Auslegung von Galater 4,21-31

Ich bitte um eine Auslegung von Galater 4,21-31

Antwort A

Der Apostel Paulus sucht den Galatern, welche durch Gesetzeslehrer verführt worden waren, den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium (Gnade) klar zu machen. Sie hatten den Heiligen Geist durch die Predigt vom Glauben an Christum empfangen und wurden so glückselig (Gal. 3,2-5; 4,13-15), nun waren sie in Gefahr, vom Geist ins Fleisch zu geraten (3,3). Gal. 4,21-31 zeigt nun, was der wird, der sich unier das Gesetz stellt, und der, welcher sich unter die Gnade stellt. Der Gesetzesweg ist ein Fleischesweg, ein Weg der Selbsthilfe auf Grund von göttlichen Gesetzen, die nur zu Christo hinführen sollten, aber Christus und Seine Gnade nicht bringen können. (Sinaigesetz.) Der Weg der Gnade gründet sich nicht aufs Gesetz, sondern aufs Wort der Verheißung. So steht hier das Gesetz der Verheißung (dem Evangelium) gegenüber, Ismael dem Isaak, das irdische Jerusalem dem himmlischen, die fruchtbare (Welt) der unfruchtbaren (kleinen Herde, Lk. 12,32), die Kinder der Magd und die Kinder der Freien, die Kinder des eigenen Tuns und die Kinder der Verheißung, der Alte und der Neue Bund (Testament).

Der Sohn der Magd ist auf dem Wege fleischlicher Berechnung gegen Gottes Wort und Willen geboren, der Gesetzeschrist geht in gleicher Weise den Weg fleischlicher Berechnung (Eph. 2,3). Isaak ist auf einem übernatürlichen Wege auf Grund der Verheißung Gottes geboren (vgl. Röm. 4,18-25); das Kind Gottes ist übernatürlichen Ursprungs (Joh. 1,12.13; 3,6). Geist und Fleisch sind widereinander (Gal. 5,16.17.18). Hier tritt der Unterschied des Alten und Neuen Bundes hervor. Das irdische Jerusalem mit dem Gesetz, Opfer und Tempel, das die Juden zur Verwerfung Jesu brachte (1. Kor. 2,8) als die Vertreter des Alten Bundes; das obere Jerusalem, d. h. das obere Heiligtum (Hebr. 9,11-17.23-28; 10,19.20; 12,22-24; 6,17-20), ist die Mutter aller neutestamentlichen Gotteskinder und daher auch die wunderbare Stadt, deren Bewohner sie sein werden (Off. 21,9 - 22,5). Gottes Kinder sind frei und stehen nicht mehr unter dem Gesetz von Sinai, sondern unter dem Gesetz des Geistes des Lebens (Röm. 8,2).

Wie nun das Fleisch wider den Geist ist (Gal. 5,17) und fleischlich gesinnt sein eine Feindschaft wider Gott (Röm. 8,7), so verfolgt auch heute noch der fleischlich Gesinnte den, der nach dem Geist geboren ist. Hier gibt es keine Verbrüderung, obwohl Ismael und Isaak vom gleichen Vater abstammten; aber sie hatten nicht dieselbe Mutter. Der Sohn der Magd (Sklaven, Unfreien) musste ausgestoßen werden. Der Apostel Paulus nennt sich mit allen Kindern Gottes, die durchs Wort der Verheißung geboren sind (Jak. 1,18; 1. Petr. 1,23; Joh. 1,12.13), hier dem Isaak nach „Kinder der Verheißung”.
F. Th. H.

Anmerkung des Schriftleiters von Teil I

Ich möchte aus Rücksicht auf den Raummangel nicht wiederholen, was in der obigen klaren Antwort gesagt ist, aber sicher macht diese Stelle vielen Schwierigkeit, so dass es gut ist, sie hier noch ein wenig zu betrachten.

Wie wunderbar deutet uns doch der Geist durch Paulus die Geheimnisse des Alten Testaments, die Ratschlüsse Gottes!

