Slavery Metaphors in Early Judaism and Pauline Christianity
Autor: John Byron
Immer wieder spricht Paulus von sich als einem Sklaven Jesu Christi. Auch an anderen Stellen im NT erscheint dieses in der Antike geläufige Bild, um das Verhältnis zwischen Menschen und Gott bzw. und Christus auszudrücken. Meist wird dieser übertragene Sprachgebrauch aus der griechisch-römischen Umwelt des NT erklärt, in der Sklaverei eine große Rolle spielte, auch wenn sie nicht mit der neuzeitlichen Sklaverei (z.B. aus Onkel Toms Hütte) einfach gleich gesetzt werden darf. Diese gängige Ableitung will der Autor der vorliegenden Studie hinterfragen, indem er aufzeigt, dass Paulus in seinem Gebrauch dieses Bildfeldes von seinem jüdischen Erbe und weniger von der gr.-röm. Praxis der Sklaverei bestimmt war. Im ersten Teil untersucht Byron die Sklavereimetaphern im AT und in der früh jüd. Literatur, in der er eine entwickelte Tradition entdeckt, gemäß derer die Juden dazu kamen, sich als Sklaven Gottes zu verstehen. Zunächst gibt Byron einen Überblick über den lexikalischen Befund von Genesis bis Philo von Alexandrien (22-36) und anschließend einen Überblick über Sklaverei im alten Vorderen Orient und in Israel. In der Befreiung aus Ägypten liegt der Ursprung der Versklavung Israels an Gott. Das Volk wurde aus der Sklaverei befreit, um nun Gottes Sklaven zu sein. Diese Beziehung und Verpflichtung Gott gegenüber beruht auf der Bundestreue Israels und der alleinigen Anbetung Gottes. Als Sklaven Gottes konnten die Israeliten nur Gott dienen und gehorchen. Israel identifiziert sich selbst in einem Sklavenverhältnis. Das wird auch von Gott und anderen so gesehen (37-59). Die folgenden Kapitel beleuchten, wie verschiedene früh jüd. Schriften und Autoren die tatsächliche Versklavung Israels (obwohl sie doch Gottes Sklaven waren) an verschiedene Mächte in der atl. und zwischentestamentlichen Geschichte theologisch verstanden und darlegten, wie Juden mit dieser Versklavung umgehen sollten (60-139). Im zweiten Teil beleuchtet Byron die Bedeutung der Sklavereimetaphorik in vier Paulusbriefen. Wenn Paulus auf diese Weise von sich und anderen spricht, greift er also auf eine lange und wohl definierte atl.-frühjüd. Tradition zurück und verwendet zugleich Begriffe, die seinen Hörern und Lesern bekannt waren und die sie freilich nicht nur atl.-frühjüd. gefüllt haben. Im Kapitel zum Philipperbrief (160-80) geht es überwiegend um die Beschreibung Jesu in Kap 2,6-11 als dem Sklaven Gottes („... er entäußerte sich selbst und nahm die Gestalt eines Sklaven an“), um ihre Bedeutung im Gesamtzusammenhang des Briefes und knapp um die Selbstbezeichnung des Paulus und Timotheus als Sklaven Christi (1,1; 2,22). Die Beschreibung des Sklavenweges und -dienstes Jesu (Erniedrigung - Gehorsam - Erhöhung) weist darauf hin, wie Paulus seine eigene Versklavung an Christus verstanden hat. Kapitel elf untersucht „Sklaverei und Freiheit im Galaterbrief“ (181-202). Zunächst beleuchtet Byron die Sklavereibilder in 4,1-10 und die folgende Gegenüberstellung von Sara und Hagar. Dann geht es um Freiheit und Sklaverei im Gesetz Christi. Paulus betont, dass man nicht ein Sklave Christi sein kann und zugleich Menschen zu gefallen sucht. Die durch Christus in einer Art zweiter Exodus von der Sklaverei der Sünde befreiten Heiden würden im Gesetzesgehorsam ihre Freiheit verlieren und eine ähliche Versklavung wie vor ihrer Bekehrung erleben. Diese Frei heit dient allerdings nicht zur Selbstverwirklichung, sie ist viel mehr die Gelegenheit frei vom Gesetz zu sein und es zugleich zu erfüllen. Die Sklaven Christi folgen dem Gesetz Christi. Hier (wie auch im folgenden Kapitel) spielt die paulinische Selbstbezeichnung als Sklave Jesu eine untergeordnete Rolle. Zu fragen wäre, ob diese Selbstbezeichnung nicht ein eigenes Kapitel und eine Einordnung in die anderen Selbstbezeichnungen des Apostels verdient hätte (trotz der methodischen Einwände des Autors auf S. 146). Im Römerbrief untersucht Byron die Versklavung an die