die göttliche Torheit gegenüber der menschlichen

„Wie ist der Ausdruck des Apostels Paulus zu verstehen und inwieweit darf er praktisch gebraucht oder verwertet werden: ‚die göttliche Torheit‘gegenüber der menschlichen (Elb. ‚das Törichte Gottes‘)? 1. Kor. 1,25.“

Antwort A

Gott ist der Urquell aller Weisheit. Jede Pflanze auf der Wiese, jedes Mücklein im Sonnenschein, jeder Baum im Walde, alle Kreatur Himmels und der Erden von den kreisenden Kräften im winzigen Atom bis hin zu den Sonnen und Sternen im Äther des Weltalls - sie alle verkündigen die Weisheit des Schöpfers. Von ihr zeugt die Lebensgeschichte des einzelnen, die Geschichtsführung der Völkerwelt, der Äonenverlauf der Heilsentwicklung. „Jehova gibt Weisheit; aus Seinem Munde kommen Erkenntnis und Verständnis” (Spr. 2,6); Er ist „der allein weise Gott”. (Röm. 16,27)

Wie aber kann da die Heilige Schrift von einer „göttlichen Torheit” reden? (1. Kor. 1,25) Was will sie damit sagen? Inwieweit dürfen wir diesen Ausdruck verwenden?
Zunächst ist von vornherein klar, dass das Wort „Torheit” bzw. „töricht”, wenn es in Bezug auf Gottes Offenbarungsmethoden angewandt wird, nur als in Anführungsstrichen gedacht aufgefaßt werden darf. Die Menschen in ihrer Blindheit und ihrem Unverstand nennen das „töricht”, was in Wahrheit unendliche Weisheit ist. Es ist nur scheinbare, nur sogenannte „Torheit”, in Wirklichkeit aber ewige (vom Sünder allerdings verkannte) Gottesweisheit. Nur der Unglaube meint hier „Torheit” zu sehen; dem Glauben, der gottgemäß denkt und in das Innere schaut, ist gerade diese „Torheit” ein Beweis göttlicher Fülle, und zwar dies in doppelter Hinsicht: in bezug auf die göttliche Unendlichkeit und in bezug auf die göttliche Ehre.

1. In bezug auf die Unendlichkeit Gottes ist das, was die Ungläubigen hier „Torheit” nennen, in Wirklichkeit ein Ausfluß Seiner unerschöpflichen, alles endliche Denken überragenden Ewigkeitsfülle. Allerdings scheint dem rein geschöpflichen, noch dazu sündhaft entarteten Denken des Menschen vieles an der göttlichen Heilsgeschichte widerspruchsvoll und unbegreiflich - die Dreieinheit der göttlichen Personen, der Ursprung des Bösen, die rechtliche Zurechnungsmöglichkeit eines stellvertretenden Strafleidens, das Weiterbestehen der Macht Satans trotz des Sieges von Golgatha -; aber der Grund liegt nicht in dem Unvermögen des Ewigen, sondern in der Fassungsunfähigkeit der gefallenen Kreatur. Schon im alltäglichen Leben sind wir überall von Rätseln umgeben. Wir wissen nicht, was „Stoff” ist; wir wissen nicht, was „Kraft” ist; wir wissen nicht, was „Leben” ist; wir wissen nicht, was „Tod” ist. Wir wissen - ohne göttliche Offenbarung - nicht den Ursprung der Welt und ebensowenig das Ziel aller Welt. Ja, wir erklären täglich Dinge, von denen wir wenig wissen, durch Dinge, von denen wir gar nichts wissen. Hat aber der Mensch nicht den Mut und die Demut, diese seine Unzulänglichkeit anzuerkennen, so macht er sich hochmütig zum Kritiker des Ewigen und verfällt in den Wahnwitz, mit dem Maßstab des Endlichen das Unendliche ausmessen zu wollen. Und wenn dies dann natürlich nicht möglich ist, so nennt er das Unergründliche in seiner Überheblichkeit „Torheit” und ist doch in Wahrheit selber der Tor, wie Luther es einmal ungefähr so ausgedrückt hat: „Siehet es mich närrisch an, so ist des eben keine andere Ursache, als dass ich ein großer Narr bin, der die göttliche Weisheit nicht zu fassen vermag.” Alle hochmütige Selbstsicherheit ist, schon rein menschlich, stets Zeichen eines kleinen Geistes.

