Aussatz

Nach 3. Mose 13,9ff. ist derjenige unrein, bei dem nur ein Teil „weiß“ (nämlich von Aussatz!) ist, während derjenige, dessen ganzer Körper weiß ist, reingesprochen wurde. Wie ist das zu verstehen?

Antwort A

Dass im Alten Testament uns in sichtbaren, materiellen Dingen bildlich das gezeigt wird, was wir im Neuen Testament als unsichtbare, geistige Dinge finden, und dass auch der Aussatz- diese schreckliche, unheilbare und darum unabwendbar zum Tode führende Krankheit - zu diesen alttestamentlichen Bildern gehört und uns die Sünde in ihrer ausschließenden und todbringenden Wirkung zeigt, bedarf wohl nicht erst näherer Ausführung. Das zeigen uns die Schriftstellen, die vom Aussatz reden oder die Heilung Aussätziger berichten, wie 3. Mose 13 u. 14; 2. Kön. 5,6.7; Mt. 8,2-4; 11,5; Mk. 1,40-44; Lk. 5,12-14; 7,22; 17,11-19.

Der Aussatz ist eine leibliche Krankheit, deren unvermeidliche Folge der leibliche Tod ist. Wenn wir nun in dieser leiblichen Krankheit das Bild der Sünde erblicken - und es gibt kein anderes so treffendes, vollkommenes Bild wie dieses -, so müssen wir auch in dem durch sie bewirkten leiblichen Tode das Gegenbild desselben, nämlich den als Lohn der Sünde folgenden „zweiten Tod” (Off. 20,6.14; 21,8) erblicken. Dieses immer festzuhalten ist sehr wichtig! So betrachtet, ist der Aussätzige ein Bild des Sünders in seinem Zustande des Verlorenseins, also vor seiner Errettung, und der vom Aussatz Geheilte ein Bild des Erlösten, der von seinen Sünden gereinigt ist durch das kostbare Blut Christi und dadurch errettet ist vom zweiten Tode und ewiges Leben hat in Christo Jesu. „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christo Jesu, unserem HERRN” (Röm. 6,23).

Wenn dieses wahr ist, wie kann dann der Aussätzige auch ein Bild eines Kindes Gottes sein, das gesündigt hat, wie manche lehren? Gibt uns das Neue Testament, in dessen Lichte wir immer die Dinge des Alten Testamentes betrachten müssen, je einen Anhalt für eine solche Anwendung? Wir finden nie im Neuen Testament das Bild des Aussatzes gebraucht, wenn es sich um Sünde von Kindern Gottes handelt, sondern das Bild vom „Sauerteig” (1. Kor. 5,6-8; Gal. 5,9). Überhaupt finden wir im Neuen Testament „Aussatz” oder „Aussätzige” nie mehr erwähnt nach den Evangelien, und in letzteren nur in Verbindung mit Heilung durch den Herrn Jesus (siehe oben genannte neutestamentliche Schriftstellen) oder durch Seine Jünger (Mt. 10,8) oder in bezug auf Personen, die vom Aussatz geheilt worden waren (Mt. 26,6; Mk. 14,3; Lk. 4,27), und in allen diesen Fällen wird anerkanntermaßen ein Bild der Errettung des verlorenen Sünders vom ewigen Verderben bezw. ein Bild des von seinen Sünden gereinigten Erlösten gesehen. Darum können wir in dem Aussätzigen nie ein Kind Gottes, das gesündigt hat, dargestellt sehen, sondern immer den nicht erretteten Menschen in seinem sündigen Zustande, in welchem er dem Tode verfallen ist und keinen Platz in der Gemeinde Gottes hat, wie 3. Mose 13 zeigt.
Die Verse 10-17 des eben erwähnten Kapitels haben wohl schon jedem sorgfältig Lesenden zu denken gegeben. Man fragt sich: Wie konnte ein Aussätziger für rein erklärt werden, wenn der Aussatz sein „ganzes Fleisch” bedeckt? War er dann nicht in Wirklichkeit schlimmer aussätzig als vorher? Wir glauben, dass Gott uns gerade damit eine kostbare Belehrung geben will: Wenn ein solcher Aussätziger sich betrachtete, sah er an sich nichts Heiles mehr, sondern nur Aussatz, wohin immer er blicken mochte. So war er ein rechtes Bild von dem Sünder, der sich im Lichte Gottes sieht in seiner völligen Sündigkeit und seinem Verlorensein und sich nach Vergebung und Errettung sehnt. Und gerade in diesem Zustande ist er angenehm vor Gott, und so kann Gott ihm Vergebung schenken. Wenn diese Auffassung richtig ist, würde die Erklärung der Verse 10-17 folgendes sein: Wenn nur ein Teil des Körpers von Aussatz bedeckt war, ist der Aussätzige ein Bild des Sünders, der sich nicht im Lichte Gottes sieht und darum nicht seine Sündigkeit und sein Verlorensein erkennt und infolgedessen nicht als verlorener Sünder seine Zuflucht zum Herrn Jesus nimmt; er bleibt deshalb in seinem verlorenen Zustand (V. 10 u. 11). Der Aussätzige aber, bei dem der Aussatz die ganze Haut bedeckte, von seinem Kopf bis zu seinen Füßen, und bei dem sich das Übel „ganz in weiß verwandelt” hatte, stellt den Sünder dar, der sich im Lichte Gottes erkannt hat in seiner ganzen Sündigkeit und seinem Verlorensein und darum in Buße und Glauben zum Herrn Jesus flieht. Ein solcher empfängt Vergebung und ist „rein” (V. 12 u. 13). Ein Beispiel hiervon haben wir in der Sünderin in Lk. 7,36-50. Wenn aber bei einem solchen Aussätzigen „rohes Fleisch” sich zeigte - ein Bild der „Gesinnung des Fleisches” (Röm. 8,6-8) - so stellt er in diesem Zustande einen Sünder dar, der wohl sich im Lichte Gottes erkannt hat, bei dem aber die wahre Verurteilung der Sünde fehlt und daher die Gesinnung des Fleisches wieder Raum gewinnt; daher bleibt er in seinem sündigen Zustande und Verlorensein - er ist „unrein” (V. 14 u. 15). Wenn jedoch das „rohe Fleisch” sich änderte und „in weiß verwandelt” wurde, so sehen wir in diesem Aussätzigen das Bild eines Sünders, der sich im Lichte Gottes erkannt hat, aber der Gesinnung des Fleisches nachgab, schließlich aber doch sich in Aufrichtigkeit beugt und zum Herrn Jesus wendet und dann Vergebung empfängt; er ist dann „rein” (V. 16 u. 17).

