Entrückung der Gemeinde

Bitte um eine Erklärung über 2. Thess. 2,1. Beziehen sich die Worte: „unseres Versammeltwerdens zu ihm hin“ auf die Entrückung der Gemeinde? Wenn ja, kann dann daraus nicht geschlossen werden, dass die Zukunft des HErrn und die Entrückung zusammenfallen und die Gemeinde dann die große Trübsal durchmachen muss?

Antwort

Die Frage, ob die Worte „unseres Versammeltwerdens zu Ihm hin” sich auf die Entrückung der Gemeinde beziehen, ist mit Ja zu beantworten. In 1. Thess. 4,15-17 wird uns gesagt, „dass wir, die Lebenden, die Übrigbleiben bis zur Ankunft des HERRN, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der HERR selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem HERRN entgegen in die Luft, und also werden wir allezeit bei dem HERRN sein”. Wenn jener herrliche Augenblick gekommen sein wird, werden alle „Entschlafenen” auferweckt werden, wie es 1. Kor. 15,35-50 so deutlich beschrieben ist, und die „Lebenden”, die noch im Leibe befindlichen Gläubigen, werden verwandelt werden, wie es 1. Kor. 15,51.52; 2. Kor. 5,2-4; Phil. 3,20.21 uns sagt, und zwar gleichzeitig mit der Auferweckung der Entschlafenen, nicht nach dieser, wie das „danach1. Thess. 4,17 von vielen vielfach falsch verstanden wird. Dieses „danach” bezieht sich auf die darauffolgende Entrückung der auferweckten und der verwandelten Heiligen, nicht auf die Verwandlung der „Lebenden”. Von dieser Verwandlung wird an dieser Stelle nicht gesprochen, weil sie nicht der Gegenstand der Frage der Thessalonicher war, die nur hinsichtlich der Entschlafenen im Unklaren und in Sorge waren. Die Auferweckung der Entschlafenen und die Verwandlung der Lebenden ist eine Handlung der Macht des HERRN; beides geschieht „in einem Nu, in einem Augenblick”, wie die schon genannte Stelle 1 Kor. 15,51.52 ganz unmißverständlich sagt. Dann sind die „Entschlafenen” und die „Lebenden” völlig gleich, passend für die Herrlichkeit, indem sie - die einen durch die Auferweckung (1. Kor. 15,43a), die anderen durch die Verwandlung (1. Kor. 15,52.53; Phil. 3,21) - einen Herrlichkeitsleib besitzen, gleichförmig dem des HERRN; und danach geschieht die Entrückung „in Wolken dem HERRN entgegen in die Luft”. Das ist „unser Versammeltwerden zu Ihm hin”. Ein anderes gibt es nicht.

