Der Schatz im Acker

Matth. 13,44-46: Wer oder was ist der im Acker verborgene Schatz und die eine sehr kostbare Perle? Wer ist der Finder in dem einen und anderen Falle? Wer der Käufer des Ackers und der Perle?

Antwort

Wie bekannt, kommt der Titel „Reich der Himmel” nur in Matthäus vor. Der König ist abwesend. Was trägt sich da in diesem Be-Reich zu? Weist der Bereich im Laufe der Zeit Strukturveränderungen auf? Welches soll der sittliche Charakter des Reiches in denen sein, die darin sind oder es ausmachen? Denn vorderhand, solange der König Seine Ansprüche auf das Territorium, d. i. auf die Erde, nicht geltend macht, besteht Seine Herrschaft nur über die Menschen, soweit sie Seine Autorität anerkennen. Die Antwort geben uns außer anderen Belehrungen über den Gegenstand, z. B. die Bergpredigt, die „Gleichnisse des Reiches der Himmel”.
Ist es schon aufgefallen, dass es dieser Gleichnisse ausgerechnet 10 sind? Die Zahl der Verantwortlichkeit des Menschen gegen Gott? So dass in der gegenwärtigen Zeit zu diesem geheimnisvoll daseienden Reich der Himmel zu gehören eine besondere Verantwortlichkeit in sich schließt? Der HERR Selbst sagt in Vers 11, dass Seine Reden über dieses Reich Geheimnisse seien. Da, wo Er Deutungen gibt, wie über den Säemann, über das Unkraut und über das Netz, lüftet Er den Schleier des Geheimnisvollen, und die feierliche Wirklichkeit des Geschehens liegt offen vor uns.

Dieweil der HERR über das Senfkorn, den Sauerteig, den Schatz und die Perle keine Deutung gibt, kommt uns der Gedanke: Er wollte etwas übriglassen zur Übung für die Zeit, da das Reich nach Seiner Erhöhung eingeleitet, der Heilige Geist als Sein Stellvertreter herabgekommen, und die Jünger sowohl wie die durch sie an Ihn Glaubenden erinnert werden würden „an alles das, was Er gesagt hatte” und „in die ganze Wahrheit geleitet” werden würden. (Joh. 14,26 und 16,13) Als Matthäus seinen Bericht über das Leben, die Reden und die Taten des HERRN für die Gläubigen abfaßte, war der Geist schon längst da. Wird Er uns nicht behilflich sein, die rechte Deutung zu finden, wenn wir uns unvoreingenommen weisen lassen? Soll da nicht auch der Zusammenhang der Gleichnisse uns etwas zu sagen haben?
Die ersten 6 der 10 Gleichnisse finden sich in Kapitel 13, und zwar je 3 und 3 gesondert. Der HERR gibt sie unaufgefordert; und dass Er je drei aneinanderreiht, veranlasst uns zu fragen: Liegt dem ein gewisser Zusammenhang zugrunde? Wir würden sehen, dass die Antwort „ja” lautet, wenn wir eine Abhandlung über alle 7 Gleichnisse dieses Kapitels zu schreiben hätten. So aber müssen wir uns Beschränkung auferlegen. Folgendes sei aber doch gesagt: die restlichen 4 der 10 stehen in den Kapiteln 18, 20, 22, 25; sie dienen dort als Fortsetzung gepflogener Unterhaltungen zur Belehrung und Warnung, zur Hervorhebung gewisser sittlicher Charakterzüge, welche bei denen, die im Reiche der Himmel sind, gefunden werden sollen.

In Kap. 13 steht das Gleichnis vom Säemann, wie der HERR Selbst es nennt, voran. Nicht eigentlich als eins vom Reiche der Himmel. Die Erklärung, die Er von dem Samen, dem Wort, und von dem viererlei Boden, dem Menschenherzen, gibt, erfüllte sich dazumal wie heute. „Das Wort vom Reiche hören” (V. 19), taten schon die, die Johannes den Täufer und nach ihm den HERRN über das nahe seiende Reich der Himmel reden hörten.

