Zürcher Bibel
Das Markenzeichen der Zürcher Bibel war immer die Nähe zum Grundtext und die sorgfältige Übersetzung dieses Grundtextes in ein gutes, verständliches Deutsch. Vor allem in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, als es die Revidierte Luther- und die Revidierte Elberfelder Übersetzung noch nicht gab, die Zürcher dagegen in einer kurz vor dem Krieg (1931) gründlich revidierten Fassung vorlag, wurde sie von vielen, die eine zuverlässige Bibelübersetzung schätzten, gern benutzt. Im Jahr 2007 ist nun die neue revidierte Fassung erschienen. Die Vorzüge dieser neuen Zürcher Bibel sind: 1. Die soliden Übersetzungsgrundsätze wurden beibehalten. Wie es in der Einleitung heißt, bemüht sich die neue Übersetzung darum, „dass Mehrdeutiges nicht vereindeutigt, Fremdes nicht dem bekannten Eigenen angeglichen, Schwieriges nicht banalisiert und Erschreckendes nicht gemildert oder beschönigt wird.“ Das kann man dem Text (meist) anmerken. 2. Dem früher oft beklagten Mangel, dass die im Alten Testament nicht seltenen Textänderungen (Konjekturen) nicht gekennzeichnet worden waren, wurde abgeholfen: eine Fußnote („Der Masoretische Text wurde korrigiert; er lautet übersetzt:...“) weist jetzt jeweils auf derartige Konjekturen hin. Ein Nachteil und eine ärgerliche Inkonsequenz ist allerdings die Tatsache, dass der gute Grundsatz, dass die Übersetzung den Originaltext nicht eigenen Vorstellungen anpassen darf, in einer Hinsicht nicht durchgehalten worden ist: im Neuen Testament wurde der Text an manchen Stellen zugunsten einer feministisch sanktionierten Ausdrucksweise verändert. So ist die Anrede „Brüder“ an mehr als siebzig Stellen in „liebe Brüder und Schwestern“ geändert worden (z.B. Röm 1,13), und aus den „Söhnen Gottes“ in Mt 5,9 wurden „Söhne und Töchter Gottes“. Man fragt sich, ob dieses Zugeständnis an die „political correctness“, das ja die Nähe zum Grundtext aufhebt, wirklich nötig war. Denn damit stellt sich die Zürcher Bibel (trotz aller Verschiedenheit) neben die „Bibel in gerechter Sprache“. Bei einer freien Übersetzung mag das angehen, aber zu einer Übersetzung, die die „Nähe zu den ... Sprachen der Ausgangstexte“ auf ihre Fahne geschrieben hat, passt das nicht. Zwei weitere Unterschiede zu der früheren „Zürcher“, bei denen man sich fragt, ob es Verbesserungen sind, sind die Einführungen vor jedem biblischen Buch sowie das ausführliche Glossar am Schluss (154 Seiten), in dem Begriffe (wie Fluch, Frau, Gott, Herz, Sünde, Vergebung etc.) und Namen (wie Aaron, Abraham, David, Kanaan, Mose, Sinai etc.), manchmal etwas einseitig, erklärt werden. Viele Leser werden sich durch die oft recht bestimmt, als feststehende Tatsachen geäußerten, mit den biblischen Angaben aber nicht zu vereinbarenden Ansichten nicht nur informiert, sondern auch indoktriniert fühlen. Jedenfalls verliert die Zürcher Bibel dadurch den Charakter einer reinen Bibelübersetzung.
Die Rezension/Kritik stammt von: Ulrich Brockhaus
Kategorie: Bibeln, Studienbibel, Bibelstudium
Jahr: 2007
ISBN: 978-3438012807
Seiten: 1951
€ Preis: 19,90 Euro