Bedeutung Buch Ruth

Welche vorbildliche Bedeutung hat das Buch Ruth, und welche praktische Belehrung (Röm. 15,4) gibt es uns?

Antwort A

In Ruth, der Hauptperson dieses Buches, haben wir ein vortreffliches Vorbild eines Lebens „aus Glauben zu Glauben” (Röm. 1,17).
Sie gibt uns Kap. 1,16-18 im Bilde das Beispiel eines Menschen, der sich im Glauben zur Nachfolge des HERRN entscheidet, bereit, sein Kreuz auf sich zu nehmen und alles zu verlassen (Mt. 10,37-39), indem er sich nunmehr als Bürger Seines Reiches betrachtet (Phil. 3,20), in das er durch Ihn versetzt worden ist (Kol. 1,13), und sich eins weiß mit allen denen, die Christi Geist haben (Röm. 8,9; 1. Kor. 12,13).

In Kap. 1,19-22 und Kap. 2 wird uns durch sie die praktische Nachfolge des HERRN vorgebildet, deren Höhepunkt im dritten Kapitel in weltüberwindendem Glauben (Röm. 8,37; 1. Joh. 5,4.5), dessen herrlicher Lohn uns im 4. Kapitel veranschaulicht wird (vergl. Off. 2,7.11.17.26; 3,5.12.21 u. a. m.!).
Orpa (Kap. 1,6-15) gibt uns dagegen dieselbe traurige Belehrung wie der reiche Jüngling, der lieber auf die Nachfolge des HERRN verzichtete, als sich zu lösen von dem, woran sein Herz hing (Mt. 19,13-24).

Elimelech und seine Familie (Kap. 1,1.2) erinnern uns an Gläubige, die „noch fleischlich sind und nach Menschenweise wandeln” (1. Kor. 3,1-3), indem sie zur Selbsthilfe greifen (vergl. auch 1. Mose 20 und 26!), anstatt „hinwegzuschauen auf Jesum hin, den Anfänger und Vollender des Glaubens” (Hebr. 12,2). Noomi allein wird wieder zu gesegnetem Leben zurückgebracht wie einst Petrus nach seiner schweren Verirrung (Mt. 26, 69-75). Letztere gibt auch ein gutes Vorbild der Errettung des Überrestes Israels am Ende dieses Zeitalters (Röm. 9,27; 11,25), nachdem dieses umgekehrt ist und Den erkannt hat, den es dereinst durchbohrt hatte (Sach. 12,10ff.).

Boas endlich, der Ruth löste und sich zum Weibe erkaufte (Kap. 4), weist auf unseren Heiland hin, der Sich uns zum Eigentum erwarb (1. Kor. 6,19.20; 7,23; 2. Kor. 5,15), indem Er als Lösegeld Sein kostbares Blut vergoß (1. Petr. 1,18.19).
Diese kurzen Andeutungen können uns einen Begriff davon geben, welche Fülle vorbildlicher Bedeutung und praktischer Belehrung (Röm. 15,4) in diesem kleinen Buche wie in den anderen des Alten Testaments zu finden ist.
K. Hch.

Antwort B

Das Buch Ruth kann meines Erachtens von drei Hauptgesichtspunkten aus betrachtet werden. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass diese drei Punkte alles besagen, was in diesem Buche für uns verborgen liegt, wir sind vielmehr von dem Gegenteil überzeugt und hoffen, dass die einfachen Ausführungen zu tieferem Forschen anregen.

1. Wir glauben, dass wir hier ein schönes Bild von Christus und der Gemeinde vor uns haben. Dies mag allerdings manchen befremden, da doch in der Epistel an die Epheser Kap. 3, V. 5 u. 9 besonders von dem Apostel Paulus hervorgehoben wird, dass dieses Geheimnis nicht in den alttestamentlichen Schriften, sondern in Gott verborgen war. Obwohl wir das Geheimnis nicht geoffenbart finden, wird doch dasselbe sehr oft vorgebildet. Das Tageslicht der vollkommenen Offenbarung Gottes und Seine Vorsätze und Ratschlüsse, wie sie in dem Sohne Gottes uns vorgestellt werden, überfluten alles mit göttlichem Lichte, so dass Begebenheiten und Personen, die im Sternenlicht des Alten Testaments scheinbar wenig Bedeutung und Wert haben, auf einmal lebendig, klar, herrlich und für die Gegenwart nützlich werden im Lichte des Herrn Jesu, der alles belebt und bedeutungsvoll macht. Welche herrlichen Vorbilder von der Gemeinde haben wir z. B. in Eva, Rebekka, Rahel, Asnath, Zippora und so in Ruth! Wer aber könnte alle Vorbilder, die auf den Herrn Jesum hinweisen, aufzählen?

