Der Begriff Wahrheit

An was alles ist wohl zu denken, wenn wir - vor allem in den Timotheusbriefen - von der „Wahrheit“ lesen? (Siehe 1. Tim. 2,4; 2,7; 3,15; 6,5; 2. Tim. 2,15.18; 3,7; 4,4; u. vgl. Tit. 1,14 u. 3. Joh. 3.) - Ist nach 1. Tim. 2,4 wohl ein Unterschied zwischen „gerettet werden“ und „zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“? - Versteht Johannes dasselbe unter „Wahrheit“ wie Paulus?

Antwort A

Die Hauptfrage berührt ein überaus weites Gebiet. Den allgemeinen Begriff von „Wahrheit” könnte man vielleicht so zusammenfassen: Übereinstimmung einer Mitteilung oder Darstellung mit der Wirklichkeit. Das trifft natürlich auch immer zu, wenn im Worte Gottes von „Wahrheit” gesprochen wird, was ja viele Male der Fall ist im Alten und im Neuen Testament. Jedoch ist dieser Begriff nicht erschöpfend, wenn es sich um die göttliche Wahrheit handelt. Unter „göttlicher Wahrheit” verstehen wir die von Gott ausgehende, in Seinem Worte uns vorgestellte Wahrheit. Wenn im Worte Gottes von Wahrheit gesprochen wird in bezug auf den Menschen, wie z. B. 2. Mo. 18,21: „... Männer der Wahrheit”; Jos. 24,14: „... fürchtet Jehova und dienet Ihm in Vollkommenheit und Wahrheit”; Ps. 15,2: „... der Wahrheit redet von Herzen” usw.; Röm. 9,1 und 1. Tim. 2,7: „Ich rede die Wahrheit (in Christo), ich lüge nicht”; Eph. 4,25: „... redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten”, da wissen wir, dass es sich um Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit Gott gegenüber und Menschen gegenüber handelt. Wenn wir aber lesen, dass der Herr Jesus gesagt hat: „Ich bin ... die Wahrheit”; „Dein Wort ist Wahrheit” (Joh. 14,6; 17,17) und was sonst noch im Sinne des von Gott uns in Seinem Worte Gesagten als die „Wahrheit” vor uns tritt, dann fühlen wir, dass es sich um mehr als den eingangs erwähnten allgemeinen Begriff handelt: um die uns von Gott gegebene Offenbarung und das uns von Ihm gegebene Licht, in dem wir uns und alles sehen können und sollen, in der Vergangenheit und in der Gegenwart und auch im Blick auf die Zukunft, ja sogar die Ewigkeit, wenn auch nicht immer alles dieses in der jeweiligen Schriftstelle in den Vordergrund tritt.

