Antwort A
Es sind mehrere Zurechtstellungen in den Textanführungen der Frage nötig, und als Folge davon an den aus den Anführungen gezogenen Schlüssen.
1. Es ist besser, nach dem Griechischen und nach dem Vorgang der neueren Übersetzungen nicht „Tiere” zu sagen, sondern „Lebewesen”. Die Darstellung, die in Kap. 4,6-8 davon gegeben wird, besagt dreimal nur „gleich” dem und dem Tier, und einmal „wie” eines Menschen Angesicht, was das Unpassende des Ausdrucks „Tier” fühlen läßt.
2. Freilich fallen, Kap. 5,8, auch die Lebewesen nieder. Aber das „sie hatten ein jeder”, eigentlich „Habende ein jeder”, in der männlichen Form im Griechischen, bezieht sich eigentlich nur auf die Ältesten, nicht auf das sächliche „Lebewesen”. Im Deutschen kann der Unterschied bei „habend” nicht gemacht werden; wohl aber weist das „jeder” direkt auf die Ältesten zurück. Also nur die Ältesten haben Harfen und goldene Schalen voll Räucherwerk (wie einleuchtend das!), und nur sie singen das neue Lied von V. 9 und 10. Am Schlusse des in den Versen 11-14 beschriebenen nachfolgenden Aktes fallen auch nur sie nieder und beten an.
3. Haben die Lebewesen nichts mit dem neuen Liede zu tun, dann kann sich das „uns” in „uns Gott erkauft” und „uns unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht” auch nicht auf sie, sondern nur auf die Ältesten beziehen. Aber auch das ist nicht einmal der Fall, so wahr es ist. Nach den verläßlichsten Autoritäten der Textforschung und denselben nach in den neueren Übersetzungen gehört „uns” nicht in den Text; so dass die Ältesten überhaupt nicht von sich selbst reden. Sie, als Priester, bringen die Gebete der dann in Schwierigkeiten auf Erden sich befindenden Heiligen vor dem Throne dar und denken folglich an alle, die nach der Prüfungs- und Drangsalszeit mit Christus, dem Lamme, herrschen werden, Kap. 20,4. Die Ältesten selber werden natürlich auch dabei sein, da sie in dem vorliegenden Gesicht schon als Könige mit Kronen gesehen werden.
4. Es ist ein Schade für die Bibelleser, dass Luther Kap. 5,10 übersetzt hat: „wir werden Könige sein auf Erden”, und dass auch neuere Übersetzer denselben Fehler machen, wie einer derselben sagt: „und königlich werden sie herrschen auf Erden”. Es kann freilich so übersetzt werden, aber es kommt doch immer auf den richtigen Sinn an, und der ist hier „über”. Ist eine Stelle da, die besagt, dass die Heiligen, die mit Christo im Reiche die Herrschaft teilen, dies auf der Erde tun werden? Ich weiß keine. Es ist doch dasselbe wie Off. 2,26: über die Nationen Gewalt haben. Wenn Sprachstudien am Platze wären, könnte die Richtigkeit von „über” auch sprachlich belegt werden. Auf der Erde ist es einzig „das Volk” der Heiligen der höchsten oder himmlischen Örter, dem das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel gegeben wird, Daniel 7,27; das ist: dem neuerstandenen Israel. Es ist ganz richtig vom Einsender der Frage gedacht, daß, wenn und weil die Berufung der Gemeinde himmlisch ist, sie nicht auf der Erde sein kann. Die Frage: Was hat das zu sagen? ist durch vorstehende Zurechtstellungen gegenstandslos geworden.
Dass in Vers 11 auch die Engel neben den Lebewesen und den Ältesten erwähnt werden, macht klar, dass die Lebewesen weder Engel noch verherrlichte Menschen sind. Bleibt noch die Frage zu beantworten, wer die vier Lebewesen sind. Wenn wir fragen „wer”?, dann denken wir an Personen. Es kommen aber keine Personen oder Persönlichkeiten in Frage.
