Antwort A
Das Wort in Kol. 2,16: „So richte euch nun niemand über Speise oder Trank oder in Ansehung eines Festes oder Neumondes oder von Sabbaten, die ein Schatten der zukünftigen Dinge sind, der Körper aber ist Christi,” und Apg. 15,20 scheinen formell im direkten Widerspruch zueinander zu stehen. Für den aber, der nach Mt. 6,22 ein „einfältiges Auge” hat, wird sich kaum eine Schwierigkeit ergeben.
Zweifellos sind wir zur Freiheit berufen (Gal. 5,13) und dürfen und sollen demgemäß in der Freiheit wandeln und handeln, auch hinsichtlich Speise und Trank. Dem einfältigen Auge wird aber das Wort in Apg. 15,20 nicht entgehen, und dem zur Unterwürfigkeit dem Wort gegenüber Geneigten wird das Ausleben jenes Wortes nicht schwer fallen, vielmehr selbstverständlich, wenn nicht eine Freude sein. Der einfältige Christ wird auch nicht nach eng geschraubten und an den Haaren herbeigezogenen Unterschieden zwischen gekochtem und ungekochtem Blute schauen, sondern sich in Ehrerbietung vor dem einfachen geschriebenen Worte beugen und es ausleben, also kein Blut essen, auch keine Blutwurst.
W. W.
Antwort B
Das Verbot betreffs des Blutgenusses finden wir im Gesetz, welches nach Hebr. 10,1 „einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat”, also nur in Vorbildern von dem spricht, was in Christo seine vollkommene Erfüllung gefunden hat. So ist es z. B. mit den Schlachtopfern, von welchen im Gesetz viel und ausführlich die Rede ist (s. z. B. 3. Mose 1-5 usw.), und ebenso ist es auch mit dem Blute. Wie wir in den Opfern Vorbilder erblicken von dem Opfer unseres Heilandes, so erblicken wir auch in dem Blute ein Vorbild von Seinem teuren Blute, welches Er am Kreuze für uns vergossen hat. „In dem Blute ist die Seele” oder „das Leben” (3. Mose 17,11.14); Er hat „Seine Seele ausgeschüttet in den Tod” (Jes. 53,12), Sein teures Leben gegeben „als Lösegeld für viele” (Mt. 20,28); Er bezahlte unsere Schuld Gott gegenüber. Davon sprach das Blut eines jeden dargebrachten Opfers, ja eines jeden geschlachteten Tieres. Schon in 1. Mose 3,21, wo Jehova den ersten Menschen „Röcke von Fell” machte, sehen wir ein Vorbild auf den stellvertretenden Opfertod unseres teuren Heilandes. Ebenso war Christus und nichts anderes der kostbare Gegenstand, den Jehova im Auge hatte, als Er nach der Sintflut dem Noah sagte: „Nur das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blute, sollt ihr nicht essen” (1. Mose 9,4). Darum heißt es auch 3. Mose 17,6: „Und der Priester soll das Blut an den Altar Jehovas sprengen” und V. 11 und 12: „Denn die Seele des Fleisches ist im Blute, und Ich habe es euch auf den Altar gegeben, um Sühnung zu tun für eure Seelen; denn das Blut ist es, welches Sühnung tut durch die Seele ... Niemand von euch soll Blut essen ...” (vgl. V. 13). Es handele sich hierbei eben um die Ansprüche Gottes und um die Anerkennung derselben. Diese Ansprüche Gottes sind vollkommen und auf ewig befriedigt durch unseren Herrn Jesum Christum; gepriesen sei Sein Name! Nachdem Er gekommen ist und Sein Blut vergossen hat, haben wir es nicht mehr mit dem Blute von Tieren, sondern mit Seinem kostbaren Blute zu tun; seitdem geschieht die Anerkennung der Ansprüche Gottes nicht mehr durch Nichtgenießen des Blutes von Tieren, sondern durch den Glauben an das vergossene Blut Seines geliebten Sohnes! Wir beschäftigen uns nicht mehr mit den Schatten, sondern mit dem Wesen. Wenn eine geliebte Person von mir abwesend ist, betrachte ich mit Freude und Liebe das Bild, welches ich von ihr besitze; sobald sie aber selbst da ist, lege ich ihr Bild beiseite und betrachte sie selbst und beschäftige mich mit ihr selbst.
