Antwort A
Wenn es sich um die Reinigung des Gewissens, die Reinigung von Sünden handelt, ist es immer nur das Blut Jesu Christi, welches diese Reinigung bewirkt. Wenn es sich aber um die Reinigung des Herzens handelt, handelt es sich nicht um die Sünde als Ursprung des Bösen und nicht um getane Sünden als ausgeübtes Böses, sondern um den sittlichen Zustand des Menschen - um die Gesinnung, um das, was im Herzen aufsteigt, darin emporquillt und es ausfüllen will -, und da ist es nicht das Blut, sondern der Glaube, welcher reinigt, wie Apg. 15,9 uns sagt. Und warum? Weil durch den Glauben „das Wort des Evangeliums” (V. 7) in das Herz aufgenommen und in dem Herzen wirksam gemacht wird und dadurch das Licht Gottes in das Herz leuchtet und alles bloßstellt und Christus in das Herz einzieht und dasselbe einnimmt, und wo Er ist, hat das Böse keinen Raum, sondern wird alles, was sich mit Seiner Person nicht vereinbart, hinausgetan, ausgeschieden, ausgeschlossen! Bildlich sehen wir dieses schön in der Tempelreinigung (Mt. 21,12.13; Joh. 2,14-16): Als der Herr Jesus in den Tempel eintrat, reinigte Er ihn von allem, was nicht hineingehörte, indem Er darauf hinwies, dass derselbe „ein Bethaus” sein solle, aber zu „einer Räuberhöhle” gemacht worden sei. Genau so ist es mit dem Herzen des Menschen: Es sollte „ein Bethaus” sein, welches Gott gehört und in dem Ihm Anbetung gebracht wird, aber es ist durch das, was darin ist, zu „einer Rauberhöhle” geworden; wenn aber durch den Glauben das Herz für den Herrn Jesus geöffnet wird und Er in dasselbe einzieht, reinigt Er dasselbe von allem, was nicht hineingehört, und führt es zu seiner göttlichen Bestimmung zurück. Gott ist es, der dieses wirkt, und der Glaube ist das Mittel, wodurch dieses herbeigeführt wird. Darum heißt es in Apg. 15,8.9, dass „Gott, der Herzenskenner, ... durch den Glauben ihre Herzen reinigte”.
Das Herz reinigen kann natürlich nur Glaube, der im Herzen ist - wie könnte er wirken, wo er gar nicht ist?! -, also Glaube, der wirklich Besitz nimmt von seinem Gegenstande, Christus, - nicht ein bloßes Für-wahr-Halten, welches nur im Kopfe ist. Menschen, die nur im Kopfe, aber nicht im Herzen glauben, haben natürlich auch keine Reinigung ihres Herzens erfahren und können daher auch nichts wissen von einem „reinen Herzen” und halten es vielleicht sogar für Irrtum und Anmaßung, wenn ernstgesinnte Gläubige dem Worte Gottes gemäß die Notwendigkeit des „reinen Herzens” lehren und betonen.
