Antwort
a) Der einleuchtendste Grund zur Zurückweisung, der jedem Einfältigen genügt, ist das Zeugnis des HERRN und Seiner Apostel in den Anführungen, die sie aus den Kapiteln 40 bis 66 so gut wie aus den Kapiteln 1 bis 35 machen.
Aus Kap. 1 bis 35 stammen 21 Anführungen; bei 9 steht ausdrücklich, sie seien von Jesaja.
Aus Kap. 40 bis 66 stammen 34; bei 10 steht ausdrücklich, sie seien von Jesaja.
Ich habe die Stellen alle selber nachgeschlagen. Die Aufstellung ergab, dass in den Evangelien 7 Anführungen aus Teil 1 stammen, 5 davon mit Angabe seines Namens, und dass 14 aus Teil 2 stammen, 8 davon unter Nennung seines Namens. Es gibt auch Handschriften (und Übersetzungen), welche in Mk. 1,2 nicht Jesaja nennen, sondern sagen: „in den Propheten”. (Die Anführung V. 2b ist aus Mal. 3,1, die V. 3 aus Jes. 40,3.) - In der Apostelgeschichte findet sich 1 Anführung aus Teil 1 mit Nennung seines Namens und 4 aus Teil 2 ohne Nennung seines Namens. - Der Römerbrief weist 4 Anführungen aus Teil 1 auf, davon 3 mit Nennung seines Namens, und 9 aus Teil 2 mit 2 Nennungen seines Namens. - In den übrigen Briefen kommen 9 Anführungen aus Teil 1 und 7 aus Teil 2 vor; beide Male wird sein Name nicht genannt. Ist das Neue Testament inspiriertes Wort Gottes? Wenn „ja”, dann ist damit allein schon die Frage dahin entschieden, dass ein und dieselbe Person, nämlich eben Jesaja, der Verfasser des ganzen Buches ist.
b) Zur Frage „buchstäbliche Nennung des Namens Kores 150 Jahre, ehe er lebte”, die Gegenfrage: Wie erklärt sich die Nennung des Namens „Josia” 350 Jahre, bevor er lebte, 1. Kön. 13,2 und 2. Kön. 23,16? Wie erklären sich die vielen, vielen Voraussagungen zukünftiger Geschehnisse im ganzen Worte Gottes, nicht zum wenigsten in Jesaja? Ist es nicht, weil es bei dem ewigen, allwissenden Gott, uns Menschen unbegreiflich, keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt, sondern nur ein stets gegenwärtiges „Jetzt”, und Er dementsprechend durch Seinen Geist die Propheten so und so reden ließ? Fragt Er nicht darum uns, die Erdenwürmer: „Und wem wollt ihr Gott vergleichen?” (Jes. 40,18.)
c) Über Stil, Aufbau usw. in Jesaja Teil 1 und Teil 2: Wir werden am meisten Nutzen haben, wenn wir zuerst das Positive feststellen und dann das Negative daran messen. Der Aufbau ist: Jeder der beiden Teile ist in drei Hauptteile untergeteilt. Teil 1: Kap. 1-12; 13-27; 28-35. Die Kap. 36-39 sind als geschichtliches Zwischenspiel das Bindeglied zwischen Teil 1 und 2, aus dem (d. i. diesem Bindeglied) im Neuen Testament keine Anführungen vorkommen. Teil 2: Kap. 40-48; 49-57; 58-66.
Als ich vor 25 Jahren unter Zuhilfenahme einer von mir vorgenommenen Gliederung des Buches, sprachlicher Hilfsmittel und unter Vergleich der negativen Kritik rationalistischer Gelehrter den Propheten studierte, ging mir zum erstenmal die Großartigkeit seines Stils und des Aufbaues seines Buches, das ich doch vorher schon geschätzt hatte, auf. Wie verächtlich, ja empörend fand ich das Gefasel der Professoren, die sich anmaßen, es zu sezieren und von Kap. 40-66 zu sagen, ein anderer habe sie geschrieben. Nicht einmal alles in den ersten 35 Kapiteln darf er selbst geschrieben haben, beileibe nicht auch Kap. 36-39 nicht! Denn es stimmt nicht genau mit dem Bericht in 2. Könige überein, und die „Aufzeichnung Hiskias” hat der unbekannte Verfasser aus irgendeiner Psalmensammlung entlehnt!
