Antwort A
Um über den Namen „Israel” volle Klarheit zu empfangen, ist es gut, danach zu fragen, wo, wie und warum dieser Name entstanden ist, um so mehr befähigt zu werden, die in Frage stehende Schriftstelle zu verstehen. Dieser Name wurde Jakob gegeben, als er mit Gott gerungen hatte an der Furt des Jabbok (1. Mo. 32) und der eigene Wille, die Kraft und Stütze des Fleisches bei ihm von Gott gebrochen wurde. Dort ging ihm die Sonne auf (1. Mo. 32,31), d. h. ein anderer Lebensabschnitt fing für ihn an, indem er fortan sich mehr auf den Gott der Gnade stützen mußte, denn er hinkte an seiner Hüfte. Er hatte Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und jene Stunde war der Wendepunkt in seinem Leben. Und man kann wohl noch hinzufügen, dass die Sonne seines Lebens von nun an immer höher stieg, wenn es auch hier und da noch Schatten gab, so dass er, wie kein anderer Patriarch, die ganze Zukunft seiner Nachkommen am Ende seines Lebens mit göttlichem Licht beleuchtete und ihnen den Weg wies zu jenem Tag, wo es keine Nacht mehr gibt, und zu jenem Lichte, wo keine Schatten sein können (vergl. 1. Mo. 49). Bei ihm erfüllte sich das Wort: „Um den Abend, da wird es licht sein!” (Sach. 14,7.)
Doch machen wir Gott oft große Mühe, ehe wir die Züge eines Israel, eines Kämpfers Gottes tragen. Die Galater waren solche Menschen, bei denen mehr der Jakob: „Überlister”, das Fleisch zum Vorschein kam denn die Frucht des Geistes. Sie waren überlistet worden von den Gesetzgelehrten und begnügten sich mit der Herrlichkeit des Gesetzes im Angesicht Moses (des Gesetzgebers), 2. Kor. 3,7, anstatt sich zu erfreuen an dem Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi (2. Kor. 4,6). Jakob hatte Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und wurde ein Israel. Wir werden nicht die Werke des Fleisches erfüllen, wenn wir uns sonnen in dem Lichte der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi, sondern unser Leben, unsere Kraft und unser Ruhm wird sein der Geist der Gnade, den wir durch den Herrn Jesus und durch den Glauben an Ihn empfangen haben. Von uns ist dann nicht nur dem Vorsatz Gottes nach, sondern auch der Wirklichkeit nach wahr, was Paulus in Röm. 8,9 sagt: „Ihr aber seid nicht im Fleische (Jakob), sondern im Geiste (Israel)”. Der Apostel Paulus trug die Malzeichen, Brandmale des Herrn Jesus an seinem Leibe, die deutlichen Beweise, dass er das Kreuz Christi verk ündigte, dass es sein Ruhm war so wie der Anlaß, von den Gesetzesmenschen verfolgt zu werden (Gal. 6,11.12.14.17). Er war nicht nur ein Israelit, auch nicht nur ein wahrhaftiger Israelit (Joh. 1,47), sondern ein „Israel Gottes”. Wie Jakob ein Ende fand in Pniel und hinfort Israel, also mit dem Namen der Gnade, genannt wurde, so war des Paulus Ruhm das Kreuz, wo Saulus sein Ende gefunden hatte, indem er hinfort als ein Israel Gottes zur Ehre seines HERRN lebte. Solchen Geistesmenschen ist Friede und Barmherzigkeit.
K. O. St. (geschrieben im Felde).
Anmerkung des Schriftleiters F. K.
Zu dieser köstlichen Antwort nur noch ein paar kurze Gedanken! Es gab in der apostolischen Zeit innerhalb des jüdischen Volkes einen wahren Israel, ein Israel Gottes, das gelöst war von dem Rühmen des Gesetzes, dem Vertrauen auf Beschneidung usw., das aber trotzdem den Zusammenhang mit den Brüdern nach dem Fleisch sowie mit dem alten Volkstum noch nicht gänzlich aufgab. Mit diesem Israel hatte Paulus Gemeinschaft, obwohl er gelöster als diese Brüder war von dem alten Zusammenhang. Diesen Brüdern, also denen, so nach „der Richtschnur” der „neuen Schöpfung” (V. 15) wandelten und damit sich, wenn auch von dem alten Israel als Volk nicht gelöst, doch als „Israel Gottes” bewiesen nach Röm. 4,12; Gal. 3,7.8 u. a., galt sein Segensspruch so gut wie den im Glauben Wandelnden aus den Nationen. Jene Brüder sollten, etwa beim Lesen des Galaterbriefes, nicht denken, dass der Heilige Geist durch Paulus nur betr. derer aus den Nationen von „neuer Schöpfung” redete - auch ihnen galten seine Worte.
Es liegt, glaube ich, in den Worten des Apostels aber auch ein prophetischer Blick hinaus auf die Zeit, da Israel als Ganzes (Röm. 11,26, vergl. Fr. 1 d. Jahrb.) wieder, oder vielmehr dann erst in Wahrheit, „der Israel Gottes” - der Gotteskämpfer - hienieden sein wird, nämlich in der herrlichen Zukunft, im messianischen Friedenskönigreich auf Erden. Auch diesem Israel Friede und Barmherzigkeit!
Stehen wir alle auf dem Boden der Gnade allein, auf dem der neuen Schöpfung? 2. Kor. 5,16-18.