Wenn nun jemand aus dem Verbundenwerden dieses unseres „Versammeltwerdens zu Ihm hin” mit der „Ankunft” (Luth. „Zukunft”) des HERRN in 2. Thess. 2,1 schließt, dass die Versammlung (die Gemeinde) die große Trübsal durchmachen müsse, so gründet diese Schlußfolgerung sich offenbar auf die Annahme, dass die „Ankunft” („Zukunft”) des HERRN immer Sein Kommen in Herrlichkeit und Macht, also Sein Kommen für die Welt zum Gericht und zur Aufrichtung Seines Reiches auf der Erde, bedeute. Darum müssen wir feststellen, ob diese Annahme zutreffend ist oder nicht. Das mit „Ankunft” („Zukunft”) übersetzte Wort des Urtextes: „parousia”, hat die Bedeutung von „Ankunft” („Wiederkunft”), „Gegenwart”, „Anwesenheit”, den Sinn dieser verschiedenen Worte in sich vereinigend. Es kommt (nach einer dem Schreiber dieser Ausführungen zur Verfügung stehenden Konkordanz) im Neuen Testament vierundzwanzigmal vor und ist in der „Elberfelder” Übersetzung einundzwanzigmal mit „Ankunft” übersetzt (Mt. 24,3.27.37.39; 1. Kor. 15,23; 16,17; 2. Kor. 7,6.7; 1. Thess. 2,19; 3,13; 4,15; 5,23; 2. Thess. 2,1.8.9; Jak. 5,7.8; 2. Petr. 1,16; 3,4.12; 1. Joh. 2,28), einmal mit „Wiederkunft” (Phil. 1,26) und zweimal mit „Gegenwart” (2. Kor. 10,10; Phil. 2,12). Luther hat es dort, wo es sich auf etwas Zukünftiges bezieht, immer mit „Zukunft” übersetzt, mit Ausnahme von 1. Kor. 15,23, wo er statt dessen schreibt: „wenn Er kommen wird”, und Phil. 1,26, wo er anstatt „Wiederkunft” übersetzt: „wenn Ich wieder zu euch kommen werde”. (2. Kor. 10,10 und Phil. 2,12 übersetzt er anstatt „Gegenwart” „Gegenwärtigkeit”.) - Wenn wir die genannten Schriftstellen nachlesen, finden wir, dass das so übersetzte Wort nicht nur auf den HERRN bezüglich, sondern auch in anderer Beziehung gebraucht ist: in bezug auf Stephanas, Fortunatus und Achaikus (1. Kor. 16,17), Titus (2. Kor. 7,6.7), Paulus (2. Kor. 10,10; Phil 2,12), den „Gesetzlosen” (2. Thess. 2,9), und den „Tag Gottes” (2. Petr 3,12), und dass es - mit Ausnahme von 2. Kor. 10,10 und Phil 2,12, wo es sich reinweg um „Gegenwart” handelt - immer das Eintreten der „Gegenwart” oder „Anwesenheit” durch „Ankunft” oder „Wiederkunft” bedeutet (wie wenn jemand z. B. von einem anderen Orte her auf dem Bahnhof ankommt und, indem er aus dem Zuge steigt, für die ihn dort Erwartenden nun anwesend ist). Diese Bedeutung hat das Wort „parousia” - „Ankunft” immer, wenn es sich auf den HERRN bezieht. Damit ist aber gar nicht gesagt, dass es sich dabei um Seine „Ankunft” in Macht und Herrlichkeit, für die Welt und Sein irdisches Volk, also am Ende der großen Drangsal, handeln muß, wie Mt. 24 und an anderen Stellen. Denn für Seine Erlösten himmlischer Berufung, welche auf Sein Kommen zu ihrer Entrückung warten, gibt es doch ebenfalls eine „Ankunft” des HERRN, wenn Er auch dann nicht auf diese Erde herabkommt, sondern nur bis zu einem gewissen Punkte in der „Luft”, wohin sie nach 1. Thess. 4,17 Ihm entgegengerückt werden „in Wolken”. Deshalb ist 1. Thess. 4,15 ohne jeden Zweifel das Wort „Ankunft” auf jenen herrlichen Augenblick angewandt, wann Er für Seine himmlischen Heiligen kommen und gegenwärtig sein wird zu ihrer Entrückung. Darüber kann kein Zweifel sein, denn der Apostel spricht von den „Lebenden” - also denen, welche noch hier im Leibe sind, wenn der HERR zur Entruckung kommt - als solchen, welche „übrigbleiben” „bis zur Ankunft des HERRN”, also bei Seiner „Ankunft” noch hier im Leibe sind. Mithin kann nur Seine „Ankunft”, mit welcher die Entrückung verbunden ist, gemeint sein. Diese„Ankunft” kann es auch nur sein, von welcher 2. Thess. 2,1 gesprochen ist, weil mit ihr „unser Versammeltwerden zu Ihm hin”, also unsere Entrückung, verbunden wird. Der Apostel weist auf diesen wunderbaren Vorgang hin, von dem er in seinem ersten Briefe gesprochen hat und auf den die Thessalonicher warteten (und auch wir warten), um ihnen daran durch die folgenden Ausführungen zu zeigen, dass die durch falsche Lehrer sogar unter Mißbrauchung seines Namens verbreitete Lehre, der Tag des HERRN sei schon da, gänzlich irrig war, da ja erst der Abfall kommen und der „Mensch der Sünde” geoffenbart sein müsse, was aber wiederum nicht sein könne, solange sie noch da waren (und nicht sein kann, solange wir noch da sind!), denn „das, was zurückhält”, ist die Versammlung oder die Gemeinde, in welcher „der, welcher zurückhält”, der Heilige Geist, wohnt (Vers 6 und 7), woraus sich zugleich klar ergibt, dass die Entrückung dem Erscheinen des „Menschen der Sünde”, d. i. des „Antichristen”, und damit der „großen Drangsal”, vorangehen muß, demnach die Versammlung die „große Drangsal” nicht durchmachen muß. Die „Ankunft” des HERRN bedeutet eben immer nur, wie oben ausgeführt, den Eintritt Seiner Gegenwart durch Sein Kommen, ohne in sich auszudrücken, ob für Seine himmlischen Heiligen zu ihrer Entrückung oder für die Welt und Sein irdisches Volk, und wird darum auch, wie wir gesehen haben, sowohl für den einen wie für den anderen Fall angewandt, und manchmal auch allgemein, ohne einen Unterschied in ebenerwähntem Sinne zu machen, wie 1. Kor. 15,23 im Blick auf die Auferstehung derer, „welche des Christus sind”, wo Seine „Ankunft” zur Entrückung und die am Ende der großen Drangsal, womit die „erste Auferstehung” abschließt, als ein Ganzes betrachtet wird, von dem die erwähnten Unterschiede nur zwei Phasen sind; oder wie 1. Thess. 2,19; 5,23; Jak. 5,7.8; 1. Joh. 2,28 im Blick auf Anerkennung, Lohn, Verantwortung, wo - nach unserem Gefühl - die „Ankunft” des HERRN so betrachtet wird, dass sie für uns mit Seinem Kommen für uns beginnt und mit Seinem Kommen für die Welt vollendet wird. Nach alledem ist die in der Frage erwähnte Schlußfolgerung aus 2. Thess. 2,1 nicht im geringsten begründet.