Dass in den besprochenen Versen es scheinbar immer dieselbe Person ist, an der die verschiedenen Zustände gezeigt werden, soll nicht sagen, dass das darin vorgebildete Verschiedene die Erfahrung ein und derselben Person sei, denn das würde ja bedeuten, dass die Vergebung, die ein Mensch von Gott empfangen hat, und damit auch die Errettung und die Gotteskindschaft (V. 13), wieder rückgängig gemacht und aufgehoben werden könnte (V. 14.15!). Letzteres ist aber durchaus nicht der Fall, wie Gottes Wort uns zeigt (siehe Joh. 6,37-40; 10,27-30; Röm. 8,29-39 u. a. m.). Es ist vielmehr so, dass in unserem Schriftwort an ein und derselben Person verschiedene Zustände gezeigt werden, die die Erfahrung ganz verschiedener Personen sind, wie wir dies oben bei der Betrachtung der einzelnen Verse zu zeigen versucht haben. Wohl ist der in Vers 10 und 11 gezeigte Zustand erst einmal der Zustand auch der in den folgenden Versen vorgebildeten Personen gewesen, aber die V. 10 und 11 zeigen auch den Sünder, der in dem Zustande der Sünde verharrt. Ferner ist richtig, dass die in den V. 16 und 17 vorgebildete Person vorher in dem Zustande war, der in V. 14 und 15 gezeigt wird; aber damit ist nicht gesagt, dass diesem Zustande in jedem Falle der in den V. 16 und 17 geschilderte Zustand folgen müßte, darum ist in den V. 14 und 15 zugleich der Sünder vorgebildet, der in dem gerade hier gezeigten Zustande bleibt. Nicht aber ist etwa die in den V. 12 und 13 vorgebildete Person mit den in den folgenden Versen vorgestellten Personen einszumachen, denn in ihr wird uns ein Mensch gezeigt, der sich aufrichtig vor Gott beugt als ein verlorener Sünder, und darum Vergebung empfängt: er „ist rein” und bleibt es! Der Herr sei gepriesen!
Th. K.