Unter dem gewaltigen Eindruck der Kapitel 36-39 schrieb ich damals in mein Studienheft dem Sinne nach:
„Jesaja wollte nur das geschichtlich unumgänglich Nötige geben, weil er einen bestimmten Zweck verfolgt. In den vorangegangenen Kapiteln finden wir die äußere GeschichteIsraels, die Gerichte, die das Volk, die Nationen, die ganze Welt, selbst die Heerscharen in der Höhe und die Himmel treffen werden. Das Wenige, was vergangenem Geschehen gleicht, ist nur als Ausgangspunkt gegeben für angekündigte zukünftige Ereignisse. Deshalb die Einschaltung dessen in Kürze, was sich geschichtlich zur Zeit Jesajas zugetragen hat. In dem, was Gott zugunsten Seines geliebten Hiskia getan hat, können wir eine Bürgschaft dafür sehen, dass Er zu Seiner Zeit auch das übrige tun wird. - Wer Ihm vertraut, wird nie beschämt. Aber die äußere Befreiung ist nicht alles; die Geliebten Gottes (der Überrest) müssen die Erfahrung machen, dass innerliche, tiefgehende Veränderung erfolgen muß. Sie, die Leben und Segnung auf der Erde erhoffen, werden in der großen Drangsal nahezu eine Beute des Todes werden. Dann werden sie mit bitterer Seele und aufrichtigem Herzen zu Ihm schreien. (S. Psalmen!) Und Er wird sie erhören. Ihre Errettung wird wie eine Totenauferstehung sein. In diesem neuen Leben (während des Tausendjahrreiches) werden sie die Erinnerung an ihre Todesnöte und Seine Errettung bewahren, werden Ihn in Seinem Hause in Jerusalem preisen und ihre Kinder unterweisen, Ihn zu preisen, indem sie ihnen von Gottes Großtaten erzählen. (S. Ps. 22,21! Jes. 38,17-20.) - Wir Christen können hier sehen, daß, wenn Sein Israel im letzten Augenblick nicht eine Beute des Todes wird, dies daher kommt, dass ihr Messias, Gottes Sohn, für sie, wie auch für uns, den Sühnungstod erlitt. - Die Erwähnung des Fehltrittes Hiskias gelegentlich der Gesandtschaft des Königs von Babel und des angedrohten Gerichts soll zu verstehen geben, dass Babel, wohin Juda in Gefangenschaft kommen sollte, einen großen Raum in der Auseinandersetzung einnimmt, die Gott mit Seinem Israel hat. Davon berichtet uns Jesaja im weiterhin folgenden (Kap. 40-48).”
Die geschichtliche Einschaltung der Kapitel 36-39 ist also eine Notwendigkeit für die nun auf ein anderes Geleise geschobene Fortsetzung der Mitteilungen Jehovas.
Wenn eine einschneidende Umstellung auf Eigenartiges stattfindet, warum es nicht für selbstverständlich halten, dass Stil und Wortschatz in diesem und jenem ein wenig anders getönt sind? Wenn an einem Harmonium unterschiedliche Register gezogen werden, also andere Tonarten ertönen, ist es deswegen nicht dasselbe Harmonium? Und ist der Prophet nicht genau so das Instrument in der Hand des Geistes Gottes?
Ich führe an aus „Einleitung in das Alte Testament ... mit eingehender Angabe der Literatur, von Dr. Herm. Strack, a. o. Prof. der Theologie ... 5. Aufl. 1898” (Sämtliche Größen des vorigen Jahrhunderts der die Bibel zerfetzenden Kritik kommen darin zu Wort): „Dafür, dass die Kapitel 40-66 des kanonischen Jesajabuches von Jesaja verfaßt seien, gibt es kein äußeres Zeugnis, denn die Kapitel 36-39 sind ein nicht von Jesaja herrührender, sondern aus Könige herübergenommener, historischer Anhang zu Jes. 1-35 ... Der Wortschatz zeugt für einen anderen Autor als Jesaja: bachar: erwählen; hillel: preisen; thehilla: Preis; chephez: Belieben, Vorhaben; pazach: (in Jubel) ausbrechen; zamach: sprossen;
razon: Wohlgefallen; ßuß: sich freuen, und viele andere Wörter kommen in anerkannten Jesajastücken nicht vor.” Was anerkannte Jesajastellen der Kap. 1-35 seien, das entscheiden aber die Herren Kritiker. Also hat es gar keinen Welt, was sie uns weismachen wollen. Zudem gibt Prof. Strack von einigen der genannten Wörter selber Stellen aus Kap. 1-35 an, wo sie stehen.