Die 3 ersten der 6 zeigen auf, nachdem das Reich eingeleitet sein würde: in dem Gleichnis vom Unkraut die verderbliche Tätigkeit des Feindes, in dem vom Senfkorn das Großwerden des Reiches in räumlicher Ausdehnung, in dem vom Sauerteig einen inneren nicht sein sollenden Wandlungsprozeß.
Die zweiten 3 lassen erschauen im Schatz und in der Perle einerseits die Wertgegenstände, die das Reich der HimmeI birgt und als was der HERR sie im voraus sieht, und andererseits im Netz, in ganz verschiedener Darstellung, wie sie und von wo sie hergeholt werden.

Der Vollständigkeit halber sei noch hergesetzt: Die dritten 3, das vom König, der mit seinen Knechten abrechnet, das vom Hausherrn, der Arbeiter in seinen Weinberg sendet, das vom König, der seinem Sohn Hochzeit machte, führen Gottes Gnade und Güte vor, in der Er handelt und wie Er erwartet, dass die Gegenstände dieser Gnade derselben Verständnis entgegenbringen und sich dementsprechend in ihrem eigenen Verhalten zeigen.

Das zehnte, das von den 10 Jungfrauen, indem es vom Endpunkt aus, dem Punkt, wo das Reich aufgehört haben wird, etwas Geheimnisvolles zu sein, im voraus einen Rückblick auf das, was war, tun läßt, führt eindringlich vor Augen, wie man durch Leichtfertigkeit um den Preis seiner Seligkeit irren kann. Man beachte: Kap. 24,39.40: „... die Ankunft des Sohnes des Menschen. Alsdann werden zwei auf dem Felde sein usw.” 25,1: Alsdann (wenn der Sohn des Menschen gekommen sein wird) wird das Reich der Himmel gleich geworden sein (nicht „ist gleich geworden” wie in Nr. 1, 7 und 9, oder „ist gleich” wie in Nr. 2-6 und 8), d. h. am Schlußpunkt der Linie stehend und Rückschau haltend wird diese Schau sich als das und das darbieten.

Wir wenden uns nun der zweiten Dreiheit der Gleichnisse: Schatz, Perle, Netz, zu. Wir stellen aber zuerst fest: Unter Gleichnis ist zu verstehen die Darstellung eines der Natur oder dem Leben entnommenen Vorgangs, der entsprechende Vorstellungen auf seelischem und geistlichem Gebiete des Menschenlebens weckt. Dabei ist zu beachten, dass die gewonnenen Vorstellungen nicht bis zum äußersten in der Vergleichbarkeit getrieben werden dürfen. Ein Punkt des Gleichnisses kann oder mehrere können in der erweckten Vorstellung beiseite gelassen werden. Andere im Gleichnis nicht besonders hervorgehobene Punkte können in der Vorstellung hinzutreten. Eines aber steht fest: Die gewonnenen Vorstellungen ergeben zusammengefaßt einen springende Punkt. Auf den zielt das Gleichnis ab. Der HERR Selbst in dem Gleichnis vom Unkraut und der Deutung davon gibt diese Belehrung.

Der Frage über Schatz und Perle liegt eine Einsendung zugrunde, die im Gegensatz zu den Ausführungen im Septemberheft 1935 der „Handr.”, worin der Herr Jesus als der Finder und Käufer der Perle hingestellt wird, will, dass der Mensch der Finder und Käufer, und der Herr Jesus der Schatz und die Perle sei. - Kann das sein?
Die in Vers 44 vorgestellte Hauptsache ist: Reich der Himmel und im Acker verborgener Schatz decken sich in der Vorstellung. Als zweites kommt erläuternd hinzu: Der Schatz ist von einem Menschen gefunden und im Acker verborgen worden. Als drittes noch: Der Mensch will um jeden Preis den Acker haben; zu diesem Ende verkauft er alles, was er hat, und kauft tatsächlich den Acker. Aber, fragen wir interessiert: Warum kauft er nicht einfach den Schatz, warum den Acker? Seine Freude gilt doch dem Schatz! Überhaupt: Warum hat er diesen nicht gleich behalten? Warum verbirgt er ihn, und das im Acker? Sonderbare Sache! Ja, sonderbar in der Tat ist das, was Gott tut und was der Herr Jesus tut. Eine Anleitung zur Deutung gibt uns der HERR in Vers 38: „Der Acker ist die Welt.” Da taucht aber auch sofort die Frage auf: Kann ein Mensch die Welt kaufen? Antwort: Nein. Damit wäre eigentlich die Frage entschieden. Aber noch mehr: Hat der Mensch etwas zu verkaufen? Antwort ebenfalls: Nein; denn er hat nur seine Sünden. Auch wenn er reich an irdischem Gut wäre wie der Jüngling in Kap. 19, seinen Besitz verkaufte und den Erlös den Armen gäbe, wäre er doch seiner Sünden nicht ledig. Sich den Herrn Jesus als Schatz kaufen, könnte er keineswegs, nicht nur weil er nichts hat, sondern weil es sich darum handelt, die Welt zu kaufen.

Sich mit irdischem Besitz „eine gute Grundlage für die Zukunft sammeln” (1. Tim. 6,19), sich „mit dem ungerechten Mammon Freunde machen, um ... aufgenommen zu werden in die ewigen Hütten”, gilt nur solchen, die schon Jünger, Nachfolger Jesu sind; und was sie als Ersatz für Drangegebenes empfangen, empfangen sie aus Gnaden nach der Unumschränktheit Gottes: Mt. 19,27 - 20,16; sie kaufen es nicht. Und was sollten die Armen, welche die Mehrzahl derer bilden, die errettet werden, verkaufen? Und überdies: Hat der Mensch, der Jesus als einen Schatz besitzt, Freude über Ihn gehabt, ehe er Ihn besaß oder überhaupt von Ihm wußte, wenn er z. B. ein Heide war? Es steht ausdrücklich da, dass der betreffende Mensch Freude über den Schatz hatte, ehe er den Acker kaufte. Will der natürliche Mensch überhaupt etwas von dem Herrn Jesus wissen, es sei denn, dass der Vater ihn zum Sohne ziehe? (Joh. 6,44) Es muss doch wohl so sein, dass der Herr Jesus der ist, der um den Schatz weiß, der vor Freude alles verkauft und den Acker, nicht den Schatz kauft. Gibt die Schrift Anhaltspunkte hierfür? Ich glaube ja. Wenn wir an die Bitten des HERRN an den Vater in Johannes 17 denken, dann kommen wir wohl auf die rechte Spur. Vers 6: „Ich habe Deinen Namen geoffenbart den Menschen, die Du Mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren Dein, und Du hast sie Mir gegeben.” Vers 9: „Ich bitte für die, welche Du Mir gegeben hast, denn sie sind Dein.” Vers 11: „Ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt ... Heiliger Vater, bewahre sie ...” Vers 15: „Ich bitte nicht, dass Du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass Du sie bewahrest ...” Vers 16: „Sie sind nicht von der Welt ...” Vers 18: „... Ich habe sie in die Welt gesandt ...

