Erbauliche Erklärung Jesaja 26,12-21

Ich bitte um eine belehrende und erbauliche Erklärung der schönen Stelle Jes.26,12-21 (V. 14: „die nun tot sind, werden nicht wieder lebendig“; V. 19: „deine Toten werden leben!“)

Antwort A

Fürwahr, eine schöne Stelle! Ausschnitt aus dem Abschnitt Kap. 24-27, welcher Abschnitt seinerseits den Schlußteil bildet des zusammenhängenden Teiles, der sich von Kap. 13,1 bis 27,13 erstreckt, und von einem Ausleger bündig-treffend „das Verdreschen der Nationen” betitelt wird, in Anlehnung daran, dass Juda-Israel, welches auch sein Teil von den Gerichten abbekommt, von Jehova „Mein Gedroschenes und Sohn Meiner Tenne” genannt wird, Kap. 21,10. Vergl. Mt. 3,12: „Er wird Seine Tenne durch und durch reinigen.” Eine „belehrende” Erklärung erfordert den Hinweis darauf, dass die in diesem Teil des Jesaja sich findenden 10  orakelmäßigen Aussprüche „oder Lasten” über verschiedene Nationen, womit die Zeit der Gerichte und die Zeit des anhebenden Segensreiches gemeint ist.

Der Abschnitt Kap. 24-27 ist eine Zusammenfassung der Kap. 13-23 und ein Schlußwort dazu. „Die Prophezeiung beginnt (24,1), wie es scheint, mit dem Lande Israel und geht nachher auf die ganze Erde über.” Gericht und Segnung, und Dank und Freude über letztere ziehen abwechselnd an uns vorüber. Die Treuen des Volkes, „die Gerechten”, haben Verständnis für das Tun Jehovas, ihres Gottes. Sie haben Ihn erwartet auf dem Pfade Seiner Gerichte (26,8), die sowohl das eigene Volk, und damit sie selber, als auch die Nationen treffen müssen, damit Raum werde für „das gerechte Volk, welches Treue bewahrt” (26,2), damit „die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit lernen (26,9).

Fremde waren für sie selber zur Züchtigung bestellt gewesen, das verstanden sie wohl. (Hab. 1,12) Sie beugten sich und hängten sich umsomehr an ihren Gott. Nach Seinem Namen und nach Seinem Gedächtnis, nämlich dass Er ist „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs” (2. Mose 3,15), ging das Verlangen ihrer Seele, womit sie sagen wollen: Wir warten sehnsüchtig und vertrauensvoll darauf, dass Du Deine den Vätern gegebenen Verheißungen einlösest. Und der Glaube nimmt vorweg, was er erwartet. Es ist ihm Bedürfnis (Jes. 26,12), die noch zukünftige Verwirklichung in die Gegenwart zu rücken und sich Jehova gegenüber auszudrücken, dass Er ihnen, den jahrtausendelang Umhergestoßenen, Frieden geben und dass Er für sie vorführen wird, was das Ergebnis gewesen wäre, wenn sie in den Zeiten, da sie ihres Ungehorsams wegen von Feinden unterjocht waren, auf die Stimme der Propheten gehört hätten und zu Jehova umgekehrt wären: von den Unterdrückern erlöst und ein Segen für die Welt zu sein. „Unsere Werke” betiteln sie das. (Auch der Unglaube will Werke der Befreiung tun, z. B. der Zionismus. Wenn Er es nicht herbeiführt, sagen aber auch heute fromme orthodoxe Juden, Gegner des Zionismus, so nützen alle Anstrengungen nichts.) Das führt den Glauben dazu, Rückschau zu halten. Wie seelenbetrübt kommt es aus dem Munde der Treuen, die danach schmachten, dass Jehova doch wieder die Herrschaft über Sein Land und Volk haben möchte, wie im Anfang ihrer Geschichte: „Andere Herren haben über uns geherrscht!” Ja, wie viele waren dieser im Laufe und Wandel der Zeiten, von den Herrschern der umliegenden Völker zur Richterzeit über die Chaldäer, Perser, Syrer, Römer und die Herrscher der Länder, in die sie verstoßen wurden, bis hin zum Antichrist und dem Haupt des neuerstehenden römischen Weltreiches! Welch ein Schmerz für die Treuen, die fühlen, was das für eine Schmach nicht nur für sie, sondern für Jehova, ihren Gott, ist! Daher ihr Schreien in den Psalmen: „Erwache, HERR! Warum schläfst Du?” Jeden anderen Herrn weisen sie in ihrem Innern von sich: „Durch Dich allein gedenken wir Deines Samens!

