Sucht - was ist das?
Autor: Andreas Knoll
Das Buch von Dr. Andreas Knoll wird seinem, im Untertitel definierten Selbstanspruch, durchaus gerecht: „Eine allgemein verständliche Einführung in das heutige wissenschaftliche Verständnis von Sucht, insbesondere der Alkoholabhängigkeit“ zu sein. Der seit 35 Jahren in der Suchtkrankenarbeit tätige Dozent, an der Evangelischen Fachhochschule Bochum, ist in der Lage psychologische, medizinische und gesellschaftlich-wissenschaftliche Erkenntnisse, auch für den Laien verständlich, darzustellen. Von daher liefert das Buch einen interessanten Überblick über das heutige wissenschaftliche Verständnis der Süchte und eine gute Darstellung der heute üblichen psychologischen und medizinischen Hilfsangebote für Suchtkranke. Knoll ist sich darüber im Klaren, dass es schwierig ist, ein „Standardmodell“ der Sucht zu geben, da „Hintergründe und in dividuelle Entwicklungen sehr vielschichtig sind“ (S. 17). Der sowohl in der Praxis von Suchtberatung, wie in der Ausbildung und psychologischen Begleitung von Suchtberatern, Sozialarbeitern und Suchthelfern erfahrene Autor, möchte dennoch mit seinem „Standardmodell“ eine praktische Arbeits- und Bearbeitungshilfe für die Arbeit an Suchtkranken anbieten. Vom geistlichen und seelsorgerlichen Standpunkt aus hat diese Handreichung allerdings Schwächen und greift an allen Punkten, wo seelsorgerliche Hilfe nötig wäre, zu kurz. Das liegt daran, dass der Autor den Anspruch der heutigen wissenschaftlichen Beurteilung des Problems, gemäß der Frage des Zusammenhangs von Sucht und Sünde und auch die mögliche Befreiung durch das Evangelium, gänzlich unbeachtet lässt. Neben psychologisch erklärbaren Persönlichkeitskomponenten (Freud), sieht Knoll im gesellschaftlichen Hintergrund einen wesentlichen Faktor für die Suchtentstehung. Deshalb fordert er, dass die Abstinenzverbände nicht nur Hilfsangebote für Betroffene bieten, sondern auch Einfluss auf die Politik nehmen sollen (S. 78). Durch diesen Einfluss sollten die gesellschaftlichen Faktoren, wie die heutige kritiklose Konsumhaltung, verändert werden. Interessant ist die Darstellung der Wirkung der Suchtmittel. Die von Knoll dargelegte, heute übliche Einteilung der Typen der Alkoholabhängigkeit und die Entwicklung zum süchtigen Alkoholiker, gibt einen guten Einblick in die Problematik der Alkoholabhängigen. Die Einteilung der Typen der Alkoholabhängigkeit und die Entwicklung zum Süchtigen werden sehr anschaulich dargestellt. Zwar gibt es schon andere derartige Darstellungen, doch hat der Leser mit Knolls Buch hier eine Hilfe in der Hand, um einschätzen zu können, ob er es mit einem Alkoholkranken zu tun hat und wo die speziellen Probleme beim Abhängigen liegen. S. 97-104 stellt Knoll die heute gängige, sinnvolle Unterteilung der Formen von Alkoholabhängigkeit dar (Alpha-Trinker = Konflikttrinker; Beta-Trinker = Gelegenheitstrinker; Gamma-Trinker = Süchtiger Trinker; Delta-Trinker = Spiegeltrinker (ständig gleich bleibender Alkoholspiegel im Blut); Epsilon-Trinker = Quartalstrinker. Der Darstellung des Krankheitsverlaufes von Alpha und Beta zum Gamma-Trinker, schließen sich Hinweise auf Folgeerkrankungen bei Alkoholikern an (S. 111 – 114). Knoll ordnet Alkohol unter die „harten Drogen“ ein (S. 87). S. 115-120 zeigt er weitere harte Drogen wie Opiate, Kokain und Medikamente in Wirkung und Folgen auf. Ab Seite 125 stellt er die gesamte Breite heutiger Hilfsangebote vor. Dies beginnt bei der Arbeit der Beratungsstellen, geht über die Aktivitäten von Selbsthilfegruppen und schildert die in Suchtkliniken geübte medizinische Hilfe. Von S. 157 anstellt er die größeren Hilfsorganisationen in ihren unterschiedlichen Arbeitsweisen vor: Anonyme Alkoholiker, Blaues Kreuz, Kreuzbund, Guttempler Orden, Freundeskreise. Der abgedruckte kurze Fragebogen zur Selbsteinschätzung kann im Gespräch mit den meist uneinsichtig Betroffenen Gesprächshilfe sein. Der selbst gestellte Anspruch, einen wissenschaftlichen Überblick über das Thema Sucht zu geben, ist Dr. Knoll gelungen. Allerdings kann man dem Buch keine geistlich- seelsorgerliche Kompetenz zuerkennen. Da die biblische Beurteilung der Bindung an die Suchtmittel ausgeblendet ist, gibt es auch keine Hinweise auf den biblischen Weg der Befreiung aus der Macht der Sünde und des Alkohols. Bei Knolls Buch haben wir es mit einem interessanten Handbuch zur Beurteilung von Sucht in ihrer Erscheinung und den heutigen menschlichen Hilfsmöglichkeiten zu tun. Wenn die Sympathie des Autors für das Blaue Kreuz auch hier und da leicht aufblinkt, so hat die Beurteilung der Sucht und die ausschließlich menschlichen Hilfsangebote nichts mit dem ursprünglich geistlichen Ansatz des Blauen Kreuzes als Hilfs- und Missionswerk unter Alkoholikern zu tun. Fazit: Als Sachbuch interessant, geistlich ohne Bedeutung.
Die Rezension/Kritik stammt von: Rainer Wagner
Kategorie: Seelsorge, Hoffnung, Lebenshilfe
Jahr: 2002
ISBN: 3-89175-178-8
Seiten: 192
€ Preis: 13,50 Euro