Protestantischer Fundamentalismus in den USA und Deutschland
Autor: Erich Geldbach
Geldbach, der seine Doktorarbeit über Heilsgeschichte bei John Nelson Darby schrieb und ursprünglich aus einer Brüder-Gemeinde kommt, lehrt jetzt an der evangelisch-theologischen Fakultät der Uni Bochum als Professor für "Ökumenische Theologie". Er betrachtet sich offenbar als Baptist, ist Vorsitzender des "Vereins für Freikirchenforschung" und hat durch seine Vorträge und Aufsätze großen Einfluss im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Mit seinen Studien will er einen Beitrag zum Verständnis des protestantischen Fundamentalismus leisten (S. 10). Herausgekommen ist jedoch eine gehässige Abrechnung mit den bibeltreuen Evangelikalen im wissenschaftlichen Gewand. In 20 Kapiteln, die zum Teil auf kleinere Aufsätze oder Vorträge zurückgehen, handelt der Verfasser den Fundamentalismus in Amerika und Deutschland ab. Zunächst zieht er gegen den Dispensationalismus zu Felde, einer heilsgeschichtlich orientierten Schriftauslegung. Er behauptet pauschalisierend: "Die Zuordnung biblischer Texte zu den Heilsbünden macht die Bibelauslegung zu einer extrem willkürlichen Angelegenheit" (S. 18). Die Folgerung, die er daraus zieht, ist schlicht falsch: "Es ist daher auch mehr als gewagt, wenn sich in Deutschland Fundamentalisten als ‚bibeltreu´ bezeichnen" (S. 18). Die wenigsten Bibeltreuen in Deutschland würden sich als Dispensationalisten in der Nachfolge Darbys bezeichnen. Es ist außerdem nicht fair, die Fehler eines extremen Dispensationalismus den Bibeltreuen anzuhängen. Doch der Verfasser behauptet kühn, dass alle Fundamentalisten die Bibel falsch lesen würden (S. 30). Die im Kapitel 2.8.3 behandelte Princeton-Theologie hat übrigens überhaupt nichts mit dem Dispensationalismus zu tun. Weiterhin beschreibt Geldbach wie die Fundamentalisten in gewissen Denominationen und Bibelschulen an die Macht gekommen seien und Einfluss gewonnen hätten, wie sie sich manchmal mit extremen Rechten verbünden würden, und überhaupt amerikanische Patrioten und Israelfreunde seien. Gewiss ist es bei bibeltreuen Autoren in Amerika und Deutschland auch zu Auswüchsen und Spekulationen über die Endzeit gekommen. Das kann man aber den meisten Fundamentalisten nicht anlasten. Aber natürlich ist es leichter, sich mit Populisten wie Jerry Falwell und Hal Lindsey auseinander zu setzen, wissenschaftlich redlich ist es nicht. Wenn Geldbach auf S. 43 behauptet, dass die Priceton-Theologie "die Bibel durch vorgeschaltete dogmatische Aussagen aus dem geschichtlichen Verstehenshorizont herausheben wollte", dann muss man annehmen, dass er nie in eine Auslegung von Hodge oder Warfield hineingeschaut hat, die sich gründlich mit den geschichtlichen Zusammenhängen biblischer Aussagen befassen. Dass die südlichen Baptisten in ihrer Rechenschaft vom Glauben festgeschrieben haben, dass "das Amt des Pastors auf Männer begrenzt ist, wie durch die Schrift ausgewiesen", wird von Geldbach als ein Verlassen der baptistischen Grundsätze interpretiert. Er vergisst, dass dies eigentlich immer Grundsatz in Baptistengemeinden war und erst im Lauf des vergangenen Jahrhunderts von immer mehr Baptistenbünden, auch vom deutschen, abgeschafft wurde. Geldbach unterstellt den Fundamentalisten generell unlautere Motive, denn es ginge ihnen um die Machtfrage (S. 141), sie wollten sich über den Erziehungs- und Bildungssektor Eingang verschaffen und wenn sie sich militant genug in Schulausschüssen gebärdeten, wird wohl "auch der Kreationismus in die Klassenzimmer einiger freier Bekenntnisschulen Einzug halten" (S. 134f). Der Kreationismus oder die Schöpfungsforschung ist überhaupt eines der Schreckgespenster für Geldbach und er polemisiert: "Insbesondere in den Büchern von Werner Gitt findet sich indes wenig ‚naturwissenschaftliches Faktenwissen´, dafür aber umso mehr theologisch-fundamentalistische Aussagen" (S.143). Wie es indes um sein eigenes naturwissenschaftliches Faktenwissen steht, wird auf S. 148 deutlich wo er schreibt: "Selbst die Studiengemeinschaft ´Wort und Wissen´, zu denen Gitt gehört und die zu den Hauptträgern des Fundamentalismus in Deutschland zählt, räumt in einem Papier ein, dass es eine Mikroevolution gegeben haben muss." Offensichtlich hat er nicht den fundamentalen Unterschied zwischen Mikroevolution und Makroevolution begriffen. Der Verfasser wundert sich darüber, wie eigenartig es sei, "dass gerade in den Naturwissenschaften ... fundamentalistische Akademiker hochgradig spekulative theologische Positionen hervorbringen" (S. 152) und konstatiert: "Das Zusammenfließen von naturwissenschaftlichem Denken und ‚frommer´ Exegese unter der Voraussetzung einer Irrtumslosigkeit der heiligen Schrift bringt Ergebnisse hervor, die bestenfalls als Vermutungen, eigentlich als schlimme Zerrbilder einzustufen sind." (S. 153) Eine Antwort darauf wäre, dass Naturwissenschaftler im Gegensatz zu gewissen Theologen eben gelernt haben, geradeaus zu denken und es gewohnt sind, von Fakten auszugehen. Wie perfide Geldbach argumentiert, kommt besonders in seinem Schlusskapitel zum Ausdruck: "Fundamentalisten sind in den wenigsten Fälle bereit zum Zuhören, dafür umso mehr geneigt, zu reden, weil dies ihrem Auftrag entgegenkommt und weil sie auf diesem Weg ihre tief sitzenden Ängste nicht an die Oberfläche gelangen lassen" (S. 171). Aber auch schon im Vorwort dokumentiert er seine Voreingenommenheit: "Der Fundamantalismus ... stachelt zu Fanatismus auf, nimmt Menschen gänzlich gefangen, ideologisiert die Religionen und trägt somit nicht zu einem friedlichen Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft bei" (S. 9). Auch Geldbachs Buch dürfte eher ein Feindbild erzeugen, als Verständnis für Christen erwecken, die ihr Glaubenshaus nicht in die Wolken theologisch-bibelkritischer Spekulationen setzen wollen, sondern auf den festen Grund der Heiligen Schrift. Übrigens führte eine Nachlässigkeit bei der Satzherstellung auf S. 28-29 und 32-33 zu einer Verdoppelung von Satzbruchstücken.
Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte