Antwort A
Die Schrift kann nicht gebrochen oder aufgelöst werden (Joh. 10,35), alle scheinbaren Widersprüche müssen sich im Lichte der Schrift lösen.
In Mt. 23 zieht der Wahrheitsfeststeller, der Herr Jesus, die Heuchelei und Ehrsucht der Schriftgelehrten und Pharisäer ans Licht, ihre Sucht, vor den Menschen gesehen zu werden, ihre Sucht nach dem ersten Platz und Sitz, ihre Sucht nach Begrüßung, ihre Sucht nach dem Rabbititel. Im Anschluß daran sagt der HERR: „Ihr aber, lasst ihr euch nicht Rabbi nennen; denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder.”
Vielfach ist aus diesem im Zusammenhang nicht mißzuverstehenden Worte Torheitsvolles und Ungöttliches herausgepreßt worden, als gäbe es in der Gemeinde Gottes, im Hause Gottes keinen leitenden Dienst oder „Diener Gottes” im besonderen Sinne.
Über diesen so wichtigen Punkt gibt die Schrift völliges Licht und Klarheit. Ganz abgesehen davon, dass im Alten Testament an einigen hundert Stellen sich das Wort mit den Dienern Gottes beschäftigt als mit Personen, die in besonderer Weise von Jehova Selbst berufen, legitimiert, autorisiert und geschützt sind (es sei nur an die eine Stelle in 4. Mose 12 erinnert, wo Mirjam, die Schwester Moses, es wagt, wider ihn zu reden wegen des kuschitischen Weibes, indem sie sich in die Familienverhältnisse des Mose mischt und dafür von Gott mit dem Aussatz bestraft wird), so reden die Schriften Neuen Testaments in geradezu überwältigender Weise davon. Mt. 24,45-47 spricht von dem treuen und klugen Knecht, den sein Herr über sein Gesinde gesetzt hat, um ihnen Speise zu geben zur rechten Zeit. Lk. 10,35 führt uns den Wirt vor Augen, der mit dem besonderen Auftrag, den Geheilten zu versorgen, betraut wird. Eph. 4,11 zeigt uns, wie der HERR Seines Hauses gegeben hat Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten, Lehrer zur Vollendung der Heiligen, für die Auferbaunng des Leibes Christi. Noch andere Schriftstellen wären anzuführen, doch mögen diese genügen, um zu zeigen, dass es nach der Schrift allerdings einen leitenden Dienst, dass es „Diener Gottes” im besonderen Sinne gibt.
Die Frage nun, wie das Verhältnis der Gläubigen zu diesen Dienern Gottes sei, ist eine durchaus logische und sehr wichtige. Sie wird ebenfalls durch die Schrift beantwortet.
1. Thess. 5,12.13 spricht von einem Erkennen der betr. Arbeiter, die vorstehen im HERRN, und dass sie über die Maßen in Liebe geachtet werden sollen um ihres Werkes willen. Phil. 2,25-29 sagt, dass solche in Ehre gehalten werden sollen, 1. Tim. 5,17 redet sogar davon, dass die Ältesten und sonderlich die da arbeiten in Wort und Lehre doppelter Ehre würdig geachtet werden sollen.
In Hebr. 13,18 wird zum Gebet für die Diener aufgefordert und unmittelbar vorher (V. 17) den Führern gegenüber zum Gehorsam und zur Unterwürfigkeit, auf dass ihr Dienst mit Freuden geschehe und nicht mit Seufzen, was der Gemeinde nicht gut sei.
Auch 1. Kor. 16,15 spricht von Unterwürfigkeit, indem hier das Haus des Stephanas, als des Erstlings von Achaja, ans Licht gezogen wird.
Was sind das alles für ernste, klare und bestimmte Worte, die jeden Zweifel ausschließen, und wie sollten diese Worte von der Gemeinde Gottes beachtet und gewürdigt werden! Welch ein Unsegen, welche Zerwürfnisse sind nicht schon entstanden, wo diese Hausordnungen im Hause Gottes mißachtet oder gar mit Füßen getreten wurden. Gesundes Leben in der Gemeinde Gottes kann sich nur auf die gesunde Lehre der Schrift aufbauen. Es ist ein Schmerz, immer wieder erfahren zu müssen, dass für diese gesunde Lehre der Schrift, die allem anderen vorausgeht, so wenig Interesse vorhanden ist.
