ausführte, was in Spr. 8,31 uns geoffenbaret wird: „Meine Wonne war mit den Menschenkindern”. Christus, die Weisheit Gottes, durchwandert in Spr. 8 nicht nur mit Seinem Auge das Weltall, welches durch Ihn geschaffen, noch nur mit Seinem Herzen, sondern mit Seiner Person, um das praktisch auszuführen, was in Seinem Hetzen war, indem Er Mensch wurde und alles dies auf Sich nahm, was Seine Menschwerdung mit sich brachte: Armut, Leiden, Verachtung und Tod, indem Er es in der Tat zeigte: Meine Wonne war mit den Menschenkindern. Die sittliche Schöpfung gab ihm Gelegenheit, Sein Herz der Liebe zu betätigen und zu entfalten, und nur sie war fähig, in Herzensgemeinschaft, durch Seine Gnade, mit Ihm zu treten. Hier kommen wir in Berührung mit den größten Geheimnissen und Wundern unseres Gottes in Christo.

Es ist nicht möglich, im Rahmen einer bemessenen Antwort eine Auslegung zu geben, noch können wir all den Spitzfindigkeiten, die man aus diesem Schriftwort abzuleiten versucht, ausreichend begegnen, doch vertrauen wir dem HERRN, dass das geistliche Gemüt des Fragestellers voll befriedigt wird.

Dass hier der Herr Jesus als die Weisheit Gottes 1. in der Schöpfung und 2. in der Erlösung vorgestellt wird, ist uns über allen Zweifel erhaben; denn Jehova hat durch Weisheit die Erde gegründet und durch Einsicht die Himmel festgestellt, Spr. 3,19. Wir halten dafür, dass das gesamte Universum des Herrn Christi Herrlichkeit in verhüllter Form jetzt schon für das erleuchtete Auge zeigt, wie es in vollkommener Enthüllung sein wird, wenn das Weltall nicht nur Seine Schöpferherrlichkeit zeigen wird, sondern bekleidet sein wird mit der allüberragenden Herrlichkeit Seiner Erlösung. Alle Dinge, geistlich und stofflich, sichtbar und unsichtbar, haben Beziehung zu Ihm, Der der Mittelpunkt des geistigen, sittlichen und materiellen Weltalls ist. Nichts ist geschehen ohne den Herrn Jesus. Kein Atom wurde geschaffen, in Bewegung gesetzt, nach einem Ziele bestimmt ohne Ihn. Er ist das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende aller Wege Gottes mit der unsichtbaren und sichtbaren Schöpfung. Mit dieser dreifachen Doppelbenennung belegt Sich der HERR am Ende der Bibel, im letzten Buch, wo wir die Erfüllung aller Wege Gottes finden. Das siebenfache „Ich” im letzten Buche - im letzten Kapitel der Bibel verdrängt jedes andere „Ich”, weil Er der einzige Mittelpunkt ist, um den sich alles dreht, und der dann den Ihm von Gott gegebenen Platz ewig eingenommen hat. Wenn wir Spr. 8 aufmerksam lesen, finden wir, dass alles in der Zeitform der Vergangenheit gehalten ist. Vers 22: „Jehova besaß mich ... vor Seinen Werken von jeher”. Vers 23: „Ich war (nicht ich wurde) ... vor...

Vers 24: „Ich war geboren”. Hier finden wir einen Ausdruck, der häufig dazu benutzt wird, den HERRN Seiner göttlichen Herrlichkeit zu entkleiden. Was sich der Mensch nicht alles geleistet hat! Dies besagt keineswegs, dass Christus in Seiner Person einen Anfang hatte, sondern, dass Er als Weisheit in der Schöpfung erst dann in Tätigkeit trat, als sie geschaffen wurde; vorher wäre es Ihm nicht möglich gewesen, als solche Sich zu betätigen. Christus ist noch viel mehr als die Weisheit Gottes in der Schöpfung. Die Herrlichkeit Seiner Person, die unerschöpflich ist, ist doch nicht mit dieser einzigen Tätigkeit erschöpft! Wir nehmen vielmehr an, dass Christus als Weisheit geboren war, als die Quellen geboren wurden. Gegenüber allem Geschaffenen ist Er der Schöpfer - allem Werdenden das Ewigseiende. Er war, als alles wurde.

Wenn wir Stellen wie Ev. Joh. 1,1-3; Hebr. 1,2; Kol. 1,17 heranziehen, dann werden wir erkennen, dass Er ist (nicht „wurde”; Gott kann kein Geschöpf werden!) Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit.

