Religiöser Pluralismus und die Wahrheitsfrage
Autor: Harold A. Netland
Veröffentlichungen, in denen in der gegenwärtigen Zeit des Pluralismus das Thema der Wahrheit behandelt wird, sind notwendig. Es gibt zu viele Einheitsbestrebungen, die auf Kosten der Wahrheit gehen. Im vorliegenden Buch behandelt der Verfasser die Frage, wie die Beziehung der christlichen Lehre zu den anderen Religionen zu fassen ist - eingedenk dessen, dass deren zentrale Aussagen nicht mit der biblischen Lehre vereinbar sind, ja ihr widersprechen. Der Verfasser referiert zunächst kurz einige evangelikale und römisch-katholische Auffassungen zu diesem Themenkomplex und versucht dann die Antworten einiger Weltreligionen (Hinduismus, Buddhismus, Islam, Shintoismus) auf folgende drei Fragen darzustellen: Was ist das eigentliche Ziel der Religion? Worin besteht im Wesen die Not des Menschen? Welcher Art ist die Erlösung/Erleuchtung/Befreiung? In Kapitel 4 werden verschiedene Auffassungen behandelt, in denen heute in der Theologie die Beziehung zwischen Religion und Wahrheit betrachtet werden. Hier konfrontiert er sich u.a. mit Auffassungen wie: "Wahrheit als Begegnung" (Brunner), Wahrheit als das Unsagbare, religiöse Wahrheit ist eine höhere Form von Wahrheit. Seine Schlussfolgerung lautet: Jede erkenntnistheoretisch akzeptable Theorie über die religiöse Wahrheit muss erkennen, dass Glaubensinhalte ein wesentlicher Bestandteil der Religion sind und dass die Wahrheit in der Religion wie auch in anderen Bereichen Vorstellungen von der propositionalen und exklusiven Wahrheit berücksichtigen muss. Netland setzt sich auch mit der gesellschaftlichen Bedeutung der Religion auseinander, also unter anderem mit dem Funktionalismus. Auch konfrontiert er sich mit der Ansicht (Kapitel 6), nach der alle Religionen zwar unterschiedliche Wege seien, aber zum gleichen Ziel führen würden. Schließlich geht der Verfasser auf den Ausschließlichkeitsanspruch Jesu ein und stellt sie einigen heute aktuellen theologischen Theorien (Hicks, Knitter)gegenüber. Hier schneidet er die Frage an, was mit denen geschieht, die noch nie von der Botschaft des Neuen Testamentes gehört haben. Dazu beruft er sich auf die Lausanner Verpflichtung von 1974, führt verschiedene Evangelikale an, unter anderem John Stott und Bloesch. Insgesamt bietet das Buch einen aufschlussreichen Überblick über die verschiedenen Antworten, die heute zum Thema Ausschließlichkeitsanspruch, das heisst Wahrheitsanspruch des Christentums gegeben werden. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, etwas weniger Fragen anzuschneiden, dafür dann aber etwas ausführlicher, klarer, unzweideutiger auf die angeschnittenen Themen biblisch verankerte und begründete Antworten zu geben. Was soll man damit anfangen, wenn er auf die Frage, ob jenseits des Grabes Erlösung möglich ist, einen anderen Theologen zitiert, der diese Frage mit Verweis auf Jes 26,19; Joh 5,25-29; Eph 4,8,9; 1Petr 3,19-20; 4,6 bejaht, um dann fortzufahren: "Es ist nicht unsere Absicht gewesen, die schwierige Frage zu klären, welches Schicksal auf diejenigen zukommen wird, die noch nie von der Botschaft Jesu Christi gehört haben, sondern wir wollten nur deutlich machen, wie unterschiedlich die Meinungen zu diesem heiklen Problem unter den Evangelikalen sind" (S. 220). Wenn es nicht die Absicht des Verfassers ist, auf diese Frage einzugehen, dann soll er das Thema auch nicht anschneiden. Die Bindung des Buches lässt zu wünschen übrig. Schon beim zweiten Durchlesen ist meines auseinandergefallen. Siebzehn Druckfehler zählte der Rezensent. Das ist etwas viel, auch wenn keiner sinnentstellend ist. Trotzdem: Insgesamt ist das Buch schon wegen seiner brisanten, aktuellen Thematik lesenswert, also zu empfehlen.
Die Rezension/Kritik stammt von: Jürgen-Burkhard Klautke
Kategorie: Sonstiges
Jahr: 1999
ISBN: 3-933372-21-6
Seiten: 259
€ Preis: 14,95 Euro