Rock-, Pop- und Technomusik und ihre Wirkungen
Autor: Adolf Graul
Seit Jahrzehnten haben sich viele Bücher, Artikel und Vorträge mit den unterschiedlichsten Aspekten zur Verwendung verschiedener Musikstile und dem Gebrauch von Instrumenten in sogenannter christlicher Musik beschäftigt. Nicht nur Fragen zu privaten Hörgewohnheiten, sondern insbesondere die Eignung für Evangelisation und Gemeindezusammenkünfte haben dabei immer wieder Diskussionen entstehen lassen, die auf allen Seiten zeitweise sehr emotional und leider zum Teil auch verurteilend waren. In diesem Buch von Adolf Graul wird aufgrund von Grauls Ausbildung, seiner langjährigen Erfahrung und besonders durch den Untertitel des Buches die Erwartung geweckt, dass den Leser eine fundierte und sachliche Ausarbeitung zu einem Thema erwartet, welches sich unter Christen leider zu einem Dauerbrenner mit viel Konfliktpotential entwickelt hat. Gelingt Graul mit seinem Buch, den Anspruch des Titels und die Erwartungen der Leser zu erfüllen? Der Eindruck, der nach dem Lesen des Buches bleibt, ist zwiespältig. Graul führt viele belegte Fakten auf, wie Musik auf Zuhörer wirken kann. Besonders hohe Lautstärken und monoton hämmernde Rhythmen und Bässe, wie sie in der Hard-Rock- oder Techno-Szene üblich sind, bewirken die beabsichtigten aber negativ zu beurteilenden Auswirkungen bei den Hörern. Graul bringt Beispiele und lässt Betroffene zu Wort kommen. Er weist berechtigterweise auf viele Gefahren hin, die „unsachgemäßer Gebrauch“ von Musik in sich birgt. Als Maßstab für den rechten Gebrauch nennt er die Bibel. Das alles hört sich gut an und findet auch meine Zustimmung wie wohl auch die der meisten Leser. Leider wird das Buch trotzdem dem Anspruch nicht gerecht, da das Vorgehen Grauls und auch viele seiner Aussagen nichts mehr mit Fakten und Seriosität zu tun haben, das sich „wissenschaftliches Arbeiten“ nennen dürfte. Letztlich bestätigt Graul sogar selbst, dass er den Boden der Wissenschaft bewusst verlässt, weil es ihm auf etwas anderes ankommt. „Sicherlich ist unser Wissen nur Stückwerk betreffs der letzten Geheimnisse des Zusammenwirkens der drei menschlichen Wesensschichten von Leib, Seele und Geist und in welcher unterschiedlichen Art und Weise diese mittels Musik bewegt werden können. Offenbar spielen dabei die bisher wenig erforschten quantenphysikalischen Vorgänge eine Rolle, und wir haben es darüber hinaus dann auch letztlich mit metaphysischen Auswirkungen zu tun, die nicht mehr mit physikalischen Messmethoden fassbar sind.“ S. 14 (Hervorhebungen durch den Rezensenten). Und weiter „Hierbei begrenzen sich die Ausführungen auf die in Frage gestellten zeitaktuellen Popularmusikstilarten, wobei vornehmlich die grundsätzlich verschiedenen Auswirkungen von einseitig taktrhythmischer Musikausübung gegenüber atemrhythmisch ausgerichteter Musikpraxis im Mittelpunkt stehen. Insofern ist diese Darstellung bewusst nicht in der üblichen Form einer wissenschaftlichen Darstellungsweise verfasst, sondern mehr unter seelsorgerlichen Aspekten.“ Für den überwiegenden Teil des Buches muss leider gesagt werden, dass Graul tatsächlich nicht sachlich, nicht wissenschaftlich und nicht einmal biblisch/geistlich vorgeht. Er mischt unzweifelhafte, aber unpassende Erkenntnisse mit seinen Theorien zu einem gefährlichen Halbwissen, das er den Lesern aber als Tatsache präsentiert, und sie damit in eine Richtung manipuliert. Das geschieht durch: Auf diese Weise kommt Graul zu einer Schlussfolgerung, die jegliche Differenzierung vermissen lässt. Es wird stark polarisiert, wobei der von Graul als „erlaubt“ gekennzeichnete Bereich sehr schmal ausfällt. Letztlich laufen Grauls Ausführungen darauf hinaus, dass er jede Musik mit Taktrhythmus als gefährlich und ungeistlich ablehnt. Das beginnt bereits mit dem Schlagen der Gitarre statt des von ihm bevorzugten Zupfens (S. 136/137). Damit bleibt für ihn auf der positiven Seite nur noch freier Gesang, wobei allein die Atmung des Sängers Tondauer, Tonfolge, Tempo und Lautstärke bestimmt. Er nennt diese Art der „erlaubten“ Musik „atemrhythmisch“. Wendet man Grauls strenge Maßstäbe wirklich an, entspricht seit der Mensuralmusik des Mittelalters bis ca. 1600 keine Musik der letzten vierhundert Jahre seiner Vorstellung, bis auf wenige sehr kurze Teile von Werken, z.B. Solokadenzen. Hätte Graul sich an den Aussagen in 1Kor 6,12 orientiert: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich. Alles ist mir erlaubt, aber ich will mich von nichts beherrschen lassen.“ und wäre ausgewogen und sachlich korrekt geblieben, hätte ein gutes Buch entstehen können. Fazit: Leider muss gesagt werden, dass dies Buch dem Anspruch, unter dem es vermarktet wird, nicht gerecht wird. Grauls Ausführungen sind trotz guter Ansätze letztlich pseudowissenschaftlich und bedienen sich geschickt Halbwahrheiten und suggestiver Formulierungen. Er operiert mit den Ängsten der Leser und schreckt auch vor der falscher Anwendung von Bibelstellen nicht zurück. Alles in allem kann ich dieses Buch nicht empfehlen.
Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Hammer
Kategorie: Sonstiges
Jahr: 2010
ISBN: 978-3-86699227-6
Seiten: 320
€ Preis: 8,90 Euro