In 2. Sam. 22,36 sagt David: „Deine Herablassung machte mich groß”. Heute wird von allen möglichen Irrlehrern der Sohn Gottes infolge Seiner Herablassung - Menschwerdung, Knechtsgestalt und Armut - klein gemacht, indem man Ihm Seine göttliche Herrlichkeit rauben möchte. So geschieht es auch mit der Bezeichnung „Erstgeborener”. Ein Ausdruck, der siebenmal im Neuen Testament auf den HERRN angewandt wird.

In Mt. 1,25 und Lk. 2,7 wird der HERR so bezeichnet, weil Er das erste Kind der Maria war; aber in diesen zwei Evangelien, wo Er so bezeichnet wird, ist uns auch gesagt, dass Maria eine Jungfrau war, etwas, was es sonst gar nicht gibt, weil eine Jungfrau ihre Jungfreuschaft durch die Geburt eines Kindes verliert. Doch Maria war Jungfrau, weil sie schwanger wurde durch den Heiligen Geist. Vgl. Mt. 1,20.23. Wie geheimnisvoll ist allein schon die Geburt des HERRN, wie viel geheimnisvoller noch ist Seine Person! Profane Hände wollen dieses Geheimnis lüften und verunehren dadurch den HERRN der Herrlichkeit. Niemand durfte die Bundeslade schauen. Selbst wenn der Hohepriester am großen Versöhnungstag hineinging in das Allerheiligste, bedeckte eine Weihrauchwolke die Bundeslade, und auf der Reise musste sie ständig bedeckt sein. Hätte jemand die Decken gelüftet, so wäre er sofort gestorben. Wenn nun das Bild vom HERRN, die Bundeslade, so geheimnisvoll war, wieviel mehr Er, der in diesem Bilde vorgestellt wurde. Die Seraphim in Jes. 6 bedeckten ihre Angesichter in Seiner Gegenwart, aber die Menschenkinder erdreisten sich, Ihn Seiner Herrlichkeit zu entkleiden. In Hebr. 1,6 wird der HERR als Erstgeborener in Seiner göttlichen Herrlichkeit gezeigt; denn alle Engel Gottes sollen Ihn anbeten. Anbetung wird nur einer göttlichen Person erwiesen, nie einem Geschöpf. Vgl. Off. 19,10. Diese eine Stelle müßte genügen, um zu beweisen, dass dem HERRN als Erstgeborenem göttliche Herrlichkeit eigen ist, ja daß, weil Er als Erstgeborener bezeichnet wird, Er Gott sein muß. Als „Erstgeborener” wird nicht Seine zeitliche Erscheinung in geschöpflicher Gestalt in Seiner Schöpfung hervorgehoben, sondern Sein Rang und Seine Würde. Der HERR musste notgedrungen als Schöpfer, als Gott, den ersten Platz in Seiner Schöpfung einnehmen, wenn Er Selbst als zweiter Mensch und letzter Adam zeitlich später erschien in Gestalt des Geschöpfes als der erste Mensch.

Der HERR nimmt daher den ersten Platz den Engeln gegenüber ein; in der Geistesweit werden darum alle Engel Gottes den Erstgeborenen anbeten.
Nach Kol. 1,15 ist Er der Erstgeborene aller Schöpfung. Dies wird begründet durch den darauf folgenden Vers, der mit einem „denn” anfängt. Weil Er der Schöpfer der unsichtbaren und sichtbaren Schöpfung ist, nimmt Er den ersten Platz ein, denn Er muss in allen Dingen den Vorrang haben.

Wer die Verse Kol. 1,15-19 liest und dann noch an der ewigen Gottheit Christi zweifeln kann, dem kann nach unserer Auffassung auch die verständlichste, lehrhafte Abhandlung über die Person des HERRN keine Hilfe bieten, weil er verblendet ist.

