Antwort A
Mit dem Buchstaben sind die Gesetzesworte in Steine eingegraben gemeint (2. Kor. 3,7), welche die Grundlage und Kraft für die Segnungen des Alten Bundes waren und im Alten Testamente die zehn „Worte” genannt wurden (2. Mo. 34,28; 5. Mo. 4,13; 10,4). Sie töten, indem sie über jeden Gesetzesübertreter das Todesurteil aussprachen (5. Mo. 27,26).
Der Neue Bund gründet sich nicht auf den Gesetzesbuchstaben, sondern auf den Willen Gottes in Gnade. Er enthält die neuen Bedingungen, unter denen Gott mit Israel handeln will, - die Verordnungen, auf deren Grund Gott jetzt in Beziehung zu dem Menschen tritt, um ihn zu segnen. Der Heilige Geist ist die bewegende und Leben wirkende Kraft desselben.
Welche Torheit ist es, hier den „Buchstaben” anzuwenden auf die buchstäblichen „Worte” Gottes. Niemals tötet der Buchstabe der Schrift. Wie kann man nur den an dieser Stelle gemeinten „Buchstaben” des Gesetzes auf die buchstäblichen „Worte” Gottes anwenden; Worte, die Gott gewählt hat, um uns zu sagen, wie wir vor Ihm in dieser Welt wandeln und uns verhalten sollen! Der Heilige Geist ist es, der diese „Worte” in uns zur lebendigen Darstellung bringt, so dass diese buchstäblichen Worte Gottes in uns zu Leben werden, wie Paulus sagt: „darstellend das Wort des Lebens” (Phil. 2,16).
v. d. K.
Antwort des Schriftleiters
Der Einsender dieser Frage schreibt zu derselben, dass ihm oft von Versammlungsbesuchern, die er auf den Ernst des Wortes aufmerksam mache, die Antwort gegeben werde: „Ach, der Buchstabe tötet!” - Mit solch oberflächlichen Entgegnungen entziehen sich allerdings viele Menschen der Verantwortlichkeit, die sie gegenüber dem Worte Gottes beim Hören desselben haben sollten. Das aber kann den wahren Sinn dieser Stelle nicht beeinträchtigen, im Gegenteil! Denn solche oberflächlichen Sünder werden einmal im Gericht ganz genau wissen, dass sie sich einst mit Willen und wissentlich dem Ernst des Wortes entzogen haben, und da sie sich demselben gegenüber verstockt haben, kann man das Wort auf sie anwenden: „Welche sich, da sie nicht gehorsam sind, an dem Worte stoßen, wozu sie auch gesetzt worden sind” (1. Petr. 2,8). Aber wir tun gut, sie zu warnen, und um das wirksam tun zu können, müssen wir den Sinn dieser Stelle ganz genau wissen und erklären können, wenigstens denen, die noch hören wollen!
Zunächst einiges über das vorkommen des Wortes „Buchstabe” im N. T. (d. h. im griechischen Urtext) und die verschiedenen Bedeutungen und dann über den Zusammenhang unserer Stelle und deren Bedeutung. Ich denke, daraus wird unzweifelhaft hervorgehen, was sicher der Fragesteller und die meisten Leser längst wissen, dass man diese Stelle nie und nimmer auf das Wort Gottes allein anwenden darf und etwa, weil jedes Wort aus „Buchstaben” bestünde, sagen dürfte, dass das Wort Gottes und der Gehorsam gegen dasselbe tötete, während der Geist - worunter solche „Ausleger” meist den menschlichen Geist, womöglich ihren eigenen, verstehen -, also das, was der irregeleitete menschliche Geist als den Sinn des jeweiligen Wortes der Schrift ansehe, lebendig mache. Wenn man aber solche Leute fragt, was sie bei solcher Auslegung unter „lebendig” verstünden, so bekommt man entweder gar keine oder eine höchst materielle und oberflächliche Antwort, die einem zeigt, dass es den Betreffenden eben nur darum zu tun ist, den göttlichen Forderungen auszuweichen in klarer Erkenntnis dessen, dass ein Befolgen derselben das ganze Leben umgestalten würde. Übrigens ist es meist zwecklos, mit Unwiedergeborenen über diese Stelle zu reden oder gar zu streiten, da ihnen das Organ fehlt, das Wort zu verstehen. Aber wir Gläubigen müssen die Stelle verstehen, nicht allein um unserer selbst willen, sondern um solchen, die sich dienen lassen wollen, dienen und helfen zu können.