Das ist alles so lebendig in der Seele, dass sie sich wieder hingetragen sehen in die Zeit, wo die Herrschaft der fremden für immer zu Ende gekommen ist. Daher: „Tote leben nicht auf, Schatten, d. i. die ins Totenreich hingestreckten Herrscher (Jes. 14,9), erstehen nicht wieder, Du hast sie vertilgt, dass sogar das Gedenken an sie verschwunden ist.” In der Tat, wo wird in der Zeit des Reiches, der Herrschaft Christi, noch ein Gedenken an all die Unterdrücker der Juden sein? Und andererseits, wie schon in Kap. 9,3 zu lesen ist, ist die dem Abraham gegebene Verheißung erfüllt: Seine Nachkommen sollten zahlreich sein wie der Staub der Erde, wie die Sterne des Himmels, wie der Sand am Ufer des Meeres, und ihm sollte das Land vom Nil bis zum Euphrat gehören: 1. Mose 13,16; 15,5.18; 22,17. Dass das vorübergehend unter Salomo da war (nur bis zur Grenze Ägyptens, 1. Kön. 4,20.21), kommt nicht in Betracht. Der weitausschauende Blick des Geistes sieht den Anfang der endgültigen Erfüllung: „Du hast die Nation vermehrt, hast dich verherrlicht (durch Wegtun der Widersacher und Einlösung Deines Versprechens), hast hinausgerückt alle Grenzen des Landes.” (26,15)

Doch ach! in welcher Bewegung ist die Seele bei dieser Schau! Zu lebendig, zu vibrierend in ihr ist noch die durchkostete Zeit des Jammers, der Mühsal, als dass sie leicht darüber wegkäme; alles empfindet sie gemeinschaftlich mit den Genossen nochmals durch, wie sie unter der züchtigenden Hand Jehovas Ihn, eben Ihn suchten mit flüsterndem Gebet (V. 16), d. i. in tiefer Zerknirschung unter Selbstgericht und doch ohne das Vertrauen fahren zu lassen. Wie erschütternd der Vergleich mit einer Schwangeren! (V. 17) Wie atemraubend für den Leser, wenn er im Geiste mitgeht in ihre Hilflosigkeit hinein, in die Fruchtlosigkeit der krampfhaften Bemühungen, Rettung zu schaffen! ... und das Ergebnis: „Die Bewohner des Erdkreises sind nicht gefallen!” (V. 18)

Bis dahin lässt Gott es kommen. Geschieht es nicht öfter so im Leben des einzelnen heute noch? Anerkennen muss der Mensch: Ich bin zu Ende mit meiner Kraft und Weisheit! Dann aber können die Erbarmungen Gottes sich nicht länger zurückhalten, „alle sind sie erregt”, wie Er in Hosea 11,8 sagt. Greift Er nicht sofort ein, so ermutigt Er doch den Glauben durch kräftigen Zuspruch. Haben die Treuen in ihrer Glaubenszuversicht, dass das Eingreifen Jehovas zu ihren Gunsten radikal sein wird, von ihren Unterdrückern gesagt: „Tote stehen nicht auf, Schatten erstehen nicht wieder”, so greift Jehova diese selben Ausdrücke auf, wendet sie auf Sein Volk an und spricht über sie das Gegenteil aus.

D. Verf.

Und wie zartfühlend und doch das Herz bebend machend vor Wonne geht Er dabei zu Werke! Deine Toten, o Mein Volk, das sind Meine Leichen! „Deine Toten werden aufleben. Meine Leichen wieder erstehen!” (V. 19) Wer mit der Bildersprache der Schrift vertraut ist, weiß, dass mit diesen Worten gemeint ist, dass Israel in seinen seit Jahrtausenden zur Erniedrigung verurteilten Gliedern geschildert ist. Das Bild ist hergenommen vom Menschen, der als Toter, als Leiche, Staub im Staube wird. Daher der weitere Zuruf: „Machet auf und jubelt, ihr Bewohner des Staubes!” und der Anspruch: „Die Erde wird die Schatten auswerfen”, d. h. die wie Schatten der Unterwelt, nachdem sie ins Grab gesunken sind, dahinleben, werden sie durch Erschütterung der Mächte, die sie im Banne halten, an die Oberfläche der Erde, d. i. des neugeordneten Zustandes der Völkerwelt, kommen.

