Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt

Von welchem Zeitpunkt spricht die Schritt in Hebr. 1,5-6: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt?“

Antwort A

Im ersten Kapitel des Hebräerbriefes wird die Gottheit Christi sowie Seine göttliche Sendung vom Vater auf Grund des Alten Testaments bewiesen. Wir finden von Vers 1-3 sieben Tatsachen über die Person Christi: 1) Er ist Sohn; 2) Er ist Erbe aller Dinge; 3) Er ist Schöpfer aller Dinge: „durch Den Er auch die Welten gemacht hat”; 4) Er ist der Abglanz Seiner Herrlichkeit und der Abdruck Seines Wesens; 5) Er ist Träger aller Dinge durch die Macht Seines Wortes; 6) Er ist der Sündenreiniger. Von Ihm in dieser Eigenschaft wird erst dann gesprochen, nachdem uns die Herrlichkeit Seiner Person vor die Seele gestellt ist. Wir sehen, dass die Person das Erlösungswerk adelt; 7) Er ist a) der, welcher sich gesetzt hat, d. h. Sein Werk der Erlösung ist vollendet; b) zur Rechten der Majestät, d. h. Er hat den Ehrenplatz inne; c) in der Höhe. Er hat den höchsten Platz, den Gott zu vergeben hatte. Für den gläubigen Juden muss dies einfach der schlagendste Beweis Seiner Göttlichkeit sowie Seiner göttlichen Sendung gewesen sein. Denn in der Stiftshütte, und zwar im Allerheiligsten, thronte Gott zwischen den Cherubim über dem Versöhnungsdeckel in Herrlichkeit. Diesen Platz hat Jesus, der Sohn Gottes, in den Himmeln inne. Vgl. Hebr. 1,3; 1,13; 8,1; 10,12; 12,2.

Aber der Apostel zeigt nun an der Hand von sieben Zitaten aus dem Alten Testament, dass die sieben festgestellten Tatsachen von der Person Christi durch die Schrift begründet werden können; dies ist köstlich zu sehen; und was der Apostel tut, ist jeder auch jetzt noch verpflichtet zu tun: nämlich, alles auf Grund der Schrift zu bestätigen.

1. Vers 5 wird uns gesagt, dass Christus Sohn ist den Engeln gegenüber, welche nur Diener waren (vgl. Vers 7). Zu keinem der Engel hat Er je gesagt: „Du bist Mein Sohn” usw. Das Wort „gezeugt” deutet Seine Menschwerdung an, es hat nicht Bezug auf die Auferstehung, wie manche annehmen. Soviel ich weiß, bezieht sich dieses Wort nie auf die Auferstehung, und wo immer wir diese Schriftstelle aus dem 2. Psalm finden, wird sie in Verbindung mit dem Leben des Herrn auf dieser Erde gebraucht. Man vergl. sorgfältig Lk. 1,35; Hebr. 5,5 und Apostelg. 13,33.

2. „Ich will Ihm zum Vater, und Er soll Mir zum Sohne sein” finden wir in 1. Chr. 17,13. Diese Stelle wurde ursprünglich auf Salomo bezogen; doch war deren Enderfüllung in Christo. Die Stelle zeigt uns das einzigartige, vollkommene göttliche Verhältnis des Vaters zum Sohne und des Sohnes zum Vater.

3. Vers 6: „Wenn Er den Erstgeborenen in den Erdkreis einführt usw.”. Diese Stelle ist dem 97. Psalm entnommen, der besonders von der Herrschaft des Herrn im Tausendjährigen Reich spricht, bezw. von dem Anbruch desselben und von dem damit verbundenen Gericht. Wir können wohl annehmen, dass dies besonders Bezug hat auf das Offenbarwerden des Herrn in Herrlichkeit (vgl. Mt. 16,27; Mt. 25,31; 1. Thess. 4,16 bis 2. Thess. 1,17) sowie auf Sein öffentliches Eingef ührtsein in den Erdkreis (vgl. Hebr. 2,5; Apostelg. 17,31). Dass die Engel Ihm immer gehuldigt haben und dass sie das noch tun, geht aus vielen Stellen hervor (vgl. Jes. 6,1-4 mit Joh. 12,41 sowie Lk. 2,13-14). Der Gläubige weiß dieses, und dem Herrn sei Dank für diese Gnade! Doch es kommt die Zeit, wo die Welt durch das Verhalten der mächtigsten Geschöpfe Gottes erkennen wird, dass Christus Schöpfer und Gott über alles ist, gepriesen in Ewigkeit.
K. O. St.

Antwort B

Der 2. Psalm wird im NeuenTestament oft auf den Messias bezogen (vgl. Apostelg. 4,25.28; 13,33; Hebr. 1,5; 5,5; Offbg. 2,27f.; 12,5; 19,15).
Was David galt, gilt Christus, in dem alles seine höchste Erfüllung findet.

In Hebr. 1,5-6 ist folgender Gedankenfortschritt: Vers 5a: Zeugung des Sohnes, nach Psalm 2,7. Vers 5b: Das Verhältnis des Sohnes zum Vater, nach 2. Sam. 7,14. Vers 6: Die Parusie oder Wiederkunft des Sohnes, nach mehreren Schriftstellen, z. B. Jes. 44,23; Psalm 97,7b; 5. Mose 32,43 (wo in einigen Handschriften der griechischen Übersetzung des Alten Testaments das Zitat sogar wörtlich steht) und Psalm 29,1.

Über den Zeitpunkt „heute” kann man verschiedener Meinung sein. Die Frage ist, ob es sich handelt:

1) Um die wunderbare Geburt aus Maria (nach Lk. 1,35, wo einige Handschriften sogar wörtlich Ps. 2,7 zitieren), oder 2) um die Taufe Jesu (vgl. Lk. 3,22), oder aber 3) um die Auferstehung des Herrn.

