Antwort
Jona kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Einige davon wollen wir versuchen, hier in Kürze wiederzugeben.
Der größte Segen wird uns, wenn wir durch die Gnade Gottes geführt werden, vor allem das Geschichtliche und Praktische zu erkennen und es auf unser eigenes Gewissen, Herz und Leben anzuwenden. Es ist die notwendigste Voraussetzung, um ein tieferes und geistlicheres Verständnis des Wortes Gottes zu erlangen.
Wenn Hiob uns zur Selbsterkenntnis führt, so Jona zur Aufgabe des Selbstwillens. Beide waren Gläubige und Knechte Gottes. Die Lehren, die ihnen von Gott gegeben wurden, tun uns auch heute sehr not. Das Sich-behaupten-wollen und das hartnäckige Festhalten an unseren Lieblingsideen führt uns
a) zum Eigenwillen und Ungehorsam gegen Gott;
b) bringt uns unter Gottes Zucht und in tiefes Leid,
Wir sehen dann, wie Gott Sich Seines Knechtes annimmt und ihn errettet und von neuem ihm den Auftrag gibt.
So haben wir
- Kap. 1: Die Gottesflucht und den Eigenwillen;
- Kap. 2: Die Gotteszucht und Jonas Gebet;
- Kap. 3: Gottes Werk und Seine Vergebung;
- Kap. 4: Gottes Belehrung und Sein Erbarmen.
Jona floh auf einem Schiff der Menschen, aber durch den Fisch (Gottes Schiff) wurde er wieder ans Land zurück gebracht. Welch eine Belehrung! Jona glaubte, die Heiden seien des Erbarmens Gottes nicht würdig, und musste lernen, dass sie viel mehr Mitleid mit ihm hatten - vgl. 1,13.14 -, als er mit ihnen, und Gottesfurcht besaßen, wie er sie nicht in seinem Volke vorfand. Die Korrektur seiner irrigen Meinung über die Nationen wurde von den Seeleuten eingeleitet, durch die Buße der Niniviten fortgesetzt und von Gott vollendet und besiegelt (Kap. 4). Der Schluß des Buches besagt, dass sein widersprechender Mund schwieg und die Belehrung Gottes nicht nur verstanden, sondern auch sich angeeignet hatte. Welche Mühe gibt Gott Sich, in uns Sein Erbarmen zu pflanzen und unsere Vorurteile zu beseitigen. Vgl. Lk. 9,51-56; Röm. 3,29; 1. Tim. 2,3.4; Apg. 10,28 - Schriftstellen, die gut als Überschrift dieses Buches dienen könnten.
Warum handelte Jona so? Nicht nur aus seiner engherzigen, jüdischen Anschauung heraus, sondern weil er sein Volk über alles liebte, ja, so liebte, dass er bereit war, sich für sein Volk zu opfern, damit nicht dem lästigsten, gefährlichsten und grausamsten aller nationalen Feinde seines Volkes etwa Buße, Gnade, Vergebung und Bestand von Gott gegeben würde! Die Assyrer, die geborenen Feinde Israels, mußten nach seiner Meinung vernichtet werden, damit sein geliebtes Volk sich des Friedens und der Wohlfahrt erfreue. Dafür wollte er sich opfern und sein Leben hingeben. Dieser Nationalheld verkannte Gottes Wege, sein Volk und seine Zeit. -
Die edelste und selbstloseste Tat hat keinen Wert, wenn sie nicht in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes vollbracht wird.
Obwohl er Gottes Wesen kannte - Kap. 4,2 -, glaubte er Gottes Wege durchkreuzen zu können. Wie töricht ist doch unser Herz! Wie ganz anders verhielt sich der Apostel Paulus unter ähnlichen Umständen. (Vgl. Röm. 9,1-5; Gal. 3,13.14.) Doch hatte er von Gott die Belehrungen über sein Volk erhalten, die ihm zum Trost gereichten. Vgl. Röm. 9,9-13 u. a.
Aber die praktischen und belehrenden Betrachtungen sind mit obigem noch nicht erschöpft. Aus 2. Kön. 14,25 können wir ungefähr die Zeit der Tätigkeit Jonas ersehen. Sicherlich folgt Jona dem Elisa, wie dieser dem Elia folgt. Dass wir bei diesen drei Propheten eine besondere Linie der Lebensumstände und Führungen entdecken, dürfte wohl dem oberflächlichsten Beobachter einleuchten. Hier einige davon:
Elia floh vor einem Weibe um sein Leben - Jona floh vor Gott ohne Rücksicht auf sein Leben.