Das Wort „Buchstaben” kommt im N. T. zunächst in äußerer Hinsicht gebraucht vor in Lk. 23,38, wo es sich auf die Buchstaben der in drei Sprachen abgefaßten Kreuzesinschrift, und in Gal. 6,11, wo es sich auf die bedeutungsvoll-großen Buchstaben der eigenhändigen Namensunterschrift des Apostels (vgl. 2. Thess. 3,17 u. 1. Kor. 16,21) bezieht. Weiter ist von Buchstaben, d. h. also in der Mehrzahlsform, nicht die Rede, wenigstens nicht in diesem Sinne, denn in Apg. 26,24, wo das Wort in der Mehrzahlsform vorkommt, muss dem Zusammenhang nach - ähnlich wie in Stellen des A. T., wo die griechische Übersetzung („Septuaginta”, vgl. Bd. 1/41) das Wort anwendet, z. B. in Dan. 1,4 und Jes. 29,11f. - „Kenntnisse” oder „Wissenschaft” („Bildung”) heißen; ebenso in Joh. 7,15. In 2. Tim. 3,15 kommt das Wort in Mehrzahlsform auch vor, aber mit dem Zusatz „heilige”, woraus hervorgeht, dass es sich lediglich auf die heiligen Schriften der Heiligen Schrift bezieht (vgl. Joh. 5,47). Ein eigentümlicher Gebrauch des Wortes in Mehrzahlsform kommt noch in Lk. 16,6 vor: „Schuldverschreibung”. Ferner noch in Apg. 28,21 („Briefe”). Weitere Stellen mit diesem Worte in Mehrzahlsform sind meines Wissens im N. T. nicht.
Dagegen nun das Wort „Buchstabe”, d. h. in Einzahlsform! Die Stellen, wo „Buchstabe” gebraucht ist, sind alle höchst eindeutig und stehen durch den Zusammenhang durchaus in wechselseitiger Beziehung zueinander: Röm. 2,27.29; 7,6; 2. Kor. 3,6a u. b u. 7; also sechsmal kommt das Wort in diesem Sinne vor (sicherlich ist es bezeichnend, dass es sechsmal vorkommt!).
Nun, und in welchem Sinne? In einem Satze gesagt: im Sinne der den Menschen verpflichtenden und verurteilenden, durchaus festgesetzten Vorschrift des in Kraft stehenden göttlichen Gesetzes, das Gott einstmals öffentlich hat verkündigen lassen, indem Er es in Steine eingrub, die in die Hände der Ihm verpflichteten Menschheit (an Israel vollzogen) gelegt wurden. Es ist der verpflichtende Gesetzesbuchstabe, der in obigen Stellen dem Leben wirkenden göttlichen Geist entgegengestellt ist, unter welch letzterem „dienen” zu dürfen (Röm. 7,6), nachdem wir durch den Tod Christi, der unser Tod ist (vgl. Röm. 7,1ff. u. Gal. 2,20.21), dem Gesetz gestorben und dadurch von demselben losgekauft sind, etwas ungleich köstlicheres ist als das Schmachten unter dem den Tod dem Übertreter androhenden ehernen Gesetzesbuchstaben! (Vgl. Apg. 15,10!) In Röm. 2 ist gezeigt, wie der Jude von dem Heiden gerichtet wird, da jener trotz solcher Vorzüge wie der Beschneidung und des klar formulierten Gesetzes (denn wo ein Buchstabe des Gesetzes ist, da ist klare Formulierung und daraus erwachsende Kenntnis der Forderungen und der Sünde der Übertretung) doch zum Übertreter geworden ist, während der Heide ohne solche Vorrechte vielleicht das Gesetz beobachtet. Darum kann erst der als echter Jude gelten vor Gott (hier nicht und nirgends ist etwa von den Heidenchristen als einem neutestamentlichen „geistlichen Israel” die Rede, sondern von Juden, die wirtlich vor Gott Juden sind!), der geistlicherweise am Herzen beschnitten ist, nicht der, der es ist kraft gesetzlicher Buchstaben Vorschrift, die ja nicht in Wahrheit hervorrufen kann, was die Beschneidung sinnbildlich vorschatten sollte: die heilige Absonderung für Gott.