Für die 1. Auffassung scheint das „wiederum” in Vers 6 zu sprechen, indem dann der ersten Einführung (= dem ersten Kommen) die zweite Einführung (= das zweite noch zukünftige Kommen) entspräche (vgl. 10,5).

Für die 3. Auffassung spricht Röm. 1,4, wo die Auferstehung auch als eine Zeugung zum Leben verstanden wird, wobei der „Sohn” diesen vorzüglicheren Namen vor den Engeln empfing (Hebr. 1,4); dann wäre das „heute” der Zeitpunkt des Eintrittes des Sohnes in seine überirdische Herrlichkeit, worauf man Psalm 2 beziehen könnte, der auf den Zeitpunkt der Erniedrigung (durch Menschwerdung) nicht zu passen scheint.

Natürlich liegt in Hebr. 1,5 nicht der Nachdruck auf dem „heute” , d. i. auf diesem Teil des Zitates aus Psalm 2, denn dem Apostel kam es in diesem Zusammenhange nicht darauf an, diese Wahrheit besonders zu betonen, sondern das „du bist mein Sohn”, wodurch der Sohn über die Engel erhoben wird, ist ihm der Hauptgedanke in Vers 5a.
J. W.

Antwort C

Diese Stelle weist auf die Fleischwerdung des Sohnes Gottes hin, auf den Zeitpunkt: „Einen Leib hast Du mir bereitet” (Hebr. 10). Auch Apostelg. 13,32.33 bestätigt dies. Paulus verkündet dort, dass Gott die den Vätern gegebene Verheißung erfüllt hat: 1) indem Er Jesum erweckt hat und 2) Ihn aus den Toten auferweckt hat. Diese zwei großen Tatsachen stellt er vor ihr Auge. Die ersten verbindet er mit Psalm 2,7, „wie geschrieben steht: Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeuget.” Die zweite hat Gott „also ausgesprochen: Ich werde euch die gewissen Gnaden Davids geben.” Es darf das Wort „erweckt” in Apostelg. 13,33 nicht mit „aus den Toten auferweckt” verwechselt oder gleichgestellt werden. Es ist dasselbe Wort und derselbe Gedanke wie in Apostelg. 3,22: das „werden lassen”, „hervorrufen”. Es ist das Kommen des Sohnes in das Fleisch. Gott gab Seinen Sohn und bereitete Ihm den Leib. (Das Wort finden wir z. B. auch in Apostelg. 13,22, wobei jeder Gedanke an Auferweckung ausgeschlossen ist.) Köstlich ist es, zu sehen, dass Er der Sohn ist und der König Israels, sowohl als das Kindlein in der Krippe wie als der Auferstandene. Er ist eben in Seiner Person der Sohn von Ewigkeit, und welchen Stand Er auch einnehmen mag, Gott redet Ihn an als Seinen Sohn. Wie wunderbar tief ist das Wort! Als Jesaia (55,3) verkünden mußte, dass Gott Seinem Volke die unverbrüchlichen Gnaden Davids halten wollte, da stand der auferstandene Sohn vor Gottes Auge. Wer würde dies aus dem Worte verstanden haben, hätte nicht Gott es uns durch Paulus gesagt?!

Ich kann nicht unerwähnt lassen, wie unbedingt das Wort in diesen Schriftstellen als Gottes Wort anerkannt wird, im Gegensatz zu dem heute üblichen satanischen Antasten der Schrift. Es heißt nicht „David” sagt, sondern „Er”, Gott sagt: Hebr. 1,5; Apg. 13,34.
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Bei Beantwortung der vorliegenden Frage kann eine Tatsache der Schrift nicht ernst genug betont werden, nämlich die, dass sie niemals redet von einer so genannten vorweltlichen Zeugung des Sohnes. Der Sinn dieser den Sohn Gottes Seiner ewigen Würde entkleidenden traurigen Meinung ist der, dass irgendwann in der vorweltlichen Ewigkeit nur Gott dagewesen sei und dass Er an einem nur Ihm bekannten „Heute” den Sohn aus Sich Selbst herausgezeugt hätte. Aber einerseits weist die Schrift unseres Erachtens ziemlich deutlich auf Jesu Kommen ins Fleisch als auf den Zeitpunkt des „Heute habe Ich Dich gezeugt” hin; dafür scheint uns Lk. 1,35 genügend Beweis zu sein. Andrerseits ist, wie oben gesagt, in dem ganzen Worte Gottes nicht nur kein Hinweis auf eine vorweltliche Zeugung (ein ins-Leben-Rufen) des Sohnes aus Gott zu finden, sondern diese Anschauung widerspricht aufs Unzweideutigste Schriftstellen wie Joh. 1,1-2 und vor allem Joh. 1,18: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoße ist, der hat Ihn kundgemacht” und Kol. 1,17: „Er ist vor allen.” (Es heißt nicht: „Er war vor allen”, obgleich von Ihm in anderem Zusammenhang auch gesagt ist: „der da war”, Offbg. 1,8), und anderen mehr (vgl. Offbg. 1, 8.18; 1. Tim. 3,16; Hebr. 13,8 usw.). Hüten wir uns, dem Sohne auch nur in unseren mitunter unbedachtsamen Worten etwas von der Majestät zu nehmen, die Ihm gebührt! Hüten wir uns vor liberaler Theologie und Philosophie innerhalb des Volkes Gottes! Wir können nicht hoch und herrlich genug denken und reden von dem Sohn Gottes, unserm Herrn Jesus Christus, der würdig ist zu nehmen Preis und Ruhm und Anbetung in Ewigkeit.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 1 (1913)