Das Tausendjährige Reich

Was ist unter dem „Tausendjährigen Reich“ zu verstehen? (Offenb. 20,4-7.)

Antwort A

Ein Reich von tausend Jahren, in welchem Christus als König Israels nach Psalm 2 und als Sohn des Menschen nach Psalm 8 über alle Reiche der Welt herrschen wird. Es ist die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist, in Ihm (Eph. 1,10). Auf Seinem gesegneten Haupte, das einst die Dornenkrone trug, werden sich alle Diademe der Weltreiche vereinigen (Off. 19,12). Der HERR, welcher jetzt von der Welt verworfen ist, wird dann von allen anerkannt werden. „Er wird herrschen von Meer zu Meer und vom Strome bis an die Enden der Erde. Alle Könige werden vor Ihm niederfallen, alle Nationen Ihm dienen. Er wird Sich erbarmen des Geringen und des Armen und die Seelen der Armen wird Er retten. Sein Name wird ewig sein” (Psalm 72,8.11.12.17). „Die Gerechtigkeit wird auf dem Fruchtgefilde wohnen” und „das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein” (Jes. 32,1.16.17). Eine Fruchtbarkeit über alle Maßen wird sein (Jes. 35,1.2; 41,18.19; 55,12.13; Psalm 72,16; 65,9-13; 67,5.6; Amos 9,13). Die Raubtiere werden mit den Haustieren zusammen lagern (Jes. 11,7.8; 65,25). Es ist die Wiederherstellung aller Dinge (nicht Personen), von welchen Gott durch den Mund Seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat (Apg. 3,21), Christus wird als Sohn Davids Seinen Thron inne haben (Mt. 25,31; Lk. 1,32.33; Off. 3,21), Jetzt sitzt Er zur Rechten der Majestät in der Höhe, auf dem Throne Seinem Gottes und Vaters (Hebr. 1,3; 8,1; 10,12; 12,2; Mk. 16,19; Off. 3,21). Dies beweist uns, dass Er jetzt von der Welt verworfen ist und über alles Gott ist, gepriesen in Ewigkeit, da nur eine göttliche Person den Thron Gottes innehaben kann. Himmel und Erde werden miteinander in Harmonie stehen (Off. 21,9-27). Seine Getreuen sehnen jenen Tag herbei, damit Er zu Seinem Rechte in dieser Welt kommt, sie lieben Seine Erscheinung (2. Tim. 4,8). An jenem Tage wird Er verherrlicht werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben (2. Thess. 1,10). Gepriesen sei unser HERR, gepriesen sei Sein Name immer und ewiglich!
K.O. St.

Antwort B

Die Worte „und sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre” in V. 4 und „sie werden ... mit Ihm herrschen tausend Jahre” in V. 6 der genannten Schriftstelle lassen erkennen, dass es sich um ein Reich handelt, in welchem Christus der Herrscher sein wird, und die Verse 7-9 zeigen deutlich, dass dieses Reich auf dieser Erde sein wird, nicht etwa auf der neuen Erde, von der wir in Kap. 21,1 lesen. Die neue Erde tritt erst danach in Erscheinung, wie wir klar sehen können, wenn wir Kap. 20 und Kap. 21,1-8 lesen. Auf der neuen Erde wird weder jemals der Satan sein und ausgehen können, zu verführen (20,7.8), denn er wird vorher seinen Platz für ewig im Feuersee gefunden haben (20,10), noch wird es auf derselben „Nationen” geben, die er verführen könnte, was er aber nach 20,8 nach dem Tausendjährigen Reiche tun wird - noch wird es auf derselben irgend etwas von dem geben, was in 20,7-9 als nach dem Tausendjährigen Reiche geschehend geschildert wird.