Beide gleichen sich in ihrem Unmut: 1. Kön. 19,4; Jona 4,8.
I. Elia floh um sein Leben und sah den Tod überhaupt nicht;
II. Elisa starb und wirkte Leben durch seinen Tod. 2. Kön. 13,20.21;
III. Jona opferte sein Leben und erlebte nach seiner Todesserfahrung die Auferstehung.
Alle drei erlebten Wundererrettungen:
- Elia von dem Hungertode, 1. Kön. 17,3-6;
- Elisa von dem Märtyrertode, 2. Kön. 6,14-17.31-33;
- Jona von dem Zuchttode, Jona 2,11.
Alle drei wurden gebraucht von Gott zur Errettung von Heiden:
- Elia zur Erhaltung der Witwe zu Sarepta (1. Kön. 17);
- Elisa zur Heilung des Naaman (2. Kön. 5);
- Jona zur Rettung der Niniviten (Kap. 4).
Der Platz verbietet uns, noch mehr über die einzigartigen Harmonien und Beziehungen dieser drei Propheten zueinander zu schreiben. Nur eins noch, was uns überaus kostbar ist:
Lukas, der einzige heidnische Schreiber aller Schreiber der Bibel, beobachtet genau dieselbe Reihenfolge, wie sie uns 1. und 2. Könige gibt. In des HERRN erster öffentlichen Ansprache Lk. 4 zeigt Er uns in ganz besonderer Weise die Heimsuchung der Heiden in Gnade und erwähnt Elia und die Witwe von Sarepta; dann V. 27 Elisa (der nur einmal und nur hier im Neuen Testament genannt wird) und Naaman, und in Luk,11,29-32 wird nur davon gesprochen, dass Jona den Niniviten ein Zeichen war (vgl. dazu Lk. 2,34), obwohl von Jona auch in Mt. geschrieben steht, und zwar, dass die Niniviten Buße taten, was die Juden glaubten nicht nötig zu haben. So erwähnt nur der einzige heidnische Schreiber die Heidin, die Witwe von Sarepta, den Heiden Naaman und das Zeichen Jonas für die Heiden, weil Gott will, dass alle Menschen, nicht nur die Israeliten, errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Das Buch Jona ist das besondere Buch, worin Gott Sich in besonderer Weise an die Heiden wendet; also im Alten Testament, wo alles für die Juden geschrieben war. Im Neuen Testament, wo nach der Verwerfung Christi besonders die Heiden berücksichtigt werden, haben wir den Brief des Jakobus, worin Gott besonders Seines alten Bundesvolkes gedenkt. Darin sehen wir Sein großes Erbarmen.
Das Buch Jona, welches mehr eine Erzählung und Geschichte ist, wird doch unter die (kleinen) Propheten eingereiht, und dies mit Recht, denn es bildet vor und enthält wichtige prophetische Tatsachen. Es ist ein kleines Buch, birgt aber eine große Geschichte, und zwar prophetisch die Geschichte Israels, in sich. Dies ist ein zweiter Hauptgesichtspunkt dieses wunderbaren Buches.
Wie Jona erst zum Unheil der Nationen gesetzt wird - vgl. Jona 1,4-9 und Sach. 8,13 -, dann zum Segen und zur Gottes-Jahwe (Jehova)-Erkenntnis - Jona 1,10-16Dieses kleine Buch von 48 Versen enthält 26mal den Namen „Jehova” (Jahwe) und 16mal das Wort „Gott”, wovon allerdings die ersten 3mal nicht im gleichen (biblischen) Sinne wie nachher; die Wende bildet das vierte Mal; „Gott des Himmels”); zusammen also 42 (d. i. 6 x 7) mal! - Zum Vergleich hiermit das Vorkommen dieser Namen in dem fast genau gleichenden Buche Nahum, das sich (über 100 Jahre später) mit dem Gericht über Ninive beschäftigt; „Gott” zweimal (nur einmal im biblischen Sinne) und „Jehova” 13mal, zusammen also nur 15mal! - Beachtenswerter Unterschied!
