Elia und die Baalspriester

War Elias im Recht mit seiner Handlungsweise an den Baalspriestern? (1. Kön. 18) Warum erscheint ihm Gott dann später im sanften Säuseln? (1. Kön. 19) War der Eifer Nehemias (13,25) nach Gottes Gedanken?

Antwort

Um die Handlungsweise dieser Männer Gottes zu verstehen, dürfen wir sie nicht vom Standpunkte des Neuen Testamentes, sondern des Alten Testamentes beurteilen. Wir müssen unterscheiden zwischen dem Tage des Gesetzes und dem gegenwärtigen Tage der Gnade Gottes. Wir können heute nicht handeln wie in den Tagen Elias und Nehemias. Jakobus und Johannes meinten, wie in dem Zeitalter des Gesetzes handeln zu können und wollten in ihrem gerechten Unwillen über die Leute von Samaria mit der Erlaubnis des HERRN Feuer vom Himmel fallen lassen, wie es einst Elia tat. (Lk. 9,54) Aber der HERR tadelte sie; Er tadelte nicht Elia, dass er Feuer vom Himmel fallen ließ, sondern sie, dass sie nicht unterschieden zwischen der Zeit Elias und der jetzt neu angebrochenen Zeit des Sohnes des Menschen. Ihre Handlungen konnten jetzt nicht mehr nach den Forderungen des Gesetzes, sondern mußten in dem Geiste ihres HERRN, des Sohnes des Menschen, sein, der gekommen war, zu erretten und nicht zu verderben.

Um die Handlungsweise Elias zu verstehen, müssen wir den Gang der Ereignisse betrachten. Gott hatte das Volk wegen seiner Untreue gezüchtigt; Jahre hindurch war kein Regen auf das Land gefallen. Gott redete durch Gericht zu Seinem Volke. Nach diesen Zubereitungsjahren durch das Gericht wollte Er Sich in Gnade offenbaren und das Volk durch Seinen Segen zu Sich ziehen. Ehe Er es aber segnen und den Regen geben konnte, musste Er mit den „Obadjas”, die sich vor Menschen bücken, mit den „Ahabs”, die die Gebote Jehovas verlassen, mit dem Volke, das „auf beiden Seiten hinkt”, reden und mit den Baalspriestern, die keinen Platz in der Mitte des Volkes haben durften, handeln. Zu diesem Zwecke rief Er Seinen Knecht aus der Verborgenheit zu einem Zeugnis über Sein Volk.
Die Weise, wie Elia mit den vier Gruppen in dem 18. Kapitel redet und handelt, um Bahn für den Segen Gottes zu machen, ist höchst beachtenswert.
Zuerst finden wir seine Begegnung mit Obadja. In Obadja sehen wir gleichsam die Klasse der verborgenen und unentschiedenen Gläubigen jener Tage. Mit welchem Ernst und welcher Würde tritt Elia Obadja, der zwar Jehova sehr fürchtete, entgegen, und wie wird der Zustand und die Menschenfurcht dieses Mannes an der Treue des Elia offenbar gemacht!
In Ahab sehen wir die Klasse der Abtrünnigen. Mit rücksichtsloser Strenge deckt Elia sein Herz und seinen Weg auf. In dem Volke sehen wir die urteilslose, vom Geiste der Zeit beherrschte Masse. Sie hinkte auf beiden Seiten. Elia tritt an das Volk heran mit der entscheidenden Frage, wer Gott sei, ob Jehova oder Baal. Sie sollten nicht auf beiden Seiten hinken, sondern für denjenigen Stellung nehmen, der wirklich Gott sei.

In den Baals-Propheten sehen wir die Verführer des Volkes Gottes. Ihr Ziel war, das Volk Gottes anzureizen, anderen Göttern zu dienen. Gott hatte geboten, dass jeder, der das Volk zum Götzendienst anreize, und sei es ein Bruder oder das eigene Weib oder ein Freund, nicht geschont und ihm kein Erbarmen zuteil werden solle, sondern dass ein solcher gewißlich getötet werden solle. (5. Mose 13,6.9) Elia handelte treulich nach diesem Worte Gottes.

Wie schon gesagt, ehe Gott Sein Volk mit Regen segnen konnte, musste das Hemmnis für den Segen beseitigt werden, das Volk musste zuerst zum Bekenntnis: „Jehova, Er ist Gott” (1. Kön. 18,39) geführt und das Gericht über die Verführer vollzogen werden. Alsdann konnte Gott das Volk segnen und den Regen geben.
Wenn Elia des Baal spottete, so geschah es nicht aus einer frivolen Gesinnung; bei ihm handelte sich alles darum, dass das Volk erkennen möge, dass Jehova Gott sei und ihr Herz zurückgewandt werde. (V. 37) Sein Spott entsprang dem heiligen Ernst und der Entschiedenheit, dem Volke das Nichts des Baal darzutun. Es sollte überführt werden, dass gegossene Bilder Wind und Leere und ihr Machwerk Eitelkeit und Nichtigkeit seien und weder Gutes noch Böses zu tun vermöchten. (Jes. 41,23.24.29) Sein Spott sollte ihnen die Augen über die Torheit und den Betrug der Baalspropheten öffnen, und als dies geschehen war, musste auf Grund 5. Mose 13,9 das betrogene Volk Hand an sie legen.