Das Tausendjährige Reich ist also ein Reich auf dieser Erde, in welchem Christum der Herrscher sein wird.
Von einem solchen Reiche ist im Worte Gottes an vielen Stellen prophetisch geredet, und zwar insbesondere im Alten Testament in den Psalmen und in den Propheten, und von letzteren wiederum in ganz besonderer Weise in Jesajas. Man lese z. B. Psalm 96-102; 148-150; Jes. 2,2-4; 9,6.7; 11,1-10; 35; 60; 65,17-25; 66,10-24. Diese Stellen zeigen uns, welcher Art dieses Reich sein wird. Es wird ein wunderbares, herrliches Reich sein: Der Fluch wird von der Erde genommen sein, und sie wird in wunderbarer Fruchtbarkeit alles in Überfluß hervorbringen; es wird „Fülle von Frieden” sein, und „sie werden den Krieg nicht mehr lernen”; selbst auf die Tierwelt wird sich dieser Friede erstrecken: „der Wolf wird bei dem Lamm weilen” usw. und „der Säugling wird spielen am Loch der Natter” usw.; Gott wird anerkannt und gekannt sein, denn „die Erde wird voll sein der Erkenntnis Jehovas, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken”, Krankheit und Gebrechen wird es nicht mehr geben, sondern „dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden; dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch und aufjauchzen wird die Zunge des Stummen” (Jes. 35,5.6); der Tod wird nicht mehr herrschen, sondern das Leben - er wird die Ausnahme bilden als unmittelbares Gericht auf Sünde (Jes. 65,20); es wird Freude, Frohlocken und Jubel sein - in allem das völlige Gegenteil von dem, was jetzt die Regel bildet! Es wird ein völlig neuer Zustand der Dinge sein. Deshalb heißt es auch in Jes. 65,17: „Denn siehe, Ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.” Dass damit nicht der neue Himmel und die neue Erde von Off. 21,1 gemeint ist, geht aus den weiteren Versen in Jes. 65 deutlich hervor. Es ist noch diese jetzige Erde ihrem Stoffe nach, aber ein gänzlich neuer Zustand im übrigen, in derselben Weise wie bei einem Menschen, der wiedergeboren ist: sein Leib ist noch derselbe wie bisher, aber ein neues Leben ist eingezogen. Deshalb nennt auch der Herr Jesus in Mt. 19,28 diese Veränderung der Dinge auf der Erde - ihren noch zukünftigen neuen Friedens- und Segenszustand im Tausendjährigen Reich - die „Wiedergeburt”, und Petrus nennt in Apg. 3,21 jene herrliche Zeit die „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge” und sagt, dass Gott von diesen durch den Mund Seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat, wie wir es ja auch in den vorerwähnten Schriftstellen sehen konnten. Die in diesen Weissagungen enthaltenen Verheißungen waren dem Volk Israel gegeben (s. Röm. 9,4). Dieses wird dann wieder gesammelt in seinem Lande sein, wird zum HERRN umgekehrt und wieder eingesetzt sein als Sein Volk, erhöht und herrschend über alle anderen Völker, und wird die Segnungen in erster Linie und vollkommener Weise genießen und gleichsam den Mittelpunkt und Ausgangspunkt derselben bilden. Infolgedessen war dieses Reich und der verheißene Messias, der dieses Reich aufrichten und in demselben in Macht und Herrlichkeit herrschen sollte, der Gegenstand der besonderen Hoffnung Israels! In Übereinstimmung hiermit lautete die Botschaft des Johannes und im Anfang auch des HERRN Selbst: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen!” Das Reich, auf welches sie hofften, war nahe gekommen, weil der Messias da war, mit dem diesem Reich verknüpft war und in dessen Person alles das da war, was dieses Reich kennzeichnet. Dieses bewies Er durch Seine Werke: Blinde wurden sehend, Taube hörend, Lahme wandelnd, Aussätzige gereinigt, Tote auferweckt - alle zeitlichen Folgen der Sünde, jede Krankheit und jedes Gebrechen, ja, selbst der Tod musste weichen, ganz so, wie es im Tausendjährigen Reiche sein wird, weshalb auch diese Wunder, die der Herr Jesus und, in der ersten Zeit, auch die Seinen taten, die „Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters” genannt werden (Hebr. 6,5).

Wenn in den Evangelien vom „Reich der Himmel” und „Reich Gottes” geredet ist, so steht das, was damit bezeichnet wird, immer in Verbindung mit dieser Erde, wiewohl die Ausdehnung des Begriffes sehr verschieden ist. Letzteren etwa auf das messianische - also das Tausendjährige - Reich beschränken zu wollen, wie es von manchen geschieht, ist aber ganz entschieden nicht dem Worte Gottes entsprechend, da das Tausendjährige Reich nur einen gewissen Abschnitt des Reiches der Himmel bildet: Das Reich ist gegründet auf die Person Jesu Christi (s. Jes. 9,6.7; 2. Kor. 1,20) und in Seiner Person gekommen (s. Mt. 12,28;

Lk.17,21); es hat daher erst durch Ihn und in Seiner Person hienieden seinen Anfang genommen (s. Gleichnisse Mt. 13, bes. V. 24 verb. m. V. 37), ist fortgesetzt und gegenwärtig bestehend in den Seinen - obwohl nicht äußerlich wahrnehmbar - und wird einst äußerlich in Erscheinung treten im Tausendjährigen Reiche. Letzteres ist die Erfüllung der Verheißungen des Alten Testaments.

Das Tausendjährige Reich wird aber noch nicht „das Vollkommene” sein (1. Kor. 13,10) und daher auch nicht bleiben. „Gerechtigkeit und Gericht sind Seines Thrones Grundfeste” - es wird Menschen geben, die sich nur der unwiderstehlichen Macht beugen; es wird noch Böses geben, auf welches sofort Gericht folgt; es wird noch Sünde und Tod geben, wenn auch als Ausnahme; und wenn die tausend Jahre eines Reiches des Friedens und göttlicher Gerechtigkeit und der wunderbarsten irdischen Segnungen vorüber sein werden und dem Satan dann noch einmal erlaubt werden wird, den Menschen zu versuchen (Off. 20,7.8), so wird es sich zeigen, dass der Mensch selbst nach tausend Jahren überströmender Segnungen immer noch derselbe ist - jederzeit bereit, sich von Gott wegzuwenden und sich gegen Ihn zu empören. Das ist tief demütigend für uns und beugt uns in den Staub über die Gnade, die uns geworden ist!