Anmerkung des Schriftleiters

Wenn in den letzten Monaten Nachrichten durch christliche Blätter gingen (vgl. auch „Handr.” 1926, 11. Lief., Umschau!), denenzufolge neuerdings ein Heilmittel gegen den Aussatz gefunden sei, das in dem Asyl „Jesushilfe” in Jerusalem mit Erfolg angewendet worden sei, so ändert der Bericht, dass seit drei Jahren im ganzen vier Kranke geheilt seien, doch nichts an der durch die Schrift begründeten Annahme der Unheilbarkeit des Aussatzes. Denn 1. sind die Erfolge, angesichts der ungeheuren Verbreitung der Krankheit im Orient, doch noch zu gering, um darauf auch nur die Hoffnung aufzubauen, dass es gelingen werde, des Aussatzes auch nur in engen Grenzen Herr werden zu können, zumal ein späteres Widerausbrechen der Krankheit bei den Geheilten doch wohl sicher im Bereich des Möglichen liegt;

2. aber dürfen wir in diesen Einzelheilungen, wie sie in jenem Asyl zu verzeichnen sind und weiterhin vorkommen werden, vielleicht Voranzeichen der bald anbrechenden neuen Zeit des Tausendjährigen Reiches sehen, da auch die „Wüste wieder zum Fruchtgefilde” werden soll, da der „Früh- und Spätregen” wieder in Palästina fallen wird, da das lange dürr gewesene Land zu „Wasser-Quellen” werden wird usw. (vgl. z. B. Jes. 35,1ff.; 41,17-20; 43,18-20; Joel 2,21ff. und viele andere Stellen!). Von all diesen zukünftigen Herrlichkeiten sind schon seit einiger Zeit leise Anzeichen vorhanden, beginnt doch sogar am Toten Meer hier und da ein Gräslein und Blümlein zu sprießen, wo jahrtausendelang alles erstarrt war.

Somit sind jene Aussätzigenheilungen, die Gott in Gnaden geschehen ließ, kein Widerspruch gegen die in der Schrift bekundeten Beweise, dass der Aussatz unvermeidlich zum Tode führe. Die Zeit ist nahe, da „Aussätzige rein werden”, wie einst zur Zeit, da der Messias, wenn auch von den meisten unerkannt, auf der Erde weilte. Dass sie es wurden, dass überhaupt keine Krankheit vor Ihm standhielt, das ward dem im Gefängnis mutlos gewordenen Herold des HERRN, dem Johannes, als Zeichen mitgeteilt dafür, dass Jesus Der, „der da kommen sollte”, auch wirklich sei! (Mt. 11,2-6.)

In den Kapiteln 13 und 14 von 3. Mose wird die Heilungsmöglichkeit noch vorausgesetzt, aber die Verordnungen geschehen ja auch zu einer Zeit, wo Israel - wenn auch oft widerspenstig - sich doch der Gegenwart Jehovas in seiner Mitte erfreute, die (außer durch Mose in bestimmten Dingen) durch das Priestertum dem Volke vermittelt wurde. Darum war auch nur der Priester als einziger göttlich bevollmächtigter Sachverständiger medizinisch und verwaltungsmäßig zuständig für die Fragen, ob einer wirklich aussätzig sei, ob Hellung möglich sei und wie - beachte das mehrfache Einschließen für sieben Tage zur Beobachtung und gleichsam zum Abwarten, was Gott tun werde! -, ob er aus der Gemeinschaft, aus dem Lager auszuschließen, wann er wieder aufnahmefähig sei (vgl. außer 3. Mose 13 u. 14 auch 4. Mose 5,2ff. mit 5. Mose 24,8.9!).