Ruth zeigt uns die Gedanken Gottes in bezug auf die Heiden, während Israel in Untreue und im Verfall sich befindet, wie wir es im Buche der Richter aufgezeichnet finden. Im ersten Buch Samuel wird uns die zukünftige Wiederbelebung und Fruchtbarkeit Israels in Hanna und ihren Kindern vorgebildet. Dazwischen wird nun Ruth - Freundin - eingeführt als eine Person, die von Natur entfremdet war dem Bürgerrecht Israels, und Fremdling betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend und ohne Gott in der Welt (Eph. 2,12). Sie füllte im gewissen Sinne den Platz aus, den die Gemeinde heute nach den Gedanken Gottes inne hat. So wurde sie durch Boas- Stärke - ein Bild von dem auferweckten Christus, eingeführt in die Reichtümer Gottes und wurde Mitbürger und Hausgenosse Gottes. Noomi, ein Bild von dem verwaisten, enterbten und ehelosen Israel, wird durch Ruth gesegnet wie Ruth durch Boas. So ähnlich ist es mit der Gemeinde; sie ist das Gefäß des Segens durch Christum jetzt für die Welt, dann aber im zukünftigen Zeitalter, wenn ich recht verstehe, vor allen erst für Israel, und Israel wiederum für die Nationen im Tausendjährigen Reiche (vergl. Off. 21,9-27). Sie wurde durch die Gnade Boas' hocherhoben; doch was ist dies im Vergleich mit der Begnadigung, die uns durch den Herrn Jesum zuteil geworden ist! Ihr Name wird in dem königlichen Geschlechtsregister unseres HERRN gefunden; wir aber sind durch Seine Gnade ein „Königtum” und „königliches Priestertum” geworden (1. Petr. 2,9), und dies für alle Ewigkeit. Ihm sei Preis und Dank dafür! Möge der Leser obige Andeutungen im Lichte von Eph. 1-3 betrachten! Wir haben die Wirklichkeit der Dinge!

2. Gleichzeitig ist Ruth ein liebliches Vorbild von dem zukünftigen gläubigen Überrest, welcher aus den Nationen in das Land seiner Väter zurückkehrt. Dort findet er den mächtigen, fähigen und willigen „Blutsverwandten” vor, der das Erbteil zu erlösen vermag und dem Toten den Namen wiedererwecken kann, wie es mit Israel geschehen wird, was der nähere Verwandte nicht zu tun vermochte. Letzteres ist ein Hinweis aufs Gesetz, welches niemals Israel in das Erbteil wieder einsetzen kann. Obwohl es der nähere Verwandte ist, wird doch der gläubige Überrest seine Unfähigkeit erkennen müssen, so dass er sich auch für sie als Zuchtmeister auf Christum hin erweisen wird. Israel kann und wird nur auf Grund der unumschränkten Gnade seines Gottes, wie sie in Christo ausstrahlt, begnadigt, angenommen und in sein verlorenes Erbteil eingeführt werden. Es ist Gnade und Gnade allein! Gott wird Sich in Gnade an ihm verherrlichen, wie es schon jetzt bei uns der Fall ist. Lies Röm. 9-11 in Verbindung mit diesen Hinweisen!