An was alles zu denken ist, wenn wir von der „Wahrheit” lesen, wollen wir an Hand verschiedener Schriftstellen etwas zu erkennen suchen.
Die Offenbarung Gottes ist fortschreitend geschehen, und so auch die der Wahrheit. Er war aber in Seiner Offenbarung von Anfang an derselbe: „Groß an Güte und Wahrheit” (2. Mo. 34,6); „Alle Pfade Jehovas sind Güte und Wahrheit ...” (Ps. 25,10); „... und die Wahrheit Jehovas währt ewiglich”. (Ps. 117,2) Er kann nie anders sein als wahr! - Aber erst die Gegenwart des Herrn Jesus auf der Erde stellte alles in das göttliche Licht (was durch das Gesetz nicht möglich war): „Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden.” (Joh. 1,17) Er konnte von Sich sagen: „Ich bin die Wahrheit.” (Joh. 14,6) Wenn wir Ihn so betrachten, als „die Wahrheit”, wird unser Blick vor allem auf uns selbst gelenkt im Gegensatz zu Ihm, dem wunderbaren, göttlich vollkommenen Menschen: an Seiner göttlichen Vollkommenheit als Mensch wird alles ans Licht gestellt, was und wie der Mensch ist, und gezeigt, wie der Mensch nach Gottes Gedanken sein soll. Aber nicht nur das: auch was Gott ist und wie Gott ist - dass Er Licht und Liebe ist -, Seine Heiligkeit, Gerechtigkeit, Seine Macht und Herrlichkeit, Sein ganzes Wesen wurden in Ihm, dem Sohne, geoffenbart! Wir fühlen uns außerstande, zu erfassen und zu sagen, was alles darin liegt, dass der Herr Jesus „die Wahrheit” ist! Alles, was an Ihm gesehen wurde und was Er sagte, war „Wahrheit”. Darum sagte Er dem Pilatus: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, auf dass Ich der Wahrheit Zeugnis gebe” (Joh. 18,37b), und Eph. 4,21 wird davon gesprochen, dass „die Wahrheit in dem Jesus ist”. - Und wie kostbar ist uns das Wort des Herrn Jesus Joh. 17,17: „Dein Wort ist Wahrheit!” Gottes Wort sagt uns alles, wie es wirklich ist - zeigt uns den Zustand des Menschen, sein Leben, sein ewiges Teil; zeigt uns die Welt, wie sie ist mit all ihren Dingen, in ihrem wahren Wesen; lässt uns auch Blicke tun in die unsichtbare Welt und in die zukünftige Welt, ja, in die Ewigkeit hinein! Die Menschen sind in Irrtum und Finsternis über sich und alles in ihren Einbildungen und ihrem vermeintlichen Wissen, Erkennen und Erforschen und ihren Schlüssen und Annahmen, verblendet und irregeführt von dem „Gott dieser Welt” und den Mächten der Bosheit und der Finsternis; das Wort Gottes aber gibt uns über alles Licht und sagt uns alles richtig - es „ist Wahrheit”! - So können wir auch verstehen, dass die Wahrheit freimacht, wie der HERR Seinen Jüngern Joh. 8,31.32 sagt und wir ja auch - dank Seiner Gnade! - selbst erfahren haben und immer mehr erfahren dürfen, und dass wir durch die Wahrheit geheiligt werden. (Joh. 17,17) Und der Geist ist es, der alles dieses in unseren Herzen wirkt und uns in die ganze Wahrheit leitet und von Ihm zeugt, darum wird Er „der Geist der Wahrheit” genannt. (Joh. 14,17; 15,26; 16,13) - Gal. 2,5 und 14 lesen wir von der „Wahrheit des Evangeliums” und sehen, dass damit eine besondere Seite der „Wahrheit” ins Auge gefaßt ist, wie ja der Ausdruck schon hervorhebt das, was das Evangelium uns verkündigt und bezeugt (hier in Galater „die Freiheit, die wir in Christo Jesu haben”, wie es V. 4 heißt - die Freiheit von dem mosaischen Gesetz V. 7.8 im Blick auf die Beschneidung, V. 14 im Blick auf die jüdische Lebensweise). - Fünfmal hören wir von dem „Wort der Wahrheit” (2. Kor. 6,7; Eph. 1,13; Kol. 1,5; 2. Tim. 2,15; Jak. 1,18), worin der Hinweis liegt, dass die Wahrheit durch das Wort mitgeteilt wird. 2. Kor. 6,7; 2. Tim. 2,15 und Jak. 1,18 bezieht der Ausdruck sich auf die „Wahrheit” im Worte Gottes im allgemeinen, 2. Kor. 6,7 dahingehend, dass der „Diener Gottes” sich auch in bezug auf das „Wort der Wahrheit” als solcher erweisen muß; 2. Tim. 2,15 dahingehend, dass der „Arbeiter” Gottes das „Wort der Wahrheit” „recht teilen” - eigentlich „in gerader Richtung schneiden” -, d. h. ohne Rücksicht auf Urteil und Gunst von Menschen den wirklichen Gedanken und Absichten Gottes gemäß auslegen und anwenden soll, während Jak. 1,18 uns sagt, dass Gott durch Sein Wort uns „gezeugt” - Leben gegeben - hat, wie auch 1. Petr. 1,23-25 es bezeugt. Eph. 1,13 und Kol. 1,5 aber bezieht der Ausdruck sich auf die im Evangelium enthaltene Wahrheit, wie schon der jedesmalige Zusatz zeigt (Eph. 1,13das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils”, und Kol. 1,5in dem Worte der Wahrheit des Evangeliums”), dem behandelten Gegenstand entsprechend, denn was wir in Christo haben (Eph. 1,3-11) und welche Hoffnung für uns aufbewahrt ist in den Himmeln (Kol. 1,5), ist kostbare Wahrheit des Evangeliums.