Wenn wir trotzdem im Neuen Testament finden, dass Judenchristen weiter unter dem Gesetz blieben, so beweist das nur, wie schwer der Mensch in die Gedanken Gottes einzugehen vermag, und wenn in Apg. 15,20 selbst den Gläubigen aus den Nationen gesagt wird, „dass sie sich enthalten ... vom Blute”, so ist dieselbe menschliche Schwachheit der Grund, wie der folgende Vers (V. 21)
zeigt: „Denn Moses hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn predigen, indem er an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen wird.” Sie hatten also das Gesetz Moses' gehört und standen unter dem Eindruck der darin gegebenen Vorschriften, also auch betreffs des Blutes, und waren infolgedessen im Zweifel darüber, wie sie sich in der Sache verhalten sollten, um so mehr, als noch „etliche derer von der Sekte der Pharisäer, welche glaubten”, und „nebeneingeschlichene falsche Brüder” kamen und sagten, sie müßten sich beschneiden lassen und das Gesetz Moses' halten. In Anbetracht dieser Verhältnisse und zu dem Zwecke, den in der Sache schwachen Gewissen zu begegnen, wurden die Vorschriften in V. 20 gegeben.
Dieselbe Fürsorge für „den Schwachen im Glauben” finden wir auch später noch im Worte und gilt auch heute noch, da das Reich Gottes eben nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste ist (Röm. 14,17). Ob wir dieses oder jenes essen oder nicht essen, ist nicht die Sache, auf die es ankommt, sondern es kommt darauf an, dass wir gehorsam sind, dass wir treu sind nach dem Lichte, welches wir empfangen haben, dass wir handeln nach der Erkenntnis, die wir auf Grund des Wortes Gottes über eine Sache haben. Darum ist es nötig, über jede Frage - auch über die vorliegende - unter Gebet aus dem Worte Gottes Belehrung und Klarheit zu suchen. Hierzu möchte ich folgende Schriftstellen zum aufmerksamen Lesen und Prüfen besonders anempfehlen: Röm. 14 (das ganze Kapitel, aus welchem ich besonders auf V. 2.3.6.14.20-23 aufmerksam machen möchte); 1. Kor. 8,7-13; 10,23-32; Kol. 2,16.17.
Möchten obige Worte dazu dienen, dem einen oder anderen zur Klarheit über den behandelten Gegenstand zu helfen; wer aber irgend im Zweifel ist, ob er Blutwurst essen darf, soll ja nicht welche essen, denn „wer aber zweifelt, wenn er isset, ist verurteilt, weil er es nicht aus Glauben tut. Alles aber, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde” (Röm. 14,23).
Th. K.
Antwort C
Wir müssen auch in dieser Frage den Zusammenhang beachten. Gott hatte die Heiden herzugerufen und Seiner Gemeinde einverleibt; aber noch bestand dieselbe vorwiegend aus gläubig gewordenen Juden, die noch mit dem Gesetz in Verbindung standen. Von diesen nun gingen einige nach Antiochien und lehrten und versuchten, die gläubig gewordenen Heiden unter das Gesetz zu stellen (Apg. 15,5), d. h. Christentum und Judentum zu vereinigen. Hierdurch entstand ein Zwiespalt. Dieser wurde nicht von Paulus durch ein apostolisches Machtwort beendet, sondern gemeinsam wurde die Sache besprochen. Hieraus können auch wir bei Zwistigkeiten lernen.
Nach einer langen und freimütigen Aussprache faßt Jakobus alles zusammen, und unter der Bestätigung der ganzen Versammlung wird das Ganze in ein paar knappen Worten festgelegt: Die aus den Nationen sind nicht mehr durch das Gesetz zu beunruhigen, sie haben sich aber zu enthalten von Götzenverunreinigung, Blut-Ersticktem und Hurerei. Dieser Beschluß wird als vom Heiligen Geiste ausgegangen bezeugt (V. 28), und diese Dinge werden als „notwendige” Stücke bezeichnet? Warum? Sie waren nicht erst durch das Gesetz geworden, sondern längst vor dem Gesetz da. Wenn die Christen nun auch dem Gesetz Mosis nicht sollten verpflichtet sein, so sollten damit nicht auch zugleich Grundsätze und Anordnungen, die Gott dem Menschengeschlecht gegeben, aufgehoben werden. An sich hatten diese Dinge nichts mit dem Gesetz zu tun, wenn sie auch dem Jahrhunderte später gegebenen Gesetze einverleibt und erweitert wurden.