3. haben wir wichtige und kostbare Belehrungen über den Werdegang einer Seele. Kap. 1 sehen wir, wie der Mensch nach seinem Verstand handelt und den gesegneten Platz Bethlehem - Brothaus - verlässt (die Stadt, worin nach der Schrift der große König geboren werden sollte - dass sie keinen König hatten, war der Jammer jener Zeit [vergl. Richter 17,6; 19,1; 21,25], da sie Jehova als ihren König nicht anerkannten, weil dies notwendigerweise Beugung unter Seinen Willen forderte) - und sein Heil, wie man zu sagen pflegt, in der Welt versucht (vergl. Lk. 15,11.13), voll in sich und leer in bezug auf Gott, bis Gott in Seiner Gnade eine Stützte nach der anderen hinwegnimmt, damit der Mensch zur Einsicht gelange und sich zu Gott wenden möchte. So erging's dem verlorenen Sohn, so auch Noomi - Lieblichkeit oder Wohlgefallen -, sie erkannte und bekannte, dass ihr wirklicher Name, entsprechend ihres Seelenzustandes, nicht „Noomi”, sondern „Mara”, d. h. Bittere, heißen müsse. So kam sie leer in sich mit ihrer Schwiegertochter und verlangend nach dem lebendigen Gott in Bethlehem an. Ihre Schwiegertochter war gleichsam durch sie belebt worden, und die ganze Stadt war ihretwegen in Bewegung. Einkehr, Umkehr und Heimkehr zu Gott kann nicht verborgen bleiben. Hast du dies, mein lieber Leser, auch erfahren?

Kap. 2 wird im Bilde durch Boas Christus eingeführt, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist. Boas - Stärke - war ein vermögender Mann; Christus vermag alles, und keine Sache ist zu schwer für Ihn!

Er geht den Seelen nach. Sein Feld ist die Welt. Er gibt aus Seiner Fülle, und zwar Gnade um Gnade. Er kennt das Verlangen des Herzens; darum verliert Er Ruth nicht aus Seinen Augen und beschäftigt sich mit ihr, ehe sie an Ihn denkt und Ihn kennt. So geht der HERR dem einzelnen nach, beschäftigt Sich mit uns in Seiner Liebe und begrüßt uns mit Seinem Frieden. Siehe 2,12 und Lk. 15,20!

Kap. 3 wird uns Ruth mit Boas gezeigt, wie uns im 2. Kapitel Boas mit Ruth gezeigt ist. Die geistliche Deutung dieser Unterschiede belehrt uns, dass der HERR uns erst nachgeht, ehe wir Ihm nachgehen kennen. Er verkündigt uns den Reichtum Seiner Gnade und erwartet nun, dass wir im Glauben an Ihn uns diese Gnade aneignen. Darum ist in Kap. 2 Boas die handelnde Person, in Kap. 3 aber mehr Ruth. Sie kam zu ihm, er aber kam vordem zu ihr auf dem Felde (der Welt!). Die Tenne bildet mehr das Heim, den Aufenthaltsort und die Vorratskammer Seines Reichtums. Dort sollten wir gefunden werden. Siehe Joh. 1,35-39.

In Kap. 4 nimmt das Tor den ersten Platz ein: die Stätte des Gerichts und der Gerechtigkeit. Auf Grund des Kreuzes kann uns nur Gnade erreichen. Vor Zeugen des ganzen Weltalls Gottes geschah die Erlösung deiner und meiner Seele. Nur durch Seinen Tod und Seine Auferstehung können wir in ewige Beziehung zu Christo gebracht werden. - Möchten wir durch die Gnade tiefer eindringen und uns mehr erweisen als solche, „die sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt haben, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und Seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten”! Lies mit obigen Ausführungen 1. Thess. 1,1-10!
K. O. St.

Antwort C

Wenn das Buch Ruth, in der Richterzeit beginnend, geschichtlich in derselben Periode schon endigt, so reicht doch seine vorbildliche Bedeutung bis zur „Zeit der Wiedererstellung aller Dinge” (Apg. 3,21) hin, beweist uns somit seine göttliche Eingebung (2. Tim. 3,16) und erlaubt uns nicht, es als nebensächlich anzusehen.