Als der Herr Jesus hier war, war in Seiner Person die „Wahrheit” gegenwärtig und gab Er „der Wahrheit Zeugnis”. Dieses Zeugnis ist fortgesetzt worden und wird noch fortgesetzt durch den Heiligen Geist, den „Geist der Wahrheit” (welcher 1. Joh. 5,6 Selbst mit der „Wahrheit” identifiziert wird). Und als Seine Werkzeuge hierzu benutzt Er die Seinen. Sie sind das „Haus Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist”, und als solches sind sie „der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit” (1. Tim 3,15). Welch eine herrliche, aber auch verantwortungsreiche Aufgabe! Das ist gesagt in bezug auf uns als Gesamtheit, nicht von den einzelnen, aber jeder einzelne ist verantwortlich dafür und sollte sich dieser großen Verantwortung bewußt sein und treu und fest für die Wahrheit dastehen, sie kennend, liebend, darin lebend und sie festhaltend!

Das Ebengesagte bringt uns zu den verschiedenen weiteren Belehrungen, die zum Teil Warnungen und Ermahnungen sind, in bezug auf das Verhalten zur Wahrheit. Wir wollen nur kurz (meist ohne Zusatz) auf sie hinweisen. Das Wort spricht von „Gehorsam” der Wahrheit gegenüber (Röm. 2,8: „der Wahrheit ungehorsam”; Gal. 5,7: „wer hat euch aufgehalten, dass ihr der Wahrheit nicht gehorchet?1. Petr. 1,22: „eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit”); vom „Festhalten” der Wahrheit (Eph. 4,15); von „Liebe” zur Wahrheit (2. Thess. 2,10: „die verlorengehen, darum, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden”). Die „Liebe zur Wahrheit” ist - nach unserer Überzeugung - etwas, was kein Mensch von Natur besitzt (es handelt sich um die göttliche Wahrheit!), was Gott aber jedem Menschen als ein Geschenk anbietet und von dessen Annahme sein ewiges Heil abhängt. Es ist noch nicht die Wahrheit selbst, sondern erst die „Liebe” zu ihr (und Liebe ist Wille! Der Schriftl. F. K.), aber nimmt er sie an, dann folgt, dass er auch die Wahrheit annimmt und errettet wird, während im Falle der Ablehnung er auch die Wahrheit ablehnt und deshalb verloren geht. Das Wort spricht vom „Glauben” an die Wahrheit („zur Errettung”, 2. Thess. 2,13); von „Erkenntnis” der Wahrheit (fünfmal 1. Tim. 2,4; 2. Tim. 2,25; 3,7; Tit. 1,1; Hebr. 10,26). Ferner finden wir: „von der Wahrheit entblößt” (1. Tim. 6,5), „von der Wahrheit abgeirrt” und „abirren” (2. Tim 2,18; Jak. 5,19), „der Wahrheit widerstehen” (2. Tim 3,8), „die Ohren von der Wahrheit abkehren” (2. Tim. 4,4), „von der Wahrheit abwenden” (Tit. 1,14), „wider die Wahrheit rühmen und lügen” (Jak. 3,14), „in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt sein” (2. Petr. 1,12. „Gegenwärtige” = „anwesende”, „vorhandene”, also die Wahrheit, welche da ist. Dr. Heinrich Wiese übersetzt: „... Wahrheit, die bei euch vorhanden ist”), „der Weg der Wahrheit verlästert werden wird” (2. Petr. 2,2). Weiter lesen wir von: „die Wahrheit tun”, „In-uns-sein” der Wahrheit, „die Wahrheit wissen”, „lieben in ... Wahrheit” und dass wir „aus der Wahrheit sind” (1. Joh 1,6.8; 2,21; 3,18.19); auch, dass „die Wahrheit in uns bleibt” und „mit uns sein wird in Ewigkeit” (2. Joh. 2, vgl. auch Ev. Joh. 14,16.17), von „wandeln in der Wahrheit” (2. Joh 4 und 3. Joh 3 und 4) und von einem „Zeugnis von der Wahrheit selbst” („Dem Demetrius wird Zeugnis gegeben von allen und von der Wahrheit selbst”, 3. Joh. 12). - Diese Liste könnte noch erweitert werden, aber das Angeführte genügt vielleicht, um zu zeigen, an wie vieles gedacht werden kann, wenn wir von der Wahrheit lesen. In der Frage sind die beiden Briefe an Timotheus besonders hervorgehoben. Wir wissen, dass es nützlich ist, das in einem Buche der Heiligen Schrift Gesagte unter dem Gesichtspunkte dessen zu betrachten, was den besonderen Gegenstand des betreffenden Buches bildet. Der besondere Gegenstand des 1. Tim.-Briefes ist das „Haus Gottes” und das Verhalten in demselben, und im 2. Tim.-Briefe das „große Haus” und das Verhalten unter den in diesem Bilde gezeigten Umständen. Wir zweifeln nicht, dass an diese besonderen Gegenstände mit zu denken ist, wenn in diesen beiden Briefen von der „Wahrheit” die Rede ist.