Die Welt hat diese Dinge längst vergessen, weil sie die Erkenntnis Gottes aufgegeben, und so waren dieselben zu Gewohnheiten unter den Heiden geworden; der Heilige Geist stellt in der Gemeinde dieselben aber wieder an ihren rechten Platz. Es wird nicht von dem, was böse oder Sünde in oder an diesen Stücken ist, geredet, sondern von dem Gesichtspunkte des „so werdet ihr wohl (recht) tun”. Das geistliche Verständnis in der Gotteserkenntnis soll in der Gemeinde gefunden werden. Diese Dinge standen den Bestimmungen des Schöpfers entgegen. Götzen -standen in Widerspruch mit dem wahren Gott; BlutErsticktes - darin war das Leben, welches Gott allein gehörte; Hurerei - Mann und Weib sollten nur in der Heiligkeit der Ehe verbunden sein. Es waren Widersprüche 1. mit Gott, 2. mit Seinen Rechten und 3. mit Seiner Schöpfungsordnung.
Das war kein neues Gesetz für die Gemeinde, sondern ein Zurückrufen zur Erkenntnis Seines Willens und Wohlgefallens von Anfang: So werdet ihr wohl tun, euch in dem befinden und bewegen, was recht ist. Diese Anfangsordnung, welche Gottes Herrlichkeit und Weisheit ist, wird heute wenig beachtet. Aber auch der HERR wies dahin zurück, als Er sagte: „Von Anfang aber ist es nicht also gewesen” (Mt. 19,8). - Der Heilige Geist, der diese unwissenden Heiden vom Gesetz frei macht, erleuchtet sie zugleich über ihre Beziehung als Geschöpfe zum Schöpfer, den sie als Heiden nicht gekannt hatten.
Wir haben nichts mit einer gesetzlichen Weise zu tun noch uns spitzfindig damit abzugeben, wie weit buchstäblich in dem getöteten Tiere noch Blut ist, wie weit es lebte, ehe es auf den Fleischmarkt kam. Da ist kein Widerspruch mit 1. Kor. 10,25. Wir handeln in der Behauptung Seiner Rechte. Wenn ich aber so tue, als ob es ganz gleichgültig ist, ob Gott dem Menschengeschlechte nur das, was lebt, mit Ausschluß des Blutes, zur Speise gegeben hat oder nicht, so vergreife ich mich an Seinen Rechten als Schöpfer. Das Essen an sich befleckt mich nicht (Mt. 15,11) - Wir sind frei von Gesetzlichkeit und Spitzfindigkeit, aber nicht von der Anordnung Gottes. Bei der Hurerei kommt außer der Frage der Schöpferordnung auch noch die Frage von Gut und Böse in Betracht.
Wie ernst Paulus und seine Mitarbeiter es mit diesen Dingen nahmen, ersehen wir aus Apg. 16,4. Sie hielten auf die Beobachtung dieser Stücke, in unseren Tagen hält man nicht viel darauf. Kinder Gottes mögen über diese Dinge hinweggehen, deswegen bleibt aber der Wille Gottes ebenso bestehen, also die Tatsache, dass Er das Blut nicht zur Speise gab. Und wenn der Heilige Geist und die Apostel diese Dinge wichtig fanden, so will ich, ohne andere zu verachten, mit ihnen in Übereinstimmung sein.
v. d. K.
Anmerkung des Herausgebers
Wir haben die eingegangenen Antworten aufgenommen, obwohl sie im Widerspruch zueinander stehen. Jeder der beiden Standpunkte ist gründlich beleuchtet, so dass unseren Lesern genügend Anhaltspunkte zum Forschen gegeben sind. Möge der HERR Gnade geben, dass vielen in dieser Sache klar werde, was das Rechte ist!