Ohne auf andere Auslegungen einzugehen, sei für den, der guten Willen zum Lernen hat, hingewiesen auf Psalm 71,20: „Du, der Du uns viele Bedrängnisse und Übel hast sehen lassen, Du wirst uns wieder beleben, und wieder heraufführen aus den Tiefen der Erde.” Ist das Heraufführen lebender Menschen aus den Tiefen der Erde bildlich oder buchstäblich zu verstehen?!

Ferner sei hingewiesen auf Hosea 6,2; 13,1.14. Wenn die Stelle 6,2 auch nicht so auffällig ist, meint sie deswegen nicht, was Psalm 71,20 meint? Und ist sie nicht das Gegenstück zu 13,1a: „Ephraim starb”? Ist das bildlich oder buchstäblich? Und hat der Geist nicht doch etwas Auffälliges in 6,2 gelegt? „Er wird uns nach zwei Tagen wieder beleben, am dritten Tage uns aufrichten”: Wem fällt da nicht die Auferstehung des HERRN ein, die nach vollbrachter Sühnung die Grundlage für die nationale Auferstehung Israels ist? Auf dass Er durch Sein eigenes Blut das Volk heiligte” (Hebr. 13,12). - Ephraim, das Zehnstämmereich, starb, indem es als solches vom Schauplatz verschwand und bis heute verschwunden ist. Durch die vielen Züchtigungen vor der assyrischen Gefangenschaft hat Jehova das Volk zerrissen, wie der Löwe einen Körper zerreißt, geschlagen, wie ein Züchtiger schlägt (Hos. 6,1); Er wird auch heilen, wird verbinden. Ist das bildlich oder nicht? Also auch das andere: wieder beleben, wieder aufrichten; „und so werden wir vor Seinem Angesichte leben.” Ist das nicht bildlich vom Volk als solchem gesagt? Darum sind auch die Totenerweckungen Jesu Angelder auf die Erfüllung dieser Worte der Schrift. Die Auferweckung des „Jünglings zu Nain”, von „Jairi Töchterlein”, „des Lazarus” sind nicht einfach Wunder der göttlichen Macht Jesu, sondern Hinweise auf das, was an dem Volk als solchem durch die Wundermacht Gottes geschehen wird. Bevor gesagt wird: „Ephraim starb”, wird Israel-Ephraim als junger Sohn und als alternder Mensch mit grauem Haar vorgestellt: Hos. 11,1 und 7,9. Vom Greise ist es, immer bildlich, nur ein Schritt bis zum Sterben. - Und Vers 14 von Hos.13 im Zusammenhang mit dem Vorhergehenden gelesen, setzt weiter außer Zweifel, dass die Sprache bildlich ist, dass Ephraim, das Volk als solches, dem Todesverderben, dem es verfallen ist, entrissen wird und dass es danach Frucht trägt (V. 15). Diese Deutung wird erhärtet durch das Wort: „Reue ist vor Meinen Augen verborgen” (V. 14), d. h. „die Gnadengaben und die Berufung Gottes” hinsichtlich Israel sind „unbereubar” (Röm. 11,29): Er lässt das Volk als solches nicht im Rachen des Todes. Die Anwendung der Stelle durch Paulus in 1. Kor. 15,54 auf uns Christen ist eine Sache für sich. Das Wort wird an uns eine persönliche, buchstäbliche Erfüllung finden. Im Propheten ist aber das Volk Israels als solches gemeint. Der Auferstehungsglaube war von jeher bei den Gläubigen, wie wir ihn schon in Hiob sehen, etwas so Selbstverständliches, dass der Geist Gottes die Auferstehung des Leibes als Bild zur Darstellung nationaler Auferstehung gebraucht. Beiläufig auch, falls jemand auf der Deutung persönlicher Auferstehung bestehen sollte: Würde Gott für die verstorbenen, der Auferstehung harrenden Gerechten den Ausdruck: „Meine Leichen” gebrauchen, da doch von den allermeisten derselben kein Stäubchen mehr übrig ist durch Verwesung, Verbrennung, Verzehrtwerden durch wilde Tiere oder im Meere durch Fische, oder gar wegwerfend: „die Schatten” eigentlich „Schlaffen”, „Hingestreckten”? (Vgl. als Gegensatz „Geister der vollendeten Gerechten!Hebr. 12,23!) Während angewandt auf vom Schauplatz weggeschobene, in Erniedrigung dahinvegetierende Völkerschaften das Bild höchst eindrucksvoll ist.