Die Frage, ob ein Unterschied ist zwischen „errettet werden” und „zur Erkenntnis der Wahrheit kommen” (1. Tim. 2,4), ist - nach unserem Verständnis - zu bejahen. Denn das Errettetwerden setzt einen Herzens- und Willensentschluß voraus, während das Erkennen der Wahrheit ohne einen solchen geschieht, lediglich durch Erleuchtetwerden des geistigen Auges für die Wahrheit. Wohl hat der Fragesteller recht, wenn er - wie wir vermuten - meint, dass niemand errettet werden kann ohne eine gewisse Erkenntnis der Wahrheit, und darum Errettetwerden und Erkennen der Wahrheit zusammengehören. Aber diese „Erkenntnis der Wahrheit” wird sich meist zunächst auf das beschränken, was zur Errettung nötig ist - die Erkenntnis der Sündenschuld Gott gegenüber und des Verlorenseins sowie des Herrn Jesus als Heiland für schuldige, verlorene Sünder durch Sein Leiden und Sterben am Kreuze. Dies erkennt er, und indem er den Herrn Jesus kindlich glaubend annimmt, wird er errettet. Aber es kann auch jemand die göttliche Wahrheit erkannt haben, alles wissen und doch nicht errettet sein (weil er nicht aufrichtig seine Zuflucht zum Herrn Jesus genommen hat). Das zeigt uns Gottes Wort (abgesehen davon, dass wir selbst vielleicht schon bei manchen Menschen diesen Eindruck gehabt haben). In Hebr. 6,4-8 spricht das Wort von Menschen, die „einmal erleuchtet waren”, alles „geschmeckt” haben, was zu ihrer Errettung dienen konnte, aber „abgefallen sind”, und sagt, dass es unmöglich ist, sie „wiederum zur Buße zu erneuern”, und vergleicht sie mit dem Lande, welches den fruchtbringenden Regen getrunken hat, aber Dornen und Disteln hervorbringt und dessen Ende „die Verbrennung” ist; und Kap. 10,26-31 ist von Menschen die Rede, die „mit Willen sündigen”, nachdem sie „die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben”, und für die infolgedessen „kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig” bleibt, sondern nur das Gericht! In beiden Fällen - wie auch 2. Petr. 2,20-22 - handelt es sich also um Menschen, die alles wußten, die Wahrheit kannten und doch nicht errettet waren (denn alle, welche errettet sind, sind es für ewig; sie sind eine Gabe des Vaters an den Sohn, die Er nicht verlieren wird (!) - Joh. 6,39 - und gehören zu Seinen Schafen, die niemand aus Seiner Hand rauben wird und niemand aus der Hand Seines Vaters rauben kann! - Joh. 10,27-30). Andererseits ist die „Erkenntnis der Wahrheit”, die ein Erlöster zur Zeit seiner Errettung besitzt, noch längst nicht alles, was Gott ihn erkennen lassen will, sondern er darf und soll in der „Erkenntnis der Wahrheit” nach seiner Errettung fortschreiten, zunehmen. Darin könnte man den Grund dafür sehen, dass das Errettetwerden vorangestellt ist. Wir würden wohl die Reihenfolge umgekehrt gewählt haben. Aber vielleicht ist der Gedanke an Reihenfolge nicht so sehr - wenn überhaupt - für die gewählte Zusammenstellung bestimmend, als vielleicht der Umstand, dass vorher von Gott als „unserem Heiland-Gott” gesprochen ist, also die Errettung der Menschen der herrschende Gedanke ist.