Sünde und an Gott (203-33). Die ausführlichen Sklavereibilder in Kapitel 6, 7 und 8 werden ausführlich behandelt, knapp erscheinen die Vorkommen in Kap 12, 14, und 16. Es geht um die Wahl des Herren, dem man dient und die Folgen, sei es der Sünde zum Tod oder Christus zum Leben, so Kap 6. Abschließend will Byron die Selbstbezeichnung „Paulus, ein Sklave Christi Jesu“ in 1,1 von den zahlreichen Vorkommen der Sklavenmetaphorik im Rest des Briefes ableiten. Sklaven Gottes sind Menschen, die sich in der Taufe mit Christus identifiziert haben und dem Verhalten Christi nachfolgen. Wenn sich also Paulus als „Sklave“ Jesu Christi bezeichnet, dann hebt er weniger einen besonderen Status hervor, sondern erklärt seine gemeinsame Position mit allen Gläubigen, das zur Einleitung des Römerbriefs und zum Briefduktus gut passt. Die Beobachtung aufgrund des innerbrieflichen Gebrauchs spricht gegen den Vorschlag, die Selbstbezeichnung von der alttestamentlichen Bezeichnung hoher Beamter von Königen als „Knechten“ her zu verstehen (z.B. in 1Sam 18,5.30; 19,4 LXX). Im 1. Korintherbrief liegt der Schwerpunkt auf Freien und Sklaven (234-57; „Der Freie und der Sklave Christi in 7,21-24“, „Paulus der freiwillige Sklave Christi in 9,16-23). Weder Freiheit noch Sklaverei sind entscheidend für Paulus, sondern der gehorsam Christus gegenüber. Eine Zusammenfassung (258-63), Literaturverzeichnis und verschiedene Register runden den Band ab. Leider fehlt ein einleitender sprachwissenschaftlicher Abschnitt über das Verständnis von Metaphern, wie er sich in fast allen der anderen neueren Studien zu einzelnen biblischen Metaphern findet. Handelt es sich z.B. bei der Rede von der Versklavung Gott gegenüber teilweise um tote Metaphern, also um feststehende Redewendungen, bei denen die ursprüngliche Übertragung gar nicht mehr präsent ist? Zu fragen wäre auch, welche Rolle dieses Metaphernfeld anderswo im NT spielt (z.B. Mt 6,24; 1Petr 2,16; vgl. ThWNT II, 276-83; in den anderen Paulusbriefen geht es weniger um Sklavereimetaphern – nur Kol 1,7; 2Tim 2,4; Tit 1,1; 2,3; 3,3 –, sondern um tatsächliche Sklaven, S. 145, z.B. in den Haustafeln, vgl. jedoch Kol 3,25), mit welchen anderen Begriffen das NT von dem gleichen Verhältnis spricht (z.B. Loskauf/loskaufen oder Lösegeld, Jesus als der Herr) und ob und wie Paulus auch mit dieser Metaphorik auf den Wegen Jesu geht (vgl. z.B. Joh 8,34). Wenn auch keine leichte Lektüre, so ist diese Studie ein wichtiger Beitrag zum Verständnis dieser Redewendung, zum Selbstverständnis des Paulus und seiner Mitchristen, der christlichen Existenz überhaupt sowie zur paulinischen Christologie. In der Anwendung wäre zu fragen, ob die gemeinte Sache heute ebenfalls durch die Sklavereibilder ausgedrückt werden kann und muss (wobei dann das Bild erläutert werden muss – gerade von seinem jüdischen Hintergrund her – bzw. moderne Missverständnisse der antiken Sklaverei klar gestellt werden müssen!) oder ob es heute geläufigere Bilder gibt, um die gleichen Inhalte angemessen ausdrücken zu können. Freilich liegt gerade in dieser Metapher ein wichtiges Korrektiv für manche Christen heute, die ihre Freiheit betonen (und beherzt) ausleben ohne zu bedenken, dass christliche Freiheit nur in der Bindung, im Sklavendienst Christus gegenüber und gemäß seinem Vorbild zu haben ist: „Christen sollen gehorsame Sklaven Christi werden und das Beispiel des gehorsams Christi Gott gegenüber nachahmen. Dieser Christus-gemäße Gehorsam wird er reicht durch Gehorsam gegenüber dem Gesetz Christi, d. h. in dem das Muster Christi von Erniedrigung-Gehorsam-Erhöhung nachgeahmt wird“ (260). In diesem Gehorsam liegt paradoxerweise die christliche Freiheit. Abschließend ist auf M. J. Harris, Slave of Christ: A New Testament Metaphor for Total Devotion to Christ, New Studies in Biblical Theology 8 (Downers Grove: IVP; Leicester: Apollos, 2001, 224 S.) als eine Studie aus evangelikaler Perspektive hinzuweisen.
Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
Kategorie: Sonstiges