Mt. 15,18ff. zeigt uns, dass das Herz des Menschen der Quell alles Bösen ist, was im Leben eines Menschen nur immer zu finden ist. Das ist es geworden durch den Fall des Menschen, durch die Sünde, und darum sagt uns Gottes Wort diese traurige Tatsache schon von den ersten Blättern an. 1. Mo. 6,5 lesen wir: „Und Jehova sah, dass des Menschen Bosheit groß war auf Erden, und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.” Und Kap. 8,21 „... denn das Dichten (Gebilde) des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an”; und Jer. 17,9: „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verderbt ist es; wer mag es kennen?” Und dieses verdorbene, böse Herz wird auch nicht gut, wenn ein Mensch sich bekehrt, sondern bleibt so böse, wie es vorher war. Das ist unsere praktische Erfahrung bis heute, und das zeigt uns auch das Wort Gottes in den vielen Ermahnungen, die es uns gibt, die aber nicht nur ganz überflüssig, sondern ganz unangebracht und unbegreiflich wären, wenn nicht unser Herz immer noch das alte böse wäre und wir nicht dadurch immer noch beständig in der Gefahr wären, die bösen Dinge, vor denen wir gewarnt werden, zu tun. Diese Tatsache scheint im Widerspruch zu stehen zu dem Obengesagten und zu anderen Schriftstellen, die von „reinem Herzen” reden, und doch ist es kein Widerspruch - solchen gibt es im Worte Gottes nie! -, sondern wunderbare Weisheit Gottes, was wir darin finden. Unser Herz ist und bleibt verdorben und böse in sich selbst, aber Gott hat dafür gesorgt, dass wir nicht mehr den aus ihm hervorkommenden bösen Gedanken Raum zu geben und zu folgen brauchen und auch das Aufsteigen böser Gedanken nicht mehr in dem Maße wie früher zu geschehen braucht: Wie Er einmal „durch den Glauben” unsere Herzen „reinigte”, als wir gläubig wurden, so will Er auch weiterhin auf dieselbe Weise unsere Herzen reinigen und rein erhalten, indem Er unser Herz mit dem beschäftigen und ausfüllen will, was Christus ist, und Er uns alles in unserem Herzen Aufsteigende in Seinem Lichte erkennen lassen und durch Seinen Geist uns Kraft geben will, alles Böse und alles Ihm nicht Wohlgefällige zu verurteilen und abzulehnen und so nichts Böses und Unreines in unserem Herzen zu dulden und zu Worten und Taten werden zu lassen, sondern nur Christum darin herrschen zu lassen. - Dass Gott dieses so mit uns gemacht hat und nicht anders, ist Seine Weisheit und Liebe, indem Er uns dadurch in der rechten Anhängigkeit von Ihm erhält und wir immer neu Seine Barmherzigkeit und Treue erfahren.
In dem Ebengesagten finden wir auch zugleich die Erklärung für die Schriftstellen, die vom „reinen Herzen” reden (Mt. 5,8; 1. Tim. 1,5; 2. Tim. 2,22; 1. Petr. 1,22). Das Herz ist dann rein - und immer nur dann -, wenn es durch Gottes Wort und Geist Sein Licht alles, bis ins Innerste hinein, durchleuchten lässt und alles richtet und verurteilt und hinwegtut, was in diesem Lichte nicht bestehen kann.
Der Hinweis auf Mt. 23,26-28 ist hier sehr am Platze und sehr wertvoll, denn Gott sieht in das Herz und kann nicht durch einen äußeren Schein getäuscht werden, wie es vielleicht Menschen gegenüber geschehen kann. Und wenn das Inwendige - das Herz - rein ist, dann wird selbstverständlich auch das Auswendige - das, was an uns wahrgenommen wird, unser Reden und unser Tun - rein sein. So sagt auch David in Ps. 51: „Siehe, du hast Lust an der Wahrheit im Innern, und im Verborgenen” - d. h. im Innern des Herzens - „wirst Du mich Weisheit kennen lehren” (V. 6), und: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in meinem Innern einen festen Geist” (V. 10). Ein reines Herz ist die unerläßliche Voraussetzung für ein geheiligtes Leben, und deshalb ist auch „Heiligung”, von der soviel geredet wird, nicht ein Werk, welches in unserem Äußeren beginnt, sondern in unserem innersten Innern; anders gibt es keine wahre Heiligung, keine Reinheit vor Gott!