Das Buch der Offenbarung hat als Zweck, die Ereignisse und Handlungen in der Schöpfung, in der Menschen- und Engelwelt in Gesichten an uns vorüberziehen zu lassen, damit wir in unserem Geiste miterleben können, wie die Herrschaft Gottes durch den Herrn Jesus zum Durchbruch kommt. Dazu muss Himmel und Erde in Erschütterung geraten. (Hagg. 2,21-23)
Wenn Gott die Pläne Seiner Regierungswege auf der Erde durchführt, so müssen Ihm alle Dinge als ausführende Organe zu Diensten sein. Er gebraucht Engel, Menschen, Tiere und Naturgewalten dazu, je nachdem es passend und entsprechend ist. Wir finden das durch die ganze Schrift hindurch. Siehe das erste Beispiel für Engel 1. Mo. 3,24; siehe für Tiere Off. 6,8 = Hes. 14,21 u. a. St.! Der Thron im Himmel ist der Ausgangspunkt alles richterlichen Eingreifens in der Zeit, die die zwischen Off. 4,1 und 20,15 berichteten Geschehnisse umfaßt. Wenn dieses Eingreifen vermittelst der eben genannten Geschöpfe geschieht, so ist es einleuchtend, dass die sinnbildliche Darstellung derselben so in Verbindung mit dem Throne geschieht, wie es in Off. 4,6-11 der Fall ist.
Wird die Ausführung göttlicher Gerichte nicht durch majestätische Beeindruckung, verbunden mit Kraft, mit Beharrungsvermögen, wenn das Eingreifen ein andauerndes ist, durch die Intelligenz, genau zu treffen, durch Raschheit und Zielsicherheit des Geschehens, wenn's plötzlich sein soll, gekennzeichnet? Wie soll und kann uns Menschen das begrifflich vorgeführt werden anders als durch Sinnbilder, die aus Geschöpfen bestehen, die sich innerhalb der Welt, in der wir leben, finden? Ist die Vorführung nicht göttlich treffend gewählt, wenn sie durch eine Vierheit irdischer Geschöpfe geschieht, dieweil 4 die sinnbildliche Zahl der Universalität, des Überallhin-sich-erstreckens, ist, durch eine Gleichheit mit Löwe, Rind, Adler und durch das „wie ein Menschenangesicht”? Wozu kommt, dass alles Auge ist an diesen sinnbildlichen Darstellungen (vgl. Hes. 10,12): eine Vermittlung des Eindrucks: Alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen Dessen, mit dem jedes Geschöpf es zu tun hat. (Hebr. 4,13!) Entsprechend dieser Tatsache werden die ausführenden Organe alles zu finden wissen, was von ihnen erreicht werden soll: Nichts wird durchgehen! Als Sinnbilder von Tatsachen und Werkzeugen kann das sonst Unvernünftige sein, dass sie sowohl um den Thron her als auch inmitten des Thrones, wie wenn sie ein Teil davon wären, gesehen werden. Weil sie die gedachten Vertreter der irdischen Geschöpfe sind, ist es zu verstehen, dass ihnen Herrlichkeits-, Ehre- und Dankesbezeugung zugeschrieben wird und in Kap. 5 des Amensagen zu denselben Bezeugungen von seiten aller Geschöpfe. Siehe Ps. 148 und 150.
Aus Vorstehendem erhellt zur Genüge, dass zu fragen ist, „was” sind die Lebewesen, anstatt „wer” sind sie. Ferner erhellt, dass sie wie die Seraphim in Jes. 6 Gott, dem Allherrscher, das 3mal „Heilig” zurufen, weil Seine Ahndungen des Frevels auf der Erde durch sie, die Werkzeuge, Ihn als den Heiligen erweisen. Vgl. z. B. Jes. 5,16; 4. Mo. 20,13; Hes. 28,22; 38,16.