Es handelt sich für den Apostel nach Kap. 5 um die Freiheit, die aber keine Ziellosigkeit und Leichtfertigkeit bedeutet, sondern vielmehr ein inneres Gebundensein an den Geist des HERRN, durch den wir nicht nur das Leben haben, sondern auch die Kraft zum Handel (V. 25). Er verwandelt uns in das Bild Christi (2. Kor. 3,18). Die Freiheit des Christen lässt aber auch keine Gesetzlichkeit zu, wie denn jede gesetzliche Stellung bezw. jedes Einführen des Gesetzes in irgendeiner Weise die also Handelnden dahin bringt, von Christo keinen Nutzen mehr zu haben (5,2). Entweder Christus oder das Gesetz - eine Verbindung ist hier unmöglich. Wie ernst ist dies für die Gläubigen, die der Irrlehre der Sabbatarier, mit ihren gesetzlichen Vorschriften den Sabbat zu halten und den Zehnten zu geben (nur den gesetzlichen Zehnten?!), anheimfallen! (Gal.4,9!) Sie müssen das ganze Gesetz halten und - bringen sich dadurch unter das Todesurteil, wandeln im Fleisch (denn das Gesetz ist nur für den Menschen im Fleisch, den Juden [vgl. 2. Mose 3,12-17! u. a.], gegeben, nicht für den Gerechten, vgl. Gal.3,10-13; 2,21.16; 1. Tim. 1,5-11; Röm. 3,19.20; 7,1) und werden dann auch Verfolger derer, die geistlich sind, los vom Gesetz, Kinder der Freien. Es muss doch einen Grund haben, dass die Siebentags-Adventisten alle Gläubigen, die nicht den Sabbat halten, so arg verfolgen und Jungbekehrte damit schrecken: „Ihr geht verloren, wenn ihr den Sabbat nicht haltet!” Hier ist ein Grund: Der Haß des Ismael gegen Isaak (V. 29). Über Ismael und seine Nachkommen, zur Knechtschaft geboren, ist schon in der prophetischen Verheißung des Abraham davon die Rede, wie zwischen ihm und allen Feindschaft sein würde (1. Mose 16,12). Und so ist es geblieben. Israel, das eigentlich der Verheißung, die Isaak betraf, hätte teilhaftig werden sollen, blieb, auch als Christus - des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (Röm. 10,4) - gekommen war, Israel blieb lieber unter der Knechtschaft des Gesetzes und der Herrschaft des Todes, und so wurden die Juden um ihres Gesetzes willen, durch das sie meinten, Gott einen Dienst zu tun, das Christus aber selbst beiseite gesetzt hatte, die grimmigsten Feinde des HERRN (vgl. Joh. 5 u. 9 u. a.) und darum auch aller derer, die in Ihm allein ihre Gerechtigkeit haben, aus Glauben und durch Gnade gerretlet werden (Eph. 2). Wir sehen diese Feindschaft durch die ganze Apostelgeschichte hindurch, und hier im Galaterbrief sehen wir die Erklärung dieser Feindschaft: Ismael - Isaak, Hagar (Sinai) - Sarah (Jerusalem), Knechtschaft - Freiheit, eigenes Ringen - Glückseligkeit. Und wir sehen sie heute noch; denn Fleisch und Geist müssen sich entgegengesetzt sein. Wenn aber der Sabbatarier uns sagen will, er halte den Sabbat als aus dem Geist, so zeigt er nur, wie wenig er die Schrift versteht, ja, dass er den Galaterbrief, wenn er ihn schon gelesen, so doch noch nie verstanden hat. Durch den Geist das Gesetz zu halten ist deshalb unmöglich, weil der Geist uns auf Christum weist, uns Ihn verklärt und uns vom Gesetz abzieht (Joh. 16!). Wer sich auf Gesetzesboden stellt, stellt sich auf Fleischesboden, ob er will oder nicht, und somit unter den Fluch des Gesetzes. Aber, sagt Paulus: „Das Gesetz herrscht nur über den Menschen, solange er lebt” (Röm. 7,1). Sind wir nicht mit Christo gestorben? Ja? Nun, dann gilt uns Gal. 2,19-21! Warum also das Gesetz neu einführen, warum auch nur „gesetzlich” werden? Was wollen wir mit dem Gesetz? Uns durch solche Werke bei Gott etwas verdienen? Genügt uns Christus nicht? Ist Sein Werk nicht alles für uns? (1. Kor. 1,30!)

Wir sind Kinder der Freien, das Jerusalem, das droben ist, ist unsere Mutter (Sarah), sie hat die vielen Nachkommen, sie jubelt, und wir haben Grund dazu, es auch zu tun, weit wir zur Freiheit freigemacht sind für ewig und immerdar! Möchten wir Gnade haben, unsere Freiheit in Christo immer besser zu verstehen (der Galaterbrief, die beste Waffe gegen jedes gesetzliche Handeln, lehrt sie uns am klarsten!) und durch den Geist zu verwirklichen - nicht eine falsche, eingebildete Freiheil des Fleisches, sondern eine solche des Geistes des Lebens in Christo (Röm. 8,2.3), in seliger Gebundenheit an Sein Wort und Seine köstliche Person!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 7 (1920)