2. In bezug auf die Ehre Gottes ist die Erwählung des Schwachen und Törichten vor der Welt eine Maßnahme Seines heiligen Eiferwillens zu Seiner eigenen, göttlichen Selbstverherrlichung. Von all den Sonnen und Sternen des Weltraums hat Gott die winzige Erde erwählt und auf dieser das kleine Land Kanaan und in ihm das Volk Israel, das „geringste” aller Völker (5. Mo. 7,7), in Israel aber die Stadt Bethlehem, die zu gering war, um unter die Tausende von Juda gerechnet zu werden (Mich. 5,1), in Bethlehem selbst aber die Krippe! Und von der Krippe ging es weiter bis an das Kreuz! So erwählt Sich Gott stets das Geringe: zum ersten Zeugen des Neuen Testaments Matthäus, den Zöllner, zur ersten Verkündigerin der Auferstehung Maria Magdalena, die große Sünderin (Mk. 16,9; Joh. 20,11-18), zum hervorragendsten Apostel Paulus, den „ersten aller Sünder”. (1. Tim. 1,15) Auch in der Gemeinde sind es nicht viel Edle und Gelehrte, nicht viel Reiche und Mächtige, nicht viel Große und Gewaltige (1. Kor. 1,26-29), keine prunkenden Synoden, keine hochklingenden Titel, keine verstandesscharfen Glaubensdebatten, keine Anerkennung von der Welt. Gewiß, einzelne sind da: Zinzendorf war Reichsgraf - aber Luther war Bauernsohn, John Bunyan war Kesselflicker, William Carey Schuhmacher, Tersteegen Bandwirker. Timotheus hatte seine Magenschwäche (1. Tim. 5,23) und Paulus seinen „Pfahl im Fleisch”. (2. Kor. 12,7) Das Ganze aber geschieht, damit sich vor Ihm kein Fleisch rühme, sondern „wer sich rühmt, der rühme sich des HERRN”. (1. Kor. 1,31) Je schwächer das Material, desto größer - bei jeder Kunstleistung - die Ehre des Meisters. Je kleiner die Armee, desto gewaltiger - bei gleichem Siege - der Ruhm des Triumphators. Dies ist der eigentliche Grund der Erwählung des weltlich „Törichten” durch den allein weisen Gott. Die „Torheit der Predigt” ist die Methode Seiner göttlichen Ehre.

Bei einer solchen Sachlage ist es klar, dass wir nur mit dem äußersten Vorbehalt und dem vorsichtigsten Taktgefühl die menschliche Torheit neben die Methode der göttlichen Erwählung des „Törichten” stellen dürfen. Es sind zwei wesenhaft verschiedene, geradezu entgegengesetzte Größen. Das eine ist eine wirkliche, das andere nur sogenannte Torheit. Das eine gilt es zu erkennen; das andere nennen nur die, die es verkennen, „Torheit”. Das eine kommt aus der Endlichkeit, das andere aus der Unendlichkeit, das eine soll uns beugen, das andere soll Gott erheben; das eine führt zu unserer Demütigung, das andere zu Gottes Verherrlichung. Und weil Gottes Weisheit unsere Torheit überwaltet und weil Seine ewige Kraft unsere Schwachheit durchwirkt, ist das „Törichte Gottes” weiser als die „Weisheit” der Menschen und das „Schwache” Gottes stärker als alles „Heldische” der menschlich Starken. Aber völlig löst sich diese Spannung erst bei dem Eintritt der Vollendung; denn erst dann wird offenbar, inwiefern Gott gerade durch das Schwache Seinen Sieg erreichte und durch die Benutzung des „Törichten” Seine Weisheit kundmachte. Erst dann werden uns auch die Augen für Seine Unendlichkeit aufgehen, und Ihm werden wir alle Ehre zu Seinen Füßen niederlegen. Doch im Glauben sprechen wir schon jetzt: „Dem allein weisen Gott durch Jesum Christum, Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.” (Röm. 16,27)
Er. Sr.

Antwort des Schriftleiters

Ist diese Antwort nicht köstlich? Und sollte sie uns nicht genügen? Der Verfasser meint, ich solle noch etwas hinzufügen! Das will ich tun im Aufblick zum HERRN, aber die Arbeit unseres Mitarbeiters wird sicher bei den meisten der Leser den Vorzug genießen. Und das ist schön!

