Der dritte Himmel

Was ist unter dem „dritten Himmel“ 2. Kor. 12,2 zu verstehen?

Antwort A

Der Heilige Geist gibt uns zuweilen Andeutungen, welche uns zeigen, dass es persönliche Erlebnisse gibt, die ein Geheimnis bleiben zwischen dem HERRN und dem, den Er begnadigt und gewürdigt hat, solches zu erfahren. Um ein solches Vorrecht handelt es sich hier. Der eigentliche Ruhm des Paulus war seine Schwachheit, und wenn er hier von den Offenbarungen, die ihm zuteil wurden, redet, so geschieht dies nur, um zu zeugen von der göttlichen Gnade, die ihm geschenkt geworden war. Er greift auf ein 14 Jahre zurückliegendes Erlebnis zurück. Ob er es in seinem sterblichen Leibe erlebt, oder ob er denselben in diesem Augenblick verlassen hatte, das wußte er nicht. Auf jeden Fall hatte sein Leib keinen Anteil an diesem Erlebnis. Er war entrückt „bis in den dritten Himmel”, „bis in das Paradies”. Es war ein Blick in eine Herrlichkeit, die anderen verschlossen war. Er durfte die Herrlichkeit Gottes, das Reich des Lichtes, die himmlische Heimat sehen und Worte hören, die für irdische Ohren nicht bestimmt waren. Es war etwas von dem Ort und Platz, den der Apostel uns Eph. 1,3 und 2,6 schildert, von dem Platz, den wir durch und mit Christus in den himmlischen Örtern besitzen. Jedenfalls ist es, wenn wir so sagen dürfen, die unmittelbare Wohnung Gottes. Wie im Alten Bunde Jehova nur im Allerheiligsten wohnte, so wurde auch Paulus jetzt dorthin entrückt, wo der Wohnort Gottes war. Er durfte im voraus schauen, was er geglaubt hatte. „Vergessend was dahinten und mich ausstreckend nach dem, was vorne ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus” (Phil. 3,14). Dieses Ziel ließ Gott Seinen Knecht schauen.
Ph. W.

Antwort B

Gott hat es nicht für gut befunden, uns durch Seinen Knecht mitzuteilen, was unter dem „dritten Himmel” zu verstehen, oder wie dieser, den Paulus nach V. 4 auch mit „Paradies” bezeichnet, beschaffen sei. So haben wir nach meiner Meinung auch kein Recht, darüber nachzugr übeln. Es war sicher ein Ort wunderbarer Herrlichkeit. - Wir wollen das Wort in dem Zusammenhang ansehen, in welchem der Heilige Geist es uns hat überliefern lassen: Im 10. Kap. sieht Paulus die Korinther in Gefahr, auf das zu schauen, was vor Augen ist; er ist darum bemüht, ihre Blicke wegzuleiten von dem Sichtbaren und zeigt ihnen, wie töricht es sei, auf das Fleisch zu sehen. Im 11. Kap. geht die Sorge des Apostels noch tiefer; er muss fürchten, dass sie im Begriff stehen, sich abzuwenden von der Einfalt gegen den Christus. Er zeigt ihnen, wohin man dann kommt: man rühmt Menschen, die nur Werkzeuge und Diener Gottes sind. Wenn jemand sich rühmen konnte - wievielmehr nicht Paulus (und das in Wahrheit, Kap. 12,6)?! An dieses 11. Kap. schließt sich das wunderbare Erlebnis des Paulus, wodurch aller Herzen von der Erde hinweg und hinaufgerichtet werden bis in den dritten Himmel; wie wunderbar ist das! Da hört jedes Sich-Rühmen auf. Im Blick auf diese Offenbarung sagt Paulus: „über mich selber werde ich mich nicht rühmen, es sei denn meiner Schwachheiten” (V. 5).

Dürfen wir uns nicht freuen und erquicken an diesem wunderbaren Erlebnis des Paulus, wenn wir wissen, dass auch für uns der Augenblick kommt, wo wir „unaussprechliche Worte” hören werden? wenn wir sehen und hören werden das, was zu sehen und zu hören Paulus vor der Zeit der Leibeserlösung begnadigt war! Möchte die Stunde bald kommen! Bis dahin wollen wir uns bewahren lassen, uns nicht der Menschen zu rühmen, sondern allein des HERRN.