Und nun noch die Frage, ob Johannes dasselbe unter „Wahrheit” versteht wie Paulus. Diese Frage ist nicht einfach mit „ja” oder „nein” zu beantworten. Es gibt nur eine „Wahrheit” - nicht „Wahrheiten” -, und insofern ist es dieselbe „Wahrheit”, von der Johannes und Paulus schreiben. Aber diese eine „Wahrheit” ist so überaus vieles in sich schließend, so vielseitig, dass für beide Apostel - und auch für die anderen Schreiber im Worte Gottes - Raum genug war zu Verschiedenheiten in dem, was sie im Auge hatten, wenn sie von der „Wahrheit” schrieben, nach der jedem von ihnen gegebenen besonderen Offenbarung. Jeder dieser beiden großen Apostel hatte eine besondere Aufgabe und dementsprechend besondere Gabe. Ein weltweit bekannter großer Schriftausleger schreibt hierauf bezüglich: „Johannes stellt Gott vor uns hin: den Vater, geoffenbart in dem Sohne, sowie ewiges Leben in Ihm. Paulus dagegen stellt uns vor Gott hin als angenommen in Christo.” Das zeigt in wenigen Worten den Hauptunterschied im Dienste dieser beiden großen Diener Gottes und damit zugleich zwei wunderbare Seiten der einen herrlichen „Wahrheit”, und wir glauben, dass darin auch der Unterschied dessen besteht, was diese beiden Apostel im Auge hatten, wenn sie von der „Wahrheit” sprachen und schrieben. (Nicht: darunter „verstanden”, sondern: dabei „im Auge hatten”, denn wir sind überzeugt, dass sie auch jeder für die anderen, nicht gerade ihren besonderen Dienst betreffenden Seiten der Wahrheit Verständnis hatten.) Kennzeichnend für erwähnte Verschiedenheit dürften folgende Schriftstellen sein: für Johannes: Ev. Joh. 1,14.17; für Paulus: 1. Tim. 3,15.
Th. K.

Anmerkungen des Schriftleiters

Gewißlich hat diese ausführliche, klare und schöne Antwort nicht nötig, ergänzt zu werden. Da der Verfasser, unser teurer Mitarbeiter, aber gewünscht hat, dass ich etwaige Ergänzungen hinzufügen möchte, so sei hier zunächst einer Schriftstelle Erwähnung getan, die uns die ungeheure Bedeutung der göttlichen „Wahrheit” vor Augen führt: Joh. 8,44.45! Dies Wort zeigt uns die Umgebung, in der die Wahrheit Gottes ihre Tätigkeit entfaltet (vgl. dazu 18,37.38a!): es ist die Welt der Lüge, die vom Teufel, dem „Vater der Lüge”, irregeleitet wird (vgl. 2. Kor. 4,2-4!). Wie treulich sollten wir Gläubigen Zeugen der Wahrheit sein, um Irregeleitete zur „Erkenntnis der Wahrheit” zu führen! Wieviel kommt doch für uns darauf an, mit der Lüge in jeder Form aufgeräumt zu haben (vgl. meine Schlußbemerkung zu Frage 1 in Lief. 1!) und „die Wahrheit zu reden” (Eph. 4,25 u. a.; vgl. 1. Tim. 2,7!)