1. Die Familie Elimelechs gibt mir ein Bild des Volkes Israel; demselben ist das Bestehen unmöglich geworden (Teuerung, Hungersnot; 1,1). Sein Land ist verflucht wegen seiner Untreue (lies 5. Mose 28,15-69; siehe auch Richter 2,11-23; 3,7.8.12.13; 4,1.2; 6,1; 10,6-9; 13,1; 17,6 u. 21,25: die Ursache der Hungersnot in Ruth 1,1), es ist jetzt unter den Nationen (Moab) und hat kein politisches Haupt mehr (Elimelech, Familienhaupt, starb 1,3). Der größte Teil des Volkes ist in Unglauben verfallen, den Nationen gleichförmig geworden (Machlon und Kiljon nahmen moabitische Weiber und wohnten daselbst; 1,4) und geht der Vertilgung entgegen; ein Überrest (Noomi blieb allein übrig; 1,5) aber „macht sich auf, um in das Land Juda zurückzukehren”; er geht durch schwere Prüfungen hindurch, aber erkennt darin die Hand Gottes (1,13.20.21); jedoch ist sein Verlangen nach irdischer Wiederherstellung gerichtet (1,6 „Brot”).

2. Nun ist durch den Fall der Kinder Israel das Heil den Nationen geworden (Röm. 11,11). Das Evangelium wird ihnen verkündigt. Viele machen sich auf, um in das Reich Gottes einzugehen, aber sind nur für eine Zeit (Lk. 8,13). Bei der Wahl zwischen dem wahren Gott und dem Mammon ziehen sie letzteren vor; Orpa stellt sie dar.

Andere, hungrig und durstig nach der Gerechtigkeit, der Welt müde, suchen, im Gegensatz zu Israel, einen Gott, sie haben ein Verlangen nach einem neuen himmlischen Vaterlande; deren Vorbild ist Ruth (1,16). Sie haben erkannt, dass Israel die Kenntnis des wahrhaftigen Gottes hat trotz seines Elendes, und hängen diesem Volke an, „dessen die Sohnschaft ist und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Dienst und die Verheißungen” (Röm. 9,4). Ähnlich verhielten sich z. B. Kornelius, Sergius Paulus, Lydia u. a. (Apg. 10,1.2; 13,7.43; 14,1; 16,14; 17,4). Ohne Hoffnung, ohne Bürgerrecht in Israel (Eph. 2,11.12) haben sie die Stellung der Fremdlinge demütig eingenommen und die Gnade angerufen. Diese, die Glieder der Gemeinde, sehe ich vorbildlich in Ruth (vergl. 2,2.7.10.13 mit Mk. 7,28!).

3. Dann ist es nicht schwer, in Boas ein Vorbild auf unseren hochgelobten HERRN und starken Heiland (2,1 „ein vermögender Mann”) zu erkennen, welcher dem Fleische nach aus Israel ist (Röm. 9,5), ein Blutsverwandter der Noomi. Lassen die huldvollen Worte des Boas an Ruth nicht unwillkürlich an Ihn denken, der die Worte des ewigen Lebens hat?! (Joh. 6,68.) Und wenn ich daran denke, dass der HERR Freude hatte am Willen Gottes, Seines Vaters, also am Erlösungswerk, so glaube ich in Ruth 3,7a.8a in Verbindung mit Joh. 4,34.35 (wo auch von der Ernte die Rede ist!); Hebr. 10,7; Ps. 40,8 eine Andeutung auf Gethsemane und Golgatha sehen zu dürfen. Auf Golgatha findet die ausschlaggebende Zusammenkunft einer Seele mit dem Heiland statt (vgl. Ruth 3,7b.9). Er gibt auch Seiner Gemeinde das Nötige, bis Er sie zu Sich nimmt (3,15; Eph. 4,11-13; 5,29), und rettet sie bis ans Ende (Hebr. 7,25 wird es uns durch eine alttestamentliche Betrachtung bewiesen, gleichwie Ruth 3,18 es durch Noomi gesagt wurde!).

4. Das Gesetz, das Israel gehört - der andere Blutsverwandte (Ruth 3,12) - hatte auch ein Recht, und zwar das erste Recht auf den Israeliten (Noomi); es war ihm aber unmöglich, irgendwelchen Menschen von der Sünde freizumachen (vergl. Röm. 8,2.3 mit Ruth 4,5.6), und so tritt Christus an seine Statt, macht die Gläubigen frei vom Gesetz, von der Sünde, und stellt den jüdischen Überrest (Noomi) wieder her durch Sein einziges Werk am Kreuze.