In den drei Korintherstellen im 2. Kor.-Brief wird uns in dem Zusammenhang des so überaus köstlichen 3. Kapitels der Dienst des Geistes gegenüber dem des Todes und der Verdammnis gezeigt. Es ist immer wieder der gleiche Kampf, den Paulus durchfechtet, nämlich der um die Freiheit des Gläubigen von der Forderung des Gesetzes; der Kampf, der auch heute noch nicht ausgekämpft ist und der durch die Predigt des Gesetzes seitens der Sabbatarier immer wieder neue Nahrung erhält, indem Ungläubige und Gläubige solcher falschen Lehre, die Paulus so klar bekämpft, zum Opfer fallen. (Ich weise hier hin auf Fragen älterer Jahrbücher, wie Jahrbuch 1/39; 2/17; 3/26; 4/19; 5/13; 7/15 und vor allem 8/13!) In 2. Kor. 3 spricht der Apostel von sich und den Aposteln als von „Dienern des Neuen Bundes”, den er den Bund „nicht des Buchstabens”, sondern „des Geistes” nennt. Der Bund des Buchstabens war der des Gesetzes, das wegen der Übertretungen dem Bunde, den Gott mit Abraham auf Grund seines Glaubens geschlossen hatte, hinzugefügt wurde. (Lies Gal. 3,15ff.) Durch das Gesetz aber, d. h. durch die unbeugsamen Forderungen eines heiligen Gottes, die buchstabenmäßig aufgefaßt werden wollten und sollten (wie es auch heute zunächst ganz genau auf den buchstäblichen Wortlaut eines Gesetzes ankommt, um es recht befolgen zu können), wird über jeden Übertreter das Urteil, ja, das Todesurteil ausgesprochen, wie es ja natürlich ist. Denn wenn ein Gesetz nicht durch die Autorität des Gesetzgebers die Macht hat, sich durchzusetzen und den Übertreter zu verurteilen, so braucht es gar nicht gegeben zu werden und dient nur zur Bloßstellung oder gar zur Verhöhnung des Gesetzgebers; wenn aber die Autorität dieses Gesetzes der heilige Gott ist, so hat das Gesetz nicht nur die Kraft, sich zur Geltung zu bringen, sondern es spricht über den Übertreter sogar notwendigerweise das Todesurteil aus, da im Falle der Übertretung des göttlichen Gesetzes Gott herausgefordert wird, der Sich Selbst gleichsam gebunden hat, nach Seinem eigenen Wort zu handeln: „Die Seele, die sündigt, die soll sterben!” (Hes. 18,4.19-32; vgl. 1. Mo. 2,16.17; 5. Mo. 27,26 mit Gal. 3,10ff.; 2,19; 5. Mo. Kap. 28-30; 30,19.20 u. a.!) Und wenn Gott nicht in Seiner Gnade im Blick auf das große Sünd- und Schuldopfer von Golgatha auch im Alten Bunde Opfer für Sünden verordnet hätte, also die Dahingabe eines anderen Lebens für das durch die Sünde verwirkte - so wäre schon mit der ersten Übertretung nach jener Selbstverpflichtung des Volkes zum Gehorsam (2. Mo. 19,8) das ganze Volk (und damit die Menschheit) verloren gewesen. So ist also der Dienst des Buchstabens (in Steine gegraben, lithographiert) ein Dienst der Verdammnis und des Todes? Ja, das Wort sagt es und die jahrtausendelange Erfahrung bestätigt es. Dennoch ist es ein Dienst, der in Herrlichkeit begann (wie konnte es anders sein, da Gott der Urheber war!), aber es war verhüllte Herrlichkeit; Mose musste die Decke auf sein Angesicht legen (2. Mo. 34,29-35), das unreine Volk konnte Jehovas Herrlichkeit nicht anschauen. Wie ganz anders im Neuen Bund, dem des Geistes des Lebens in Christo (Röm. 8)! Hier ist unverhüllte Herrlichkeit, wie sie strahlt im Angesicht Jesu Christi, ohne Decke, eine „überschwengliche Herrlichkeit” (V. 10;vgl. Kap. 4,6). Es könnte ja auch nicht anders sein, denn es ist doch die Herrlichkeit eines Dienstes der Gerechtigkeit! Christus ist unsere Gerechtigkeit (1. Kor. 1,30), und durch Glauben