Es braucht nur noch Hes. 37 angeführt zu werden, dann ist die Darstellung vollends als bildliche erhärtet. Von den Leichen, dem Volkskörper als in seinen Einzelpersönlichkeiten gedacht, sind nur noch die verdorrten Gebeine da. Und doch steht auf einmal ein großes Heer da, V. 10. Und wer ist dieses große Heer? Wer sind diese Totengebeine? „Das ganze Haus Israel” (V. 11a). Und sie, die Lebenden, bezeichnen sich selber bildlich so!: „Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren; wir sind abgeschnitten” (V. 11b). Und um ja alles deutlich zu machen, wird in V. 12 ein anderes Bild gebraucht, das von Gräbern, nicht nur von über den Erdboden hingestreuten Totengebeinen. Kann’s noch deutlicher gesagt werden, dass es sich um die nationale Auferstehung handelt, wenn in den Versen 12-14 die Rede ist vom Gräberöffnen, vom Daraus-Hevorkommen-lassen, vom Ins-Land-Israel-Bringen? wenn Jehova spricht: „Ich werde Meinen Geist in euch geben, dass ihr lebet”, und Er dann in den Versen 15-28 das Wohnen im Lande beschreiben lässt? Wozu noch Kap. 36 gelesen werden möge!

Es bleibt zu sagen übrig, dass auch Daniel 12,1-3 sich auf Israel als Nation bezieht. V. 1 spricht von der großen Drangsal und davon, dass das Volk Daniels errettet werden wird, womit nicht unterschiedslos jedes Glied am Volkskörper gemeint ist (die meisten kommen in den Gerichten um!), sondern „jeder, der im Buche geschrieben gefunden wird.” Was es mit dem Buche für eine Bewandtnis hat, ist aus Jes. 4,3 und Hes. 13,9 ersichtlich. Die im Buche Geschriebenen sind die Entronnenen Israels und speziell die in dem in jener Zeit belagerten Zion-Jerusalem (Jes.22 und 29 und Sach. 14) Übriggebliebenen, Übriggelassenen. Wir befinden uns immer auf dem nationalen Boden Israels. Nicht kommt das Buch des Lebens der Offenbarung in Frage. „Die im Staube der Erde schlafen und erwachen” meint dieselbe nationale Erniedrigung und denselben nationalen Wiederaufstieg Israels, von dem die bisher behandelten Stellen sprechen. Und auch das im Ergebnis näher erläuterte Erwachen, einerseits zum Leben, andererseits zu Schanden, d. i. zu Fülle von Schande, geht nicht über den Rahmen des Nationalen hinaus, was schon dadurch unwidersprechlich ist, dass hier das Erwachen ein gleichzeitiges ist für beide Teile und sich auch nur auf „viele” erstreckt, nicht auf „alle” gestorbenen Menschen (was ein Widerspruch zu den Worten Jesu in Joh. 5,28 wäre), während nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes die Auferstehung des Lebens vor und zu Beginn des Reiches stattfindet, die Auferstehung des Gerichts (Joh. 5,29) am Ende desselben, beim Übergang von der Zeit in den ewigen Zustand; zum mindestens 1000 Jahre später. (Off. 20,5) „Zum Leben eingeschrieben in Jerusalem”, Jes. 4, mit der angefügten Zeitbestimmung: „Wann der HERR den Unflat der Töchter Zions abgewaschen und die Blutschulden Jerusalems aus dessen Mitte hinweggetan haben wird” (V. 4) ist eindeutig klar. Desgleichen das prophetische Wort Davids in Psalm 133: „... Berge Zions; denn dort hat Jehova den Segen verordnet, Leben bis in Ewigkeit.” Ist das im Himmel oder auf Erden im Reiche? Diese Stellen sagen doch wohl auch im Sinne der Frager in den Evangelien: „Was muss ich getan haben, um ewiges Leben zu ererben?” Und der HERR antwortet: „Willst du ins Leben eingehen, so halte die Gebote.” Wir sind da auch auf israelitischem Boden. Der HERR sagt in anderen Unterredungen wohl, dass Er, der Sohn, das Leben in Sich Selber hat und das Leben ist; man musste Ihn aber als den Sohn aufnehmen; das war bei den Fragern nicht der Fall. Sie mochten ja auch an ewiges Leben nach dem Tode denken, aber herleiten konnten sie den Gedanken doch nur aus den Schriftstellen, die wir vor uns haben.