In Kol. 1,18 und Off. 1,5 wird Er uns als der Erstgeborene aus den Toten vorgestellt. Er nimmt den ersten Platz in der Welt der Auferstehung, der neuen Schöpfung ein. Dieser Platz gründet sich nicht nur auf die Herrlichkeit Seiner Person, sondern auch auf Seine heilige, vollkommene Menschheit und Sein vollbrachtes Erlösungswerk. Hier erst finden wir, nie vorher, dass Menschen mit Ihm ewiglich in dem Segen des Auferstehungslebens verbunden werden, so dass sie eine neue Lebenseinheit vor Gott bilden. Doch finden wir nach Röm. 8,29, dass Er auch in diesem Kreis des neuen Lebens denen gegenüber, die mit Ihm als Mensch daran teilhaben, die Rang- und Würdestellung als Erstgeborener einnimmt. Als Gott nahm der HERR außerhalb der Schöpfung Seinen Platz ein, d. h. Er stand über der Schöpfung als Schöpfer. Vgl. 1. Kön. 8,27. Als Er aber Mensch wurde, musste Er gemäß den Rechten Seiner Gottheit den ersten Platz als Erstgeborener der Engelwelt oder geistigen Welt gegenüber, - in der sichtbaren Schöpfung, in der geistlich-sittlichen Schöpfung (Röm. 8,29) und in der neuen Schöpfung durch Seine Auferstehung einnehmen. Wie wenig verstehen wir Seine Herrlichkeit, ja wie wenig ahnen wir sie! Wir, die wir Sein sind, freuen uns mit ewiger Freude, dass Er in allen Dingen den Vorrang hat gemäß der ewigen Herrlichkeit Seiner Person und auf Grund dessen, was Er getan hat. - Anbetung Ihm!
K. O. St.

Antwort des Schriftleiters

Vorstehende zwei Antworten werden in ihrer Mannigfaltigkeit und gleichwohl Einmütigkeit, was die Hauptsachen anbelangt, hoffentlich dem Frager (in der Schweiz) wie allen Lesern gesegnete Dienste tun! Eine dritte Antwort, die mir versprochen war, ist (leider) ausgeblieben; sie wird, so der HERR will, im nächsten Heft als besonderer Aufsatz erscheinen. Da diese Antwort fehlt, muss ich noch näher auf die Stelle eingehen und dazu weiter ausholen.