Wir haben oben gesagt, dass man in einem Gleichnis nicht notwendigerweise jeden Zug desselben ausdeuten müsse. Dieser Hinweis wäre anwendbar daraufhin, dass im Gleichnis der Mensch zuerst den gefundenen Schatz verbirgt, und dann unverständlicherweise den Acker, nicht den Schatz kauft. Wir haben aber auch gesagt und den HERRN Selbst in der Deutung des Gleichnisses vom Unkraut auf dem Acker als Kronzeugen dafür angeführt, dass in der Deutung Punkte, die sonst unangebracht wären, gerade hervortreten. So hier: Dass die Menschen in Joh. 17 für Ihn der Schatz im Acker, in der Welt, sein mögen, leuchtet ein. Er, als in die Welt Gekommener, sieht oder findet (es ist ja alles Gleichnis, Vergleich!) den Schatz, die zur Ernte weißen Felder (Joh. 4,35); der Schatz bleibt aber vorderhand da, wo er ist: in der Welt. Um sich aber den Schatz zu sichern, erwirbt er den Acker der Welt. Um das zu bewerkstelligen, war Er, da Er reich war, arm geworden (2. Kor. 8,9); da Er in Gestalt Gottes war, machte Er Sich Selbst zu nichts (Phil. 2,6.7); Er erwarb den Besitz, d. i. was in den Himmeln und was auf der Erde ist, anders gesagt: die Welt (Eph. 1,14.10), obwohl Schöpfer aller Dinge, hat Er als Erniedrigter, als alles Drangegebenhabender, durch das Blut Seines Kreuzes alle Dinge auf der Erde und in den Himmeln mit der Fülle der Gottheit, die leibhaftig in Ihm wohnt, versöhnt, sie in richtige Beziehung zur Gottheit zurückgebracht, d. i. erworben, d. i. gekauft, auf Grund der Hingabe Seiner Selbst für sie.

Diese Hingabe zum Opfer geschah zugleich für das irdische Volk, für Israel: „Darum hat auch Jesus, auf dass Er durch Sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten.” (Hebr. 13,12) Und noch etwas liegt darin: Vor Seiner Selbsthingabe zum Opfer, speziell für Israel, wurde Er von diesem Seinem Volke, von den Juden, verworfen, Er, der ihnen verheißene Messias. Da begab Er Sich denn dieser Seiner Würde, um sie erst in späteren Tagen wieder anzunehmen. Es sollte nach den Absichten Gottes so kommen, um Raum zur Ausführung der Ratschlüsse Gottes zu schaffen, die auf ein himmlisches Volk abzielten: eben auf den Schatz und die Perle. „... Du hast Mich emporgehoben (nämlich zur Messiaswürde) und hast Mich niedergeworfen” (nämlich von dieser Stellung weg bis zum Verkürzen Meiner Tage), hören wir darum aus Seinem Munde im 102. Psalm; und dem Daniel wurde gesagt (Kap. 9,26): „Und nach den 62 Wochen wird der Messias abgeschnitten werden und wird nichts haben.” Da Er mit Gott Seinem Vater nur einen und denselben Willen hatte, so sind wir, auch auf Grund anderer Stellen, berechtigt zu sagen: Er gab alles dran, bildgesprochen „verkaufte” alles, was als Messias Israels Sein Teil war, um weiter hinausreichende Ratschlüsse durch Sein Sterben zur Erfüllung zu bringen, Ratschlüsse, die, wie gesagt, auf ein himmlisches Volk abzielen, das Ihm zu Genossen in der zukünftigen Entfaltung Seiner Herrlichkeit gegeben wird. „Genossen der himmlischen Berufung”, ... „wir sind die Genossen des Christus geworden” ... (Hebr. 3,1.14) Es kann nicht anders sein, als dass die, die in der jetzigen Zeit Sein sind, der Schatz für Ihn sind, und zwar einfach als Einzelpersönlichkeiten; jetzt noch nach Seinem eigenen Willen im Acker, in der Welt verbleibend, von Ihm absichtlich dahin getan nach Joh. 17,18: „... habe auch Ich sie in die Welt gesandt”; „verborgen”, weil die Welt sie nicht kennt als das, was sie sind, so wenig als sie den HERRN Jesus Selbst kennt, noch den Vater.