Haben wir nicht, geliebte Geschwister, wenn auch nur wie in einem Schattenbild gegenüber dem, was Paulus sah, auch schon Stunden oder Augenblicke erlebt, wenn wir allein im Kämmerlein zu den Füßen des HERRN lagen, gleichsam allem Irdischen entrückt, wo die Herrlichkeit des HERRN uns umhüllte und Er zu unserer Seele sprach - Zeiten, über die wir im Rückblick nicht fähig sind, Worte zu finden, und über die wir am liebsten schweigen -, aber in denen wir einen Vorschmack empfingen von der Herrlichkeit droben?! Jedoch eine ernste Ermahnung ist es für uns: nie kann Er Sich den Seinen so nahen und sie Seine Herrlichkeit schmecken lassen, wenn nicht ihr Wandel im Himmel ist. Paulus konnte von sich sagen: „Seid meine Nachahmer usw.!” - So lasst uns denn seine Nachahmer sein, nicht sehen aufs Fleisch, sondern auf die Fußstapfen, die der HERR uns hinterlassen hat, dann werden wir auch in der Wüste Oasen finden, in denen wir einen Vorschmack von der Herrlichkeit genießen!
A. H.

Antwort C

Die Schrift spricht von verschiedenen Himmeln: 1) Dem Wolkenhimmel, mit dem sie Vögel und Regen verbindet (1. Mose 7,23; 5. Mose 11,11). 2) Dem Sternenhimmel - dem Himmel - der Ausdehnung - dem Firmament, an dem die Sonne, Mond und Sterne gesehen werden (1. Mose 1,14-17). 3) Dem Himmel, in dem der Thron Gottes gefunden wird (z. B. Ps. 2,4; 11,4; Mt. 5,34; Mk. 16,19; Apg. 7,55; 1. Kor. 15,47).

Ferner werden noch der Engelhimmel und „die Himmel der Himmel” genannt (z. B. Mt. 24,36; Gal. 1,8; 1. Kön. 8,27; 5. Mose 10,14).
Es ist schwer, etwas Bestimmtes über den „dritten” Himmel zu sagen. Nur in der Hütte könnten wir vielleicht einen Anhalt finden. Denn Gott hatte zu Mose beim Bau der Hütte gesagt: „Siehe, dass du alles nach dem Muster machest, das dir auf dem Berge gezeigt worden ist” (Hebr. 8,5). Die Hütte - alles, was zu derselben gehörte - waren „Abbilder der Dinge in den Himmeln” (Hebr. 9,23). Hier ist der Beweis, dass uns in der Hütte, dem Abbilde der himmlischen Dinge, wichtige tiefe Belehrungen gegeben sind zum Verständnis der himmlischen Dinge selbst. Es ist schmerzlich zu sehen, wenn Kinder Gottes das Eingehen und Betrachten der Hütte mit Worten oder dem Lächeln der Überlegenheit als „Spezialität” abtun. Solche zeigen nur, dass sie den Inhalt solcher Stellen und den Wert des Anschauungsunterrichtes in den Abbildern der Wirklichkeit noch nicht erfaßt haben.

Der dritte Himmel schließt eine Reihen- oder Stufenfolge in sich, die wir vielleicht mit dem Vorhofe, dem Heiligen und dem Allerheiligsten verbinden und in diesem Sinne als von der Wohnung Gottes reden dürfen. Paulus wurde dorthin entrückt - in das Paradies. Ob „Paradies” den Charakter des dritten Himmels uns zeigt, oder ob es ein besonderer Teil des Himmels ist (wenn ein solches Wort hierfür überhaupt statthaft ist), dürfte wohl, wie so manches, hier unten eine offene Frage bleiben.
Es genügt: ein Mensch in Christo (Paulus) war dort. Ob im Leibe oder außer dem Leibe, weiß er nicht. Er hat es erwogen - er wagt nicht zu sagen „im Leibe” auch nicht „außer dem Leibe” - er muss zum zweiten Male sagen: „ich weiß nicht”. Er weiß nicht, wie es zuging, aber er weiß, und das war gewiß - er war dort. Wann? Manche haben an Lystra gedacht, Apg. 14,19.20 - aber er sagt nur: vor 14 Jahren.