Auch ich bin seit langem überzeugt, dass wir zunächst nach dem Zusammenhang der Stelle in Spr. 8 an die in Person redende Weisheit zu denken haben und nicht in erster Linie an Christus. Darum würde mir auch eine Übersetzung, wie etwa die der französischen Bibel oder auch der katholischen von Leander van Eß (die vielleicht nach der oft ungenauen „Septuaginta”, der griechischen Übersetzung des A. T. - vergl. Jahrbuch I, Frg. 44 -, sich richten) zu V. 22: „Der HERR hat mich geschaffen, das erste Seiner Werke” (wonach meines Wissens u. a. jene bekannte Irrlehre ihren Jesus „das vornehmste der Geschöpfe Gottes” nennt) keine Schwierigkeit machen. Denn ich würde diese Stelle, wenn sie nur so lauten könnte, nie und nimmer auf den Christus Jesus der Schrift anzuwenden in Gefahr kommen, da ich Ihn kenne als das ewige Wort, als den, der nach Joh. 1,1-3 1. im Anfang war, 2. bei Gott war, 3. Selbst Gott war. Er hat also genau wie Gott ewige Existenz, war gleichwohl von Gott unterschieden und war, wie ewig, so auch Selbst Gott. Und in Ihm war Leben und Licht nach V. 4 u. ff., und nach V. 14 „ward das Wort Fleisch und zeltete unter uns, und wir sahen Seine Herrlichkeit”. Eine einzige (und es ist nicht die einzige!) solche Stelle genügt völlig, um alle Irrlehren gegen die ewige Gottheit unseres teuren HERRN wie leere Spreu zu verwehen. Will man aber an obiger Übersetzung von Spr. 8,22 als einzig haltbarer festhalten und sie dennoch auf Christus anwenden, nun wohl dann bezieht die Steile sich lediglich auf Ihn als die Weisheit, wie sie da auftrat, als überhaupt Weisheit walten mußte, als es sich um die Grundlegung der Welten handelte und in einer diesen Welten verständlichen Weise von dem Schöpfer derselben geredet werden sollte (man vergesse auch nicht, dass die Sprüche in dichterischen Formen reden!): Christus, durch den alle Dinge sind, wurde gleichsam in Seinem Charakter als Weisheit geschaffen (nicht etwa in Seiner Person oder in Seinem Wesen - furchtbarer Gedanke, echt satanischen Ursprungs!), um als solche in Seiner Schöpferherrlichkeit erkannt zu werden, wie Er einst am Kreuz uns zur Weisheit gemacht wurde (1. Kor. 1,30), um in Seiner Erlöserherrlichkeit von uns erkannt zu werden. In dieser Weise könnte sich in etwa jene natürlich mögliche Übersetzung rechtfertigen lassen, eine Übersetzung, die noch wörtlicher, als dort gegeben, so hieße: „Jahve (Jehova) hat mich geschaffen - den Anfang Seines Weges, das Früheste (zeitlich) Seiner Werke von jeher”. Wie gesagt, auf die Weisheit bezogen, die Jehova (das ist der Ewigseiende) geschaffen hat, hat diese Übersetzung Sinn, auf den ewigen Sohn bezogen aber nur etwa in Seinem in die Erscheinung tretenden Charakter der göttlichen Weisheit in ihrer Schöpferherrlichkeit. Keineswegs aber darf eine solche alttestamentliche Stelle, in der durchaus nicht klar gesagt ist, dass es sich um Christus handelt, mißbraucht werden, um klare, unzweideutige, im vollen Lichte des N. T. geoffenbarte Lehren zu entkr äften. Aber nun noch eins: Ich kann nach bestem Wissen und Gewissen diese Übersetzung auch nicht als die allein haltbare gelten lassen, im Gegenteil! (Der Einsender der Antwort A, als Judenmissionar ein äußerst hervorragender Kenner des Hebräischen, wäre allerdings zuständigergewesen als ich, sich dazu zu äußern!). Soweit ich weiß, hat das hebräische Wort, auf das es ankommt, ebensowohl die volle Bedeutung von „sich verschaffen” und „erwerben” und (übertragen) „besitzen”. Man vergl. dazu: 1.Mose 4,1: „ich habe erworben ...” und Spr. 4,5.7, wer könnte hier wohl sagen: „schaffe Weisheit!”, und 16,16; in Jes. 1,3 steht das Partizip (Mittelwort) des Zeitworts in der Bedeutung von „Besitzer”; ein Ochse aber kann nicht seinen Schöpfer kennen, jedoch seinen Besitzer sehr wohl! - Weiter - das, was jene Übersetzung als „das Vornehmste Seiner Werke” (doch vergleiche meine Übersetzung „das Früheste”, also zeitlich, wohl nicht dem Range nach) wiedergibt, kann ebensowohl als adverbialer vierter Fall gebraucht, wie in Ps. 119,152, „von altersher” heißen. Was inder Elberfelder Übersetzung in V. 23 übersetzt ist „vor den Uranfängen der Erde”, enthält das gleiche Wort. Somit erhielten wir die Übersetzung, ähnlich der Elberfelder: „Jehova besaß mich als Anfang Seines Weges, von altersher Seiner Werke, von jeher”. Von dieser Übersetzung aus ist es leicht zu übertragen „vor Seinen Werken” oder, wie die Miniaturbibel hat: „ehe Er etwas machte”, heißt doch das hebräische Wort ursprünglich nur „was vorn ist” (Ps. 139,5vorn”). Beziehen wir bei letzterer Übersetzung diese Stelle auf Christus als die persönliche göttliche Weisheit, so ist danach ihre und somit Seine Ewigkeit unleugbar. Doch ich betone, wie eingangs erwähnt (vgl. Antwort A), es handelt sich meines Erachtens zunächst um die Weisheit, nicht um Christus, und erst im Lichte des N. T. gesehen, steht es uns zu, diese ganze Stelle übertragen auf den Herrn Jesus Christus zu beziehen, und wie kostbar ist sie dann! - Aber noch einmal: Lassen wir uns nicht durch scheinbare Unklarheiten solcher und anderer alttestarnentlicher Stellen, die eine ganz andere ursprüngliche Bedeutung haben, neutestamentlich klar offenbarte Lehren verdunkeln!
Auf die Stellen aus den Kolosserbrief und Off. 3,14 ist oben gründlich genug hingewiesen, was meine volle Zustimmung hat; insbesondere lese auch ich in Off. 3,14: „der Ursprung, die Ursache der Schöpfung Gottes”. Doch lässt sich die Stelle ebensogut beziehen auf den Anfang der Schöpfung Gottes, im Sinne der neuen Schöpfung, begonnen mit „dem zweiten Menschen” (in Laodizea herrscht der erste Mensch). Zu dem Würdetitel „Erstgeborener” sei noch hingewiesen auf 2. Mose 4,22; Ps. 89,27; Jer. 31,9; vgl. auch Hebr. 12,23! Aber in Antwort B ist dieser Gegenstand voll und klar ins Licht gestellt. Also genug davon! Zu der ganzen Frage bitte ich noch zu vergleichen Jahrbuch I, Frage 10 und VI/17!

