Auslegung von Offenbarung 22,11

Ich bitte um Auslegung von Offenbarung 22,11!

Antwort A

Der Vers ist eingeschlossen zwischen die Worte des HERRN: „Die Zeit ist nahe!” und: „Siehe, Ich komme bald!”, eine Warnung für die, die Unrecht tun und sich verunreinigen, und eine Ermunterung für die, die Gerechtigkeit üben und sich heiligen lassen. Letzte können „den Herrn Jesum als Heiland erwarten” (Phil. 3,20); den ersteren dagegen, wenn sie in ihrer Stellung verharren, wird Er als Richter offenbar werden, indem ihnen nur noch ein „furchtvolles Erwarten des Gerichtes bleibt” (Hebr. 10,27), weil „sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen” (2. Thess. 2,10).

Noch wartet Gott mit Seinen Gerichten über die ungläubige Menschheit, und Seine Langmut gibt noch immer Gelegenheit zum Heil durch Buße und Bekehrung (2. Petr. 3,9), bis das Maß der Sünde voll und Seine Stunde gekommen ist, wie wir es an dem Beispiel der Mitmenschen Noahs (1. Mose 6,3.5.13) und dem von Sodom und Gomorra (1. Mose 13,13; 19,13) sehen (vergl. auch Off. 18,5!). Glückselig, der einen Zufluchtsort gefunden hat (Ps. 32,1.2.7)!
K. Hch.

Antwort B

Man kann Off. 22,11 auch übersetzen: Der Ungerechte tue weiter Ungerechtigkeit; der Unreine verunreinige sich fernerhin, und der Gerechte mache in der Gerechtigkeit weiter, und der Heilige werde weiter geheiligt.

Dies Wort kann von zwei Gesichtspunkten. aus erklärt werden: als eine allgemeine göttliche Wahrheit und als Ausspruch Jesu nach dem gefällten Gerichtsurteil, als Ergebnis des Abschlusses nach dem Zusammenhang der drei letzten Kapitel der Offenbarung Jesu Christi.

1. Als allgemeine göttliche Wahrheit enthält es den Grundsatz der Entschiedenheit. Will jemand etwas sein, so sei er es ganz, entweder ein Gerechter oder ein Ungerechter, ein Reiner oder ein Unreiner, ein Heiliger oder ein Unheiliger. Diesen Sinn hat auch das Wort des HERRN an Laodicea: „Ach, dass du kalt oder warm wärest; weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, so werde Ich dich ausspeien aus Meinem Munde” (Off. 3,15.16). Alles Gemisch ist dem HERRN ein Greuel. Das Volk Israel sollte sein Feld oder seinen Weinberg nicht mit mancherlei besäen, nicht zugleich mit einem Ochsen und Esel pflügen und kein Kleid tragen von Wolle und Leinen gemengt. (3. Mose 19,19; 5. Mose 22,9-11; vergl. 2. Kor. 6,14-18; 2. Mose 23,32.33; 34,15.16; 5. Mose 7,3.4.) Über die Heuchler hat Jesus am schärfsten gesprochen (Mt. 23, 1-36); und dem Unentschiedenen sagte Er: „Wer seine Hand an den Pflug legt und stehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes” (Lk. 9,62).
Der Apostel Paulus ist ein Vorbild in der Entschiedenheit. Wie er weiland ein Lästerer, Schmäher, Verfolger war, so war er jetzt, nach seiner Bekehrung, „der Vornehmste von dieser Sekte der Nazarener”. Er war ein ganzer Mann, ein ganzer Christ, ein ganzer Apostel. Gott will uns ganz haben (vergl. Mt. 22,37!), Halbheit hat weder vor Gott noch vor Menschen Wert. Ein doppelherziger Mensch denke nicht, dass er etwas von dem HERRN empfangen werde; er ist unbeständig in allen seinen Wegen (Jak. 1,7.8). Was wir sein wollen, seien wir ganz, das ist der Sinn Jesu, der Wille des HERRN und der Sinn dieses Wortes.

