Der kommende Zorn

Was ist unter dem „kommenden Zorn“ zu verstehen? (1. Thess. 1,10)

Antwort

Zum rechten Verständnis des vorliegenden Gegenstandes ist es nötig, dass wir zunächst einmal in das Alte Testament schauen. Da finden wir viele Stellen, die von einem „Zorn” Gottes reden, welcher sich über diese gottlose Welt ergießen soll, und zwar zu einer Zeit, die nach den angegebenen Kennzeichen auch jetzt noch nicht vorüber oder da ist, sondern noch in der Zukunft liegt. Dieses zeigen uns klar: Ps. 2; 21 (V. 8.9); 110 (V. 5.6); Jes. 13,9-13; 30,27-33; Jer. 30,23.24; Zeph. 2,1-3; 3,8; Dan. 8,19; 11,36. Dem Charakter und Zweck des Alten Testaments entsprechend beschränkt das hier über den „Zorn” Gottes Gesagte sich auf die Erde, d. h. auf die Gerichtshandlungen Gottes mit den Menschen, welche zu jener Zeit, der „bestimmten Zeit des Endes”, auf der Erde leben werden.

Gehen wir nun zum Neuen Testament über, so gehen wir sicherlich nicht fehl, wenn wir annehmen, dass der Gedanke des Alten Testaments über diesen Gegenstand auch hier nicht aus dem Auge gelassen werden darf, wenn von dem „Zorn” Gottes gesprochen wird. Johannes der Täufer hat vielleicht nur in diesem alttestamentlichen Sinne gedacht, als er zu den zu seiner Taufe kommenden Pharisäern und Sadduzäern sprach: „Otternbrut! Wer hat euch gewiesen, dem kommenden Zorn zu entfliehen?” Und wenn wir die auf die Ereignisse jener noch zukünftigen Endzeit bezüglichen Reden des Herrn Jesus Mt. 24 (Mk. 13; Lk. 21) und Off. 6-19 lesen (Off. betr.: wo wir gleichsam die Abrechnung Gottes mit dieser Erde finden. „Zorn” betr.: s. 6,17; 11,18; 14,10; 16,19; 19,15), sehen wir ebenfalls, dass es sich hier um Gerichtshandlungen Gottes auf dieser Erde handelt. Aber wenn der Apostel Paulus in Röm. 1,18; 2,5.8; 5,9 und in 1. Thess. 1,10 und 5,9 von Gottes „Zorn” schreibt, würde es unser Empfinden nicht befriedigen, wenn der Gedanke in gleicher Weise auf das Ausgießen dieses Zornes über diese Erde beschränkt würde. Wir glauben vielmehr, dass in diesen obengenannten Schriftstellen der in dem Worte „Zorn” ausgedrückte Gedanke sowohl die Gerichte Gottes über diese gottlose Welt am Ende dieses Zeitalters als auch darüber hinaus die sonstigen ewigen Gerichtsfolgen der Sünde umfaßt.

Wie tröstlich und kostbar ist es darum für unsere Herzen, wenn wir Röm. 5,9 lesen: „Vielmehr nun, da wir jetzt durch Sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir durch Ihn gerettet werden vom Zorn.” Und 1. Thess. 1,10: „... und Seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten, den Er aus den Toten auferweckt hat - Jesum, der uns errettet von dem kommenden Zorn.” Und 1. Thess. 5,9: „Denn Gott hat uns nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der Errettung durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist.” Diese Errettung ist durch Ihn: Was die Gerichte Gottes über diese gottlose Welt hier auf der Erde am Ende dieses Zeitalters betrifft, wird sie dadurch geschehen, dass Er uns, die Seinen, aus dieser Welt wegnimmt durch die Entrückung (1. Thess. 4,15-17), ehe der „Zorn” über diese Welt kommt. Und was die ewigen Gerichtsfolgen betrifft, beruht sie darauf, dass Er am Kreuze den Platz der Seinen mit all ihren Sünden einnahm. - Weil nun der „Zorn” Gottes in beiderlei Beziehung noch zukünftig ist, wird von der Errettung von diesem „Zorn” nicht als etwas schon Geschehenem, in der Vergangenheit Liegendem, gesprochen, sondern als von etwas, das noch geschehen wird, auch 1. Thess. 1,10, indem dort nicht wie Röm. 5,9 die Errettung, sondern die Person des Erretters im Vordergrunde steht: „Jesum, der uns errettet” - errettet dann, wenn Errettung in Frage kommt. Weil wir mit Ihm verbunden sind für ewig, wird kein Zorn Gottes uns treffen - weder hier noch in Ewigkeit!
Theod. Küttner.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 22 (1937)