Was dieser beiden Namen Gebrauch im Alten Testament anbelangt, so dürfte es wohl bekannt sein, dass - ganz kurz gesagt - „Gott” vom Heiligen Geist angewendet wird, wenn es sich um die Welt, die Erde, die Menschen, die Völker, die Nationen im allgemeinen handelt; „Jehova” aber, wenn Sein Volk (so Israel), die Seinen im besonderen Sinne, die Menschen, zu denen Er in nahe Beziehung trat, im Vordergrund stehen (vgl. auch 1. Mose 1 - 2,3 mit Kap. 2,4-25, und siehe dazu Frage 7 im Jahrb. 9!)
Wenn wir dies ins Auge fassen, wie bedeutungsvoll wird uns dann das häufige Verkommen und der Wechsel der beiden Namen gerade in dem einzigartigen Buche Jona! Das, was der schrankenlosen, gottlosen Bibelkritik des theologischen Unglaubens willkommene Unterlagen für diesen letzeren gibt, das wird uns Schriftgläubigen zu einer unversiegbaren Quelle tieferer Erkenntnis der göttlichen Wahrheit und stimmt uns zu staunender Bewunderung der Kostbarkeit Seines ewigen Wortes!
Schriftleiter F. K.> - und zuletzt zum Prediger, Verkündiger an die Nationen - Kap. 3,1-4 -, genau so das Volk Israel. Daraus erkennt man in Jona ein Vorbild Israels. Wie die Person Jona ein Wunder ist, so das Volk Israel. Wie Jona nicht im Meer (ein Bild vom Völkermeer) umkam und unterging, da Gott einen großen Fisch bestellte, ihn zu erhalten, und ihn wieder sicher in das Land seiner Väter zurückbrachte, so ist auch Israel nicht im Völkermeer untergegangen und kann nicht untergehen, weil Gott es durch Seine wunderbare Macht erhält, bewahrt und es sicher wieder in das Land seiner Väter bringen wird. Wir könnten Vers für Vers nehmen und die Geschichte Israels genau vorgebildet sehen, bis Israel seine von Gott ihm gegebene Mission im Tausendjährigen Reich an der Völkerwelt ausführt und nicht nur ganze Städte, wie hier Ninive, sondern ganze Völker zum HERRN bekehrt werden! Diesen gesegneten Ausblick gibt uns dieses kleine und doch große Buch.
Doch den Schlüssel zu diesem Buche gibt uns der Herr Jesus Selbst in Mt. 12,39-41 (vgl. Frage 11. d. J.! Schriftleitung); 16,4 und Lk. 11,29-32. Dieses von der Bibelkritik so viel angefochtene Buch wird von dem Herrn Jesus nicht nur als geschichtlich und als wahr bestätigt, sondern das Zeugnis Jonas bildet
I. Seinen Dienst an Israel und der Welt und
II. Seine Todeserfahrung, Seinen Tod und Seine Auferstehung
vor. Darum hat Jonas Gebet Ähnlichkeit mit den messianischen Psalmen, wo die Leiden Christi uns besonders vorgestellt werden. (Vgl. Jona 2,2-8 mit Ps. 22 und 69,16.) Keine Person im Alten Testament bildet durch wirkliche Erfahrung die Leiden, den Tod und die Auferstehung Christi so vor wie Jona. Selbst Isaak und Joseph nicht. Dies geht schon daraus hervor, dass ihn der HERR würdigt, die wichtigste Tat Seines Lebens, Sein Kreuz und Sein Sterben, sowie Seine Auferstehung, lebendig und im gewissen Sinne erfahrungsgemäß vorzubilden.
Dass Jona nur in Matthäus und Lukas genannt wird, geschieht nach unserem Verständnis darum, weil Christus von den Juden abgelehnt und verworfen wird. Darum finden wir Jona in dem Verwerfungskapitel 12 in Matthäus. Und in Lukas, weil Ihn die Heiden aufnehmen wie die Niniviten das Zeugnis Jonas, der ihnen ein Zeichen war, da sie von den Erfahrungen Jonas gehört hatten und glaubten und darum errettet wurden.
Dies sind einige Brocken und Gesichtspunkte aus diesem unerschöpflichen Schatz dieses wunderbaren Buches. Obwohl wir wenig verstehen von all den verborgenen und tiefen Gedanken Gottes in Seinem Worte, dürfen wir uns damit trösten, dass wir Ihn haben, welcher mehr als Jona ist. Gepriesen sei Sein Name!
K. O. St.