2. Als Ausspruch nach vollzogenem Gericht und Endurteil des Herrn Jesu hätte dies Wort die Bedeutung, dass nach Abschluß der Gnaden- und Heilszeit jeder in alle Ewigkeit das bleibt, was er ist bezw. bis zum letzten Urteil geworden ist. Da gibt es keine Änderung und keine Bekehrung mehr. Die Scheidung ist für immer vollzogen, es gibt nur noch einen Himmel (neuen Himmel und neue Erde) und eine Hölle (den Teil des Teufels, seiner Engel und Angehörigen). Ein jeder bleibt für immer, was er bis dahin geworden ist. Daher gibt es nur noch die zwei Orte, Himmel und Hölle mit ihren Bewohnern. Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Also auch die Unentschiedenen gehören nur zu einem von beiden. Welches ist dein Teil?
F. Th. H.

Antwort C

In dem vorausgehenden Abschnitt Off. 21,9 - 22,5 wird uns die Braut des Lammes gezeigt. Mit der Schilderung der heiligen Stadt schließt dann die Offenbarung und der prophetische Inhalt des Buches, und es folgen dann noch Warnungen. Für den in Treue auf seinen HERRN wartenden Gläubigen schließt dies alles Glückseligkeit in sich, er weiß seinen HERRN nahe und gibt Ihm, der ihm Erkenntnis und Verständnis über diese Dinge geschenkt hat, die Ehre. Kein Ereignis steht zwischen uns und unserer Aufnahme in die Herrlichkeit. Dagegen werden sich zwischen dem Anbruch der Herrlichkeit für Israel allerlei Ereignisse und Gerichte abwickeln, und für diejenigen welche den Ruf der Gnade verachten, wird es ein unerschütterliches „Zuspät” geben. Deshalb nochmals in Off. 22 diese Scheidung. Auf der einen Seite die kostbare Botschaft: „Glückselig der, der bewahret die Worte der Weissagung dieses Buches” (V. 7), und auf der anderen Seite die ernsten Worte: „Wer Unrecht tut, tue noch Unrecht, und wer unrein ist, verunreinige sich noch, und wer gerecht ist, übe noch Gerechtigkeit, und wer heilig ist, sei noch heilig” (V. 11), und V. 12 fügt der HERR hinzu: „Siehe, Ich komme bald, und Mein Lohn mit Mir, um einem jeden zu vergelten, wie sein Werk sein wird.

Der Abschluß der Gnadenzeit wird alsdann vollendet sein, die Gerichte werden beginnen, und die Menschen werden in dem Zustande, in dem sie gefunden werden, für immer bleiben, die einen zum ewigen Gericht, die anderen zu ewigem Segen und Herrlichkeit. Gott hat alles getan, um die Bösen zu warnen und die Getreuen zu ermuntern, und es konnte jeder nach freiem Entschluß seines Herzens handeln. Mag nun der Böse weiterhin trotzig im Bösen verharren, mag der Unreine in die Tiefen der Sünde sich weiter hineinwühlen, um so entschiedener mögen dann die Erlösten in treuem Wandel vorangehen. Ein jeglicher aber wird in dem gefunden werden, worin er verharrt hat in diesem Leben, und nichts wird den Abschluß der Dinge aufhalten. Ein jeder wird offenbart werden und empfangen, was er in diesem Leibe getan hat (2. Kor. 5,10). Es wird sein, wie es in Pred. 11,3 geschildert ist: „Wenn ein Baum nach Süden oder nach Norden fällt, an dem Ort, wo der Baum fällt, bleibt er liegen.” Entweder wir werden gefunden als Errettete und Wartende und sind Teilhaber der Herrlichkeit Jesu Christi, oder die große Kluft wird offenbar, es wird kein Raum zur Buße mehr sein.
Ph. W.

Antwort D

Mit Off. 22,5 schließt die Beschreibung der Herrlichkeit des neuen Jerusalem resp. der gesamten Offenbarung Jesu Christi; von V. 6 ab folgen noch gewisse Warnungen und Belehrungen; V. 6 geht wieder zurück auf Off. 1,1-3.7.