Zunächst sei es ganz klar ausgesprochen: Diese Frage stammt aus einem Gebiet, da „unsere” Elberfelder Übersetzung der Bibel wohl nur wenigen bekannt ist, wo dagegen die französische Bibelübersetzung gilt. Aus deren Sprachgebiet stammt der Ausdruck „die göttliche Torheit”. Da aber dieser auch so in der lutherischen Bibelübersetzung steht (in anderen kaum!), so mögen auch manche, die neuere andere Übersetzungen nicht kennen, über diesen Ausdruck gestolpert sein. Jedoch nach dem Grundtext scheint mir derselbe nicht statthaft zu sein, wobei ich gern anerkenne, dass er zu Luthers Zeiten und in jenen Kreisen nicht so ausgefaßt sein mag wie dort, wo die Frage entstanden ist. Denn wenn in der französischen Übersetzung steht „La folie divine”, zu deutsch „die göttliche Torheit” - „Narrheit”, dann wird meiner (vielleicht unmaßgeblichen) Meinung nach von Gott„nicht geziemend” geredet! (Hiob 42,8c) Aber nicht nur das, sondern die Stelle wird auch missverstanden ; und auch dadurch wird ungeziemend über Gott geredet. Es dürfte doch wahrlich nicht schwer zu sehen sein, dass es sich um einen und nur einen Weg der Errettung handelt in 1. Kor. 1, um den Weg des Kreuzes, die Tatsache des Gekreuzigten und Auferstandenen, des Christus! Dieser Weg entspricht Gottes Weisheit, er wird aber von der hochmütigen Menschheit „Torheit” genannt. Nun wohl, Gott als der Größere steigt herunter und stellt Sich auf diesen armseligen Boden, d. h. Er begegnet, wie stets, dem Menschen da, wo der Mensch ist. Nennt der Mensch im allgemeinen das „Wort vom Kreuz” eine „Torheit” (der Jude nennt es ein Ärgernis [V. 23], d. h. etwas, woran er sich stößt, worüber er fällt, vgl. Gal. 3,13!) - nun gut, dann nennt auch Gott es so („Torheit der Verkündigung” V. 21) und zeigt dem selbstbewußten, dabei so abgrundtief törichten („töricht” im A. T. hat stets die Nebenbedeutung von „böse”, „schlecht”, vgl. die Psalmen!) Menschlein, dass die angebliche „Torheit” unendlich weiser als alle „Weisheit der Weisen” (V. 19) ist: Es gefiel Ihm, unserem Gott, wohl, vermöge solcher „Torheit der Predigt” die daran Glaubenden zu erretten! (V. 21) Welche Gnade: Gott lässt Sich durch die Bosheit des Menschen, der Seine Weisheit lächerlich machen will, nicht abhalten, auch und gerade auf jenes Boden die Glaubenden selig zu machen! Gepriesen sei Er! Mag der Mensch Gottes Liebeswege zu durchkreuzen suchen - diese sind stärker, Gott überwindet das Böse mit dem Guten! (Röm. 12,21, vgl. den gleichbetitelten Aufsatz im vorigen Jahrbuch!)