Auf der gleichen Linie liegt auch das Verhalten Nehemias. Auch er handelte, als er den Männern fluchte, nach dem Gebot Jehovas: „Verflucht sei, wer nicht aufrecht hält die Worte dieses Gesetzes, sie zu tun! und das ganze Volk sage: Amen!” (5. Mose 27,26) In heiligem Zorn und Entrüstung fluchte er ihnen, schlug und raufte er sie.
Wenn wir auch in dem jetzigen Zeitalter der Gnade Gottes nicht solche, die das Volk zu fremden Göttern führen, zu schlachten und auch nicht wie Nehemia ihnen zu fluchen usw. haben, so können wir doch an der Treue dieser Männer Gottes, mit der sie, zum gottgewollten Anfang zurückkehrend, Gott dienten und verherrlichten, dem Lichte entsprechend, welches Gott in jenen Tagen ihnen gegeben hatte, lernen für unser Verhalten dem Götzendienst der Gegenwart gegenüber.
Was nun die Zwischenfrage anbetrifft, warum denn Gott Elia in sanftem Säuseln (Kap. 19) erschienen sei, so erlaubt der Zusammenhang durchaus keine Beziehung dieser Erscheinung auf die Handlungsweise Elias an den Baalspriestern. Die Erscheinung Gottes im sanften Säuseln enthält eine persönliche Zurechtweisung für Elia in seinem Auftreten vor Gott als Ankläger seiner Brüder.

Die Sache des HERRN hatte zu einem völligen Sieg geführt - Gott hatte nach der Bitte des Propheten gehandelt und kundgetan, dass Er Gott in Israel und Elia Sein Knecht sei. (1. Kön. 18,36) Elia erwartete nun große Dinge. Statt dessen sah er aber, dass das Volk sich nicht von der Herrschaft der Isebel löste und Isebel nach wie vor ihre Macht und Herrschaft ausübte. Ein völliger Umschlag trat nun bei Elia ein. In seinen Erwartungen und Hoffnungen getäuscht, ziehen Verzagtheit und Unglauben in sein Herz ein; in seinem Herzen ist er fertig mit dem Volke und zieht sich zurück, um zu sterben, und er meint, nun müsse auch Gott mit Seinem Volke fertig sein und wieder in Gericht mit demselben handeln. Gott aber hatte angefangen, Gnade zu üben, und wollte Sich weiter in dem Säuseln der Gnade offenbaren.
Bis dahin hatte Elia fürbittend Sein Volk vor Gott gebracht und Gott auf dem Berge Karmel gerechtfertigt und verherrlicht. Jetzt aber tritt er nicht mehr für Sein Volk fürbittend ein, sondern er rechtfertigt sich und verklagt seine Brüder. In dem Sturm, Erdbeben und Feuer zeigt Gott, dass es Ihm nicht an Macht fehle, zu zerreißen und zu zerschmettern, wie es nach Elias Herzen war; doch in diesen Gerichtszeichen wollte Gott Sich jetzt nicht offenbaren. Elia musste lernen, dass Sturm, Erdbeben und Feuer den Absichten Gottes jetzt nicht entsprachen, sondern Gott Sich jetzt in dem sanften Säuseln der Gnade und Langmut Seinem Volke offenbaren wolle, und dass er als Sein Knecht in Überstimmung mit Ihm sein müsse.

Nachdem Elia völlig verstanden hatte, dass Gott nicht im Sturm, nicht im Zerreißen und Zerschmettern war, wiederholt Gott noch einmal Seine Frage: „Was tust du hier?” Aber Elia ist trotz der Unterweisung, die er empfangen hatte, nicht bereit, sich zu verurteilen, sondern er wiederholt noch einmal seine sich selbst rechtfertigende Antwort und die Anklage wider seine Brüder, und die traurige Folge ist, dass er für eine Zeitlang beiseite gesetzt wird. Er muss einen Nachfolger für sich salben, und Gott überführt ihn von seinem Irrtum, allein übrig geblieben zu sein, indem Er ihm sagt, dass noch 7000 andere da seien, die ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt hätten. Gott hat keinen Mangel an Werkzeugen, die Er gebrauchen kann, wenn wir nicht mit Ihm Schritt halten!

Das „sanfte Säuseln” selbst finden wir dann in dem 20. Kapitel. Gott umgibt Ahab ungebeten mit dem Säuseln Seiner Gnade, und Er wählt einen anderen Propheten, die Worte Seiner Gnade an Ahab auszurichten. Erst als Ahab keine Belehrungen aus der Güte und Langmut Gottes nimmt und halsstarrig und verstockter als je zuvor sich offenbart, wird Elia im 21. Kapitel wieder gebraucht, ihm das Gericht anzukündigen.

Diese Unterweisung, die Elia am Berge Horeb empfing, enthält auch für uns die ernste Lehre, daß, wenn wir nicht in Übereinstimmung mit den Absichten unseres Gottes wirken, Gott uns als Werkzeuge Seiner Hand beiseite setzen kann.
A. v. d. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 14 (1929)