Als drittes noch erhellt, dass sie als das, was sie sind, nicht Harfen haben und nicht das im Wortlaut vorliegende Lied singen können; natürlich auch nicht Vermittler der Gebete der Heiligen sein und über die Erde mitherrschen können. Wer Interesse für eine Abhandlung hat, die alle Stellen, wo die Cherubim-Seraphim-Lebewesen vorkommen, einbezieht, der lese die Antwort auf Frage 1 im Jahrbuch 1929 der „Handreichungen”!
F. Kpp.
Anmerkungen des Schriftleiters
Nicht mehr als ein paar Ausführungen zu dieser klagen Antwort, die dennoch, so darf ich wohl sagen, den Hauptgegenstand nur streift. Das ist kein Tadel, natürlich nicht, sondern nur die Feststellung, dass dieser Hauptgegenstand, „die vier lebendigen Wesen”, eben ein derartiges Geheimnis ist, dass alle Aufsätze über sie - und wir haben in den „Handreichungen” schon öfter darüber zu schreiben gehabt, man vgl. zu am Schluß von Antwort A angegebener Frage z. B. noch die „Räderfrage” (4 in Jahrb. 11, S. 69! und 94!) - nur ein Tasten und Stammeln über die erhabensten Dinge der uns noch unsichtbaren Welt sind, nämlich über den Thron Gottes und seine symbolische Darstellung. Wir wissen, dass Jehova Seinem Volke verbot, von Ihm Selber Bilder und Darstellungen zu geben (2. Mo. 20,4 u. a.), und es ist Torheit, wenn die sog. christliche Kunst dieses, wenn auch nur Israel gegebene Verbot mißachtet oder sich einbildet, Gott einen Dienst zu tun mit Bildern von Ihm und Seinem Christus. Aber die vier lebendigen Wesen von Off. 4 - können wir sie (wer und was sie sind) etwa darstellen? Die symbolischen Darstellungen der Schrift wie die der Cherubim in der Stiftshütte (2. Mo. 25), im Tempel Salomos und auch in Hes 41, seien genug für unser Vorstellungsvermögen! Menschliche Bilder können nur abschwächen, was Gott Selber uns in geistlichen Bildern gegeben hat. Aber ergründen und je fertig werden mit dem, was sie sind, das können wir, meine ich, nie! Und warum nicht? Weil sie mit dem Thron organisch zusammengehören, ein Ganzes bilden, eine Einheit. „Und auf dem Throne saß Einer!” (Off. 4,2!) Schon was V. 3 sagt, kann nicht besser dargestellt werden als mit diesen Worten! V 4 können wir uns in etwa vorstellen, das reicht in unsere menschliche Sphäre hinein und ist ja auch ein Bild von den alt- und neutestamentlichen Heiligen. Aber dann folgt der Thron mit seinen Organen (V. 5ff.), und da stehen wir still und beten an Den, der auf dem Throne sitzt! So ist meine arme, schwache „Anschauung” von diesen Dingen, die, wie ich glaube, uns ein Bild geben sollen von der unantastbaren Herrlichkeit des Dreimalheiligen. Er, der auf dem Throne sitzt, ist in Seinen Organen, in den Vertretern Seines Thrones, der hier Gerichtsthron ist (bis Kap. 20), uns vorgestellt in Seiner Unendlichkeit, Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart, Allgenugsamkeit usw. Ich denke manchmal: Wir können - und zwar wir alle, Seine Heiligen - über diese Dinge sagen, was wir wollen oder sagen wollen möchten, wir berühren dennoch nur die Oberflache dieser Herrlichkeiten; die Tiefen erforschen wir nicht, nicht einmal die des Thrones, geschweige denn Gottes Selbst! 1. Kor. 2,10ff. widerspricht dem nicht nur nicht, sondern sagt das gleiche, und V. 12 offenbart uns, dass allein der Geist Gottes uns belehren kann und auch belehrt über die Dinge, die uns von Gott geschenkt sind, nicht dass wir die Tiefen Gottes selber ausforschen konnten; zu diesen aber gehört der Thron mit seinen Attributen, seinen Organen.