Was ist nun das Kennzeichen eines Dieners Gottes und woran ist er vom „bösen Arbeiter” zu unterscheiden?
Keinesfalls ist ein Diener Gottes so, wie manche bildliche Darstellungen es zu zeigen versuchen, mit einem Heiligenschein umgeben, oder gar mit päpstlicher Vollkommenheit oder Unfehlbarkeit ausgestaltet.
Jak. 5,17 enthält ein diesbezüglich belehrendes Wort von dem Knechte Gottes Elias, von dem gesagt wird: „Elias war ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir.” Zahlreiche andere Stellen der Schrift zeigen, dass die Diener Gottes solche Menschen sind, wie von Elias gesagt wurde, Menschen mit Gebrechen und Schwächen. Es sei nur erinnert an Mose Verkehrtheit (4. Mose 20), infolge dessen ihm der Eintritt in das Land Kanaan verweigert wurde, an Samuels eigenmächtiges Einsetzen seiner ungöttlichen Söhne zu Richtern (1. Sam. 8), an Davids Ehebruch (2. Sam. 11), an Elias Flucht vor Isebel (1. Kön. 19), an Jonas merkwürdiges Verhalten (Jona 1), an Petr. Verleugnung (Mt. 26), an seine Heuchelei (Gal. 2), an Pauli Verhalten in Apg. 21. (Vergl. Frage 28 in Nr. 10 der G. H. 1916.)
Alles dies zeugt davon, dass auch die Personen, die besonderen Dienstes gewürdigt werden, mit Mängeln und Gebrechen behaftet sind. Nichtsdestoweniger hat aber der Diener Gottes sein Gepräge, indem er sich von dem „bösen Arbeiter” abhebt.
Eines der ersten und wichtigsten Kennzeichen eines Dieners Gottes ist das unbedingte Bekennen zum Wort, und zwar ohne jegliches „wenn” und „aber”. Immer wieder kehrt im Alten Testament aus dem Munde der Propheten und Diener Gottes das Wort: „So spricht Jehova”. Im Gegensatz hierzu lautet der Spruch Bileams, des falschen Propheten: „Es spricht Bileam, der Sohn Beors, und es spricht der Mann geöffneten Auges; es spricht, der da hört die Worte Gottes, der ein Gesicht des Allmächtigen sieht, der hinfällt und enthüllter Augen ist.” Der wahre Prophet schiebt Jehova in den Vordergrund, der falsche Prophet schiebt sich in den Vordergrund. Der wahre Diener hat wie Jeremia (1,18) eine eherne Stirn wider die Könige, wider die Fürsten, wider die Priester, wider das ganze Volk, er ist unbestechlich. Der falsche Diener Bileam ist für Geld zu haben, etwa so wie jener Jüngling in Richter 17, der von Micha angestellt und geweiht wurde. Sein Lohn war zehn Seckel Silber, Ausrüstung an Kleidern und Versorgung hinsichtlich seines Lebensunterhaltes. Dieses Kapitel zeigt uns die theologische Laufbahn eines jungen Mannes, wie sie in der Gegenwart heute tausendfach beobachtet werden kann.
Ein weiteres Kennzeichen eines Dieners Gottes ist, dass er Joh. 16,13 versteht, woselbst von dem Leiten in die ganze Wahrheit die Rede ist. Der falsche Diener, der böse Arbeiter mag Wahrheiten zum Ausdruck bringen und dabei „Erfolge” erleben, die Menge mag ihm zujauchzen und Ehre ihm zufallen, der Diener Gottes hat es mit der ganzen Wahrheit zu tun, mit dem ganzen Ratschluß Gottes, mit der Breite und Länge und Tiefe und Höhe (Eph. 3,18). Paulus war nicht zufrieden mit dem Glauben, der Liebe und der Hoffnung der Kolosser (1,4), ihm kam es vielmehr darauf an, dass sie erfüllt würden mit der Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis (1,9).
