Alttestamentliche Gläubige, Hoffnung auf das ewige Leben

Woher hatten die Juden zur Zeit des HErrn die klare Hoffnung auf das ewige Leben (Luk. 10,25; 18,18) und auf die Auferstehung? (Matth. 22,23.28; Apgesch. 23,6-8.) Lag nicht den Gläubigen des Alten Testaments diese Hoffnung noch fern? (Buch Hiob, Psalm 37 und 73.)

Antwort A

Wenn die Schrift zu uns von ewigem Leben redet, so meint sie damit nicht ein bloßes Fortleben der Persönlichkeit nach dem Tode im Gegensatz zur Vernichtung derselben. Dieses Fortleben nach dem Tode lehrt das ganze Alte Testament. Die Seelen der Abgeschiedenen waren im Scheol, dem Totenreiche (4. Mose 16,30; Hiob 10,21.22; 1. Sam. 28,7-19 und viele andere). Wenn die Schrift nun von ewigem Leben oder auch nur „Leben” spricht, so meint sie nicht jenes, sondern ein Leben in der Erkenntnis und Gemeinschaft mit Gott (Joh. 17,3; Dan. 12,2 u. 13; Ps. 16,10; 17,15; Mk. 10,30; Joh. 3,36). Dies Leben steht gegenüber der Schande, dem ewigen Abscheu (Dan. 12,2), dem unauslöschlichen Feuer (Mt. 3,12; Mk. 9,43-48; Lk. 3,17), dem ewigen Feuer (Mt. 18,8; 25,41), der Hölle des Feuers (Mt. 18,9), der ewigen Pein (Mt. 25,46). Die Auferstehung ist für die einen der Eingang zum ewigen Leben, für die anderen zur ewigen Schande (Dan. 12,2), für die einen eine Auferstehung des Lebens, für die anderen eine Auferstehung des Gerichts (Joh. 5,29).

Schon die bisher angeführten Schriftstellen zeigen es, woher die Juden zur Zeit des HERRN die Hoffnung auf das ewige Leben und die Auferstehung hatten, und das Neue Testament belehrt uns ebenso darüber. „Nach den Schriften” ist Christus am dritten Tage auferweckt worden (1. Kor. 15,4). Den Sadduzäern, „welche sagen, es gäbe keine Auferstehung”, sagt der HERR, ob sie nicht Moses gelesen hätten, der in dem Dornbusch von der Auferstehung der Toten geredet habe, und weist sie auf ihren Mangel an Kenntnis der Schrift und der Kenntnis der Kraft Gottes hin (Mk. 12,18-27). Nach Seiner Auferstehung öffnete der HERR den Jüngern das Verständnis, um die Schriften zu verstehen, und zeigte ihnen in dem Gesetz Moses, den Propheten und Psalmen, was über Ihn geschrieben stand, und sprach: „Also steht geschrieben, und also musste der Christus leiden und am dritten Tage auferstehen aus den Toten” (Lk. 24,25-27 und 44-46). Joh. 20,9 sagt: „Sie kannten die Schrift noch nicht, dass Er aus den Toten auferstehen mußte”. In Thessalonich eröffnete Paulus den Juden „aus den Schriften”, „dass der Christus leiden und aus den Toten auferstehen mußte” (Apg. 17,1-3).

Schon die Gläubigen des Alten Bundes kannten den Gott, der tötet und lebendig macht. Durch den Mund des Moses hatte Sich Jehova als solcher bezeugt (5. Mose 32,39), Hanna nimmt in ihrem Lobgesange dies Wort auf (1. Sam. 2,6), selbst der gottlose König Joram von Israel bezeugt: „Bin ich Gott, um zu töten und lebendig zu machen?” (2. Kön. 5,7.)