Das zeigt uns, dass „Heiligung” (oder „Heiligkeit”, „Geheiligtsein”) und „reines Herz” untrennbar miteinander verbunden sind. Es gibt keine „Heiligung” ohne „reines Herz” und kein „reines Herz” ohne „Heiligung”! Deshalb sind auch Schriftstellen, die uns den Weg zur „Heiligung” zeigen - abgesehen davon, dass im Grunde das ganze Wort dieses Ziel hat -, für unsere gegenwärtige Betrachtung ebenfalls von Interesse und Wert, weil ihre Wirkung immer mit Herzensreinigung verbunden sein wird. Wir wollen nur auf einige solche Stellen hinweisen. Als wunderbarste Stelle dieser Art erscheint uns 2. Kor. 3,18: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des HERRN anschauend, werden verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den HERRN, den Geist.” Hier ist es die Herrlichkeit des HERRN, die so mächtig auf unser Herz wirkt, wenn wir sie anschauen, indem wir in Seinem Worte Ihn betrachten, durch Seinen Geist, und Er uns dadurch groß und herrlich wird und unser Herz ausfüllt! Dadurch werden wir „verwandelt in Sein Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit”! Ist das nicht „Heiligung” im tiefsten Sinne des Wortes? Und kann das Herz dann anders als rein sein? Eine andere kostbare Stelle finden wir in demselben Briefe 2. Kor. 7,1: „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.” Hier sind es die am Schlusse des vorhergehenden Kapitels ausgesprochenen Verheißungen - dass Gott, wenn wir uns Seinem Worte gemäß absondern und „Unreines nicht anrühren”, uns aufnehmen und uns zum Vater sein will und wir Ihm zu Söhnen und Töchtern sein sollen - und die aus diesem wunderbaren Verhältnis entspringende Furcht Gottes, die auf unser Herz wirken. Sind diese Dinge nicht ein mächtiger Ansporn zur „Heiligung”, und damit zur Herzensreinigung? Und nun noch Phil. 2,12.13: „... bewirket (wirket aus, vollführet) eure eigene Seligkeit” (besser: „Errettung”, „Heil”) „mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach Seinem Wohlgefallen”. Hier ist es das Bewußtsein, dass wir es immer und in allem mit Gott zu tun haben, welches uns mit „Furcht und Zittern” unsere „Errettung” „auswirken”, d. h. jetzt hier in unserem .Leben, in unserem Wandel, zu verwirklichen bestrebt sein läßt. Wie ist es bei uns damit?! Wenn dieses Empfinden in uns ist, wird nicht die Wirkung desselben Heiligkeit, ein „reines Herz” sein? Ganz gewiß! -
Zum Schluß noch ein kurzer Hinweis auf das, was wir im Worte Gottes mit dem „reinen Herzen” verbunden finden: Mt. 5,8 lesen wir, dass die, welche „reinen Herzens” sind, „glückselig” sind, „denn sie werden Gott schauen” - Gemeinschaft mit Gott! In 1. Tim. 1,5 sehen wir, dass aus einem „reinen Herzen” Liebe ausgeht! In 2. Tim. 2,22 ist ein „reines Herz” die Voraussetzung für Gemeinschaft miteinander, und nach 1. Petr. 1,22 ist es die Voraussetzung für inbrünstige Liebe zueinander! Wie kostbar sind diese Dinge! Und welch ein Verlust, wenn wir sie nicht haben; und wir haben sie ganz gewiß dann nicht, wenn wir kein „reines Herz” haben! Darum sei es unser heißes Verlangen und lassen wir den Heiligen Geist in uns wirken, dass wir ein „reines Herz” besitzen und bewahren! -
Th. K.
Zusätze des Schriftleiters
Diese Antwort ist eine wahrhaft gottgeschenkte würdige Ergänzung zu den mancherlei höchst praktischen Fragebeantwortungen des gegenwärtigen Jahrbuchs, besonders zu den Fragen 11 und 14. Der HERR gebe uns allen Gnade, alle diese „Fragen und Antworten” gründlich auf Herz und Leben anzuwenden zu Seinem Preis!
Wieviel wird in manchen Kreisen von „Heiligung” geredet! Ist das nicht recht? Nun, wenn nur davon geredet wird und sie nicht tatsächlich zu merken und zu sehen ist in „Wort und Werk und allem Wesen” - dann ist schon eine große Gefahr nicht vermieden: die der Heuchelei! (Vgl. Mt. 23!) Aber noch mehr: wieviel wird einer falschen „Heiligung” das Wort geredet! Davon legt auch der Brief des Fragenden Zeugnis ab, der berichtet, dass in jener Gegend, wo er zu Hause ist (im Ausland), eine Sekte sei, die sich (in deutscher Übersetzung) „Die reinen Herzen” nennt, was wiederum dazu geführt habe, dass die wahren Gläubigen dort allgemein mit dieser Bezeichnung geschmäht würden!! (wie bei uns mit „Mucker”, „Pietisten” oder [in Dresdener Gegend] „die heilige Geige”). Wie traurig ist jenes! Solche „perfektionstischen” Lehren und Benennungen schaden dem wahren Christentum sehr (vgl. Frg. 3 mit meiner Antwort!). Die Schrift kennt keine „Sündlosigkeits”- Lehre in diesem Sinne, als ob ein Christ durch einen einmaligen „Glaubensakt” „sündlos” würde oder auch sogar „sündlos” bliebe durch Glauben. Ich habe es früher auch oft gehört, unsere Frage-Stelle bewiese, dass man durch Glauben völlig rein werde.