Der böse Arbeiter hat zweifellos Erfolge aufzuweisen, die religiöse Masse ist auf seiner Seite, er liebt das Wort „viel”, er hat wenig Verständnis von der engen Pforte und dem schmalen Wege, er liebt nicht diesen vom HERRN für die gegenwärtige Haushaltung aufgestellten Grundsatz (Mt. 7,13.14) von den „Wenigen”, versteht und erlebt auch nicht Joh. 6,66: „von da an gingen viele Seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit Ihm”.
Unter der Arbeit des Dieners Gottes dagegen wird Frucht gezeitigt, die in die zukünftige Welt hineinreicht und unter der der Herr Jesus anerkannt wird als der alleinige HERR und Gebieter (Jud. 4), als der HERR im Hause Gottes (2. Tim. 2,21; 1. Tim. 3,15) und dem man folgt in dem Sinne von Lk. 26,27 außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend (Hebr. 13,13).
Ein anderes wichtiges Kennzeichen eines Dieners Gottes ist, dass er frei ist von der verkehrten, menschlichen, weichlichen Liebe, die über alles einen Mantel hängt oder sagt: „Schwamm drüber.” - Der Diener Gottes weiß wohl 1.Kor. 13, jenes Kapitel von der Liebe, die alles erträgt, alles glaubt, alles hofft, altes erduldet (V. 7), zu würdigen, er weiß aber auch mit diesem Kapitel Worte wie 2. Thess. 3,6 in Einklang zu bringen, woselbst das Zurückziehen von jedem Bruder geboten ist, der nicht der Ordnung der Überlieferung gemäß wandelt. Er versteht auch und handelt nach Anweisungen, wie sie in Apg. 19,9.10 gegeben sind, wo selbst vor einer Trennung nicht zurückgeschreckt wird nach 1. Kor. 5,11 und 13, welches Wort das Hinaustun des Bösen verlangt. Der Diener Gottes versteht das heilige Gleichgewicht des Wortes Gottes zu wahren, er tut feste und gewisse Tritte. Vgl. auch 2. Tim. 2,15!
Möchten diese wenigen Hauptkennzeichen eines Dieners Gottes beachtet werden, dann wäre das Ohr der Gemeinde Gottes für manche Persönlichkeit verschlossen, die nicht von Gott gesandt ist und darum nur Torheit redet und Wirrwarr anrichtet.
W. W.
Antwort B
In Mt. 23,8-12 warnt der HERR Seine Jünger, sich nicht Rabbi und Meister nennen zu lassen. Einer sei ihr Lehrer, einer ihr Meister: Christus.
Nachdem der Herr Jesus gen Himmel gefahren war und sie den Heiligen Geist empfangen hatten, wurden sie von Diesem „in die ganze Wahrheit geleitet”, und so wurden sie selbst unter der Leitung des Heiligen Geistes leitende Diener oder Führer in den Gemeinden Gottes.
Diese ehemaligen Fischer, Zöllner usw. maßten sich keine Titel und Würden an, wie es heute geschieht. Sie blieben dieselben, die sie vorher waren. Beauftragt und geleitet vom Heiligen Geist, hüteten sie die Herde Gottes, bedienten die Gemeinden wie auch die einzelnen Gläubigen. (Apg. 20,17-21.)
Dieser Dienst besteht heute noch, wenn auch infolge des Niederganges des Christentums nicht mehr in derselben Kraft und Frische. Überall, wo wahrhaft Gläubige zusammenkommen zum Wort oder zur Anbetung in dem kostbaren Namen Jesu, hat es Gott gefallen (auch wenn es manchenorts nur wenige sind), einzelne zu befähigen und mit Gnade, Erkenntnis und Einsicht auszurüsten, um ihren Mitbrüdern mit dem Worte der Wahrheit und zum Segen aller dienen zu können. Solche vom Heiligen Geiste ausgerüstete und geleitete Brüder sind Diener Gottes, wenn sie auch nicht vom Staate oder einer religiösen Körperschaft ordiniert sind.
Über das Verhalten der Gemeinde zu solchen Dienern unterweisen uns Stellen wie 1. Thess. 5,12-15; 1. Tim. 5,7-19 u. a. m.
F. B.