So ist das Tausendjährige Reich die Erfüllung der Verheißungen und zugleich die letzte Probe für den Menschen. Dann folgt das Endgericht (Off. 20,11-15), und nach diesem ein neuer Himmel und eine neue Erde, die vollkommen Seiner Herrlichkeit entsprechen und ewig zum Preise derselben sein werden (Off. 21,1-5).
Th. K.

Antwort C

Der gegenwärtige Tag der Gnade, in welchem der Leib, die Gemeinde, aus der Welt herausgerufen wird, geht dem Ende entgegen.
Der HERR kommt und nimmt die Seinen aus dieser Welt heraus (1. Thess. 4,16.17). Die zurückbleibenden Ungehorsamen und Verwerfer der Wahrheit verfallen dem Gericht der Verhärtung (2. Thess. 2,10.11). Die Tage der großen Trübsal beginnen. Israel wird diese im besonderen Maße kosten! Es ist die „Zeit der Drangsal für Jakob

(Jer. 30,4-7). Viele Juden werden in dieser Zeit Jesus, ihren Messias, erkennen, und diese werden das Kommen des HERRN zum Gericht verkünden und die Völker zur Buße und Unterwerfung auffordern (Ps. 96,3-13). Obgleich das volle Licht, die 7 Leuchter (Off. 1,20), von der Erde weggenommen ist, gibt Gott doch noch zwei Leuchter (Off. 11,4), Seine Güte lässt die Erde nicht ohne Licht. Das Evangelium des Reiches wird gepredigt (Mt. 24,14). Trotzdem der Satan die Macht der Finsternis in den furchtbarsten Formen und Gestalten offenbaren wird, weiß Sich Gott doch eine Vollzahl aus Israel und eine große ungezählte Schar aus den Nationen zu bewahren und zur Treue bis zum Tode zu stärken. Ihre Erlösung steht mit der Vernichtung ihrer Feinde in Verbindung, und den Grundton ihrer Gebete finden wir in Off.6,10. In der Stunde der größten Dunkelheit erscheint das Zeichen des Sohnes des Menschen, und der HERR wird in Seiner Herrlichkeit gesehen (Mt. 24,29.30). Dann werden alle Ärgernisse aus Seinem Reiche zusammengelesen (Mt. 13,41) und dem Gerichte übergeben, das Tier (der Fürst des römischen Reiches) und der Antichrist werden lebendig in den Feuersee geworfen (Off. 19,20) und Satan für tausend Jahre gebunden (Off. 20,2). Dies ist der Anfang des Tausendjährigen Reiches, von dem die Propheten in so feurigen, begeisterten Worten reden. Die ganze Schöpfung wartet auf diesen Tag ihrer Befreiung (Röm. 8,19-22). Israel nimmt in dieser zukünftigen Zeit einen Vorrang unter den Völkern ein und wird zu einem Kanal des Segens (1. Mo. 12,2.3; Jes. 27,6; Jes. 60 und 62; Röm. 11,12 und 15). Das Tausendjährige Reich endet mit der Lösung des Satans (Off. 20,3), auf die bald das Gericht und ein neuer Himmel und eine neue Erde folgen.
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Es ist nicht nötig, zu diesen Antworten, die geradezu einen Bibelkurs im Kleinen darstellen, noch etwas Wesentliches hinzuzufügen. Wir fragen nur, vielleicht im Sinne dessen, der obige Frage einsandte: Wie kommt es, dass in der Namens-Christenheit diese kostbare biblische Lehre vom Tausendjährigen Reich so gut wie ganz unterschlagen wird? Ja, wie kommt es wohl? Wir denken, dass einer der Hauptgr ünde dieser Unterschlagung der ist, dass man die Schrift nicht ganz und gar als Gottes Wort anerkennt und dass ein anderer Hauptgrund der Widerwille der unbekehrten Christenheit gegen Israel als Volk ist. Eine Lehre, die Israel wieder einen hohen, ja den höchsten Platz unter den Nationen zuspricht, eine Lehre, nach der „dem Israel das Reich wiederhergestellt wird” (Apg. 1,6), ist den sogenannten christlichen Völkern unbequem, ja abstoßend. Und doch, Gott hat gerade dies verheißen, und auch die Israel betr. Verheißungen sind in Christo Ja und Amen (2. Kor. 1,20!). Und weil Gott solche hohen Gedanken mit Seinem alten Bundesvolke hat, deswegen sollten wir Christen, soweit wir wirklich Christen sind, auch Israels Freunde sein, werden wir doch einst selbst glückliche Zeugen der irdischen Herrlichkeit dieses jetzt so verachteten Volkes sein!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)