Dass auch die Deutung über die Perle, der Herr Jesus sei sie, unhaltbar ist, ergibt sich nach dem vorangegangenen von selbst. Umgekehrt aber, und „wiederum”, um dieses Wort aus Vers 45 zu gebrauchen: Er, der HERR, sieht als Perle, als ein einziges, unteilbares, wertvolles Ganzes in vollendeter Ausgestaltung diese selben Menschen, die der Vater Ihm gegeben hat, „in eins vollendet”, Joh. 17,21-23: „Auf dass sie alle eins seien” ..., sie in uns eins ..., dass sie eins seien ..., sie in eins „vollendet ...” Könnte jemand etwas anderes in diesen, eine strahlende Einheit gewordenen, Menschen erkennen als die Gemeinde in Eph. 5, die Braut, das Weib des Lammes in Off. 21; dort zwar als in ihrem LichtgIanz strahlende Stadt, welche Sich zu erwerben der Christus alles, wie beim Schatz gesagt, ja, Sich Selbst hingab? Braucht der Ausdruck „schöne Perlen suchen” und das Abstehen vom Suchen weiterer nach dem Finden der „einen sehr kostbaren” eine Schwierigkeit zu machen? Es kommt doch nur auf den springenden Punkt an bei einem Gleichnis!

Man übersehe nicht: Das Reich der Himmel, geheimnisvoll existierend, seit der König im Himmel ist, und der Mensch, ein Kaufmann, decken sich in der Vorstellung. Nicht Reich und Perle decken sich, wie vorher Reich und Schatz sich decken. Als zweites kommt erläuternd hinzu: Der Kaufmann sucht schöne Perlen; es ist ein Vorsatz da; er weiß genau, was er will; als Fachmann versteht er sich auf die Ware. Er findet eine, die es ihm so antut, dass er nicht nach weiteren sucht. Als drittes vernehmen wir wie beim Schatz: Er verkauft alles, was er hat, und kauft die eine. Dieser dritte Punkt ist derselbe wie beim Schatz. Es ist derselbe Verkauf und derselbe Kauf. Das Suchen ist ein Vorsatz. Ein solcher kommt beim Schatz nicht vor. Wenn etwas dem Vorsatz entsprechendes genannt werden soll: Sehen wir dies Suchen nicht schon im Paradiese? Jehova, Gott, kannte das Verlangen Adams, „der ein Bild des Zukünftigen ist”, und ließ ihn nach dem Erwachen den Schatz finden, der ihn befriedigte: die Männin; und doch kostete sie Adam eine seiner Rippen, während er in tiefem Schlafe lag: das Spiegelbild vorn Tode des Christus, aus dem Ihm Sein anderes Ich wurde: die Gemeinde: Fleisch von Seinem Fleisch, Bein von Seinem Gebein (Eph. 5); die einzelnen Glieder des geheimnisvollen Christus zusammen: „Ein Brot, ein Leib sind wir die Vielen.” (1. Kor. 10,17) Merkt man nicht Seinen Vorsatz, Sein Suchen in Mt. 16: „Auf diesen Felsen (dass Ich der Sohn des lebendigen Gottes bin) will Ich Meine Gemeinde bauen”? Weil Er der Sohn des lebendigen Gottes ist, konnte Er Sein Leben geben als Kaufpreis, um es wiederzunehmen nach dem Gebote Seines Vaters (Joh. 10,17.18) Oder wie Paulus in Eph. 5 uns den suchenden, der Verwirklichung zustrebenden Vorsatz des Christus kundtut: „... der Christus hat die Gemeinde geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben, auf dass ... Er die Versammlung Sich Selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.” Kann für dieses Idealbild in der Welt der Materie ein treffenderes Symbol gefunden werden als eine Perle, und gar wenn es eine ist, die alle überstrahlt? Denn es gibt haushaltungsmäßige Einteilungen unter den Erlösten: Da sind die alttestamentlichen Heiligen; da sind die Heiligen aus den Juden und den Nationen, die nach der Hinwegnahme der Gemeinde bis zum Reiche hin da sind, von denen ein Teil als Märtyrer stirbt, die anderen ins Reich auf der Erde eingehen; da sind die, die während des Reiches selber geboren werden: alle erlöst, „erkauft” (Off. 5,9), auch nur durch die Hingabe Seiner Selbst als Opfer: Nicht gehören aber diese zur Gemeinde, zur Braut, zur Perle als strahlender Einheit; auch nicht zum Schatz. Man darf nie vergessen, dass es sich in den 10 Gleichnissen vom Reiche der Himmel nur um die Zeit handelt, die zwischen dem Weggang des HERRN und Seinem Wiederkommen liegt.