an Ihn stehen wir vor Gott als „Gerechtigkeit Gottes” da (2. Kor. 5,21), und grundsätzlich wird keine Übertretung des Gesetzes an uns, den Glaubenden, gesehen - vielmehr ist die gerechte Forderung des Gesetzes befriedigt (siehe Röm. 8,4!) -, denn „Christus ist des Gesetzes Erfüllung (Ende), jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit” (Röm. 10,4). Wer da etwa meint, dass er durch Glauben an Christus zur Gesetzeserfüllung gekommen ist und nun Kraft dazu bekommt, das Gesetz zu halten, vermischt 1. Gesetz und Gnade (Galaterbrief!), 2. versteht nicht die Bedeutung des Gesetzes als des Zuchtmeisters bis auf Christus (Gal. 3,21-26), 3. würdigt nicht den Ernst des Gesetzes („wer das ganze Gesetz hält und sündigt an einem, ist es ganz schuldig” [Jak. 2,10] ); 4. sieht nicht, dass das Gesetz, obwohl in sich geistlich (Röm. 7,14), sich nur an den unwiedergeborenen Menschen im Fleisch, an Israel, wendet; es ist nicht uns gegeben! vgl. auch 1. Tim. 1,5-11; 5, erkennt nicht, dass er den Schatten dem Wesen, der Person vorzieht! (Hebr. 10,1; Kol. 2,16.17), das, was hinweggetan werden sollte, dem bleibenden (2. Kor. 3,11); 6. leugnet praktisch, dass er durch das den Tod über den Übertreter aussprechende Gesetz gestorben ist, und zwar nach Röm. 7,1ff. gestorben ist für das Gesetz, und ferner, dass er in und mit Christo gestorben und zu einer Neuheit der Schöpfung auferstanden ist, um Ihm zu leben (2. Kor. 5,14ff.), und schließlich - auf dass ich zum Abschluß komme mit diesen Punkten, die sich noch um viele vermehren ließen! - 7. er hat sich noch nicht freuen gelernt des Dienstes der Herrlichkeit, des Geistes, hängt noch am tötenden Buchstaben des Gesetzes, während er doch durch den Geist das Leben hat - Christus! (Gal. 5,25; 2. Kor. 3.) Welche Unterschiede! Einst tot in Sünden und Übertretungen (Eph. 2,5) - jetzt lebend in Christo im Neuen des Geistes, „einst ferne” (vgl. Hebr. 12,19.20; 2. Mos,19,12.13; Eph. 2,13) - „jetzt nahe durch das Blut des Christus”, „zu Gott” gebracht (1. Petr. 3,18 u. a.), ruhend an Seinem Herzen, das uns in Christo aufgetan - „das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit ist durch Christum geworden” (Joh. 1,17) usw. usw. - welche unschätzbaren Reichtümer haben wir in Ihm, der uns durch den Geist immer mehr verherrlicht wird (Joh. 16,14ff.), auf dass wir immer mehr erkennen - die Breite und Länge und Tiefe und Höhe und die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus (Eph. 3,18.19} und Ihn ehren durch einen praktischen Wandel des Glaubens (2. Kor. 5,7) in Licht und in Liebe durch die Kraft des Heiligen Geistes (Gal. 5), damit wir - wovon das Kapitel, in dem von dem tötenden Buchstaben des Gesetzes die Rede ist, ausgeht - in Wahrheit werden: Briefe Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen, ausgefertigt durch den apostolischen Dienst, geschrieben mit dem Geist des lebendigen Gottes in die lebendigen Herzenstafeln hinein! (Vgl. V. 1-3!) Der HERR mache uns allen Sein Wort lebendig und köstlich, dass wir verstehen, mit dem Dienst des Todes, dem tötenden Gesetzesbuchstaben, durch Christum ein für allemal fertig zu sein und in dem Dienst der Herrlichkeit des Geistes zu leben, das ist aber: „mit aufgedecktem Angesicht Seine Herrlichkeit anzuschauen und dadurch nach demselben Bilde verwandelt zu werden (praktisch!) von Herrlichkeit zu Herrlichkeit als durch den HERRN, den Geist!” (2. Kor. 3,18.)
Sein Name sei gepriesen und verherrlicht!
F. K.