Warum kehren die Herren den Stiel nicht um und sagen: Die und die bemerkenswerten Ausdrücke finden sich sowohl in Teil 1 als in Teil 2, also beweist das die Autorschaft eines Verfassers? Ich nenne den auffallenden Ausdruck: „Jehova, der Heilige Israels”, oder: „Sein Heiliger.” Ich selbst habe ihn bei oberflächlichem Durchsehen zweimal in Teil 1 und neunmal in Teil 2 gefunden. Warum soll in Teil 1 z. B. „in Jubel ausbrechen” stehen, wenn kein Anlass dazu vorhanden ist?
Prof. Strack fährt fort: „Der Begriffsinhalt mancher Wörter spricht für einen späteren Autor; ebed Jehova („Knecht Jehovas”); zedek und zedakah („Gerechtigkeit”) als Synonym von jeschua („Heil”); zadaq: wahr sein, recht haben.” So geht es weiter.
Und doch führt der Professor in Klammern selber an, dass „Knecht Jehovas”, für Israel gebraucht, ebenso in Jer. 30,10 steht. Und dass zedakah und jeschua (Gerechtigkeit und Heil) oft denselben Begriff in sich schließen, liegt in der Schrift offen zutage für den, der auch Hebräisch kann. Und ebenso gelehrte, aber gläubige Theologen überführen diese Herren des Unsinns. Ihre Stimme verhallte aber seinerzeit ungehört. Ich führe an aus „Eine Schutzschrift wider modern-kritisches Unwesen. Von Adolf Zahn, Dr. der Theologie. 1890”:
„Man versuchte einen Durchbruch durch den Wahn des Unglaubens. Er wurzelte zu tief. Bald besetzte wieder die Kritik die akademischen Lehrstühle ... und als Wellhausen in kühnem Übermut im Alten Testament alles auf den Kopf stellte, begann ein Taumel der Verwirrung ... Jede Bemühung von apologetischer (Verteidigungs-) Seite wurde mit hämischem Spott übergossen oder totgeschwiegen ...”
Noch einmal Strack über Teil 2 des Jesaja: „Da nun der Verfasser das babylonische Exil nicht weissagt, sondern voraussetzt, und da diejenigen, zu denen er redet, ersichtlich während des babylonischen Exils Lebende sind, ist die Zeit dieses Exils auch als die Zeit der Abfassung dieses Trostbuches anzusehen ...”
Dem stellte der Schwede Myrberg (von Dr. Zahn angeführt) gegenüber: „Was sind nun das für Weissagungen, die zugleich mit ihrem Auftreten sich erfüllen? Läge darin ein Beweis, dass Jehova Gott ist, wenn der Prophet ein Zeitgenosse des Cyrus war? Gewiß nicht. Dann wäre unser Kapitel (48) rhetorische Spielerei ...”
Einer der ganz Großen unter den rationalistischen Theologen des vorigen Jahrhunderts, Prof. Dr. Ewald in Göttingen, 1803 bis 1875, spendet dem Stil, der Sprache, dem Gedankenreichtum, der Ausdrucksweise, der Anpassungsfähigkeit, der Feierlichkeit der Rede, der Dichtkunst usw. des Jesaja das überschwänglichste Lob. Jesaja ist ihm der König unter den Propheten. Er belegt sein Urteil mit Stellen. Merkwürdigerweise führt er aber Kap. 13, den größten Teil von Kap. 14 und 21 und besonders Teil 2, Kap. 40-66, die doch die edelsten und erhabensten Abschnitte des Propheten sind, nicht an. Der Grund ist: Wenn sie von Jesaja sind, so sind die Voraussagungen als solche bestätigt, die Weissagung wird Tatsache, und der Rationalismus (Vernunftglaube) muss dem Glauben Platz machen. Das will eben der Unglaube nicht.
„Die Kritik hat einen dämonischen Charakter ... Die ganze alttestamentliche Geschichte, die unser HERR und Meister überall so aufgefaßt hat, wie sie sich selbst gibt, wird zur Täuschung späterer Verfasser gemacht ... die Heilige Schrift in Fetzen gerissen im wörtlichen Sinne ...” (Dr. Zahn in der Vorrede zu seiner Schutzschrift.)
Diese geistliche Verirrung kommt daher, dass die grundlegenden Beziehungen des Herzens zu Gott nicht richtig sind; dass Furcht und Ehrfurcht vor Seiner Majestät fehlen; nicht zu reden vom Mangel an Vertrauen in Seine Liebe; dass Licht und Finsternis nicht unterschieden und sorgsam getrennt gehalten werden.
Jeder Leser lasse sich warnen!
Adelphos.