Der Sohn der Witwe von Zarpath (1. Kön. 17,17-24), der Sohn der Sunamitin (2. Kön. 4,33-37) und der Mann, der in Elisas Grab geworfen wurde (2. Kön. 13,20.21), waren sichtbare Zeugnisse von der Macht und dem Wirken des Gottes gewesen, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre”.
Aber Gott hatte nicht nur von der Auferstehung geredet und sie durch Taten erwiesen, sondern die Gläubigen des Alten Bundes hatten daran geglaubt, nach diesem Glauben gehandelt, darauf ihre Hoffnung gesetzt und damit sich getröstet. Dem Abraham gibt die Schrift zweimal Zeugnis, dass er an Gott glaubte, der die Toten lebendig macht (Röm. 4,17; Hebr. 11,19). David sagt in Psalm 16,10 und 11: „Denn meine Seele wirst Du dem Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, dass Dein Frommer die Verwesung sehe. Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens”. Petrus in Jerusalem und Paulus in Antiochia führen diese Stelle als ein prophetisches Zeugnis für die Auferstehung des HERRN an (Apg. 2,24-31 und 13,34-37). Gehen die Worte: „Du wirst nicht zugeben, dass Dein Frommer die Verwesung sehe” (die Paulus allein anführt) auch über David hinaus und gelten allein von Christus, so gelten die anderen doch von David selbst. Denn schon im nächsten Psalm bezeugt er seine Hoffnung im Gegensatz zu den Leuten dieses Zeitlaufs, deren Teil in diesem Leben sei: „Ich, ich werde Dein Angesicht schauen in Gerechtigkeit, werde gesättigt werden, wenn ich erwache, mit Deinem Bilde (Ps. 17,14.15). In Psalm 71,20 sagt er: „Du wirst uns wieder beleben und uns wieder heraufführen aus den Tiefen der Erde”, in Psalm 68,20: „Bei Jehova, dem HERRN, stehen die Ausgänge vom Tode”, und Psalm 69,28 spricht er von dem Buche des Lebens, und von dem hatte schon Moses gewußt, dass sein Name darin stand (2. Mose 32,32.33). Auch gerade in Psalm 73 gibt David in Vers 24-26 seiner über die Erde und dieses Leben hinausgehenden Hoffnung Ausdruck. Die Söhne Korahs singen in Psalm 49,15: „Gott aber wird meine Seele erlösen von der Gewalt des Scheols; denn Er wird mich aufnehmen” (vgl. Hosea 13,14). Selbst bei Hiob finden wir in Kap. 19,25-27 ein Zeugnis, dass er von der Auferstehung des Lebens wußte, wenn er auch damals noch nicht darin Licht und Trost fassen konnte.

Ebenso bezeugen es die Propheten. Jes. 26,19: „Deine Toten werden aufleben, meine Leichen wieder erstehen. Wachet auf und jubelt, die ihr im Staube lieget”. In Jes. 53,8-10 wird vom Tode und Begräbnis, aber auch von der Auferstehung des HERRN geredet: „Er wird Seine Tage verlängern”. Welche wunderbare Belehrung und Anschauung gibt Jehova dem Hesekiel von der Auferstehung in dem Gesichte Kap. 37,1-14. Schließlich weise ich noch auf die schon angeführten einfachen Belehrungen in Daniel 12,2 und 13 hin. „Und viele von denen, die im Staube der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben, und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu.” „Du wirst ruhen, und wirst auferstehen zu deinem Lose am Ende der Tage.” Nein, Jehova hatte Seine Geliebten auch im Alten Bunde nicht in Unkenntnis über Seine Liebesabsichten gelassen, die weit über das Dasein im Schattenreich sowie über irdische Verheißungen hinausgingen; das zeigen diese Stellen, denen man bei mehr Kenntnis und Verständnis der Schrift gewiß noch zahllose andere beifügen könnte. Denn wie gering ist auch unser Verständnis der Schrift noch und bedürfen wir's, dass der HERR uns die Schriften öffnet. Der HERR hatte Seine Pläne betreffs ewigen Lebens und Auferstehung nicht verborgen, mögen auch die Erkenntnis und die von ihr ausgehende Kraft eine verschiedene gewesen sein. Damals war noch zukünftig und damit nicht so klar enthüllt, was nun in hellem Lichte vor unseren Augen steht, die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, durch die wir wiedergeboren sind zu einer lebendigen Hoffnung, zu einem unverweslichen und unverweltlichen Erbteil, welches in den Himmeln aufbewahrt ist” (1. Petr. 1,3.4).

Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes!” (2. Kor. 7,1.)
O. v. Br.