Die in Frage stehenden Verse, Kap. 22,11.12, enthalten eine Warnung und Belehrung. Meines Erachtens dürfte aus ihnen genommen werden, daß, wenn die Zeit der Gnade abgeschlossen sein wird und die Gerichte beginnen, die Menschen in dem Zustand, in welchem sie sich befinden und gefunden werden, bleiben; die einen reif zum Gericht, die anderen bereitet zum ewigen Leben, überhaupt zum Leben und Eingang in das Reich Gottes. Ja, nach dem Abschluß der Gnadenzeit ist es zu spät, aus der Finsternis und Gewalt Satans zum Licht und Leben zu gelangen, das zeigt uns der auf V. 11 folgende V. 12; es bleibt dann nur noch die Vergeltung! Zweimal steht das Wort: „Siehe, Ich komme bald” in diesem Kapitel, V. 7, als Ermunterung, die Worte der Weissagung zu bewahren und V. 12 als Warnung für alle Lebenden, dem Gericht der Vergeltung noch beizeiten zu entfliehen; jedoch auch als Ermunterung für die Heiligen, in der Heiligung fortzufahren, bis Er kommt!
F. B.

Anmerkung des Herausgebers

Hier haben wir mehrere Auslegungen dieser gar nicht leicht erklärbaren Stelle. Sie alle beschäftigen sich mit dem gewaltigen Ernst dieser Worte und der menschlichen Verantwortung ihnen gegenüber. Möchte keiner der lieben Leser es damit leicht nehmen, auch nicht mit der uns in Antwort B ans Herz gelegten christlichen Entschiedenheit! Wieviel Halbheit ist noch auch unter Gottes Volk, sowohl gegenüber der Lehre der Schrift als auch in dem aus ihr folgenden praktischen Leben! Ja, möchten wir Gnade nehmen aus der Fülle (Hebr. 12,28), um ganze Menschen zu sein, los von der Welt und ihrem Wesen, in moralischer wie auch religiöser Hinsicht, und völlig auf Christi Seite, gehorsam Seinem heiligen Worte, da zu sein für Ihn! (Röm. 12,1.2; 2.Kor. 6,14-18.) Es mag befremdlich erscheinen, dass der Heilige Geist hier gleichsam auffordert: „Wer Unrecht tut, tue es weiterhin!” Aber man kann diese scheinbare Aufforderung auch etwa so auffassen, wie wenn damit dasselbe gesagt werde, was ein Lehrer etwa einem Tunichtgut sagt: „Mach nur so fort, du wirst schon sehen, was aus dir wird; du handelst auf deine eigene Verantwortung, ich habe dich gewarnt, nun siehe du zu!” Sagten so ähnlich, wenn auch in ganz anderer Gesinnung, nicht einst auch die Hohenpriester zu Judas, als er seinen Verrat an dem HERRN vor ihnen als Sünde bekannte?! (Mt. 27,4.) - Ja, siehe wohl zu, was du tust! Der gewarnt ist durch den dem Verse 11 vorangehenden 10. Vers, der handelt auf eigene Verantwortung und Gefahr, wenn er nicht beizeiten Buße tut! Und der Gerechte, der Heilige? Er fahre nur so fort in Gerechtigkeit und Heiligkeit, auch er wird sehen, dass Gott ein Vergelter, ja, ein Belohner ist (Hebr. 11,6) - gelobt sei Er hierfür! -, und dass Sein Wort von V. 7.10 u. 12 wahr ist. Kurz zusammengefaßt sagt uns die Stelle also etwa folgendes: „Der Unrechttuer offenbare seinen Charakter, offenbare das, was er ist, und ebenso auch der Heilige! Jeder soll zeigen und wird sehen, was er ist im Lichte des kommenden Richters und des Lohnes!” Hierzu lese man noch die ernsten, aber auch köstlichen Worte aus 2. Tim. 3,13ff.! – Der HERR gebe uns Gnade, allezeit zu sein und zu bleiben in Seinem Wort!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 3 (1915)