Wenn nun im weiteren Verlauf in jenen genannten Übersetzungen in V. 25 „die göttliche Torheit” steht, so wäre das an sich schon nicht so schlimm, wenn man den Ausdruck richtig (wie oben angegeben) auffaßt, wenn man aber ihn so ungeziemend verwertet, dass man sozusagen darin schwelgt und dem Feinde, der stets Gott zu verunglimpfen sucht, Anlass gibt, triumphierend davon zu reden, Gott würde sogar im inspirierten Wort „töricht” genannt („toll”, „närrisch”), dann ist das mehr als ungeziemend, dann ist es gefährlich und lässt den Abstand „von 2000 Ellen” vermissen. (Josua 3,4) Und dann stehe ich nicht an zu sagen, dass die Übersetzung „die göttliche Torheit” falsch, weil zum mindesten irreführend ist, zumal nach dem Grundtext „nur” dasteht: „das Törichte Gottes” und ebenso „das Schwache Gottes”. Und diesen Ausdruck auf die Person Gottes zu beziehen, ist auch mehr als töricht, denn er bezieht sich nach dem Zusammenhang (V. 26ff.) auf Sein Tun! Was erwählt Er? Das Törichte, das Schwache, das Unedle, das Verachtete! Mochte der Mensch Sein Tun, Seine Tat des Kreuzes „töricht” nennen - ja! Gott wählt auch gerade das Törichte usw. aus, um das, was sich selbst rühmt, zunichte zu machen! Das ist ein Grundsatz der Schrift! Dafür enthält die Schrift eine schier unermeßliche Fülle von Beispielen. Man denke hier (in rascher Folge) an Abel mit seinem Opfer, an Joseph mit seinen Träumen und seinem Leibrock, an Gideon mit seinen 300 mit Fackeln und Krügen, die zerbrochen werden sollten, Bewaffneten (Richt. 7), während Gideon selber aus dem „schwächsten 1000” war (6,15), so dass er wahrlich nichts war als ein „Gerstenbrot”! (7,13) Und war er darin nicht ein wunderbares Vorbild von dem, von dem 2. Kor. 8,9 spricht?! Man denke ferner an Ruth, die Moabitin, an das Umzogenwerden Jerichos, an die Heilung Naemanns im schmutzigen Jordan, an David, den jüngsten Sohn Isais, an die fünf glatten Steine, mit denen Goliath besiegt ward usw. usw.

Ja, „das Törichte Gottes”, so heißt es, nicht „die göttliche Torheit”! lasst uns geziemender reden von Ihm und lasst uns auch solche Ausdrücke mit heiliger Ehrfurcht betrachten und nicht mit unheiliger Hand zerpflücken und den gierigen, sensationslüsternen Menschen ausliefern, so wie man unseren geliebten HERRN „in die Hände sündiger Menschen überlieferte”. Mit welchem Abscheu mochten die Engel an diese Hände denken, die sie in Sodom kennengelernt hatten, und gerade auch sie sagen es von Ihm, Er sei „in die Hände sündiger Menschen überliefert”. (Lk. 24,7!) lasst uns unserem Gott nichts „ungereimtes” zuschreiben! (Hiob 1,22)
Vor eineinhalb Jahrzehnten behandelte ich bei Evangelisationen über den Text 2. Kön. 5 ein paarmal das Thema „Die Torheit der Predigt”, aber selbst dieser Ausdruck schien mir bald, als von der Welt gebraucht, irreführend und ungeziemend, obwohl er als buchstäblich in der Schrift dastehend nicht im Entferntesten an den anderen „die göttliche Torheit” (Narrheit) heranreicht - aber wenn einer meint, mit dem letzteren der Welt dienen zu sollen und zu können, so haben wir den Bruder zwar nicht zu richten, aber wir sollten unsere warnende Stimme erheben um der Ehre unseres Gottes willen und um der möglichen Irreführung armer, sowieso irrender Menschenkinder willen, denen solche Anstöße schaden können für Zeit und Ewigkeit. Ich meine, man kann nicht vorsichtig und zart genug über die Dinge Gottes und vor allem Seine Person vor der Welt reden, die doch nicht das (geistliche) Organ des Verständnisses hat wie wir und die darum viel leichter etwas mißversteht und dann einen Schaden leidet, den wir nicht heilen können, ebensowenig wie wir die verletzte Ehre unseres von der Welt sowieso so oft in den Schmutz gezerrten Gottes und HERRN, den wir mit solchen Ausdrücken verunglimpfen, wiederherstellen können. Nur Er Selber kann dies! lasst uns uns in heiliger Furcht scheuen, denn auch hierin gilt Mt. 12,36, wo vom „Rechenschaft-geben-müssen von jedem unnützen Wort am Tage des Gerichts” geredet ist! Vor dem „Richterstuhl des Christus” werden solche Dinge der Gläubigen auch verhandelt werden! (2. Kor. 5,10) Ja, Er gebe uns Gnade, den heiligen Abstand zwischen uns und Ihm nicht zu vergessen noch zu verwischen, noch ihn in ungeziemender Vertraulichkeit zu verkleinern, sondern Ihn stets als den Dreimalheiligen zu kennen, zu verkünden, zu preisen und so von Ihm zu reden, wie Er es wert und würdig ist, Ps. 19 (u. a. V. 7-11.14!); Jud. 1,24.25!
F. K.
Seid heilig, denn Ich bin heilig!” (1. Petr. 1,16)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 21 (1936)