Es ist von erschütterndem Ernst, dass die Russell'sche Milleniums-Tagesanbruchlehre, „die Zions-Wachtturm-Gesellschaft” (sogen. „ernste Bibelforscher”), die meines Erachtens weitaus gefährlichste Irrlehre der heutigen Zeit, stark an Anhang und Bedeutung gewinnt. Ganz abgesehen von manchen anderen Gründen dafür ist ihre Ausbreitung mit auf den Umstand zurückzuführen, dass viele unklare Gläubige (und Halbgläubige) verschiedener Richtungen es für ihre Pflicht halten, um alles zu „prüfen”, überall hinzugehen, wo es etwas Neues, Bestechendes zu hören gibt (vgl. Jahrbuch VI, Frage 20!), ohne zu bedenken, dass ein Christ durchaus keine Freiheit hat, zu tun oder zu lassen, was er will, sondern, dass er dem HERRN und Seinem Worte in allem unterworfen ist. Und durch solch meist ganz urteilsloses „Prüfen” werden sie dann dem Irrtum zur Beute. Nun wird aber behauptet, in jener Lehre sei mancherlei Wahrheit (wenn auch stark mit Irrtum vermischt), besonders über zukünftige Dinge u. a., und man könnte auch von dieser Lehre etwas lernen und annehmen, man diene der Wahrheit nicht, wenn man wirklich vorhandene Wahrheiten verwerfe, nur weil Russell sie lehre usw. Solche Worte, besonders von bekannten Männern ausgesprochen, haben viel Verführerisches an sich. Aber ich möchte uns dem gegenüber fragen: Haben wir ein biblisches Recht, Gutes und Wahres von einer Lehre anzunehmen, welche die einige Göttlichkeit des Sohnes und Seine leibliche Auferstehung sowie die Göttlichkeit des Heiligen Geistes leugnet und sich dabei auf die Schrift beruft? Die unseren herrlichen Heiland, den ewigen Sohn, Gott von Ewigkeit her (Joh. 1,1ff.) als ein geschaffenes Wesen, einen Engelfürsten hinstellt und von Seiner leiblichen Auferstehung in Worten redet, die man als bibelgläubiger Christ kaum aussprechen mag? In solcher Lehre Gutes und Wahres anzuerkennen und sich anzueignen, in einer Lehre, die die Grundlagen der Wahrheit völlig zerstört, welche die Wahrheiten der Schrift nur nimmt, um sie in jeder Hinsicht zu verdrehen (vielleicht machen viele ihrer Anhänger mit aus Unkenntnis dessen, was sie tun, aber das gibt uns doch kein Recht, ihnen darin zu folgen!), das heißt nichts anderes, als vom Satan selbst Wahrheiten oder gar nur Halbwahrheiten und Gutes anzunehmen, und dagegen sollten wir doch schon durch des Herrn Jesus Versuchungsgeschichte und durch Pauli Verhalten in Apg. 16,16-18 (vgl. des Herrn Jesus Dämonenaustreibungen) gefeit sein!

Aber muss man jene Lehre nicht kennen, um ihr begegnen zu können? Geschwister, wir müssen die Schrift, die Wahrheit kennen, das ist die Hauptsache, dann können wir der Lüge begegnen, wo immer wir mit ihr zu tun bekommen. Wir müssen vor allem Christus kennen und alles, was Ihn betrifft, dann sind wir über jene Lehre bald im klaren, und weder ihre „verführerisch wirken sollende” (?), höchst komplizierte und doch sehr oberflächliche Erlösungslehre mit ihrer Werkgerechtigkeit noch ihre Lehre von den letzten Dingen (die ganz und gar schriftwidrige „Vernichtungslehre” eingeschlossen) usw. kann uns etwas anhaben. Wer überhaupt auf die Frage: „Was und wer ist für Sie Jesus Christus?” nicht eine ganz sonnenklare biblische Antwort zu geben weiß, wer irgendwie Zweifel an Seiner ewigen Gottheit durchblicken lässt und für uns offenbar ist als einer, der Irrlehren bringt, mit dem haben wir zu handeln nach 2. Joh. 7 und 9-11! Wir haben dann auch gar kein Recht, uns über seine sonstigen Lehren noch weiter mit ihm zu unterreden. Wer die Wahrheit, den Christus der Schrift, nicht kennt und bringt, wie kann der sonst die Wahrheit bringen? - lasst uns wachsam und gehorsam dem Worte sein und mehr werden, als betend erfunden werden und gerüstet sein mit der Waffenrüstung nach Eph. 6,12-18 - dann werden wir allezeit, auch was dieses und andere satanische Gebiete anbelangt, Überwinder sein. Der HERR gebe uns Licht und Gnade dazu!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 9 (1923/24)