Diese Organe sind nicht etwas gleich Beamten, sondern sie sind geistwesenhafte Vertreter, nicht Personen, die, wenn auch noch so gewaltig, doch ihre faßlichen Grenzen haben, sondern organisch zusammengehörige Sinnbilder (eins nicht und nie ohne die anderen) der göttlichen Fülle und unfaßlichen Vollkommenheit. (Wir reden auch von „Organen” etwa der Regierung oder des Staates und meinen dann nicht Personen an sich - wenngleich es Personen sind, doch auch eine Zeitung kann ein Regierungsorgan” sein! -, sondern das in ihnen verkörperte Wesen des Staates in irgendeiner bestimmten Hinsicht; wir könnten mit einer Person, die solch „Organ” [das griechische Wort bedeutet zunächst „Werkzeug”] darstellt, verwandt sein, aber wenn wir mit ihr als staatlichem „Organ” zu tun haben, so hat das menschliche Verwandtsein nichts zu bedeuten, wir haben es mit ihm als der Verkörperung des Staates zu tun, und was wir ihm sagen, sagen wir dem in ihm sichtbaren Staat, noch mehr: der in ihm Gestalt gewordenen Staatsidee.) Ich gebe zu, dass diese Erwägungen schwieriger Natur sind, aber wer meint, dass man über diese Dinge auch nur so reden kann wie über die viel lieblicheren, einfacheren von Kap. 5 oder gar in dem überlegenen Ton eines Alleswissers, der sieht nicht, dass in diesen Lebewesen gleichsam der lebendige Gott Selber in Seiner richterlichen Herrlichkeit vor uns steht und uns durchleuchtet mit Seiner unbestechlichen Wahrheit und Heiligkeit. Wenn auch nicht von jeher, so doch seit langem sind mir diese Kapitel wie Hes. 1; Jes. 6 (Seraphim); Off. 1 und 4 mit als die tiefsten der Heiligen Schrift überhaupt vorgekommen, weil sie uns mit dem Wesen des Dreimalheiligen bekannt machen, und Off. 5 zeigt uns dann das Mittel, durch das wir zu dem Throne nahen, ja, mit ihm zusammengehören dürfen; es ist „das Lamm inmitten desThrones”. (V. 6)
In Off. 4 sehen wir die Wirklichkeit Gottes, die Welt Gottes, in Kap. 5, wie wir in diese Welt hineinkommen, ja, ein Bestandteil von ihr werden. Aber während wir in den „Ältesten” niederfallen vor dem Throne und anbeten, sprechen „die vier Lebewesen” nur „Amen”. Sie, die Organe des Thrones, bestätigen den Thron, Seine Heiligkeit und Seine Gerichte; wir aber kennen Den, der uns - einst Sünder, nun Kinder! - fähig gemacht, zur Umgebung des Thrones zu gehören: das Lamm - wir beten an!
Ja, wir beten Dich, das Lamm, schon heute an, Herr Jesus! - Aber lasst uns über dem schon jetzt Kennen des Lammes nicht vergessen, dass die Heiligkeit des Thrones und die Herrlichkeit Dessen, der darauf sitzt, unantastbar bleibt für uns, dass wir nie ein Recht haben, diesem Throne in ungeziemender Vertraulichkeit zu nahen, und dass alles, was mit ihm in Verbindung steht, uns geoffenbart und darum verständlich gemacht ist in den Organen oder Vertretern des Thrones: den vier Lebewesen, die in fast unnennbarer Vollkommenheit und Hoheit uns die unendliche Herrlichkeit und Heiligkeit des Thrones unseres Gottes darstellen und damit andeutungsweise Ihn Selber! - Wie groß bist Du! Dank und Anbetung Dir in Ewigkeit, Dir, o Gott, der Du uns in ChristoJesu Vater geworden bist!
F. K.