Dass die Entrückung der Gläubigen vor der „großen Drangsal” geschehen wird, ist nicht nur aus der oben kurz berührten Schriftstelle (2. Thess. 2,3-8), sondern auch noch aus anderen Schriftstellen klar zu ersehen. Wir weisen nur hin auf folgende: Mt. 25,1-13 (besonders V. 10 und 11: Die klugen Jungfrauen gingen ein zur Hochzeit, die anderen blieben draußen, und als sie später kamen, wurden sie nicht eingelassen. Sie gehen durch die „große Drangsal”, die „klugen Jungfrauen” nicht!); 1. Thess. 1,10 („der uns errettet von dem kommenden Zorn”); 5,8.9 („angetan ... als Helm mit der Hoffnung der Errettung. Denn Gott hat uns nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der Errettung”!); Off. 4,1 („... was nach diesem” - nach der in Kap. 2-3 gezeigten Geschichte der Versammlung [Gemeinde] auf der Erde - „geschehen muss”: die von Kap. 6 an beschriebenen Ereignisse, Gerichte und die „große Drangsal”!); 4,2ff. (die 24 Ältesten im Himmel auf Thronen usw. Wenn wir nicht menschlichen Überlegungen Raum lassen, sondern nur dem folgen, was das Wort uns lehrt, können diese 24 Ältesten nicht Engelfürsten oder sonst welche Geistwesen sein, sondern nichts anderes als die bildliche Darstellung der entrückten himmlischen Heiligen; und sie sind im Himmel, wie Kap. 4 und 5 deutlich zeigen, vor Beginn der Gerichte usw., also vor der „großen Drangsal”). Hierzu erinnern wir noch an das bekannte alttestamentliche Bild von der Entrückung der Versammlung vor der „großen Drangsal”: die Entrückung Henochs und die Hindurchrettung Noahs durch die Flut. (1. Mo. 5,24; 6,9 - 8,22) Henoch bildet die Versammlung vor, Noah den gläubigen Überrest aus Israel, der durch die große Drangsal geht. Das Bild ist so einfach und klar, wie es nicht klarer sein kann: Die Entrückung Henochs geschah vor der Flut; so wird auch die Entrückung der Gläubigen oder die Seiner Gemeinde vor der „großen Drangsal” geschehen! - Hierzu machen wir auf die Ausführungen in „Handreichungen”, Bd. 4 (1916), S. 148-160, aufmerksam, wo dieser Gegenstand ausführlich und klar behandelt ist. (Auch an anderen Stellen und öfter, wie man mittels der Schriftstellenverzeichnisse leicht finden kann. D. Schriftl. F. K.)

Die Reihenfolge nach der im Worte Gottes uns gegebenen Unterweisung wird folgende sein: Das erste ist die Entrückung, auf die wir warten. Diese ist von keinerlei Ereignissen abhängig (als nur, dass der letzte nach Gottes Vorkenntnis hierzu Auserwählte hinzugetan sein wird) und kann daher jeden Augenblick geschehen. Dann ist eine kurze oder längere Übergangszeit bis zum Beginn der letzten - siebzigsten - Jahreswoche nach Dan. 9,27. Der Beginn dieser Jahreswoche (7 Jahre) setzt voraus, dass Israel als Volk wiederhergestellt ist, einen König hat (der sich später als der „Mensch der Sünde”, der „Gesetzlose”, der „Antichrist”, offenbaren wird) und einen Tempel in Jerusalem hat und dass das Römische Reich wieder besteht mit dem in Dan. 9,26b erwähnten „kommenden Fürsten” als Oberhaupt. Dann - wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind - folgt diese letzte Jahreswoche, von der die zweite Hälfte (3½ Jahre) die vom HERRN in Mt. 24,21 erwähnte „große Drangsal” sein wird. Am Ende derselben kommt der Herr, „der Sohn des Menschen” „auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit” zum Gericht für die Welt (Mt. 25,31-46) und zur Aufrichtung Seines Reiches, welches nach Off. 20,4.5 einen Zeitraum von 1000 Jahren umfassen wird. Darauf folgt eine kurze Zeit, während welcher der - während der tausend Jahre gebundene - Satan wieder losgelassen sein und die Menschen - „die Nationen, die an den vier Ecken der Erde sind” - verführen und „zum Kriege versammeln” wird (Off. 20,7-10); und dann ist das Gericht der „Toten” (aller, die nicht geglaubt haben) vor dem „großen weißen Thron”. (Off. 20,11-15) Damit schließt die Geschichte der Menschheit auf der Erde und dieser Erde selbst ab; das ist „das Ende, wenn Er” (der HERR, nachdem Er alles Ihm von Seinem Gott und Vater Aufgetragene ausgeführt haben wird) „das Reich dem Gott und Vater übergibt” usw. (1. Kor. 15,24-28) Dann beginnt der ewige, vollendete Zustand, wie er in Off. 21,1-8 kurz und doch wunderbar klar beschriebet ist.
Th. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 19 (1934)