Der HERR gebraucht zwei Gleichnisse, auch wenn es sich um die gleichen Menschen handelt, weil ein Schatz aus einer Menge einzelner Wertgegenstände bestehen kann. Die Menschen, die der Vater dem Sohne aus der Welt heraus gibt, sind dem Sohne einzeln teuer; zwischen Ihm und jedem einzelnen besteht eine persönliche Beziehung, die immer bestehen bleiben wird. Er hat Sich auch an Stelle jedes einzelnen hingegeben. Alle zusammen aber sind ein Schatz, ohne als eine Einheit betrachtet zu sein.

Die eine Perle hingegen, die kostbare, lässt die Einzel-Persönlichkeiten als solche völlig aus dem Auge verschwinden. Nur die in der vollkommenen Einheit, der abgerundeten, flecken- und runzellosen Gestalt, dem strahlenden Glanze erscheinende Gesamtheit kommt für das Herz des es so wollenden HERRN, des Christus, in Frage.

Das dritte Gleichnis der zweiten Serie, das vorn Netz”, scheint auf den ersten Blick nichts mit dem vom Schatz und dem von der Perle zu tun zu haben. Ist es aber nicht auffallend, dass Matthäus, indem er den HERRN alle 6 nacheinander geben läßt, bei jeder Serie von 3 die gleichen Einführungsworte gebraucht, bei Serie 1 dreimal „ein anderes Gleichnis legte Er ihnen vor”, bei Serie 2 nach dem ersten „das Reich der Himmel ist gleich” zweimal „wiederum ist das Reich der Himmel gleich”, so dass das dritte auch zum ersten gehört wie das zweite?

Wir entdecken in der Deutung des Gleichnisses vom Netz, dass von den guten Fischen nicht mehr die Rede ist, wie in der Deutung des Gleichnisses vom Unkraut der Weizen nicht mehr erwähnt wird. Welchem Hauptgedanken können wir das Netz und die Tätigkeit der Fischer einordnen? Doch dem: Gute Fische sollen in die Gefäße zusammengebracht werden. Es liegt auf der Hand, dass es richtig ist, hierin die Evangelistent ätigkeit als ein Ganzes von Anfang bis zu Ende der Gnadenzeit, des Bestehens des Reiches der Himmel in seiner jetzigen Form, zu erkennen. Dass die Fischer die Faulen auswerfen, ist nichts Absonderliches, gehört hier zur Vervollständigung des Bildes, wenn es naturgetreu sein soll. Die durch die Wortverkündigung für den HERRN Gewonnenen werden der Gemeinde hinzugetan, zugleich auch dem Herrn Selbst. Siehe das in Apg. 2,17 und 11,24. Auch in Apg. 19,9 sehen wir, wie Paulus eine Scheidung in Gute und Böse macht, die Guten, die Jünger, sammelt und die Bösen, die nicht Glaubenden, sich selbst überläßt. Der Zweck des Netzes (denn nur um dieses handelt es sich nach der Darstellung des HERRN, Reich der Himmel und Netz decken sich in der Vorstellung) ist also: Gute zusammenzubringen. Liegt das nicht, nur in völlig anderer Gestalt, auf der Linie der beiden vorangegangenen Gleichnisse? Sind die guten Fische nicht dieselben Einzelpersönlichkeiten, die den Schatz ausmachen, nachdem sie alle zusammengebracht sind, und dann wiederum, als Einheit in Vollendung gedacht, die Perle? Das wäre nämlich die Erklärung dafür, warum in der Deutung nicht mehr von den Guten die Rede ist, die im Gleichnis die Hauptsache sind. Als der Gemeinde und damit dem HERRN Hinzugetane sind sie dem Gedankenkreis, der es mit dem Netz zu tun hat, entrückt, darum ist auch von ihrem weiteren Schicksal nicht die Rede. Die Faulen, die im Gleichnis Nebensache sind, bilden dagegen den Hauptgegenstand in der Deutung. „Also”, sagt der HERR, aber im umgekehrten Sinne zum Gleichnis. Nicht ausgeworfen werden die faulen Fische, sondern die „Bösen”, wie sie jetzt heißen, werden aus der Mitte der Gerechten ausgesondert und wie das Unkraut in den Feuerofen geworfen.