Aber auch die Darstellung des Gegenstücks beim nationalen Erwachen Israels ist da, dass nämlich auch viele „zur Schande”, „zum Abscheu erwachen” werden, statt zum Leben: Sie werden als Abtrünnige samt Nicht-Israeliten dem Gericht verfallen, und das ist zum Teil um Jerusalem her zu sehen; Jes. 66,24: Wenn jeden Neumond und jeden Sabbat alles Fleisch kommen wird, um vor Jehova (in Jerusalem natürlich) anzubeten, „werden sie hinausgehen und sich die Leichname der Menschen ansehen, die von Mir abgefallen sind; denn ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen, und sie werden ein Abscheu sein allem Fleische”. Das ist doch auf Erden, unbeschadet ihrer ewigen Qual im Jenseits. Es soll durchaus nicht bestritten werden, dass „zum ewigen Leben”, Dan. 12,2, sich über das Reich hinaus in den ewigen Zustand hinein erstrecken mag, weil nach Jes. 65,20-23 kein Hindernis da ist, zu glauben, dass sie die ganze Dauer des Reiches durchleben und auf die endgültige neue Erde hinübergebracht werden können und unter den in Off. 21,3 genannten „Menschen” sein mögen. Aber der eigentliche Sinn hat das Volk als solches auf der Erde im Auge. Man halte den letzten Vers (13) in Daniel 12 neben den zweiten. Wie einfach, wie deutlich ohne Bildersprache ist die persönliche Auferstehung genannt, wie auch sonst in der Schrift: „... du wirst auferstehen zu deinem Lose am Ende der Tage.

Es ist noch ein Wort in Jes. 26,19, welches die gegebene Auslegung stützt. „Denn (das ist die Begründung zu „Jubelt, die ihr im Staube lieget!”) ein Tau der Lichter ist dein Tau.” Man vergleiche damit Psalm 110,3. Der Heereszug des in göttlicher Macht und Pracht kommenden Messias wird geschildert. „In heiliger Pracht, aus dem Schoße der Morgenröte, wird dir der Tau deiner Jungmannschaft kommen.” Aus dieser hochdichterischen Sprache Davids, „des Lieblichen in Gesängen Israels”, erkennen wir, dass der Tau bei dem durch Jehova gewirkten nationalen Erwachen Juda-Israels die Kriegsmannschaft meint, die siegreich gegen die Feinde vorgeht (z. B. Sach. 12,4-6), und das Licht eigentlich „die Lichter”, die Lichtstrahlen der Morgenröte des anbrechenden „Morgens ohne Wolken”, 2. Sam. 23,4. Die Großartigkeit der Poesie ist überwältigend und lässt bei dem Verstehenden ganz zurücktreten, was sich auf persönliche Auferstehung in der Schrift bezieht, so groß das an seinem Platze auch ist. Wenn der Geist durch Jesaja Bilder aufgreift, die David unter Eingebung des Geisten schon gebraucht hat, sollen wir nicht staunend anschauen, was er vor uns hinmalt, und die Bilder richtig würdigen?

Wie väterlich drängend dann noch die Mahnung Vers 20, weil eben die rauhe Wirklichkeit noch andauert, die Schau in die Zukunft zum Blick in die Gegenwart zurückgekehrt ist: „Gehe hin, mein Volk, tritt ein in deine Gemächer und schließe deine Tür hinter dir zu.” Ich frage für dieses: Ist es bildlich gesprochen, oder ist es buchstäblich zu nehmen? Weil ein Volk nicht in ein Gemach treten kann, macht sich niemand auch nur Gedanken darüber, ob es bildlich oder buchstäblich ist, weil die Bildlichkeit eben selbstverständlich ist. Wenn nun andere Bilder uns nicht so geläufig oder nicht geradeso eindeutig sind, ist darum der Hinweis darauf, dass es eben Bilder sind, nicht ernst zu nehmen, und ist eine andere Auffassung als die landläufige zu verachten, nur weil sie auf mehr Nachdenken beruht?

Verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe”, heißt es noch. Wie herablassend! Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf haben, das kann Jehova auch Seinem Volke nicht ersparen, aber Er gibt ihm guten Rat, damit sie nicht vom Zorneserguß weggerafft werden. Das findet sich auch sonst noch unter anderen Bildern und auch in buchstäblich zu fassender Rede, zum Beispiel Ps. 57,1; Off. 12,13-17, Mt. 24,16.17; selbst die Gemächer finden sich, bildlich und teilweise buchstäblich mit Namen ausgedrückt: Hohelied 2,10-14, Ps. 120,5.

Der Beantwortung der Frage ist die Elberfelder Übersetzung, die alles in allem immer noch die genaueste ist und aus geistlichem Verständnis des Wortes herausgeboren ist, zugrunde gelegt. Peinlich berührt wird man von der vom wahren Sinn abführenden Ungenauigkeit der Lutherbibel in unserem Abschnitt, besonders von Vers 15. Der Vorwurf braucht nicht Luther selbst zu treffen. Aber die Verbesserer seiner Übersetzung könnten's besser wissen und besser geben! - Der Fragesteller erwartete vielleicht etwas anderes als das, was in der Antwort geboten wird. Aber „wir können nichts wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit”. (2. Kor. 13,8)
Der letzte Vers des Abschnittes, V. 21, erfordert keine Erläuterung. Er ist die Begründung von Vers 20 und das vielgenannte Thema der Propheten.
F. Kpp.
 

Anmerkungen des Schriftleiters

Diese durchgreifend-klare Antwort hat meine vollste Zustimmung, und ich kann mir kaum denken, wie der Verfasser im vorletzten Absatz meint, dass der Fragende, ein im Ausland im Werke des HERRN tätiger Bruder, mir seit vielen Jahren als treuer Schriftforscher bekannt, etwa nicht befriedigt sein könnte durch diese Beantwortung seiner „Frage”!

Übrigens ist die Art der Erklärung auch durchaus nicht neu für die aufmerksamen „Handr.”-Leser, hat doch in Frage 1 von Jahrb. 10 unser Mitarbeiter Th. K. über Hes. 37,24.25 ganz ähnlich geschrieben, wie es oben geschehen ist, und sagt er doch buchstäblich: „... Dies alles („Wiederherstellung des Volkes Israel” usw.) zusammengefaßt finden wir unter dem Bilde einer Auferstehung in Jes. 26,8-21 (also in der Stelle der derzeitigen Frage, besonders V. 19!); Hes. 37,1-14 und Dan. 12,1-3. In diesen Schriftstellen ist keineswegs die Auferstehung Gestorbener gemeint, sondern dieses Bild ist nur angewendet auf das jetzt infolge seiner Zerstreuung unter die Völker der Welt gleichsam im ‚Staube‘ und im ‚Grabe‘ liegende Volk, das durch seine Zurückbringung und Wiedervereinigung zu einem Volkskörper eine ‚Auferstehung‘ als Volk erlebt ...” Ich habe diese Originalstelle hergesetzt, weil manche Leser jenes Jahrbuch wohl nicht haben und weil doch obige Worte die vorliegende Antwort A so gut stützen. („Aus zweier Zeugen Mund” gleichsam ist damit die Sache bestätigt gemäß Joh. 8,17; 2. Kor. 13,1 und 1. Tim. 5,19 u. a.)
Weiter möchte ich hinweisen auf Frage 1 in Jahrb. 6 (Frage: „Wird ganz Israel selig? [Röm. 11,25-28]”).