Auch möchte ich noch einmal die oben in der Antwort Agenannte Schlußstelle erwähnen: in ihr (1. Tim. 3,15), scheint mir, kristallisieren sich gleichsam die vielfachen Hinweise auf die Wahrheit in den Timotheus-Briefen. Es ist die „Gemeinde des lebendigen Gottes”, die dort genannt wird „der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit”, d. h. nicht ein Gebilde von Menschenhand, nicht eine Organisation, aufgebaut auf menschlichen, mit („etwas Bibel dabei”) vermischten Grundsätzen, sondern „das Haus Gottes”, die Gemeinde, d. i. ein Organismus, ein lebendiger Körper, hervorgegangen aus Ihm und getragen, gehütet, bewahrt, wachsend durch den lebendigen Gott Selbst - so ist sie diejenige Macht hier auf der Erde, durch die und in der die Wahrheit hienieden steht und als unantastbar gesehen werden kann. In ihr, in der Gemeinde des „lebendigen” Gottes (nicht in irgendwelchen „christlichen Kreisen”), wird die Wahrheit in doppelter Hinsicht bewahrt und verkündet, und zwar als allein gültig: Christus Jesus, der Sohn Gottes, Er, der das fleischgewordene Wort ist (Joh. 1), und die Heilige Schrift, d. i. das ganze geschriebene Wort. Und zu dieser Gemeinde des lebendigen Gottes gehören nicht auf irgendeinem religiösen Bekenntnis Stehende, sondern nur solche, die wahrhaft errettet sind und zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen sind (2,4). Gehören alle lieben Leser zur „Gemeinde des lebendigen Gottes”?

Wenn gefragt wird, ob ein Unterschied zwischen diesen letzteren Begriffen besteht, so möchte ich hiermit das diesbezüglich in Antwort A Gesagte ausdrücklich bestätigen und unterstreichen, und zwar in jeder Hinsicht, und ich füge zu den 5 vorher genannten Stellen über „Erkenntnis der Wahrheit” hier als sozusagen 6. hinzu 1. Tim. 4,3! Hier ist - wie oben in 2,4 Errettung - Glauben mit dem Erkennen der Wahrheit verbunden. Wir sehen, wie diese beiden Dinge untrennbar zusammengehören! Ein Erkennen der Wahrheit ohne Errettetsein oder ohne Glauben wird hier zum wenigstens nicht genannt (vgl. Tit. 1,1!), wenn auch manche Gläubige die Sache so darstellen, als könnte man das eine ohne das andere haben! Ja, dann aber kommt leicht so etwas wie Hebr. 6 oder 10 heraus! Wir dürfen doch auch nicht ganz außer acht lassen, dass „erkennen” in der Schrift mehr ist als nur ein verstandesmäßiges Einsehen, es ist vielmehr ein inniges Eingehen auf die Gedanken Gottes, was uns schon die Tatsache zeigt, dass im Alten Testament die eheliche Vereinigung der beiden Geschlechter mit dem gleichen Tätigkeitswort ausgedrückt wird! - Dass die Stelle 1. Tim. 2,3-7 nicht den Anhängern der Allversöhnungslehre (vgl. Frage 3!) recht gibt, haben wir schon früher, so in Lieferung 5, Jahrbuch 17, gezeigt, denn wie unser obiger Mitarbeiter ja auch deutlich genug sagt, setzt das Errettetwerden einen Willensentschluß dessen, den Gott retten will, voraus. Gott zwingt nicht den entgegenstehenden Willen des widerspenstigen Menschen mit Gewalt nieder: der Glaube an den Mittler (V. 5) ist aber unerläßlich (V. 7 u. a., z. B. eben 4,3!).
Genug der Schlußbemerkungen! Mögen wir in allem uns Gnade schenken lassen nach 2. Timotheus, „das Wort der Wahrheit recht zu teilen” (2,15) und allezeit „an der Wahrheit festzuhalten” (3. Joh. V. 3), an der ganzen, ungeschmälerten - sowohl an der Art, die Paulus lehrte, wie auch an der der anderen Schreiber des Neuen Testaments (Johannes, Petrus u. a.) -, und inder Wahrheit zu wandeln” (2. Joh. 4).
Wandelt als Kinder des Lichts (denn die Frucht des Lichts besteht in aller Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit), indem ihr prüfet, was dem HERRN wohlgefällig ist!” (Eph. 5,8b-9)
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 19 (1934)