5. Auf die Aufnahme der Gemeinde in die Herrlichkeit und die Frucht der Liebe Christi zu ihr, der Mühsal Seiner Seele, den Dienst Seiner Erkauften in Lobgesang und Anbetung während der Ewigkeit (Jes. 53,10.11; Off. 22,4.5) deuten Ruth 4,13a und 17 schon hin (Obed bedeutet „Diener”).

6. Weiter möchte ich den Schnittern in Kap. 2,5.6 nach Off. 14,18 oder Mt. 13,41 die Bedeutung der Engel zuschreiben, welche dienstbare Geister sind, ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen (Hebr. 1,14), und dem über die Schnitter bestellten Knecht die des Geistes Gottes, durch den Er alles leitet und bei den Menschen wirkt.

Die Herrlichkeit dieses Buches ist durch obige Darlegung bei weitem nicht enthüllt, und wir können aus den Einzelheiten wie aus dem Ganzen sicher immer wieder neue Blicke in die wunderbaren Gedanken und Führungen Gottes haben.

Noch etwas aber sagt mir das Buch Ruth: Mag des Volkes Gottes Schwäche groß sein, ja, sein Zustand traurig, so bleibt es doch die Segensstätte für den, der sich unter Gottes starke Hand beugt und demütigt und Seine Heimsuchung in dieser Stätte geduldig erwartet. Wer sie verläßt, um auf eigene Weise durchzukommen und nach seinem Gutdünken zu leben, verliert den Segen, die Freude, und kommt er nach manchen traurigen Erfahrungen doch zurück, so ist es „leer” (1,13.20.21).
Reich an herrlichen Erfahrungen aber wird das Leben dessen, der die Armut, die Schwachheit des Volkes Gottes, nicht verachtet, sondern auf sich nimmt, und den Weg des Glaubens, des Gehorsams, der Niedrigkeit den weltlichen Hoffnungen und Bequemlichkeiten vorzieht (1,9.11-13.16.17).
Gott gebe uns immer mehr zu erkennen, „wie köstlich Seine Gedanken sind, wie gewaltig ihre Summe”! (Psalm 139,17.)
R. W. D.

Antwort D

Vorbildlich trägt das Buch Ruth das Bild Israels in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Namen in dem Buche sind von hoher Bedeutung. Dr. E. A. sagt so trefflich: „... Wie wenig vermag die Welt in einen Namen hineinzulegen! Es ist nichts als ein Schall nur ein Name! ... Namen, die Gott gibt oder anerkennt, sind eine Charakteristik, die das Wesentlichste des Benannten ins Licht stellen.” (S. Jahrg. Il, 1914, S. 23 und 24.) So auch hier. Die Bedeutung der Namen der in diesem Buche vorkommenden Personen bringt viel Licht in den vorbildlichen Charakter. Elimelech: „Mein Gott ist König”; Noomi: „Meine Lieblichkeit”, „meine Wonne”; Orpa: „den Rücken kehren”; Ruth: „Genossin”, „Freundin”, „die man gern hat”; Machlon: „krank”; Kiljon: „verschmachten”, „hinschwinden”; Mara: „Bitterkeit”; Boas: „in ihm ist Kraft”.

In Elimelech sehen wir gleichsam im Bilde Jehova als Ehemann und König Israels (Jer. 31,32; Ps. 89,18), in Noomi das Volk Israel als in Verbindung mit seinem König. Als aber das Land verlassen wird (1,1-3 stirbt Elimelech), das heißt im Vorbilde: als Israel das Land Immanuels verlässt und sich mit den Nationen vermischt, verliert es Gott als seinen Mann und König. Auch ihre Söhne Machlon und Kiljon bringen ihre Seele zum „Dahinschwinden” und Seufzen (Hes. 24,23). Israel in der Fremde unter den Nationen ist weder als Volk noch als Weib von Gott anerkannt. Es geht durch Elend und Schmerz. Ruth ist das Bild des zukünftigen Überrestes Israels. Aus der Heidenwelt kommend, jedes Anrechtes entblößt, verbindet sie sich mit jener, die die Bitterkeit (Mara V. 20) ihrer Sünde schmeckt. Boas ist das Bild von Christo, „in dem Kraft ist”. Er nimmt die Sache Ruths (des Überrestes der letzten Zeit) in Seine Hand und macht sie zu Seinem Weibe. Er löst das „Erbe” (Palästina, das Land) ein und erweckt den Namen (4,5) und lässt das verlorene Gedächtnis der Geschichte Israels wieder auferstehen. In Ihm sind „die gewissen Gnaden Davids”.