Deswegen war es hochbedeutsam, als der Herr Jesus in der Geschichte Mt. 8,1-4 (Mk. 1,40-45; Lk. 5,12-16) dem durch Seine Hand geheilten Aussätzigen unter „Bedrohung” befiehlt (Mk. 1,43), ohne jemand etwas zu sagen, zum Priester zu gehen und sich „ihnen zu einem Zeugnis” zu zeigen und dann die von Mose vorgeschriebenen Opfer zu bringen (3. Mose 14). Wohlgemerkt: zu dem allein zuständigen Sachverständigen sollte der Geheilte gehen! Also noch damals, nachdem durch viele Jahrhunderte die Schrift keine Aussätzigen-Heilung berichtet hatte (vgl. auch 2. Kön. 5 mit Lk. 4,27.28!), hält Sich Jehova-Jesus an Seine eigene Verordnung, nachdem Er wieder unter Sein Volk getreten ist! Ähnlich in Lk. 17,11-19. Aber während diese Geschichte in die Endzeit Seines Wirkens fällt, wo die religiösen Führer des Volkes längst schlüssig waren, Ihn zu beseitigen, geschah jene erstere Geschichte bald nach Seinem Auftreten, wo - menschlich angesehen - viel Aussicht vorhanden war, dass Israel als Volk seinen Messias hätte erkennen können. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen: ich weiß natürlich, dass die Entwicklung nicht anders kommen konnte. Nie hätte Christus über ein innerlich unerneuertes Volk König sein können; ohne Sein Kreuz gab es gleichsam keine Krone für Ihn, da ohne Sein Kreuz keine Rettung war für den Menschen im Fleisch. Und „wie hätten denn die Schriften erfüllt werden können, dass es also geschehen mußte?!” (Vgl. Mt. 26,54.) Aber das ist erst die eine Seite, die andere ist die der menschlichen Verantwortlichkeit, und da ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Entwicklung im einzelnen einen anderen Verlauf hätte nehmen können, wenn z. B. jener Geheilte gehorsam gewesen wäre und sich dem an jenem Tage diensttuenden (Lk. 1,8f.) Priester gezeigt hätte! Was hätte wohl der Priester, der, wie betont, allein zuständig war, zu beurteilen, ob jener Mann vom Aussatz geheilt sei, gesagt, wenn er ihn hätte untersuchen sollen?! Was wären für Fragen durch sein Herz gegangen?!

Was? - ein Aussätziger geheilt? Unerhört! oder - hat Jehova Sein Volk wieder besucht? - sind die Tage Elisas wiedergekommen, oder - oder ist der Tag angebrochen, von dem Moses sagte: „Einen Propheten wie mich wird der HERR euch senden ...”? (5. Mose 18,15.) Vielleicht wäre jener Priester gläubig geworden an den Messias, vielleicht durch ihn auch andere, so dass schon damals „eine große Menge der Priester dem Glauben gehorsam” worden wäre wie Apg. 6,7 ...! Welch ein Segen wäre das für das arme Volk gewesen und welche Verherrlichung des teuren HERRN! - Aber der geheilte Aussätzige war nicht gehorsam! Er legte dieses „Zeugnis”, für das er Verantwortung hatte, ihnen gegenüber nicht ab, er lief vielmehr in die Stadt, er posaunte die Tat Jesu aus im Ungehorsam gegen Ihn, und zwar ohne dass er eine amtliche Bestätigung für seine Heilung hatte seitens derer, die berufen waren, solche zu geben. - Wieviel Schaden wird doch oft auch heute verursacht durch ungehorsame Gläubige! Genug davon, aber wir sehen aus diesem allem (darum habe ich so viel davon geschrieben), wie auch Antwort A zeigt, dass nur Gottes Gnade in Christo Jesu einen Aussätzigen heilen kann, d. i. aber einen Sünder, der sich, wie oben klar gesagt ist, seines Verlorenseins bewußt ist und sich zu Dem wendet, der Sünder zu erretten herniederkam.

Denn, was den Hauptteil der Frage und die obige Beantwortung anbelangt, so bin auch ich überzeugt, dass es sich darum handelt, sich (wie ganz aussätzig) auch als ganz verloren zu sehen, um dann von dem ganzen Heiland und Seinem ganzen Opfer Gebrauch zu machen. Wer glaubt, auch nur etwas selber tun zu können („rohes Fleisch”, V. 14.15) zu seiner Rettung, der ist gerade so verloren wie einer, der nichts dazu tun kann! Aber wer dies eingesehen hat, der kann und wird eher zum Retter kommen als ein solcher, der noch irgendwie gute Werke hat, die er glaubt, Gott als Preis darbringen zu können. Wir haben, so scheint mir, für diese Stelle im Neuen Testament eine merkwürdige Parallele in Joh. 9,39-41.

Und in dem Zöllner in Lk. 18,9-14 sehen wir - wie in der oben genannten Sünderin von Lk. 7,36-50 - einen ganz Aussätzigen, der volle Rettung und Rechtfertigung erhält, als er in dem Bewußtsein, nichts als ein Sünder zu sein, im Tempel Gott zu begegnen sucht.

Gepriesen sei der teure Name des HERRN, der mit dem furchtbaren fressenden Aussatz der Sünde des Menschen ebenso fertig wird - aber Er allein! - wie mit dem leiblichen Aussatz, der von jeher das vollkommenste Abbild ist, das die Schrift uns gibt! Wie wunderbar ist doch Gottes Wort, und wie kostbar die herrliche Erlösung in Christo Jesu, unserem HERRN! Sind alle Leser ihrer teilhaftig?
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 12 (1927)