Wir persönlich sind davon überzeugt, dass die Stellen aus Apg. 15 für uns keine Verbindlichkeit haben, ebensowenig wie die Anordnung, die Gott gegenüber Noah traf. Wir sagen dies natürlich nicht, weil es uns etwa unbequem wäre, dem Willen Gottes gehorsam zu sein, wo wir ihn erkennen; aber es ist uns keine Frage, dass hier eben keine bindenden Anordnungen gegeben sind. Wir begründen kurz unsere Überzeugung:
1. Zu Apg. 15,20.21 und 28.29: V. 21 zeigt, warum diese Anordnung getroffen wurde, und zwar vom Heiligen Geist (28). Das Essen von Ersticktem und Blut musste den Judenchristen zum Anstoß werden, darum wird denen, die zu den Heiden gehen, aufgetragen, dies Verbot zu verkünden. Wenn nun gesagt wird, dieser Vers bezöge sich eben nur auf judenchristliche Versammlungen, das Verbot aber sei Heiden gegeben, so ist dem entgegenzuhalten, dass damals die Juden über den ganzen Erdkreis zerstreut waren („in jeder Stadt”), und in jeder heidenchristlichen Gemeinde waren Judenchristen (vgl. die ganze Apg.!). - Das kleine Wörtchen „denn” beweist für uns aufs deutlichste, dass nur aus dem V. 21 angegebenen Grunde diese Anordnung - die keinen Hinweis auf die Noah gegebenen Verbote enthält - gegeben wurde. Dass in V. 28.29 von „notwendigen” Stücken geredet ist, widerspricht dem eben Gesagten ja keineswegs; denn wenn es uns „wohlgehen” (so wörtlich!) soll, so müssen wir allerdings das Gewissen anderer zu schonen imstande sein (vergl. Röm. 14,15.19 u. a.).
2. Es wird nun aber gesagt, dies Verbot greife zurück auf die längst vor Moses dem Noah gegebenen Anordnungen. Gewiß, aber diese wurden im Gesetz aufgenommen und vermehrt. Damit, dass sie dem Noah gegeben wurden und doch auch später dem Gesetz einverleibt wurden, ist nicht gesagt, dass sie verpflichtend sein sollten für alle Zeiten, sondern, da Noah doch auch der Urvater von Israel ist, dem später das Gesetz den Blutgenuß untersagte, so wurde dies Verbot zu Anfang der Periode des Fleischessens gegeben. Dazu kommt, dass dies Gesetz nicht nur Israel, sondern auch dem „Fremdling” (3. Mose 17,10) gegeben wurde, so dass damit erst recht die Anordnung dem Noah gegenüber zu einer vorbildlichen, das Gesetz vorbereitenden wurde. Wenn es eine Anordnung war, durch die Gott Sein Recht an dem Blut (Leben, Seele) aussprach, so musste diese getroffen werden, als der Fleischgenuß begann. Wenn aber dieselbe Anordnung in dem Gesetz Aufnahme findet, so sind wir davon gerechtfertigt durch den Glauben an Christus (vergl. Apg. 13,39; Röm. 3,27-31 u. a.). Denn in Ihm finden alle Anordnungen Gottes, Sein ganzer Wille, Sein Recht, Seine vollkommenen Aussprüche ihr Ziel, ihre Erfüllung (Röm. 10,4). Ist es uns erlaubt, irgend ein Stück des Gesetzes auszunehmen von dieser Erfüllung, von diesem Ende des Gesetzes?
3. Wenn die Verordnungen an Noah und aus Ap.-Gesch. 15 über den Blutgenuß als bindend anzusehen sind, warum nennt sie keiner der Apostel später? Warum ist in 1. Kor. 8 und 10 nichts darüber gesagt? Über die anderen beiden Stücke wird viel gesagt in Kapitel 6-7 und 10 als über Dinge, die sich mit dem „Tempel des Geistes” (6,19) und der „Gemeinschaft am Tisch des HERRN” (10,21) nicht vertragen; aber des Blutgenußverbotes findet sich keine Erwähnung mehr. Warum nicht? Weil es eben ein nur für bestimmte Umstände gegebenes, jedoch kein bindendes Verbot war. Wohl aber war es ein Gebot der Liebe, sich dieses Genusses zu enthalten, wenn es sich um Schwache handelte, die dadurch zu Fall kommen konnten (das ist der eigentliche Sinn des „Anstoß- oder Ärgernisgebens”; vgl. 1. Kor. 8,10). Dann aber nicht nur des Blutes, sondern jeder Speise, auch des Weines u. a. m. (Röm. 14). Und gewiß wird keiner derer, die so wie wir diese Stelle deuten, in Gegenwart eines, der darüber zu Fall kommen könnte, oder etwa eines Juden oder Judenchristen, Blut in irgend einer Form - ob gekocht oder ungekocht, ist völlig belanglos - essen. Denn „die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung” (Röm. 13,10).