Nun könnte aber doch gefragt werden, ob aus diesen sicherlich bildlich aufzufassenden Stellen nicht doch auch ein Schluß auf die einst stattfindende leibliche Auferstehung, auch der Juden, zu ziehen sei, wie das auch geschehen ist in Frage 10 in Jahrb. 7, Antwort A von O. v. Br. Und darauf möchte ich sagen, ohne dass (auch) meine Überzeugung von der bildlichen Bedeutung der in Frage stehenden Stelle dadurch beeinträchtigt würde, dass wir solche Anwendung sicherlich machen dürfen, denn wie könnte die Schrift solche auf „Auferstehung” hindeutenden Worte gebrauchen und dem Zusammenhang nach fordern, dass man sie bildlich auffasse, wenn nicht das Tatsächliche einer dereinstigen Auferstehung, wenigstens der Gerechten, den Stellen zugrunde läge?! Mit anderen Worten: Weil die Tatsache der wirklichen leiblichen Auferstehung in Gottes Plan und Absicht lag, deswegen kann Er in Seinem inspirierten Wort das Wort „auferstehen” auch zuzeiten in anderem, also bildlichem Sinne anwenden. Der wirkliche Sinn ist also die Grundlage für die Möglichkeit des bildlichen (vgl. meine Ausführungen über das Wort „ewig” in Jahrb. 12, Frage 13, S. 166, bei Ablehnung der bekannten „Allversöhnungs[irr]lehre”!). Ich denke, das dürfte klar sein und widerspricht auch keineswegs obiger Antwort. Und wer somit aus der Stelle die Bedeutung der leiblichen Auferstehung ableitet, wie auch aus Hes. 37 und Dan. 12,1, der befindet sich nicht neben der Lehre der Schrift - aber die Stellen selber versteht er nicht und kann ihnen unmöglich gerecht werden, und die klaren Ausführungen Gottes über den Ausgang seines Volkes bleiben ihm verborgen; und das scheint mir ein großer Verlust und Schade zu sein, erst recht heute, wo aus politischen Gründen über das Israel der Schrift solche verworrenen Begriffe herrschen, selbst unter Gläubigen!

Dass der Verfasser obiger Antwort im logischen Verfolg seiner Darlegungen auch Jes. 66,24 auf den irdischen Zustand bezogen wissen will, wird doch manche wundernehmen. Aber man arbeite nur die Antwort gründlich durch, und man wird wohl auch hiervon befriedigt werden. Israel ist nun einmal das Volk der sogenannten „irdischen Berufung”, dieser den „Handr.”-Lesern wohlbekannte Satz mag in diesem Zusammenhang einmal wieder seine Anwendung finden, denn er erklärt vieles, was solchen, welche die Haushaltungen Gottes nicht auseinander halten, nie recht klar wird. - Aber wenn man letztere Stelle auf die Erde bezieht, wie ist es dann mit der furchtbaren Gerichtsandrohung aus des Herrn Jesus Munde, der diese Worte in Mk. 9,48 (44.46?) anwendet? Darauf ist in Kürze zu sagen, dass die Schrift sehr oft im Neuen Testament Stellen des Alten Testaments in vertiefter Bedeutung gebraucht, der HERR tut das, und Paulus und andere Schreiber des Neuen Testaments auch. Ein allgemein bekanntes Beispiel (unter vielen!) dafür ist 1. Kor. 15,54.55 vgl. mit Jes. 25,6-8 (V. 8: „die Schmach Seines Volkes” - „von der ganzen Erde”!). Und wenn der HERR, der Mund der Wahrheit, jenen Ausdruck von dem „Wurm” und dem „Feuer” mit der „Hölle des Feuers” verbindet (V. 47), so sehen wir ohne weiteres, dass Seine Anwendung der Stelle über den Zustand auf der Erde weit hinausgeht! Er ist eben souverän in dem Gebrauch des Wortes, Er, der Selber „das Wort” ist! (Joh. 1,1ff.) (Vgl. auch Antw. A, S. 15, oberer Absatz!) Ich habe den letzten Absatz hinzugefügt gleichsam als Erläuterung für den Zusatz des Verfassers bei Jes. 66,24: „... unbeschadet ihrer ewigen Qual im Jenseits”. Es möge also keiner denken, dass durch jene bildliche Erklärung der Fragestelle etwa Worte der Schrift, welche sich auf die Ewigkeit beziehen, abgeschwächt werden dürften! Nein, wahrlich nicht - ebensowenig wie solche, die unbestritten auf die leibliche Auferstehung gehen! Beides behält seine volle Bedeutung, wenn auch unsere Stelle nicht buchstäblich, sondern bildlich zu fassen ist!

Der HERR gebe uns Weisheit, zu „wachsen in der Gnade und Erkenntnis des Herrn Jesus Christus” nach 2. Petr. 3,18! Er Selber ist letzten Endes Sinn und Schlüssel der Schrift! Er sei gelobt!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 16 (1931)