Anmerkung des Schriftleiters von Teil I

Diese köstlichen Ausführungen geben viel Licht über die Frage.
Ich möchte zunächst verweisen auf Frg. 45, Jahrbuch I (1913); Frg. 2, 34 u. 39, J. II (1914); 35, J. III (1915)! Ferner noch auf zwei Stellen des N. T., aus denen ebenfalls klar hervorgeht, dass die gläubigen Juden noch vor des HERRN Auferstehung die Hoffnung auf eine Auferstehung hatten: Joh. 11,24 und Hebr. 11,35. Namentlich letztere Stelle hat große Beweiskraft, denn bei Martha in Joh. 11 könnte gesagt werden, der HERR habe den Geschwistern schon vor Lazarus' Tod Belehrung über die Auferstehung gegeben. Ich glaube nicht, dass solches der Grund war zu ihren Worten, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Juden eben aus dem A. T. diese Hoffnung gelernt hatten. Aber wie dem auch sei betr. dieser Stelle - aus Hebr. 11,35 geht unzweifelhaft hervor, dass die gläubigen Juden auf eine Auferstehung warteten, die im Vergleich zum irdischen Leben eine „bessere” genannt zu werden verdiente. Diese Stelle weist zurück auf Stellen in Schriften, die zwar mit Recht nicht zu den heiligen Schriften zu rechnen sind, die aber gleichwohl nach dieser u. a. Seite hin Belehrung geben, nämlich in den Apokryphen. In diesen, die viel Unrichtiges und Irreführendes enthalten, aber auch viel Schönes, befinden sich die Bücher der Makkabäer, die u. a. die heldenhaften Todesleiden des Schriftgelehrten Eleasar u. a. gläubiger gesetzestreuer Juden beschreiben, und in Verbindung hiermit sind in 2. Makk., Kap. 6 u. 7 sehr bemerkenswerte Worte über Auferstehung und ewiges Leben gesagt. Z. B. 2. Makk. 7,14: „Das ist ein großer Trost, dass wir hoffen, wenn uns die Menschen erwürgen, dass uns Gott wird wieder auferwecken; du aber (zu seinem Peiniger gewendet) wirst nicht auferweckt werden zum Leben”. (Vgl. Joh. 5,29!) Ich habe auf diese nicht den heiligen Schriften entnommene Stelle nur hingewiesen in Verbindung mit Heb. 11,35- denn jene Erwürgten und Zerschlagenen von 2. Makk. hätten die irdische Befreiung erhalten können, wenn sie dem Gesetz Gottes ungehorsam geworden wären! - weil sie nur die herrschende Volksanschauung, d. h. des gläubigen Volks und seiner Führer (der Pharisäer), zeigen.

Woher sie diese Überzeugung hatten, ist in obiger Antwort klar gesagt: aus den Schriften, aus der Prophetie, aus der jüdischen Geschichte, nicht anderes als auch wir, die wir die Auferstehung des Herrn Jesu doch nur von denen wissen, die sie uns als Augenzeugen bezeugt haben. (Vgl. u. a. Apg. 13,30ff. und 1. Joh. 1,1ff.) Und als gläubig, wie die Schrift sagt (Joh. 7,38), wissen wir, dass Er der Erstling aus den Toten ist und dass wir ebenso aus den Toten auferstehen werden, ein Glaube, den auch schon Abraham hatte (Hebr. 11,19) und den wir alle haben sollten! (Lk. 24,46; Phil. 3,11; vgl. Frg. 21, J. I [1913]!) Warum aber haben nicht alle Gläubigen denselben? Aus demselben Grunde, aus dem vielen alttestamentlichen Juden die Tatsache der Auferstehung verborgen oder dunkel blieb; aus mangelndem Verständnis der Schriften. (Vgl. Lk. 18,31-34.) Dazu gehören geöffnete Augen (Lk. 24,45[.31!]). Dem Abraham verbarg Jehova nicht, was Er tun wollte (1. Mose 18,17) - warum nicht? Abraham wandelte durch Glaubensgehorsam, also in Gemeinschaft mit Jehova! Und wir, die wir viel größerer Herrlichkeit gewürdigt sind?

Die in obiger Antwort angeführten Stellen: Dan. 12,2; Hes. 37,1-14; Hosea 13,14 und Jes. 26,19, die wohl mehr in bildlicher Darstellung die Wiederherstellung Israels schildern (nationale, religiöse Auferstehung!), hätten nicht für solch einen erhabenen Zweck als Bilder gebraucht werden können, wenn eben nicht die tatsächliche dereinstige leibliche Auferstehung eine gewisse Hoffnung bei den Juden gewesen wäre. - So sehen wir überall Spuren dieses Auferstehungsglaubens, der die Pharisäer so klar von den Sadduzäern unterschied. Und dennoch, wie schon gesagt, das mangelnde Verständnis bei den Jüngern, sobald der HERR von Seiner eigenen Auferstehung redet! Wie sehr bedürfen wir doch des gläubigen Eingehens auf die geoffenbarten Gedanken Gottes! „Ihr forschet (oder,suchet') in den Schriften (und mit Recht!), denn ihr meinet, in ihnen ewiges Leben zu haben - und dabei sind sie es, die von Mir zeugen”; aber der HERR fährt fort: „Und ihr wollt nicht zu Mir kommen, auf dass ihr Leben habt!” (Joh. 5,39.40.) Dank, geliebter HERR, dass wir zu Dir kommen konnten und bei Dir das Leben gefunden haben und dass uns die herrliche Verheißung gilt: wir, als geistlich Auferstandene (Joh. 5,25), werden auch teilhaben an „der ersten (leiblichen) Auferstehung” (Off. 20,6.) Hebet eure Häupter auf!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 7 (1920)