Aber die Stelle hat ganz und gar nicht diese Bedeutung! Dem Zusammenhang des 15. Kapitel nach zeigt sie uns, dass die Gläubigen auf neutestamentlichem (Gnaden-)Boden nicht der gesetzlichen „Beschneidung” bedürften, „die am Fleisch geschieht”, um eine äußere Reinigung hervorzurufen, d. h. eine äußere Absonderung für Gott (vgl. Kol. 2,11.12 mit 1. Petr. 3,21; Eph. 2,11; Röm. 2[,29!]; den Galaterbrief und u. a. 5. Mo. 10,16; 13,6[Jer. 4,4!]; Hes. 44,9!! u. a., siehe auch Frage 30 in Jahrbuch 4! und andere Fragen!), sondern dass jene durch ihren Glauben, d. h. den an das Evangelium von Jesus Christus, (schon) rein seien und abgesondert für Gott, indem der Glaube nicht das Fleisch, sondern das Herz reinige! Hatten die jüdischen gesetzlichen Gläubigen von Kapitel 15 die göttliche Belehrung von Apg. 10 u. 11,1-18 (vgl. Frage 2 dieses Jahrgangs!) verstanden, und zwar in Verbindung mit obengenannten Stellen 5. Mo. 13,6; Jer. 4,4; Hes. 44,9 usw., dann hätten sie ohne weiteres gesehen, dass die Beschneidung am Fleisch für diejenigen nicht mehr nötig sei, deren Herzen gereinigt waren! Aber jene verstanden die Schrift und das Tun Gottes noch nicht recht, und so manche Gläubige von heute bleiben, ebenfalls aus Unkenntnis der Schrift, an solchen Worten hängen, um eine Lehre zu konstruieren, die schon angesichts von Gal. 5,19ff. u. a. völlig unhaltbar ist. Nein, nicht Sündlosigkeit und Vollkommenheit in dieser Hinsicht predigt die Schrift, sondern sie zeigt uns, dass durch Glauben in Gottes Augen unsere Herzen gereinigt sind ohne den äußeren Vollzug einer Absonderungshandlung! So sieht Gott uns an in Christo! Wie herrlich!
Aber auch praktisch sollten wir im Genuß dieser Tatsache wandeln, und dazu gibt obige Antwort gute Anleitung. Vergessen wir doch auch ja nicht: Glaube ist stets Herzensvertrauen auf Christum Jesum und zugleich Gehorsam gegen Ihn und Sein Wort (Abhängigkeit!) (lies auch Hebr. 11!). In dem Maße, wie wir praktisch im Glauben wandeln (2. Kor. 5,7; Hebr. 11,27 nach Luther! u. a.), in dem Maße werden wir „reines Herzens” sein; in dem Maße aber, wie wir nicht im Glauben, sondern im Fleische wandeln, wird nicht „das reine Herz” zu sehen sein, sondern das Herz, aus dem „böse Gedanken” usw. kommen! Der HERR vertiefe in uns allen den innigen Herzenswunsch, Ihn durch einen Wandel im Glauben an Ihn, d. i. durch einen Wandel in Christo (Kol. 2,6; vgl. Frage 21, Antwort A am Schluß!) und im Geist (Gal. 5,25), zu verherrlichen, und so werden die oben in Antwort A geschilderten Folgen und Begleiterscheinungen des durch den Glauben gereinigten Herzens bei uns mehr und mehr zu sehen sein zum Preise Seines kostbaren Namens!
F. K.