Es will mir scheinen, wenn wir solche Gnade erfahren hätten, wir selbst oder andere hätten viel Wesens und Rühmens davon gemacht - aber Paulus machte nichts daraus. Nichts hatte er den Korinthern davon gesagt. So geht ein Mensch in Christo mit hohen Offenbarungen um. Sie durften nicht zum Ruhme des Menschen dienen. Er will sich seiner Schwachheiten rühmen, auf dass die Kraft Christi über ihm wohne. Jetzt nach 14 Jahren schreibt er davon, und wie schreibt er davon! In einer Weise, die uns die Kraft Christi, die über ihm wohnte, bewundern und anbeten läßt. In einer Weise, dass sein ganzes Nichts dabei zum Ausdruck kommt. Hohe Offenbarungen kann Gott nur solchen geben, die sich durch Seine Gnade bewahren lassen, dem Fleische keinen Vorschub zu leisten. - Denken wir an Philippus, den der Geist des HERRN leibhaftig entrückte. Was würden wir aus einem solchen Bruder machen, der vom Geist des HERRN gen Asdod - oder gar ins Paradies - entrückt wäre! Wie schwach, wie wenig geistlich sind wir doch! Wir lesen später noch von Philippus, aber nichts wird davon erwähnt. Zwar wird seinem Namen etwas hinzugefügt, aber nicht - „der nach Asdod Entrückte” -, sondern das herrliche Beiwort „der Evangelist” (Apg. 8,39.40; 21,8).

Was Paulus dort gesehen und gehört, dafür hatte er keine Ausdrücke. Das konnte nicht ausgesprochen werden. Es fehlte die Möglichkeit, den wirklichen Begriff davon wiederzugeben. Himmlische Worte konnten nicht in irdische Worte aufgenommen werden. Unaussprechliche Herrlichkeit, die das Maß des menschlichen Auffassungsvermögens hier unten übersteigt.

Dorthin ging der Schächer mit Jesus. Dorthin gehen wir mit Jesus. Dort wurde er empfangen. Dort wird der HERR dich und mich empfangen. Halleluja! Bis dahin bleibt das Wort: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht” (2. Kor. 12,9). Halleluja!
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Ja, wahrlich, jenes ist ein „Halleluja” wert, und wie oft mögen wir den HERRN schon gepriesen haben wegen jener Herrlichkeit, die uns aufbewahrt ist in den Himmeln! - aber sind wir auch zufrieden mit „Schwachheit” als dem Schauplatz, wo die Gnade ihre herrlichsten Siege feiert? -haben wir da auch ein Halleluja im Herzen und auf den Lippen? Kennen wir etwas von diesem Rühmen des Paulus - Rühmen der Schwachheit? Rühmen der Verfolgungen und Leiden (Kap. 11)? Ach, möchten wir Gnade haben, V. 10 (12. Kap.) in uns zu verwirklichen!

Die vorliegende Frage klingt so trocken, so lehrhaft! Aber die Antworten sind nicht so, sie wollen unsere Herzen berühren, uns lösen von dem, was unten ist und hinausweisen in die Gemeinschaft mit dem Heiligen, ohne dessen Gnade wir Nichtse sind, aber durch dessen Gnade nicht nur ein Mensch in Christo befähigt worden ist, im dritten Himmel, im Paradies zu weilen, sondern durch die alle Menschen in Christo „Freimütigkeit bekommen haben zum Eintritt in das Heilige durch Sein Blut” (Hebr. 10,19). Welche Gnade! Nicht das ist nötig für uns, Erfahrungen zu machen wie Paulus (zu dessen Kleinhaltung ihm dann, wie er selbst sagt, der Pfahl ins Fleisch gegeben wurde), aber ein unsagbarer Verlust ist es für uns, wenn unsere Herzen nicht jetzt schon dort zu Haus sind, wo wir einst in verherrlichtem Leibe („überkleidet”) ewig weilen werden: „da, wo der Christus ist” (Kol. 3,1 u. a.).
Darum „suchet, was droben ist! Sinnet auf das, was droben ist!” (Kol. 3,1.2.)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 4 (1916)