Die in Gefäße Gesammelten, der Gemeinde, der Ekklesia, Hinzugetanen, sind zur Zeit dieser Aussonderung schon längst zum HERRN aufgenommen. „Die Vollendung des Zeitalters” (V. 49) ist der Zeitpunkt, wo der jetzt schon geoffenbarte, aber noch zurückgehaltene Zorn Gottes vom Himmel her (Röm. 1,18) über die Menschen kommen wird, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen. Es sind dann an Stelle derer, welche die aufgenommene Ekklesia bildeten, andere Gläubige da, wie oben schon gesagt; die sind dann die, die hier die Gerechten heißen. So heißen ja auch die alttestamentlichen Heiligen. Das ist auch ein Grund, warum die Guten nicht mehr erwähnt werden. Sie sind, indem sie ihre besondere Stellung als die Ekklesia beibehalten, im Verein mit all denen, die bis an den Beginn des Reiches hin auferweckt werden (Off. 20,4), droben, wo alle miteinander leuchten wie die Sonne in dem Reiche ihres Vaters. Siehe die Verse 39-43 in der Deutung des Unkrauts.
Die im Netz „zusammengebrachten” und in Gefäße getanen Guten sind die, die nach 1. Thess. 1,9.10 den Sohn Gottes aus den Himmeln erwarten, - Jesum, der sie errettet von dem kommenden Zorn. Der Abschluß der „christlichen” „antichristlich” gewordenen Ära ist nach 2. Thess. 1,9ewiges Verderben vom Angesicht des HERRN und von der Herrlichkeit Seiner Stärke, wenn Er kommen wird, um an jenem Tage verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen ...

Inmitten von dem, was in den 4 ersten Gleichnissen und in dem letzten als durch eingedrungenes Schlechtes verderbt oder als an und für sich als ungut vor unsere Augen tritt, erscheinen im 5. und 6. Gleichnis diejenigen, die nach dem göttlichen Vorsatz den gewollten guten Kern bilden, in göttlicher Kostbarkeit und Schönheit, dem Herzen des Herrn Jesus entsprechend, wie gar nicht mit dem anderen in Berührung gekommen, obgleich das doch war. - Ist das nicht würdig des HERRN und Seiner Weise, Darbietungen von Geschehendem zu geben, damit dadurch Gemeinschaft der Empfindungen in den Herzen derer wachgerufen werde, die eben die in Frage kommenden Gegenstände Seiner Zuneigungen, Seiner Liebe sind?

Ich bin mit der Antwort weit über den Rahmen der eigentlichen Frage hinausgekommen. Die Zuschrift erging sich aber auch in einer Menge von Einzelheiten; und die Ausweitung in der Behandlung der Frage wird wohl für viele manches Ungeahnte bieten.
F. Kpp.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 21 (1936)