Bezieht sich Matthäus 24,6-8 auf unsere heutige Zeit?

Ist aus Matthäus 24,6–8 zu ersehen, dass wir jetzt in der Erfüllung dieser Weissagung leben, dass bald eine Christenverfolgung entstehen wird? Ist diese Verfolgung nicht identisch mit denjenigen in Offenbarung 6,11 und Offenbarung 7,9–17?

Alle drei Stellen haben mit uns Christen, die wir auf die Entrückung zum Herrn warten, nichts zu tun. Sie gelten nur dem gläubigen jüdischen Überrest der Endzeit und den durch diesen zu Gott Bekehrten aus den nichtchristlichen Völkern. Die Frage der Jünger bewegt sich ganz im Gesichtskreis der jüdischen Erwartung des messianischen Königreiches. Die "Vollendung des Zeitalters" bezieht sich auf dieses Königreich und auf den Tempel in Jerusalem. In den Versen 4 bis 8 durchgeht der Herr die Zeit des christlichen Zeugnisses in einer ganz allgemein gehaltenen Skizzierung der Ereignisse in Beziehung zu den Juden. Sie gelten also nicht der Christenheit, deren Zeit und Zeugnis hier nicht ins Gesichtsfeld tritt. Es handelt sich um rein jüdische Belange, wenn wir auch gewisse praktische Anwendungen daraus ziehen können. Mit Vers 14 geht die Schilderung ausgesprochen auf die Zeit nach der Entrückung der Ekklesia (Gemeinde) ein, mit Angaben, die deutlich jüdisch und örtlich, auf die Errichtung des Königreiches Israel in Palästina hindeutend, orientiert sind.

Ganz abwegig ist die Anwendung irgend eines Ereignisses aus Matthäus 24 auf unsere Tage. Wir bitten, hierzu Offenbarung 3,10 zu beachten, wo der Herr der Versammlung in Philadelphia verheißt, dass es vor der Stunde dieser Drangsale bewahrt werden soll - und zwar vor und nicht bloß "in", wie man oft unrichtig übersetzt hat, also sogar vor jener Zeit, welche die Drangsale bringen wird.

Die in Offenbarung 6,9-11 berührte Drangsal fällt allerdings mit derjenigen in Matthäus 24,1-13 so ziemlich zusammen; aber auch da handelt es sich nicht um die Christenheit, sondern um gläubige Juden. Der Ruf um Rache entspricht gar nicht den Christen, welche Kinder der Gnade sind, denen der Herr in Matthäus 5,44 auch eine ganz andere Belehrung gegeben hat. Die Sprache der Seelen unter dem Altar ist vielmehr dieselbe wie wir sie so oft in den Psalmen finden, also die des gläubigen Überrests aus Israel. Für diesen, der nur von Gerechtigkeit weiß, nicht von Gnade, ist dieser Ruf ordnungsgemäß. In Kapitel 7,9-17 handelt es sich dagegen um die große Drangsal der letzten Hälfte der Gerichtszeit, welche im Alten Testament so oft als der "furchtbare Tag des Grimms Gottes", der großen Drangsal Israels, angekündigt wird, und welche den Inhalt der zweiten Hälfte von Matthäus 24 bildet.

In Offenbarung 7,14 ist genau übersetzt, nicht einfach allgemein von großer Drangsal die Rede, sondern von "der großen Drangsal", von einer bestimmten Gerichtszeit, welche in der Schrift anderswo ausdrücklich "die große Drangsal Israels" genannt wird. Auch bei dieser Volksmenge handelt es sich weder um Christen noch um Juden, sondern um Menschen aus den nichtchristlichen Nationen, welche durch das Zeugnis des jüdischen Überrests zu Gott gebracht werden. Der Wortlaut der Verse 9 und 10 lässt das unschwer erkennen.


Beantwortet von: Adolf Küpfer
Quelle: A. Küpfer - 700 Fragen und Antworten, Frage Nr. 434