In Orpa sehen wir den Abfall der letzten Zeit, der dem Antichristen folgt, während wir, wie schon gesagt, in Ruth den gläubigen jüdischen Überrest (Röm. 11,4.5) sehen, der mit Christo verbunden ist (Genossin). Ein Überrest, der aus dem in heidnischem Abfall versunkenen Volke herauskommt und der nicht mehr Anrecht an die Verheißungen hatte als diese arme, verachtete Tochter Moabs. So wie sie keinen Anspruch auf Segen hatte, so auch Israel. Es wird angenommen allein aus unumschränkter Gnade. Israels Sammlung und Segnung geschieht auf dem Grunde der Verheißungen, die ohne Bedingungen den Vätern gegeben sind (Lk. 1,73).
Die Grundsätze der Gnade und Erlösung sind hier wunderbar gezeichnet. Ruth ist eine der vier Frauen in dem Stammbaum des HERRN in Mt. 1. Es ist köstlich für ein geistlich gesinntes Herz, den Spuren Seiner Gnadenwege nachzugehen, die eine Moabitin in den Stammbaum des HERRN einführen. Eine Moabitin, deren Ursprung eine Schande war (1. Mose 19,30ff.) und die durch das Gesetz für immer von der Gemeinde Israel ausgeschlossen war (5. Mose 23,3).
W. S., frei bearb. von v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Für diese kostbaren Antworten preisen wir den HERRN. Sie geben sowohl wichtige Belehrungen wie praktische Ermahnungen für das Leben des Gläubigen. (Welch wunderbares Vorbild für den tätigen Glauben und die wahre Nachfolge in des HERRN Fußstapfen ist aber auch die Moabitin Ruth!) - Es erübrigt sich, obigen Antworten noch Wesentliches hinzuzufügen; sie tun uns den wichtigsten Dienst, den sie tun können: sie leiten uns ins Wort!- Nur noch eins! Unser vornehmstes Begehren sollte stets, auch bei der Betrachtung ganzer Bücher der Schrift, das sein, den Herrn Jesus in denselben zu finden. Ganz bestimmt zeigt uns jedes Buch der Schrift (auch des Alten Testaments) den HERRN vorbildlich unter besonderen Gesichtspunkten, wenn es auch manchen Forschens unter der Leitung des Geistes bedarf, um diese stets herauszufinden. Aber der HERR Selber sagt uns: „... die Schriften sind es, die von Mir zeugen” (Joh. 5,39). Gibt es etwas Köstlicheres beim Schriftstudium, als dies Zeugnis der Schriften von Ihm zu suchen?

Im Buch Ruth nun, wie in obigen Antworten schon gezeigt, haben wir Ihn vor uns in den deutlichsten Worten (in Boas) als den „Blutsverwandten”, und wir glauben, dass wir hier auch einen Hinweis sehen dürfen auf Hebr. 2, wo Er uns in besonders köstlicher Weise als unser „Löser” gezeigt ist, der „an Fleisch und Blut teilgenommen hat”, um für uns sterben zu können. - Doch wird Seine herrliche Person auch noch in anderen Beziehungen in diesem Buch zu finden sein. Zeigt es uns, indem die Familiengeschichte einer der Stammütter des Herrn Jesu nach dem Fleisch erzählt wird, nicht z. B. vielleicht in seinem Gesamtcharakter auch etwas vorbildlich von der Niedrigkeit des teuren HERRN, der arm wurde um unseretwillen (2. Kor. 8,9) und „Sich Selbst zu nichts machte” (Phil. 2,7) und daher auch schon in Seinen Vorfahren (dem Fleische nach) niedrige Wege ging? - Möchte der HERR uns schenken, „in der Gnade und Erkenntnis Jesu Christi zu wachsen” (2. Petr. 3,18), auch beim Betrachten des lieblichen Buches Ruth!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 3 (1915)